Land
Hessen
Sozialgericht
Hessisches LSG
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
10
1. Instanz
SG Frankfurt (HES)
Aktenzeichen
S 1 Ar 990/94
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 10 AL 1163/97
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 24. Juli 1997 wird zurückgewiesen.
II. Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.
III. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist die Höhe des dem Kläger zustehenden Arbeitslosengeldes im Streit.
Der Kläger war vom 1. Juli 1963 bis zum 31. Oktober 1991 bei der Firma P. Gummiwarenfabrik KG in G. beschäftigt die mit Wirkung zum 1. November 1991 den Geschäftsbetrieb einstellte und durch die Firma G. übernommen wurde. Bei diesem Unternehmen übte der Kläger ab dem 1. November 1991 eine Tätigkeit als Finanzbuchhalter auf der Grundlage eines bis zum 31. Oktober 1993 befristeten Arbeitsvertrages aus. Sein letzter Arbeitstag war der 4. Juni 1993; für die Zeit ab dem 7. Juni 1993 (Montag) wurde der Kläger im Hinblick auf die Eröffnung des Konkursverfahrens über das Vermögen der Firma G. GmbH von der Arbeit freigestellt. Ausweislich der Arbeitsbescheinigung des Konkursverwalters über das Vermögen der Firma G. GmbH betrug das Monatsgehalt des Klägers bis zum Ausscheiden 4.760,00 DM bei 37,5 Stunden wöchentlicher Arbeitszeit und war bei der Arbeitslosmeldung des Klägers am 19. Oktober 1993 zum 1. November 1993 für die Zeit bis zum 4. Juni 1993 an den Kläger abgerechnet und gezahlt.
Außerdem stand der Kläger seit dem 1. November 1991 in einem weiteren Arbeitsverhältnis mit dem Rechtsanwaltsbüro R. und Partner als Konkursverwalter der Firma P. KG. Aus dieser Beschäftigung bezog er ein monatliches Bruttogehalt von 2.645,00 DM bei einer wöchentlichen Arbeitszeit von 20 Stunden. Zum Zeitpunkt der Arbeitslosmeldung und des Arbeitslosengeldantrages vom 19. Oktober 1993 zum 1. November 1993 hatte der Arbeitgeber das Arbeitsentgelt bis zum 30. September 1993 mit dem Kläger abgerechnet und gezahlt.
Mit Bescheid vom 20. Dezember 1993 bewilligte die Beklagte dem Kläger Arbeitslosengeld für die Zeit ab dem 1. November 1993 in Höhe von 543,60 DM wöchentlich auf der Grundlage eines Bemessungsentgelts von 1.300,00 DM wöchentlich. Hierzu teilte sie dem Kläger erläuternd mit, die Bemessung sei nicht auf der Grundlage des tatsächlich erzielten Arbeitsentgelts vorgenommen worden, weil dies unbillig hart gewesen wäre (§ 112 Abs. 7 Arbeitsförderungsgesetz – AFG –). Es sei deshalb der Bemessung ein tarifliches Arbeitsentgelt von 5.635,00 DM monatlich nach Gehaltsgruppe 5 des Tarifvertrages der Hessischen Kautschukindustrie zugrunde gelegt worden, das der Kläger als Buchhalter erzielen könne. Bei einer regelmäßigen Wochenarbeitszeit von 38 Stunden errechnete die Beklagte hieraus ein gerundetes wöchentliches Arbeitsentgelt von 1.300,00 DM. Ab dem 1. Januar 1994 betrug die Leistung 507,60 DM wöchentlich (Änderungsbescheid vom 4. Januar 1994).
Der Kläger erhob am 4. Januar 1994 Widerspruch und machte geltend, der Bemessung müsse das insgesamt erzielte Einkommen aus seinen beiden Tätigkeiten für die Firma G. GmbH und für die Rechtsanwälte R. und Partner zugrunde gelegt werden. Den Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 28. Februar 1994 zurück.
