Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
SG Aachen (NRW)
Sachgebiet
Entschädigungs-/Schwerbehindertenrecht
Abteilung
12
1. Instanz
SG Aachen (NRW)
Aktenzeichen
S 12 VS 7/10
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Beklagte wird unter teilweiser Aufhebung des Bescheides vom 00.00.2009 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 00.00.2010 verurteilt, dem Kläger für die Wehrdienstbeschädigung einer posttraumatischen Belastungsstörung, Leistungen nach dem SVG i.V.m. BVG in gesetzlicher Höhe unter Berücksichtigung eines GdS von 50 zu gewähren. Die Beklagte trägt die außergerichtlichen Kosten des Klägers dem Grunde nach.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist das Vorliegen einer Wehrdienstbeschädigung sowie der hieraus resultierende Grad der Schädigungsfolgen (GdS) streitig.
Der am 00.00.1958 geborene Kläger war bis zu seinem vorzeitigem Ausscheiden aus dem Dienst Berufsoldat der Bundeswehr, zuletzt im Rang eines Hauptmanns. Am 00.00.2007 war der Kläger als Ausbilder auf dem Truppenübungsplatz N. im Rahmen des Lehrgangs "Fachkunde Munition für Offiziere" tätig. Während der Vorbereitung der Sprengstellen für die praktische Prüfung im Vernichten von Munition detonierte in etwa 30 Meter Entfernung zum Kläger eine Splitter-Handgranate Typ DM 41 A1 und verletzte einen Kameraden des Klägers schwer. Der Kläger wurde unmittelbar Zeuge der Detonation und der schweren Verletzungen des Kameraden. Vor diesem Unfall war es zwischen dem Kläger und dem später Verletzten zu Missverständnissen hinsichtlich der "Sicherheit" der dann detonierten Handgranate gekommen.
Der Kläger litt bereits nach dem Sprengunfall stark unter dessen Eindrücken und teilte dies auch im Rahmen der truppenärztlichen Versorgung im B. 2007 mit. Er wurde daraufhin an die Neurologin, Psychiaterin und Psychotherapeutin Dr. L. überwiesen. In der Zeit vom 00.00. bis 00.00.2007 und vom 00.00. bis 00.00.2008 fand eine stationäre Behandlung des Klägers im Bundeswehrzentralkrankenhaus in Koblenz statt. Seit dieser Zeit ist der Kläger in regelmäßiger ambulanter psychotheraeutischer Behandlung. Zuletzt wurden ihm weitere 50 Therapiestunden bei Dr. G., Facharzt für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie, verordnet.
Am 00.00.2008 machte Stabsarzt N. auf Antrag des Klägers eine erste ärztliche Mitteilung über eine mögliche Wehrdienstbeschädigung (WDB). Die Beklagte wertete daraufhin die vorliegenden medizinischen Berichte aus, ermittelte beim Kläger selbst und dessen Dienstvorgesetzten den Unfallhergang vom 00.00.2007 und holte schließlich eine versorgungsmedizinische gutachterliche Stellungnahme nach Aktenlage durch Frau Dr. T., Ärztin für Psychosomatik und Psychotherapie, ein. Diese kam zunächst zu der Auffassung, der Kläger leide unter einer abgeklungenen posttraumatischen Belastungsstörung mit leichter depressiver Reaktion. Diese bedinge indes keinen Grad der Schädigungsfolgen (GdS) von mindestens 25 für die Dauer von wenigstens sechs Monaten. In einer weiteren Stellungnahme korrigierte sie die Leidensbezeichnung in "posttraumatische Belastungsstörung, abgeklungen". Die depressive Episode sei nicht schädigungsbedingt.
Mit Bescheid vom 00.00.2009 stellte die Beklagte bei dem Kläger fest, dass die Gesundheitsstörung "Posttraumatische Belastungsstörung, abgeklungen" Folge einer Wehrdienstbeschädigung ist und zwar hervorgerufen durch schädigende Einwirkungen im Sinne des § 81 SVG. Die weiterhin vorliegende Gesundheitsstörung "depressive Episode" sei demgegenüber nicht Folge einer WDB. Ein Anspruch auf Ausgleich nach § 85 SVG bestehe nicht, da kein GdS von mindestens 25 vorliege. Gegen diesen Bescheid legte der Kläger am 00.00.2009 Widerspruch ein, der jedoch mit Widerspruchsbescheid vom 00.00.2010 als unbegründet zurückgewiesen wurde.
