Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
14
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 59 AS 11010/05 ER
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 14 B 168/06 AS ER
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Auf die Beschwerde der Antragsteller wird der Beschluss des Sozialgerichts Berlin vom 25. Januar 2006, soweit er die Kosten der Unterkunft betrifft, geändert. Der Antragsgegner wird im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, den Antragstellern weitere Kosten der Unterkunft in Höhe von 44,00 Euro monatlich für die Zeit von November 2005 bis Januar 2006 zu gewähren. Die Beschwerde wegen der Kosten der Unterkunft wird im Übrigen zurückgewiesen. Der Antragsgegner hat die außergerichtlichen Kosten der Antragsteller aus beiden Rechtszügen zu erstatten.
Gründe:
I.
Die Beteiligten streiten über die Übernahme weiterer Kosten der Unterkunft.
Die 1960 geborene Antragstellerin zu 1) beantragte am 9. August 2005 für sich und ihren 1999 geborenen Sohn, den Antragsteller zu 2), Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II). Sie gab an, zur Zeit mit ihrem Sohn ein Zimmer in dem Haus ihres ehemaligen Lebensgefährten zu bewohnen, wo sie allerdings nicht bleiben könnten, weil das Haus verkauft werden solle. Der Antragsteller zu 2) besuche seit dem 8. August 2005 die R S Grundschule. Am 14. Oktober 2005 sprach die Antragstellerin zu 1) beim Antragsgegner vor mit einem Wohnungsangebot über eine Zwei-Zimmer-Wohnung, gelegen Sweg , B. Als monatliche Gesamtmiete für 56,24 m² verlangte der Vermieter 488,00 Euro. Der Antragsgegner lehnte mündlich und durch Bescheid vom 14. Oktober 2005 die Übernahme der Aufwendungen ab. Nach den geltenden Ausführungsvorschriften gelte für die Angemessenheit bei zwei Personen ein Richtwert von 444,00 Euro.
Die Antragstellerin verwahrte sich dagegen mit Schreiben vom 20. Oktober 2005 und wies darauf hin, dass sie schon seit Juli 2005 Wohnungen in F suche, ohne eine andere billigere Wohnung gefunden zu haben. Sie gehöre zu einem Personenkreis, für den in den Ausführungsvorschriften die Möglichkeit einer Überschreitung des Richtwertes zur angemessenen Bruttowarmmiete um maximal 10% vorgesehen sei. Ihr ehemaliger Lebenspartner habe sein Haus zum 1. Dezember 2005 verkauft, deswegen drohe Obdachlosigkeit. Die Antragstellerin zu 1) legte handschriftliche Aufzeichnungen über ihre Wohnungssuchbemühungen und ein Schreiben des Bezirksamtes R , Abt. Jugend und Familie, Sozialpädagogischer Dienst vor, in dem der Antrag auf Übernahme der Miete für die Wohnung im Sweg befürwortet wurde. Der Antragsteller zu 2) zeige aufgrund der durch die Trennung der Eltern ausgelösten psychischen Belastungen erhebliche Verhaltensauffälligkeiten. Deswegen solle die Kontinuität der Lebensverhältnisse gewahrt bleiben, was voraussetze, dass die Antragsteller ihren Sozialraum nicht verlassen müssten. Bei Anmietung der Wohnung im Sweg könne der Antragsteller zu 2) weiter seine bisherige Schule besuchen.
Der Antragsgegner erklärte, dass er bereit sei, die Miete für eine Wohnung in Höhe von 444,00 Euro monatlicher Bruttowarmmiete zu übernehmen, und lehnte durch Bescheid vom 3. November 2005 die Übernahme der Kosten für das vorgelegte Wohnungsangebot ab. Am 21. Oktober 2005 hatte die Antragstellerin zu 1) bereits den Mietvertrag über die Wohnung im Speerweg 43 unterschrieben, das Mietverhältnis sollte am 1. November 2005 beginnen. Unter Bezugnahme darauf hatte ihr Verfahrensbevollmächtigter am 1. November 2005 nochmals die Kostenübernahme beim Antragsgegner beantragt.