Am 25. März 1994 erhob der Kläger Klage zum Sozialgericht Frankfurt am Main. Er trug vor, aus seinen beiden Arbeitsverhältnissen für die Firma G. und die Rechtsanwälte R. und Partner habe er einen Anspruch auf eine monatliche Vergütung von insgesamt 7.405,00 DM gehabt (2.645,00 DM plus 4.760,00 DM), die als Bemessungsgrundlage heranzuziehen sei. Seine wöchentliche Arbeitszeit dürfe dabei nicht in der Weise ermittelt werden, daß die Stundenzahlen aus den beiden Arbeitsbescheinigungen zusammengerechnet würden; tatsächlich habe seine gesamte wöchentliche Arbeitszeit für beide Beschäftigungen 37,5 Stunden betragen. Im Verlauf des Verfahrens paßte die Beklagte mit Bescheiden vom 9. November 1994, 3. Januar 1995 und 8. November 1995 die dem Kläger gewährten Leistungen auf der Grundlage der ursprünglichen Leistungsmerkmale für die Zukunft neu an. Der Arbeitslosengeldbezug des Klägers endete am 31. Dezember 1995; seit dem 1. Januar 1996 bezieht er Altersrente.
Das Sozialgericht zog die Akte des Arbeitsgerichts Gießen (1 Ca 448/93) bei. In dem dortigen Verfahren hatte der Kläger, der für die Zeit seit der Freistellung durch die Firma G. GmbH von dieser kein Arbeitsentgelt mehr erhalten hatte, den Konkursverwalter zunächst auf Zahlung von insgesamt 9.602,08 DM Arbeitsentgelt für Juni und Juli 1993 verklagt. In einem Widerrufsvergleich vom 15. September 1993 einigten sich die Beteiligten dahingehend, daß Einigkeit darüber bestehe, daß das Arbeitsverhältnis des Klägers im gegenseitigen Einvernehmen auf Veranlassung des beklagten Arbeitgebers mit dem 31. Oktober 1993 sein Ende finde; die Zahlung des rückständigen Arbeitsentgelts solle erfolgen, wenn genügend Konkursmasse vorhanden sei; als Abfindung wurde ein Betrag von 2.000,00 DM vereinbart. Diesen Vergleich widerrief der Kläger und erweiterte seine Klage anschließend auf die Rechtsnachfolgerin seines früheren Arbeitgebers. Am 23. November 1994 schlossen die Parteien einen neuen Vergleich mit folgendem Inhalt:
"Das Arbeitsverhältnis endete aufgrund von Fristablauf und der Nichtweiterverlängerung des Arbeitsverhältnisses durch den Arbeitgeber am 31. Oktober 1993.
Die Beklagten verpflichten sich, an den Kläger für den Verlust des Arbeitsplatzes eine Abfindung analog der §§ 9,10 KSchG i.V.m. § 3 Ziffer 9 EinkStG in Höhe von 11.000,00 DM brutto gleich netto zu zahlen. Die Abfindung ist fällig bis spätestens 31. Dezember 1994. Mit diesem Vergleich sind alle wechselseitigen Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis und dessen Beendigung abgegolten.”
Mit Urteil vom 24. Juli 1997 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Die angefochtenen Bescheide, die – soweit erst nach Klageerhebung erlassen – gemäß § 96 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) Gegenstand des Verfahrens geworden seien, seien bezüglich der Bemessensgrundlage des Arbeitslosengeldes rechtlich nicht zu beanstanden. Es gäbe keine gesetzliche Grundlage, dem Kläger Arbeitslosengeld unter Zugrundelegung eines Arbeitsentgelts von 7.405,00 DM monatlich bei einer Arbeitszeit von 37,5 Stunden wöchentlich zu bewilligen. Nach § 112 Abs. 2 Satz 1 AFG in der vorliegend maßgeblichen Fassung habe der Arbeitslosengeld-Bemessungszeitraum die beim Ausscheiden des Arbeitnehmers abgerechneten Lohnabrechnungszeiträume der letzten drei Monate der die Beitragspflicht begründenden Beschäftigungen vor der Entstehung des Anspruchs, in dem der Arbeitslose Arbeitsentgelt erzielt habe, umfaßt. In den Monaten Juli bis September 1993 habe der Kläger Arbeitsentgelt aber lediglich aus dem Arbeitsverhältnis bei dem Konkursverwalter, nicht dagegen auch aus dem Arbeitsverhältnis bei der Firma G. GmbH, erhalten. Zwar könne nach der neueren Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) bei der Bemessung des Arbeitslosengeldes auch Arbeitsentgelt berücksichtigt werden, das dem Arbeitslosen nach dem Ausscheiden aus dem Beschäftigungsverhältnis in nachträglicher Vertragserfüllung zugeflossen sei. Die an den Kläger erfolgte Zahlung von 11.000,00 DM aus dem arbeitsgerichtlichen Vergleich vom 23. November 1994 stelle jedoch nicht die Zahlung von Arbeitsentgelt dar, sondern es habe sich um eine Abfindung nach den §§ 9, 10 KSchG gehandelt, was dadurch bestätigt werde, daß die Zahlung "brutto gleich netto” zu erfolgen hatte und dementsprechend auch erfolgt sei. Dies schließe es aus, hierin die Zahlung von Arbeitsentgelt zu sehen, zumal für das Gericht auch nicht feststellbar sei, in welchen Teilbeträgen der Betrag von 11.000,00 DM ggf. Arbeitsentgelt oder Abfindung enthalte. Der Kläger könne nicht beide Vorteile – Zahlung einer Abfindung brutto gleich netto einerseits und Anrechnung als Sozialabgabe und steuerpflichtiges Arbeitsentgelt andererseits – für sich beanspruchen. Richtigerweise habe die Beklagte daher eine fiktive Einstufung des Klägers in Anwendung der Vorschrift des § 112 Abs. 7 AFG vorgenommen, die seitens des Klägers nicht beanstandet worden sei und auch für das Gericht keinerlei Fehler erkennen lasse. Ergänzend nahm das Sozialgericht insoweit auf die Darlegungen im Widerspruchsbescheid Bezug.
