L 23 SO 219/10 NZB

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Sozialhilfe
Abteilung
23
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 90 SO 1640/09
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 23 SO 219/10 NZB
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Berufung im Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 25. Oktober 2010 wird zurückgewiesen. Die Beteiligten haben einander keine außergerichtliche Kosten zu erstatten.

Gründe:

I.

Das Sozialgericht Berlin hat mit Urteil vom 25. Oktober 2010 die Klage abgewiesen, mit der der Kläger - unter Aufhebung des dies ablehnenden Bescheides vom 27. Februar 2009 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 4. Juni 2009 - die Gewährung eines monatlichen Mehrbedarfs wegen kostenaufwändiger Ernährung für die Zeit vom 1. Februar 2009 bis 31. Januar 2010 in Höhe von monatlich 35,- EUR begehrt. Zur Begründung führte das Gericht aus, eine aus medizinischen Gründen notwendige kostenaufwändige Ernährung liege beim Kläger nicht vor. Die im Gerichtsverfahren angehörten Ärzte hätten ihm keine Diät verschrieben oder eine solche für notwendig angesehen. Auch die vom Kläger selbst beschriebene Diät sei nicht kostenaufwändiger als eine normale Ernährung. Eine Ernährung von Kartoffeln und frischem Gemüse unter Weglassen von Fleisch, Brot und Gewürzen sei nicht kostenaufwändiger als die im Regelsatz vorgesehene Ernährung. Die Berufung sei nicht zuzulassen, da kein Zulassungsgrund bestehe.

Gegen das ihm am 3. November 2010 zugestellte Urteil hat der Klägerbevollmächtigte am 2. Dezember 2010 Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Berufung eingelegt. Der Kläger selbst hat die Beschwerde am 16. März 2011 begründet und ausgeführt, es sei inakzeptabel dass er Entscheidungen des Bundessozialgerichts nicht nach Sachgebieten sortiert einsehen und recherchieren könne. Nach einer Entscheidung des Bundessozialgerichtes sei die Begründung des Sozialgerichts, Diät wäre nicht teurer, vorsätzlich falsch. Das Sozialgericht ignoriere auch das Gutachten des Bezirks, aus dem eindeutig hervorgehe, dass er seit Jahrzehnten unter chronischer Gastritis und Morbus Crohn leide. Ärzte aufzusuchen mache keinen Sinn, da es keine Medikamente oder Behandlung gebe, die die Krankheit heile. Einzige Möglichkeit, die Probleme zu lindern, sei seine selbst erprobte Diät.

Er beantragt schriftsätzlich sinngemäß,

die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 25. Oktober 2010 zuzulassen. Der Beklagte beantragt schriftsätzlich sinngemäß, die Nichtzulassungsbeschwerde zurückzuweisen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen, die Gegenstand der Beratung und Entscheidungsfindung waren.

II.

Die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Berufung (§ 145 Sozialgerichtsgesetz - SGG) ist zulässig, aber unbegründet.

Nach § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG bedarf die Berufung der Zulassung in dem Urteil des Sozialgerichts oder aufgrund Beschwerde durch Beschluss des Landessozialgerichts, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes bei einer Klage, die eine Geld- oder Sachleistung oder einen hierauf gerichteten Verwaltungsakt betrifft, 750,00 EUR nicht übersteigt. Ein solcher Fall liegt hier vor. Der Kläger begehrt mit seiner Klage die Gewährung eines monatlichen Mehrbedarfs wegen kostenaufwändiger Ernährung für die Zeit vom 1. Februar 2009 bis 31. Januar 2010 in Höhe von monatlich 35,- EUR, insgesamt somit 420,- EUR.

Die somit zulassungsbedürftige Berufung kann mangels Vorliegens eines gesetzlichen Zulassungsgrundes nicht zugelassen werden. Die Berufung ist gemäß § 144 Abs. 2 SGG nur dann zuzulassen, wenn

1. die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat, 2. das Urteil von einer Entscheidung der Landessozialgerichte, des Bundessozialgerichts oder des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder 3. ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.

Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung: Grundsätzliche Bedeutung im Sinne von § 144 Abs. 2 Nr. 1 SGG hat eine Rechtssache nur dann, wenn eine bislang nicht geklärte Rechtsfrage aufgeworfen wird, deren Klärung im allgemeinen Interesse liegt, um die Rechtseinheit zu erhalten und die Weiterentwicklung des Rechts zu fördern (Klärungsbedürftigkeit) und deren Klärung das angestrebte Berufungsverfahren erwarten lässt (Klärungsfähigkeit). Ein Individualinteresse genügt nicht (Leitherer in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer - SGG, 9. Auflage 2008 - § 144 Rn 28, § 160 Rn 6 unter Hinweis auf BSG SozR 1500 § 160a Nr 60; SozR 3-1500 § 160a Nr 16 zum Revisionsverfahren). Eine konkrete klärungsbedürftige Rechtsfrage ist jedoch nicht erkennbar: Eine Rechtsfrage ist - selbst bei fehlender gesicherter höchstrichterlicher Rechtsprechung - nicht klärungsbedürftig, wenn die Antwort auf sie so gut wie unbestritten ist oder praktisch außer Zweifel steht, insbesondere wenn sich die Antwort ohne weiteres aus dem Gesetz ergibt (vgl. Leitherer in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer - SGG, 9. Auflage 2008 - § 144 Rn 30 und § 160 Rn 8a m.w.Nw.). Die Rechtsfragen, die der vorliegende Fall aufwirft, ergeben sich eindeutig aus dem Gesetz. So setzt § 30 Abs. 5 SGB XII bereits nach seinem Wortlaut voraus, dass die einen Mehrbedarf auslösende gesundheitsbedingte Ernährung eines Kranken kostenintensiver sein muss, als die Ernährung eines gesunden Hilfebedürftigen.

Eine kostenintensivere Ernährung wurde im Verwaltungs- und Gerichtsverfahren durch den Kläger noch nicht einmal behauptet; sie konnte auch nicht nachgewiesen werden. So hat das Sozialgericht zutreffend darauf hingewiesen, dass die vom Kläger beschriebene Diät nicht kostenaufwändiger als eine normale Ernährung sei. Die angehörten Ärzte konnten bereits die Notwendigkeit einer Diät nicht bestätigen.

Vor diesem Hintergrund kommt es auf die Rechtsfragen, ob

• zur Konkretisierung der Angemessenheit des Mehrbedarfs die vom Deutschen Verein für öffentliche und private Fürsorge e. V. entwickelten und an typisierbaren Fallgestaltungen ausgerichteten Empfehlungen aus dem Jahre 1997 (BT-Drs. 15/1516 S. 57) herangezogen werden können oder maßgeblich für die Bestimmung des Mehrbedarfs stets die im Einzelfall medizinisch begründeten tatsächlichen Kosten für eine besondere Ernährung, die von der Regelleistung nicht gedeckt ist, sind (vgl. BSG vom 15. April 2008 - Az: B 14/11b AS 3/07 R - Juris zu den Empfehlungen aus dem Jahre 1997) und ob • die mittlerweile aktualisierten im Oktober 2008 veröffentlichten Empfehlungen des Deutschen Vereins für öffentliche und private Fürsorge e. V. die Bedeutung eines antizipierten Sachverständigengutachtens haben (vgl. z.B.: Landessozialgericht für das Land Nordrhein-Westfalen vom 24. März 2010 - Az: L 12 SO 15/09 - Juris;: Landessozialgericht Berlin-Brandenburg vom 12. Oktober 2010 - Az: L 23 SO 130/06 - Juris, m.w.Nw.) nicht an.

Aus dem gleichen Grund liegt auch keine Divergenz im Sinne des § 144 Abs. 2 Nr. 2 SGG vor.

Der Kläger hat schließlich keinen der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegenden Verfahrensmangel geltend gemacht, auf dem das Urteil des Sozialgerichts beruhen kann (§ 144 Abs. 2 Nr. 3 SGG). Ein Verfahrensmangel ist ein Verstoß gegen eine Vorschrift, die das sozialgerichtliche Verfahren regelt. Es geht dabei nicht um die Richtigkeit der Entscheidung des Sozialgerichts, sondern um das prozessuale Vorgehen des Gerichts auf dem Wege zur Entscheidung (Leitherer in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer - SGG, 9. Auflage 2008 - § 144 Rn 32). Ein solcher ist nicht ersichtlich.

Damit liegt kein Zulassungsgrund gem. § 144 Abs. 2 Nr. 1-3 SGG vor. Liegt keiner der genannten Zulassungsgründe vor, darf die Berufung nicht zugelassen werden (Leitherer in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer - SGG, 9. Auflage 2008 - § 144 Rn 27).

Die vom Kläger offensichtlich mit der Beschwerde begehrte sachliche bzw. inhaltliche Prüfung der Entscheidung des Sozialgerichts findet im Verfahren der Nichtzulassungsbeschwerde nicht statt.

Die Beschwerde war nach alledem zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung folgt aus der entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.

Dieser Beschluss kann nicht mit der Beschwerde angefochten werden (§ 177 SGG); dadurch wird das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 25. Oktober 2010 rechtskräftig (§ 145 Abs. 4 Satz 5 SGG).
Rechtskraft
Aus
Saved