Durch Bescheid vom 3. November 2005 bewilligte der Antragsgegner Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes in Höhe von 47,90 Euro für die Zeit vom 9. August 2005 bis 31. August 2005, 479,00 Euro für den Monat September 2005 und jeweils 435,93 Euro für die Monate Oktober 2005 bis Januar 2006. Die Antragstellerin zu 1) erhob Widerspruch und begehrte die Berücksichtigung ihrer Wohnungskosten. Durch Bescheid vom 14. November 2005 gewährte der Antragsgegner nunmehr in Abänderung des vorherigen Bescheides Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes für die Zeit vom 1. November 2005 bis 31. Januar 2006 in Höhe von monatlich 879,93 Euro. Bei der Berechnung waren Kosten für Unterkunft und Heizung in Höhe von monatlich 444,00 Euro berücksichtigt worden. Durch weiteres Schreiben vom 14. November 2005 forderte der Antragsgegner die Antragstellerin auf, Nachweise über den frühestmöglichen Termin der Auszahlung einer bestehenden Lebensversicherung vorzulegen.
Mit dem am 21. November 2005 bei dem Sozialgericht eingegangen Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz und Klage im Hauptsacheverfahren begehren die Antragsteller, ihnen Kosten der Unterkunft und Heizung in Höhe von 488,00 Euro monatlich zu bewilligen. Das Sozialgericht Berlin hat durch Beschluss vom 25. Januar 2006 den Antrag auf Erlass einer Einstweiligen Anordnung und auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe abgelehnt. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass nur die angemessenen Kosten der Unterkunft zu übernehmen seien. Aus den Ausführungsvorschriften des Antragsgegners ergebe sich, dass Aufwendungen nur in einer Höhe bis zu 444,00 Euro angemessen seien. Insbesondere liege kein Fall vor, in dem nach den Ausführungsvorschriften wegen besonderer Umstände eine Überschreitung des generellen Richtwertes um bis zu 10% in Betracht komme. Im Übrigen gebe es auf dem derzeit entspannten Berliner Wohnungsmarkt ausreichend billigen Wohnraum, vor allem in den in den östlichen Bezirken gelegenen Plattenbauten und gegebenenfalls auch in Altbauten.
Gegen den ihnen am 1. Februar 2006 zugestellten Beschluss richtet sich die Beschwerde der Antragsteller vom 1. März 2006.
Die Antragsteller beantragen (nach dem Sinn ihres Vorbringens),
den Beschluss des Sozialgerichts Berlin vom 25. Januar 2006 aufzuheben und den Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, zusätzliche Kosten für Unterkunft und Heizung in Höhe von 44,00 Euro monatlich zu übernehmen.
Der Antragsgegner beantragt,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Er hält den Beschluss des Sozialgerichts für zutreffend.
Für die weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte und die Verwaltungsakte des Antragsgegners Bezug genommen, die vorgelegen hat und Gegenstand der Beratung gewesen ist.
II.
Die Beschwerde hat teilweise Erfolg. Der Beschluss des Sozialgerichts ist rechtswidrig, soweit es abgelehnt hat, den Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, weitere 44,00 Euro als Kosten der Unterkunft für die Monate November 2005 bis Januar 2006 zu übernehmen.
Nach § 86 b Abs. 2 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) kann das Gericht der Hauptsache eine einstweilige Anordnung zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis erlassen, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint. Diese Voraussetzungen sind vorliegend für den Zeitraum November 2005 bis Januar 2006 gegeben. Die Antragsteller haben glaubhaft gemacht, dass sie Anspruch auf Übernahme von weiteren 44,00 Euro als Kosten der Unterkunft haben. Der Anordnungsgrund ergibt sich daraus, dass Leistungen der Grundsicherung in Frage stehen.
Der Antragsgegner geht selbst davon aus, dass die Antragsteller dem Grunde nach seit 9. August 2005 (Datum der Antragstellung) Anspruch auf Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende haben. Seit dem 1. November 2005 bestimmt sich ihr Bedarf auch durch anfallende Aufwendungen für Unterkunft und Heizung. Gemäß § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II werden Leistungen für Unterkunft und Heizung in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen erbracht, soweit diese angemessen sind. Der Begriff der Angemessenheit ist ein unbestimmter Rechtsbegriff, der in vollem Umfang der gerichtlichen Überprüfung unterliegt (Berlit in LPK-SGB II, § 22 Rdnr. 23). Die von der Senatsverwaltung für Gesundheit, Soziales und Verbraucherschutz dazu erlassenen Ausführungsvorschriften vom 7. Juni 2005 (Amtsblatt von Berlin Nr. 49 vom 30. September 2005, Seite 3743 ff) vermögen die Gerichte nicht in ihrer Beurteilung zu binden. Immerhin geben sie aber Hinweise darauf, was in der Behördenpraxis für angemessen gehalten wird.