Gegen dieses ihm am 14. August 1997 zugestellte Urteil hat der Kläger am 1. September 1997 Berufung eingelegt.
Er meint weiterhin, bei der Bemessung des Arbeitslosengeldes seien die arbeitsvertraglichen Vergütungen beim Konkursverwalter und der Firma G. GmbH zusammenzurechnen. Als ihm zugeflossenes Arbeitsentgelt sei dabei die Zahlung von 11.000,00 DM aus dem arbeitsgerichtlichen Vergleich vom 23. November 1994 zu berücksichtigten. Die dort vereinbarte "Abfindung” beinhalte in Wirklichkeit Arbeitsentgelt, welches die Parteien lediglich aus steuerlichen Gründen in die Form einer Abfindung gekleidet hätten. Der Betrag von 11.000,00 DM habe bereits deshalb nur Arbeitsentgelt darstellen können, weil sein Arbeitsverhältnis aufgrund der arbeitsvertraglichen Befristung ohnehin am 31. Oktober 1993 geendet hätte; für die Vereinbarung einer Abfindung sei daher kein Raum gewesen, vielmehr habe sich der Betrag von 11.000,00 DM an der geschätzten noch ausstehenden Nettovergütung für die Zeit ab Juni 1993 orientiert. Wenn ihm damals die neue Rechtsprechung des BSG bereits bekannt gewesen wäre, hätte er natürlich auf der Auszahlung der Bruttovergütung bestanden. Es könne also nicht auf die formalistische Seite ankommen, sondern maßgebend müsse sein, was der wirtschaftliche Hintergrund der getroffenen Vereinbarung gewesen sei.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 24. Juli 1997 aufzuheben und die Beklagte unter Abänderung der Bescheide vom 20. Dezember 1993 und vom 4. Januar 1994 und unter Aufhebung des Widerspruchsbescheides vom 28. Februar 1994 sowie unter Abänderung der Bescheide vom 9. November 1994, 3. Januar 1995 und 8. November 1995 zu verurteilen, ihm für die Zeit vom 1. November 1993 bis zum 31. Dezember 1995 Arbeitslosengeld auf der Grundlage eines monatlichen Arbeitsentgelts von 7.405,00 DM bei einer Arbeitszeit von 37,5 Stunden wöchentlich zu bewilligen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie bezieht sich auf die Entscheidungsgründe des erstinstanzlichen Urteils.
Der Senat hat die Akte des Arbeitsgerichts Gießen, 1 Ca 448/93, beigezogen. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt dieser Akte, der Gerichtsakte und der Verwaltungsakte der Beklagten, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung war, Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung ist unbegründet. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Zugrundelegung eines höheren Arbeitsentgelts bei der Bemessung des Arbeitslosengeldes für die Zeit vom 1. November 1993 bis zum 31. Dezember 1995.