Hiergegen richtet sich der Kläger, vertreten durch seine Prozessbevollmächtigte, mit der am 00.00.2010 erhobenen Klage. Er führt aus, die psychischen Folgen des Unfallerlebens verfolgten ihn weiterhin in erheblichem Maße. Ein GdS von weniger als 25 sei keinesfalls leidensgerecht.
Er beantragt,
die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 06.07.2009 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 00.00.2010 zu verurteilen, bei dem Kläger Leistungen gemäß § 85 SVG in gesetzlicher Höhe unter Berücksichtigung eines Grades der Schädigungsfolgen von 50 zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Zur Begründung wiederholt und vertieft sie ihr Vorbringen aus dem Verwaltungs- und Widerspruchsverfahren und beruft sich auf die Ausführungen der Oberfeldärztin L. im Rahmen des Gerichtsverfahren.
Der Beigeladene hat keinen Antrag gestellt.
Mit Schriftsatz vom 00.00.2010 hat die Beklagte ein Vergleichsangebot dahingehend unterbreitet, dass der GdS mit 40 für die posttraumatische Belastungsstörung des Klägers festgestellt werden könne. Dieses Vergleichsangebot hat der Kläger nicht angenommen.
Das Gericht hat Beweis erhoben durch Einholung eines Befundberichts der Diplom-Psychologin W. sowie eine psychiatrischen Gutachtens des Arztes für Neurologie, Psychatrie und Psychotherapie Dr. H. nebst ergänzenden Stellungnahme.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte sowie die beigezogene Verwaltungsakten der Beklagten und des Beigeladenen, deren wesentlicher Inhalt Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist, Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die gegen die Bundesrepublik Deutschland gerichtete Klage, mit der der Kläger die Feststellung eines höheren GdS für die Zeit bis zum Dienstzeitende begehrt ist zulässig und begründet. Die angefochtenen Bescheide sind rechstwidrig und der Kläger durch sie in seinen Rechten gemäß § 54 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) verletzt. Die beim Kläger festgestellte Gesundheitsstörung einer posttraumatischen Belastungsstörung ist Folge einer Wehrdienstbeschädigung im Sinne des § 81 SVG und bedingt einen GdS von 50, weswegen die Beklagte gemäß § 85 SVG zur Gewährung von Leistungen nach dem SVG i.V.m. dem BVG in gesetzlicher Höhe verpflichtet ist.
Eine gesundheitliche Schädigung ist nach § 81 SVG dann eine Wehrdienstbeschädigung, wenn sie durch eine Wehrdienstverrichtung, durch ein während der Ausübung des Wehrdienstes erlittenen Unfall oder durch die dem Wehrdienst eigentümlichen Verhältnisse herbeigeführt worden ist. Für den ursächlichen Zusammenhang zwischen der Gesundheitsstörung und einem schädigenden Tatbestand im Sinne des § 81 SVG reicht die Wahrscheinlichkeit der Kausalität gemäß § 81 Abs. 6 SVG aus. Dies bedeutet, dass nach geltender medizinsch-wissenschaftlicher Lehrmeinung mehr für als gegen einen ursächlichen Zusammenhang spricht (vgl. Rohr/Sträßer/Dahm, Bundesversorgungs-gesetz, Kommentar, Stand: Juni 2010, § 1-61). Darüber hinaus kann eine Gesundheitsstörung gemäß § 81 Abs. 6 Satz 2 SVG mit Zustimmung des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales auch dann als Folge einer Wehrdienstbeschädigung anerkannt werden, wenn die zur Anerkennung einer Gesundheitsstörung als Wehrdienstbeschädigung erforderliche Wahrscheinlichkeit nur deshalb nicht gegeben ist, weil über die Ursache des festgestellten Leidens in der medizinischen Wissenschaft Ungewissheit besteht (sog. "Kannversorgung, vgl. dazu etwa Bundessozialgericht, Urteil vom 17.07.2008, B 9/9a VS 5/06 R). Der Kläger ist während seiner Dienstzeit als Ausbilder unmittelbarer Augen- und Ohrenzeuge eines Unfalls mit einer Handgranate geworden. Hierdurch hat sich beim Kläger, dies ist zwischen den Beteiligten unstreitig, eine posttraumatische Belastungsstörung entwickelt. Streitig ist lediglich noch, wie ausgeprägt diese - während des hier allein streitigen Zeitraums bis zur Beendigung der Dienstzeit des Klägers - war. Während die Beklagte den insoweit maßgeblichen GdS mit 40 beziffert, kommt der vom Gericht bestellte Gutachter Dr. H. zu der Auffassung, der GdS sei derzeit mit 50 zu bewerten. Für die Zeit davor sei tendenziell von einem höheren GdS auszugehen. Dieser lasse sich aber nicht (mehr) näher belegen.