Aus Nr. 4 Abs. 2 der Ausführungsvorschriften ergibt sich, dass grundsätzlich eine Bruttowarmmiete für einen Zwei-Personen-Haushalt in Höhe bis zu 444,00 Euro als angemessen gilt. Den Absätzen 5 und 10 der Vorschrift lässt sich zusätzlich entnehmen, dass unter bestimmten Voraussetzungen auch eine Überschreitung dieses Richtwertes um bis zu 10% im Bereich des Angemessenen liegt. Mit Rücksicht darauf kann der Senat nicht zu der Auffassung kommen, dass die tatsächlichen Aufwendungen der Antragsteller für Unterkunft und Heizung, die den allgemeinen Richtwert um weniger als 10% übersteigen, unangemessen sind. Denn es liegen besondere Umstände vor, die gleiches Gewicht haben wie diejenigen, wegen derer schon in der Ausführungsvorschrift der Senatsverwaltung eine Überschreitung des Richtwertes um bis zu 10% für zulässig gehalten wird. Aus dem Schreiben des Bezirksamtes Reinickendorf ergibt sich nämlich zur Überzeugung des Senats, dass der Antragsteller zu 2) im Interesse seiner möglichst ungestörten und geordneten Entwicklung darauf angewiesen ist, in seinem bisherigen Nahbereich zu verbleiben. Insoweit liegt ein wesentlicher sozialer Bezug im Sinne von Nr. 4 Abs. 5 Buchstabe c der Ausführungsvorschriften der Senatsverwaltung vor. Zwar betrifft diese Ausführungsvorschrift nicht die Neuanmietung von Wohnraum. Das Interesse des Antragstellers zu 2) an einem Verbleiben in seiner bisherigen Wohnumgebung ist aber nicht weniger schützenswert als bei einem bestehenden Mietverhältnis, weil er in Folge der Trennung seiner Eltern und der Verkaufsentscheidung des Vaters seine bisherige Wohnstätte verlassen musste. Die Überschreitung der grundsätzlich geltenden Grenze für die Angemessenheit ist deswegen gleichermaßen wie bei einer Beibehaltung der bisherigen Wohnung gerechtfertigt. Die Antragstellerin zu 1) hat auch durch ihre Angaben zu den bisherigen Wohnungssuch¬bemühungen glaubhaft gemacht, dass sie keine angemessene Wohnung im Nahbereich zu einem günstigeren Mietpreis gefunden hat. Danach geht der Senat davon aus, dass die den Antragstellern zu 1) und 2) entstehenden Aufwendungen für Unterkunft und Heizung in voller Höhe angemessen sind.
Wegen der noch nicht vollständig geklärten Vermögensverhältnisse der Antragstellerin zu 1) hat der Senat sich darauf beschränkt, eine Verpflichtung des Antragsgegners nur bis Januar 2006 auszusprechen. Insbesondere aus der von der Antragstellerin zu 1) bei der Volksfürsorge unterhaltenen Lebensversicherung kann sich verwertbares Vermögen ergeben. Der Antragsgegner hat bis Januar 2006 Leistungen bewilligt und die Antragstellerin zu 1) am 14. November 2005 zur Mitteilung aufgefordert, bis wann die Lebensversicherung ausgezahlt werden könne. Im Anschluss an diese Handhabung hält der Senat es für glaubhaft, dass eine Verwertung der Versicherung jedenfalls bis zum Januar 2006 nicht möglich gewesen ist, so dass bis zu diesem Zeitpunkt uneingeschränkt von der Bedürftigkeit der Antragsteller zu 1) und 2) auszugehen ist. Über diesen Zeitpunkt hinaus hält der Senat indessen das Fortbestehen der Bedürftigkeit mangels näherer Angaben nicht für hinreichend glaubhaft gemacht.