Bei der Bestimmung des maßgeblichen Arbeitsentgelts ist die Beklagte zu Recht zu dem Ergebnis gelangt, daß dieses ab 1. November 1993 1.300,00 DM wöchentlich – entsprechend einem monatlichen Bruttoarbeitsentgelt von 5.635,00 DM – betrug. Ein Arbeitsentgelt von 7.405,00 DM monatlich hat der Kläger im Bemessungszeitraum nicht erzielt. Der Bemessungszeitraum umfaßt die beim Ausscheiden des Arbeitnehmers abgerechneten Lohnabrechnungszeiträume der letzten drei Monate der die Beitragspflicht begründenden Beschäftigungen vor der Entstehung des Anspruchs, in denen der Arbeitslose Arbeitsentgelt erzielt hat (§ 112 Abs. 2 Satz 1 AFG in der bis zum 31. Dezember 1993 geltenden Fassung durch das 8. AFG-Änderungsgesetz vom 14. Dezember 1987 – BGBl. 2602). Enthalten die Lohnabrechnungszeiträume weniger als 60 Tage mit Anspruch auf Arbeitsentgelt, verlängert sich der Bemessungszeitraum um weitere Abrechnungszeiträume, bis 60 Tage mit Anspruch auf Arbeitsentgelt erreicht sind (§ 112 Abs. 2 Satz 3 AFG). Aus dem im Bemessungszeitraum erzielten Arbeitsentgelt ist sodann nach der Berechnungsweise des § 112 Abs. 3 AFG das durchschnittliche wöchentliche Arbeitsentgelt zu ermitteln. Dies erfolgt in der Weise, daß das im Bemessungszeitraum durchschnittlich in der Arbeitsstunde erzielte Arbeitsentgelt mit der Zahl der Arbeitsstunden vervielfacht wird, die sich als Durchschnitt der tariflichen regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit der Beschäftigungsverhältnisse im Bemessungszeitraum ergibt. Arbeitsentgelt, das nach Monaten bemessen ist, gilt als in der Zeit von Arbeitsstunden erzielt, die sich ergibt, wenn die Zahl der vereinbarten regelmäßigen wöchentlichen Arbeitsstunden mit 13 vervielfacht und durch 3 geteilt wird.
Die Bestimmung des Bemessungsentgelts erfordert somit zunächst die Festlegung des Bemessungszeitraums (BSG SozR 3, 4100 § 112 Nr. 2 m.w.N.). Dieser Zeitraum ist anhand der beim Ausscheiden abgerechneten zugeflossenen Arbeitsentgelte zu ermitteln; hierbei gilt das sogenannte strenge Zuflußprinzip (BSG NZS 1996, 183). Der Bemessungszeitraum umfaßt im Fall des Klägers damit die Zeit vom 1. Juli bis 30. September 1993 als die letzten drei beim Ausscheiden aus dem Arbeitsverhältnis bei den Rechtsanwälten R. und Partner abgerechneten Lohnabrechnungszeiträume.
In dem so bestimmten Bemessungszeitraum hat der Kläger der Arbeitslosengeldbemessung zugrunde zu legendes Arbeitsentgelt (nur) in Höhe von 2.645,00 DM monatlich – aus der bereits genannten Beschäftigung bei den Rechtsanwälten R. und Partner – erzielt. Hingegen kann der Vergütungsanspruch in Höhe von 4.760,00 DM monatlich, den der Kläger gegenüber der Firma G. GmbH hatte, nicht als erzieltes Arbeitsentgelt berücksichtigt werden. Arbeitsentgelt ist nicht schon erzielt, wenn es erarbeitet ist und ein einklagbarer Anspruch darauf besteht. Vielmehr muß dieses Arbeitsentgelt auch tatsächlich zugeflossen sein. Während die Rechtsprechung früher allerdings nur solches Arbeitsentgelt als "zugeflossen” ansah, welches im Zeitpunkt des Ausscheidens des Arbeitnehmers tatsächlich erzielt und abgerechnet war, ist nach der neueren Rechtsprechung des BSG auch nach dem Ausscheiden des Arbeitnehmers infolge nachträglicher Vertragserfüllung zugeflossenes Arbeitsentgelt für den Bemessungszeitraum zu berücksichtigen (BSG a.a.O.). Es hat damit den vielfältigen, auch verfassungsrechtlich begründeten Bedenken gegen die bisherige Rechtsprechung Rechnung getragen. Denn Arbeitslose, denen Teile des Arbeitsentgelts zunächst rechtswidrig vorenthalten, aber später nachgezahlt worden sind, dürfen bei der Leistungsbemessung nicht schlechter dastehen als diejenigen, deren Arbeitsentgelt rechtzeitig und vollständig ausgezahlt worden ist, zumal auch das nachträglich gezahlte Arbeitsentgelt in gleichem Umfang der Beitragspflicht unterliegt wie der bis zum Ausscheiden gezahlte Lohn (a.a.O., 185). Dem schließt sich der Senat an.