Für die Kammer steht nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme fest, dass der GdS des Klägers in der hier fraglichen Zeit jedenfalls 50 betragen hat.
Gemäß § 80 SVG i.V.m. § 30 BVG ist der Grad der Schädigigungsfolgen nach den allgemeinen Auswirkungen der Funktionsbeeinträchtigungen, die durch die als Schädigungsfolge anerkannten körperlichen, geistigen oder seelischen Gesundheitsstörungen bedingt sind, in allen Lebensbereichen zu beurteilen. Dabei ist der GdS nach Zehnergraden von 10 bis 100 zu bemessen. Vorübergehende Gesundheitsstörungen sind nicht zu erfassen, wobei als vorübergehend ein Zeitraum bis zu sechs Monaten gilt. Nach Teil A Ziffer 3 der Anlage zu § 2 der aufgrund § 30 Abs. 17 Bundesversorgungsgesetzes (BVG) erlassenen Verordnung zur Durchführung des § 1 Abs. 1 und 3, des § 30 Abs. 1 und des § 35 Abs. 1 BVG (Bundesgesetzblatt I 2008, 2412 - Versorgungsmedizin-Verordnung) vom 10.12.2008 (Versogungsmedizinische Grundsätze), gilt, dass bei der Ermittlung des Gesamtgrades der Behinderung rechnerische Methoden, insbesondere eine Addition der Einzelgrade der Behinderung, nicht zulässig sind. Vielmehr ist bei der Beurteilung des Gesamtgrades der Behinderung in der Regel von der Funktionsbeeinträchtigung auszugehen, die den höchsten Einzelgrad der Behinderung bedingt und dann im Hinblick auf alle weiteren Funktionsbeeinträchtigungen zu prüfen, ob und inwieweit hierdurch das Ausmaß der Behinderung größer wird, ob also wegen der weiteren Funktionsbeeinträchtigungen dem ersten Grad der Behinderung 10 oder 20 oder mehr Punkte hinzuzufügen sind, um der Behinderung insgesamt gerecht zu werden. Hierbei ist gemäß Teil A Ziffer 3 lit d) ee) der Versorgungsmedizinischen Grundsätze zu beachten, dass leichtere Gesundheitsstörungen mit einem Einzelgrad der Behinderung von 10 nicht zu einer Erhöhung des Gesamtgrades der Behinderung führen, selbst wenn mehrere dieser leichteren Behinderungen kumulativ nebeneinander vorliegen. Auch bei Leiden mit einem Einzelgrad der Behinderung von 20 ist es vielfach nicht gerechtfertigt, auf eine Zunahme des Gesamtausmaßes der Behinderung zu schließen.