Die Kostenentscheidung ergeht entsprechend § 193 SGG. Sie berücksichtigt, dass die Antragsteller mit ihrem eigentlichen Begehren auf Übernahme der Kosten der Unterkunft in voller Höhe uneingeschränkten Erfolg gehabt haben.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 177 SGG).
Gründe:
I.
Die Beteiligten streiten über die Übernahme weiterer Kosten der Unterkunft.
Die 1960 geborene Antragstellerin zu 1) beantragte am 9. August 2005 für sich und ihren 1999 geborenen Sohn, den Antragsteller zu 2), Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II). Sie gab an, zur Zeit mit ihrem Sohn ein Zimmer in dem Haus ihres ehemaligen Lebensgefährten zu bewohnen, wo sie allerdings nicht bleiben könnten, weil das Haus verkauft werden solle. Der Antragsteller zu 2) besuche seit dem 8. August 2005 die R S Grundschule. Am 14. Oktober 2005 sprach die Antragstellerin zu 1) beim Antragsgegner vor mit einem Wohnungsangebot über eine Zwei-Zimmer-Wohnung, gelegen Sweg , B. Als monatliche Gesamtmiete für 56,24 m² verlangte der Vermieter 488,00 Euro. Der Antragsgegner lehnte mündlich und durch Bescheid vom 14. Oktober 2005 die Übernahme der Aufwendungen ab. Nach den geltenden Ausführungsvorschriften gelte für die Angemessenheit bei zwei Personen ein Richtwert von 444,00 Euro.
Die Antragstellerin verwahrte sich dagegen mit Schreiben vom 20. Oktober 2005 und wies darauf hin, dass sie schon seit Juli 2005 Wohnungen in F suche, ohne eine andere billigere Wohnung gefunden zu haben. Sie gehöre zu einem Personenkreis, für den in den Ausführungsvorschriften die Möglichkeit einer Überschreitung des Richtwertes zur angemessenen Bruttowarmmiete um maximal 10% vorgesehen sei. Ihr ehemaliger Lebenspartner habe sein Haus zum 1. Dezember 2005 verkauft, deswegen drohe Obdachlosigkeit. Die Antragstellerin zu 1) legte handschriftliche Aufzeichnungen über ihre Wohnungssuchbemühungen und ein Schreiben des Bezirksamtes R , Abt. Jugend und Familie, Sozialpädagogischer Dienst vor, in dem der Antrag auf Übernahme der Miete für die Wohnung im Sweg befürwortet wurde. Der Antragsteller zu 2) zeige aufgrund der durch die Trennung der Eltern ausgelösten psychischen Belastungen erhebliche Verhaltensauffälligkeiten. Deswegen solle die Kontinuität der Lebensverhältnisse gewahrt bleiben, was voraussetze, dass die Antragsteller ihren Sozialraum nicht verlassen müssten. Bei Anmietung der Wohnung im Sweg könne der Antragsteller zu 2) weiter seine bisherige Schule besuchen.
Der Antragsgegner erklärte, dass er bereit sei, die Miete für eine Wohnung in Höhe von 444,00 Euro monatlicher Bruttowarmmiete zu übernehmen, und lehnte durch Bescheid vom 3. November 2005 die Übernahme der Kosten für das vorgelegte Wohnungsangebot ab. Am 21. Oktober 2005 hatte die Antragstellerin zu 1) bereits den Mietvertrag über die Wohnung im Speerweg 43 unterschrieben, das Mietverhältnis sollte am 1. November 2005 beginnen. Unter Bezugnahme darauf hatte ihr Verfahrensbevollmächtigter am 1. November 2005 nochmals die Kostenübernahme beim Antragsgegner beantragt.