Im Fall des Klägers bedeutet dies, daß es nicht darauf ankommt, daß er ab dem 7. Juni 1993 wegen des Annahmeverzugs der Firma G. GmbH bis zum Arbeitsvertragsende am 31. Oktober 1993 einen nicht erfüllten Gehaltsanspruch hatte, sondern allein darauf, ob ihm dieses geschuldete Arbeitsentgelt – und zwar für den maßgeblichen Bemessungszeitraum vom 1. Juli bis 30. September 1993 – tatsächlich nachträglich noch zugeflossen ist. Das ist jedoch nicht der Fall.
Bei der dem Kläger aufgrund des arbeitsgerichtlichen Vergleichs vom 23. November 1994 gezahlten "Abfindung” hat es sich allerdings – trotz des entgegenstehenden Wortlauts – um Arbeitsentgelt gehandelt. Die vereinbarte "Abfindung für den Verlust des Arbeitsplatzes analog der §§ 9, 10 KSchG” war in Wahrheit verdeckte Vergütung, mit der die Parteien darauf abzielten, dem Kläger die steuerliche Vergünstigung des § 3 Ziffer 9 EinkStG und seinem früheren Arbeitgeber die Freistellung von der Sozialversicherungspflicht zu verschaffen. Denn der Kläger hatte im arbeitsgerichtlichen Verfahren ausschließlich Gehaltsansprüche verfolgt; die Beendigung des Arbeitsverhältnisses zum 31. Oktober 1993 war zwischen den dortigen Parteien nie umstritten und konnte angesichts der ausdrücklichen Befristung des Arbeitsvertrages auch nicht streitig sein. Umgekehrt wurde das grundsätzliche Bestehen von Vergütungsansprüchen des Klägers durch den Konkursverwalter der Firma G. dem Grunde nach ebenfalls nicht bestritten; dieser hatte lediglich Masseunzulänglichkeit eingewandt. In einem solchen Fall, wo ein verständiger Grund für die Gewährung einer Entschädigung für den Verlust des Arbeitsplatzes nicht zu erkennen ist und ebensowenig für den Arbeitnehmer Anlaß besteht, auf die ihm zustehende Vergütung zu verzichten, verstößt ein solcher "Abfindungsvergleich” aber gegen § 32 Sozialgesetzbuch Erstes Buch (SGB I), wonach privatrechtliche Vereinbarungen nichtig sind, die zum Nachteil des Sozialleistungsberechtigten von Vorschriften dieses Gesetzbuches abweichen (BSG Breithaupt 1991, 710). Denn der Zweck einer solchen Vereinbarung läuft dem – gesetzlich angeordneten – Schutz des Arbeitnehmers in den einzelnen Zweigen der Sozialversicherung für die Restdauer seines Arbeitsverhältnisses zuwider.
Trotz dieser inhaltlichen Bewertung der gezahlten "Abfindung” als Arbeitsentgelt scheidet eine Berücksichtigung dieses Betrages bei der Arbeitslosengeldbemessung als nachträglich zugeflossenes Arbeitsentgelt aus. Denn für den Senat ist bereits nicht feststellbar, welcher (Teil-)Betrag der gezahlten 11.000,00 DM dem Bemessungszeitraum zuzuordnen ist. Der arbeitsgerichtliche Vergleich hat erkennbar die Arbeitsentgeltansprüche des Klägers nicht vollständig befriedigen sollen. Sein monatliches Gehalt betrug 4.760,00 DM brutto; die vergleichsweise Zahlung von 11.000,00 DM "brutto für netto” bedeutet – verteilt auf den Zeitraum vom 7. Juni bis 31. Oktober 1993 – ca. 2.200,00 DM monatlich und bleibt damit ersichtlich hinter der an sich dem Kläger zustehenden Vergütung zurück. Für welche Zeiträume der Kläger insoweit auf ihm zustehende Leistungen verzichtet hat, ist nicht erkennbar. Ebensowenig läßt sich dem gezahlten Betrag das – für § 112 Abs. 1 Satz 1 AFG maßgebliche – Bruttoarbeitsentgelt entnehmen.