Gemäß Teil B Ziffer 3.7 der Versorgungsmedizinischen Grundsätze ist bei Folgen von psychischen Traumen auf deren Auswirkungen auf die Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit bzw. auf etwaig vorhandene soziale Anpassungsschwierigkeiten abzustellen. Der Kläger hat sich, dies steht für die Kammer aufgrund der Ausführungen des Klägers und seiner Ehefrau im Rahmen der mündlichen Verhandlung sowie der Feststellungen des Gutachters Dr. H. fest, seit dem Unfallereignis erheblich in seiner Persönlichkeit verändert. Er ist ängstlicher und verschlossener geworden und in weitem Ausmaß Vitalität, Elan und vor allem die Fähigkeit, Vertrauen zu anderen Personen aufzubauen, eingebüßt. Bei Situationen, Geräuschen oder sonstigen Anlässen, die ihn an das Unfallereignis der Detonation erinnern (bspw. Zuschlagen einer Tür oder laute Geräusche), setzen auch heute noch heftige Fluchtreaktionen ein. Nach den glaubhaften Schilderungen seiner Ehefrau leidet auch die Ehe unter den Veränderungen, die der Kläger seit dem Unfallereignis mitgemacht hat. Auf der anderen Seite ist freilich zu berücksichtigen, dass der Kläger jedenfalls in der Lage ist, eine Kfz-Selbstwaschanlage zu betreiben. Insgesamt, dessen ist sich die Kammer bewusst, ist das Bild, welches die Psyche des Kägers zeigt, komplex und eine trennscharfe Bewertung des GdS dementsprechend schwierig. Allerdings ist auch zu berücksichtigen, dass sich regelmäßig die Folgen posttraumatischer Belastungsstörungen, mit zunehmender zeitlicher Entfernung vom Geschehen, verringern. Anhaltspunkte für die bei der Bewertung solch komplexer Zusammenhänge bietet auch zweifellos die von der Beklagten herangezogene Bad Pyrmonter Klassifikation von psychischen Traumafolgen bei Polizeibeamten (vgl. hierzu etwa Maercker, Posttraumatische Belastungsstörungen, 3. Aufl. 2009, S. 130 f.). Entgegen der Auffassung der Beklagten ist nach Einschätzung der Kammer aber auch unter Berücksichtigung der darin umschriebenen Kriterien von einem GdS von 50 auszugehen. So findet sich beim Kläger durchaus das fortgesetzte Grübeln über das Erlebte mit quälenden Schuldgefühlen, ebenso wie die darin beschriebene Vermeidungshaltung und die starke Belastung der Partnerschaft. Auch war eine Weiterverwendung des Klägers in seinem zuvor ausgeübten Beruf aufgehoben. Dies alles findet sich - wie der Gutachter Dr. H. nachvollziehbar beschreibt - noch bei der Untersuchung, die drei Jahre nach dem Ereignis stattgefunden hat. Er bescheinigt dem Kläger erhebliche Einschränkungen zur sozialen Alltagsgestaltung, hervorgerufen durch eine durch den Unfall bedingte depressive Gestimmtheit, ein negativiertes Selbstbild und die Entfremdung im sozialen Kontext mit unbegründetem Misstrauen. Der Kläger ist auch weiterhin in psychotraumatologischer Behandlung. Die Kammer geht mit dem Gutachter Dr. H. davon aus, dass mit größerer zeitlicher Nähe zum Unfallgeschehen, die Auswirkungen auf den Kläger noch stärker waren, so dass im streitgegenständlichen Zeitraum bis zum Ausscheiden aus dem Dienst jedenfalls ein GdS von 50 gerechtfertigt war.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 183, 193 SGG.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist das Vorliegen einer Wehrdienstbeschädigung sowie der hieraus resultierende Grad der Schädigungsfolgen (GdS) streitig.
Der am 00.00.1958 geborene Kläger war bis zu seinem vorzeitigem Ausscheiden aus dem Dienst Berufsoldat der Bundeswehr, zuletzt im Rang eines Hauptmanns. Am 00.00.2007 war der Kläger als Ausbilder auf dem Truppenübungsplatz N. im Rahmen des Lehrgangs "Fachkunde Munition für Offiziere" tätig. Während der Vorbereitung der Sprengstellen für die praktische Prüfung im Vernichten von Munition detonierte in etwa 30 Meter Entfernung zum Kläger eine Splitter-Handgranate Typ DM 41 A1 und verletzte einen Kameraden des Klägers schwer. Der Kläger wurde unmittelbar Zeuge der Detonation und der schweren Verletzungen des Kameraden. Vor diesem Unfall war es zwischen dem Kläger und dem später Verletzten zu Missverständnissen hinsichtlich der "Sicherheit" der dann detonierten Handgranate gekommen.
Der Kläger litt bereits nach dem Sprengunfall stark unter dessen Eindrücken und teilte dies auch im Rahmen der truppenärztlichen Versorgung im B. 2007 mit. Er wurde daraufhin an die Neurologin, Psychiaterin und Psychotherapeutin Dr. L. überwiesen. In der Zeit vom 00.00. bis 00.00.2007 und vom 00.00. bis 00.00.2008 fand eine stationäre Behandlung des Klägers im Bundeswehrzentralkrankenhaus in Koblenz statt. Seit dieser Zeit ist der Kläger in regelmäßiger ambulanter psychotheraeutischer Behandlung. Zuletzt wurden ihm weitere 50 Therapiestunden bei Dr. G., Facharzt für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie, verordnet.