Durch Bescheid vom 3. November 2005 bewilligte der Antragsgegner Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes in Höhe von 47,90 Euro für die Zeit vom 9. August 2005 bis 31. August 2005, 479,00 Euro für den Monat September 2005 und jeweils 435,93 Euro für die Monate Oktober 2005 bis Januar 2006. Die Antragstellerin zu 1) erhob Widerspruch und begehrte die Berücksichtigung ihrer Wohnungskosten. Durch Bescheid vom 14. November 2005 gewährte der Antragsgegner nunmehr in Abänderung des vorherigen Bescheides Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes für die Zeit vom 1. November 2005 bis 31. Januar 2006 in Höhe von monatlich 879,93 Euro. Bei der Berechnung waren Kosten für Unterkunft und Heizung in Höhe von monatlich 444,00 Euro berücksichtigt worden. Durch weiteres Schreiben vom 14. November 2005 forderte der Antragsgegner die Antragstellerin auf, Nachweise über den frühestmöglichen Termin der Auszahlung einer bestehenden Lebensversicherung vorzulegen.
Mit dem am 21. November 2005 bei dem Sozialgericht eingegangen Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz und Klage im Hauptsacheverfahren begehren die Antragsteller, ihnen Kosten der Unterkunft und Heizung in Höhe von 488,00 Euro monatlich zu bewilligen. Das Sozialgericht Berlin hat durch Beschluss vom 25. Januar 2006 den Antrag auf Erlass einer Einstweiligen Anordnung und auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe abgelehnt. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass nur die angemessenen Kosten der Unterkunft zu übernehmen seien. Aus den Ausführungsvorschriften des Antragsgegners ergebe sich, dass Aufwendungen nur in einer Höhe bis zu 444,00 Euro angemessen seien. Insbesondere liege kein Fall vor, in dem nach den Ausführungsvorschriften wegen besonderer Umstände eine Überschreitung des generellen Richtwertes um bis zu 10% in Betracht komme. Im Übrigen gebe es auf dem derzeit entspannten Berliner Wohnungsmarkt ausreichend billigen Wohnraum, vor allem in den in den östlichen Bezirken gelegenen Plattenbauten und gegebenenfalls auch in Altbauten.
Gegen den ihnen am 1. Februar 2006 zugestellten Beschluss richtet sich die Beschwerde der Antragsteller vom 1. März 2006.
Die Antragsteller beantragen (nach dem Sinn ihres Vorbringens),
den Beschluss des Sozialgerichts Berlin vom 25. Januar 2006 aufzuheben und den Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, zusätzliche Kosten für Unterkunft und Heizung in Höhe von 44,00 Euro monatlich zu übernehmen.
Der Antragsgegner beantragt,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Er hält den Beschluss des Sozialgerichts für zutreffend.
Für die weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte und die Verwaltungsakte des Antragsgegners Bezug genommen, die vorgelegen hat und Gegenstand der Beratung gewesen ist.
II.
Die Beschwerde hat teilweise Erfolg. Der Beschluss des Sozialgerichts ist rechtswidrig, soweit es abgelehnt hat, den Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, weitere 44,00 Euro als Kosten der Unterkunft für die Monate November 2005 bis Januar 2006 zu übernehmen.
Nach § 86 b Abs. 2 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) kann das Gericht der Hauptsache eine einstweilige Anordnung zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis erlassen, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint. Diese Voraussetzungen sind vorliegend für den Zeitraum November 2005 bis Januar 2006 gegeben. Die Antragsteller haben glaubhaft gemacht, dass sie Anspruch auf Übernahme von weiteren 44,00 Euro als Kosten der Unterkunft haben. Der Anordnungsgrund ergibt sich daraus, dass Leistungen der Grundsicherung in Frage stehen.
Der Antragsgegner geht selbst davon aus, dass die Antragsteller dem Grunde nach seit 9. August 2005 (Datum der Antragstellung) Anspruch auf Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende haben. Seit dem 1. November 2005 bestimmt sich ihr Bedarf auch durch anfallende Aufwendungen für Unterkunft und Heizung. Gemäß § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II werden Leistungen für Unterkunft und Heizung in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen erbracht, soweit diese angemessen sind. Der Begriff der Angemessenheit ist ein unbestimmter Rechtsbegriff, der in vollem Umfang der gerichtlichen Überprüfung unterliegt (Berlit in LPK-SGB II, § 22 Rdnr. 23). Die von der Senatsverwaltung für Gesundheit, Soziales und Verbraucherschutz dazu erlassenen Ausführungsvorschriften vom 7. Juni 2005 (Amtsblatt von Berlin Nr. 49 vom 30. September 2005, Seite 3743 ff) vermögen die Gerichte nicht in ihrer Beurteilung zu binden. Immerhin geben sie aber Hinweise darauf, was in der Behördenpraxis für angemessen gehalten wird.