Am 00.00.2008 machte Stabsarzt N. auf Antrag des Klägers eine erste ärztliche Mitteilung über eine mögliche Wehrdienstbeschädigung (WDB). Die Beklagte wertete daraufhin die vorliegenden medizinischen Berichte aus, ermittelte beim Kläger selbst und dessen Dienstvorgesetzten den Unfallhergang vom 00.00.2007 und holte schließlich eine versorgungsmedizinische gutachterliche Stellungnahme nach Aktenlage durch Frau Dr. T., Ärztin für Psychosomatik und Psychotherapie, ein. Diese kam zunächst zu der Auffassung, der Kläger leide unter einer abgeklungenen posttraumatischen Belastungsstörung mit leichter depressiver Reaktion. Diese bedinge indes keinen Grad der Schädigungsfolgen (GdS) von mindestens 25 für die Dauer von wenigstens sechs Monaten. In einer weiteren Stellungnahme korrigierte sie die Leidensbezeichnung in "posttraumatische Belastungsstörung, abgeklungen". Die depressive Episode sei nicht schädigungsbedingt.
Mit Bescheid vom 00.00.2009 stellte die Beklagte bei dem Kläger fest, dass die Gesundheitsstörung "Posttraumatische Belastungsstörung, abgeklungen" Folge einer Wehrdienstbeschädigung ist und zwar hervorgerufen durch schädigende Einwirkungen im Sinne des § 81 SVG. Die weiterhin vorliegende Gesundheitsstörung "depressive Episode" sei demgegenüber nicht Folge einer WDB. Ein Anspruch auf Ausgleich nach § 85 SVG bestehe nicht, da kein GdS von mindestens 25 vorliege. Gegen diesen Bescheid legte der Kläger am 00.00.2009 Widerspruch ein, der jedoch mit Widerspruchsbescheid vom 00.00.2010 als unbegründet zurückgewiesen wurde.
Hiergegen richtet sich der Kläger, vertreten durch seine Prozessbevollmächtigte, mit der am 00.00.2010 erhobenen Klage. Er führt aus, die psychischen Folgen des Unfallerlebens verfolgten ihn weiterhin in erheblichem Maße. Ein GdS von weniger als 25 sei keinesfalls leidensgerecht.
Er beantragt,
die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 06.07.2009 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 00.00.2010 zu verurteilen, bei dem Kläger Leistungen gemäß § 85 SVG in gesetzlicher Höhe unter Berücksichtigung eines Grades der Schädigungsfolgen von 50 zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Zur Begründung wiederholt und vertieft sie ihr Vorbringen aus dem Verwaltungs- und Widerspruchsverfahren und beruft sich auf die Ausführungen der Oberfeldärztin L. im Rahmen des Gerichtsverfahren.
Der Beigeladene hat keinen Antrag gestellt.
Mit Schriftsatz vom 00.00.2010 hat die Beklagte ein Vergleichsangebot dahingehend unterbreitet, dass der GdS mit 40 für die posttraumatische Belastungsstörung des Klägers festgestellt werden könne. Dieses Vergleichsangebot hat der Kläger nicht angenommen.
Das Gericht hat Beweis erhoben durch Einholung eines Befundberichts der Diplom-Psychologin W. sowie eine psychiatrischen Gutachtens des Arztes für Neurologie, Psychatrie und Psychotherapie Dr. H. nebst ergänzenden Stellungnahme.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte sowie die beigezogene Verwaltungsakten der Beklagten und des Beigeladenen, deren wesentlicher Inhalt Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist, Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die gegen die Bundesrepublik Deutschland gerichtete Klage, mit der der Kläger die Feststellung eines höheren GdS für die Zeit bis zum Dienstzeitende begehrt ist zulässig und begründet. Die angefochtenen Bescheide sind rechstwidrig und der Kläger durch sie in seinen Rechten gemäß § 54 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) verletzt. Die beim Kläger festgestellte Gesundheitsstörung einer posttraumatischen Belastungsstörung ist Folge einer Wehrdienstbeschädigung im Sinne des § 81 SVG und bedingt einen GdS von 50, weswegen die Beklagte gemäß § 85 SVG zur Gewährung von Leistungen nach dem SVG i.V.m. dem BVG in gesetzlicher Höhe verpflichtet ist.