Aus Nr. 4 Abs. 2 der Ausführungsvorschriften ergibt sich, dass grundsätzlich eine Bruttowarmmiete für einen Zwei-Personen-Haushalt in Höhe bis zu 444,00 Euro als angemessen gilt. Den Absätzen 5 und 10 der Vorschrift lässt sich zusätzlich entnehmen, dass unter bestimmten Voraussetzungen auch eine Überschreitung dieses Richtwertes um bis zu 10% im Bereich des Angemessenen liegt. Mit Rücksicht darauf kann der Senat nicht zu der Auffassung kommen, dass die tatsächlichen Aufwendungen der Antragsteller für Unterkunft und Heizung, die den allgemeinen Richtwert um weniger als 10% übersteigen, unangemessen sind. Denn es liegen besondere Umstände vor, die gleiches Gewicht haben wie diejenigen, wegen derer schon in der Ausführungsvorschrift der Senatsverwaltung eine Überschreitung des Richtwertes um bis zu 10% für zulässig gehalten wird. Aus dem Schreiben des Bezirksamtes Reinickendorf ergibt sich nämlich zur Überzeugung des Senats, dass der Antragsteller zu 2) im Interesse seiner möglichst ungestörten und geordneten Entwicklung darauf angewiesen ist, in seinem bisherigen Nahbereich zu verbleiben. Insoweit liegt ein wesentlicher sozialer Bezug im Sinne von Nr. 4 Abs. 5 Buchstabe c der Ausführungsvorschriften der Senatsverwaltung vor. Zwar betrifft diese Ausführungsvorschrift nicht die Neuanmietung von Wohnraum. Das Interesse des Antragstellers zu 2) an einem Verbleiben in seiner bisherigen Wohnumgebung ist aber nicht weniger schützenswert als bei einem bestehenden Mietverhältnis, weil er in Folge der Trennung seiner Eltern und der Verkaufsentscheidung des Vaters seine bisherige Wohnstätte verlassen musste. Die Überschreitung der grundsätzlich geltenden Grenze für die Angemessenheit ist deswegen gleichermaßen wie bei einer Beibehaltung der bisherigen Wohnung gerechtfertigt. Die Antragstellerin zu 1) hat auch durch ihre Angaben zu den bisherigen Wohnungssuch¬bemühungen glaubhaft gemacht, dass sie keine angemessene Wohnung im Nahbereich zu einem günstigeren Mietpreis gefunden hat. Danach geht der Senat davon aus, dass die den Antragstellern zu 1) und 2) entstehenden Aufwendungen für Unterkunft und Heizung in voller Höhe angemessen sind.
Wegen der noch nicht vollständig geklärten Vermögensverhältnisse der Antragstellerin zu 1) hat der Senat sich darauf beschränkt, eine Verpflichtung des Antragsgegners nur bis Januar 2006 auszusprechen. Insbesondere aus der von der Antragstellerin zu 1) bei der Volksfürsorge unterhaltenen Lebensversicherung kann sich verwertbares Vermögen ergeben. Der Antragsgegner hat bis Januar 2006 Leistungen bewilligt und die Antragstellerin zu 1) am 14. November 2005 zur Mitteilung aufgefordert, bis wann die Lebensversicherung ausgezahlt werden könne. Im Anschluss an diese Handhabung hält der Senat es für glaubhaft, dass eine Verwertung der Versicherung jedenfalls bis zum Januar 2006 nicht möglich gewesen ist, so dass bis zu diesem Zeitpunkt uneingeschränkt von der Bedürftigkeit der Antragsteller zu 1) und 2) auszugehen ist. Über diesen Zeitpunkt hinaus hält der Senat indessen das Fortbestehen der Bedürftigkeit mangels näherer Angaben nicht für hinreichend glaubhaft gemacht.
Die Kostenentscheidung ergeht entsprechend § 193 SGG. Sie berücksichtigt, dass die Antragsteller mit ihrem eigentlichen Begehren auf Übernahme der Kosten der Unterkunft in voller Höhe uneingeschränkten Erfolg gehabt haben.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 177 SGG).
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