Eine gesundheitliche Schädigung ist nach § 81 SVG dann eine Wehrdienstbeschädigung, wenn sie durch eine Wehrdienstverrichtung, durch ein während der Ausübung des Wehrdienstes erlittenen Unfall oder durch die dem Wehrdienst eigentümlichen Verhältnisse herbeigeführt worden ist. Für den ursächlichen Zusammenhang zwischen der Gesundheitsstörung und einem schädigenden Tatbestand im Sinne des § 81 SVG reicht die Wahrscheinlichkeit der Kausalität gemäß § 81 Abs. 6 SVG aus. Dies bedeutet, dass nach geltender medizinsch-wissenschaftlicher Lehrmeinung mehr für als gegen einen ursächlichen Zusammenhang spricht (vgl. Rohr/Sträßer/Dahm, Bundesversorgungs-gesetz, Kommentar, Stand: Juni 2010, § 1-61). Darüber hinaus kann eine Gesundheitsstörung gemäß § 81 Abs. 6 Satz 2 SVG mit Zustimmung des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales auch dann als Folge einer Wehrdienstbeschädigung anerkannt werden, wenn die zur Anerkennung einer Gesundheitsstörung als Wehrdienstbeschädigung erforderliche Wahrscheinlichkeit nur deshalb nicht gegeben ist, weil über die Ursache des festgestellten Leidens in der medizinischen Wissenschaft Ungewissheit besteht (sog. "Kannversorgung, vgl. dazu etwa Bundessozialgericht, Urteil vom 17.07.2008, B 9/9a VS 5/06 R). Der Kläger ist während seiner Dienstzeit als Ausbilder unmittelbarer Augen- und Ohrenzeuge eines Unfalls mit einer Handgranate geworden. Hierdurch hat sich beim Kläger, dies ist zwischen den Beteiligten unstreitig, eine posttraumatische Belastungsstörung entwickelt. Streitig ist lediglich noch, wie ausgeprägt diese - während des hier allein streitigen Zeitraums bis zur Beendigung der Dienstzeit des Klägers - war. Während die Beklagte den insoweit maßgeblichen GdS mit 40 beziffert, kommt der vom Gericht bestellte Gutachter Dr. H. zu der Auffassung, der GdS sei derzeit mit 50 zu bewerten. Für die Zeit davor sei tendenziell von einem höheren GdS auszugehen. Dieser lasse sich aber nicht (mehr) näher belegen.
Für die Kammer steht nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme fest, dass der GdS des Klägers in der hier fraglichen Zeit jedenfalls 50 betragen hat.
Gemäß § 80 SVG i.V.m. § 30 BVG ist der Grad der Schädigigungsfolgen nach den allgemeinen Auswirkungen der Funktionsbeeinträchtigungen, die durch die als Schädigungsfolge anerkannten körperlichen, geistigen oder seelischen Gesundheitsstörungen bedingt sind, in allen Lebensbereichen zu beurteilen. Dabei ist der GdS nach Zehnergraden von 10 bis 100 zu bemessen. Vorübergehende Gesundheitsstörungen sind nicht zu erfassen, wobei als vorübergehend ein Zeitraum bis zu sechs Monaten gilt. Nach Teil A Ziffer 3 der Anlage zu § 2 der aufgrund § 30 Abs. 17 Bundesversorgungsgesetzes (BVG) erlassenen Verordnung zur Durchführung des § 1 Abs. 1 und 3, des § 30 Abs. 1 und des § 35 Abs. 1 BVG (Bundesgesetzblatt I 2008, 2412 - Versorgungsmedizin-Verordnung) vom 10.12.2008 (Versogungsmedizinische Grundsätze), gilt, dass bei der Ermittlung des Gesamtgrades der Behinderung rechnerische Methoden, insbesondere eine Addition der Einzelgrade der Behinderung, nicht zulässig sind. Vielmehr ist bei der Beurteilung des Gesamtgrades der Behinderung in der Regel von der Funktionsbeeinträchtigung auszugehen, die den höchsten Einzelgrad der Behinderung bedingt und dann im Hinblick auf alle weiteren Funktionsbeeinträchtigungen zu prüfen, ob und inwieweit hierdurch das Ausmaß der Behinderung größer wird, ob also wegen der weiteren Funktionsbeeinträchtigungen dem ersten Grad der Behinderung 10 oder 20 oder mehr Punkte hinzuzufügen sind, um der Behinderung insgesamt gerecht zu werden. Hierbei ist gemäß Teil A Ziffer 3 lit d) ee) der Versorgungsmedizinischen Grundsätze zu beachten, dass leichtere Gesundheitsstörungen mit einem Einzelgrad der Behinderung von 10 nicht zu einer Erhöhung des Gesamtgrades der Behinderung führen, selbst wenn mehrere dieser leichteren Behinderungen kumulativ nebeneinander vorliegen. Auch bei Leiden mit einem Einzelgrad der Behinderung von 20 ist es vielfach nicht gerechtfertigt, auf eine Zunahme des Gesamtausmaßes der Behinderung zu schließen.
Gemäß Teil B Ziffer 3.7 der Versorgungsmedizinischen Grundsätze ist bei Folgen von psychischen Traumen auf deren Auswirkungen auf die Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit bzw. auf etwaig vorhandene soziale Anpassungsschwierigkeiten abzustellen. Der Kläger hat sich, dies steht für die Kammer aufgrund der Ausführungen des Klägers und seiner Ehefrau im Rahmen der mündlichen Verhandlung sowie der Feststellungen des Gutachters Dr. H. fest, seit dem Unfallereignis erheblich in seiner Persönlichkeit verändert. Er ist ängstlicher und verschlossener geworden und in weitem Ausmaß Vitalität, Elan und vor allem die Fähigkeit, Vertrauen zu anderen Personen aufzubauen, eingebüßt. Bei Situationen, Geräuschen oder sonstigen Anlässen, die ihn an das Unfallereignis der Detonation erinnern (bspw. Zuschlagen einer Tür oder laute Geräusche), setzen auch heute noch heftige Fluchtreaktionen ein. Nach den glaubhaften Schilderungen seiner Ehefrau leidet auch die Ehe unter den Veränderungen, die der Kläger seit dem Unfallereignis mitgemacht hat. Auf der anderen Seite ist freilich zu berücksichtigen, dass der Kläger jedenfalls in der Lage ist, eine Kfz-Selbstwaschanlage zu betreiben. Insgesamt, dessen ist sich die Kammer bewusst, ist das Bild, welches die Psyche des Kägers zeigt, komplex und eine trennscharfe Bewertung des GdS dementsprechend schwierig. Allerdings ist auch zu berücksichtigen, dass sich regelmäßig die Folgen posttraumatischer Belastungsstörungen, mit zunehmender zeitlicher Entfernung vom Geschehen, verringern. Anhaltspunkte für die bei der Bewertung solch komplexer Zusammenhänge bietet auch zweifellos die von der Beklagten herangezogene Bad Pyrmonter Klassifikation von psychischen Traumafolgen bei Polizeibeamten (vgl. hierzu etwa Maercker, Posttraumatische Belastungsstörungen, 3. Aufl. 2009, S. 130 f.). Entgegen der Auffassung der Beklagten ist nach Einschätzung der Kammer aber auch unter Berücksichtigung der darin umschriebenen Kriterien von einem GdS von 50 auszugehen. So findet sich beim Kläger durchaus das fortgesetzte Grübeln über das Erlebte mit quälenden Schuldgefühlen, ebenso wie die darin beschriebene Vermeidungshaltung und die starke Belastung der Partnerschaft. Auch war eine Weiterverwendung des Klägers in seinem zuvor ausgeübten Beruf aufgehoben. Dies alles findet sich - wie der Gutachter Dr. H. nachvollziehbar beschreibt - noch bei der Untersuchung, die drei Jahre nach dem Ereignis stattgefunden hat. Er bescheinigt dem Kläger erhebliche Einschränkungen zur sozialen Alltagsgestaltung, hervorgerufen durch eine durch den Unfall bedingte depressive Gestimmtheit, ein negativiertes Selbstbild und die Entfremdung im sozialen Kontext mit unbegründetem Misstrauen. Der Kläger ist auch weiterhin in psychotraumatologischer Behandlung. Die Kammer geht mit dem Gutachter Dr. H. davon aus, dass mit größerer zeitlicher Nähe zum Unfallgeschehen, die Auswirkungen auf den Kläger noch stärker waren, so dass im streitgegenständlichen Zeitraum bis zum Ausscheiden aus dem Dienst jedenfalls ein GdS von 50 gerechtfertigt war.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 183, 193 SGG.
Rechtskraft
Aus
Login
NRW
Saved