Schließlich ist offen, ob der Betrag von 11.000,00 DM nicht auch solche Arbeitsentgeltanteile enthält, die nach dem Gesetz nicht berücksichtigungsfähig sind. Gemäß § 112 Abs. 1 Satz 2 AFG bleiben u.a. einmalige und wiederkehrende Zuwendungen bei der Bestimmung des Arbeitsentgeltes außer Betracht; dies gilt auch für Zuwendungen, die anteilig gezahlt werden, wenn das Arbeitsverhältnis vor dem Fälligkeitstermin endet. Diese Bestimmung schließt die Berücksichtigung von einmalig gezahltem oder aufgestautem Arbeitsentgelt, wie z.B. das 13. Monatsgehalt oder Urlaubsgeld, aus (Niesel, Kommentar zum AFG, 1. Auflage 1995, § 112 Rdnr. 7). Solche Arbeitsentgeltbestandteile mögen jedoch auch in die Vergleichssumme von 11.000,00 DM eingeflossen sein; denn der Kläger hatte im arbeitsgerichtlichen Verfahren auch anteiliges Weihnachtsgeld geltend gemacht.
Die Vereinbarung einer die Zahlung von Arbeitsentgelt verdeckenden Abfindungssumme hat somit zur Folge, daß die Bestimmung eines für den Bemessungszeitraum vom 1. Juni bis 30. September 1993 nachträglich zugeflossenen Arbeitsentgelts nicht möglich ist. Diese Unaufklärbarkeit geht zu Lasten des Klägers.
Die darin liegende Härte hat die Beklagte zutreffend dadurch vermindert, daß sie in Anwendung von § 112 Abs. 7 AFG nicht auf das von dem Kläger im Bemessungszeitraum tatsächliche erzielte Arbeitsentgelt von 2.645,00 DM monatlich abgestellt hat, sondern die Bemessung fiktiv nach dem Tarifentgelt eines vollzeitbeschäftigten Buchhalters im Bereich der Hessischen Kautschukindustrie vornahm. Die Beklagte hat hierzu dargelegt, daß die Einstufung in die Gehaltsgruppe K 5 des Tarifvertrags der Kautschukindustrie im Bezirk Hessen vom 1. Juli 1992 mit einem monatlichen Bruttoarbeitsentgelt in Höhe von 5.635,00 DM die für den Kläger günstigste Einstufung darstellt, da die Gehaltsgruppe K 5 die höchste Gehaltsgruppe dieses Tarifvertrages ist. Mithin ist die Zugrundelegung eines gerundeten Bemessungsentgelts von 1.300,00 DM wöchentlich (5.635,00 DM mal drei geteilt durch 13) nicht zu beanstanden.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Der Senat hat die Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung der Streitsache zugelassen.
II. Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.
III. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist die Höhe des dem Kläger zustehenden Arbeitslosengeldes im Streit.
Der Kläger war vom 1. Juli 1963 bis zum 31. Oktober 1991 bei der Firma P. Gummiwarenfabrik KG in G. beschäftigt die mit Wirkung zum 1. November 1991 den Geschäftsbetrieb einstellte und durch die Firma G. übernommen wurde. Bei diesem Unternehmen übte der Kläger ab dem 1. November 1991 eine Tätigkeit als Finanzbuchhalter auf der Grundlage eines bis zum 31. Oktober 1993 befristeten Arbeitsvertrages aus. Sein letzter Arbeitstag war der 4. Juni 1993; für die Zeit ab dem 7. Juni 1993 (Montag) wurde der Kläger im Hinblick auf die Eröffnung des Konkursverfahrens über das Vermögen der Firma G. GmbH von der Arbeit freigestellt. Ausweislich der Arbeitsbescheinigung des Konkursverwalters über das Vermögen der Firma G. GmbH betrug das Monatsgehalt des Klägers bis zum Ausscheiden 4.760,00 DM bei 37,5 Stunden wöchentlicher Arbeitszeit und war bei der Arbeitslosmeldung des Klägers am 19. Oktober 1993 zum 1. November 1993 für die Zeit bis zum 4. Juni 1993 an den Kläger abgerechnet und gezahlt.
Außerdem stand der Kläger seit dem 1. November 1991 in einem weiteren Arbeitsverhältnis mit dem Rechtsanwaltsbüro R. und Partner als Konkursverwalter der Firma P. KG. Aus dieser Beschäftigung bezog er ein monatliches Bruttogehalt von 2.645,00 DM bei einer wöchentlichen Arbeitszeit von 20 Stunden. Zum Zeitpunkt der Arbeitslosmeldung und des Arbeitslosengeldantrages vom 19. Oktober 1993 zum 1. November 1993 hatte der Arbeitgeber das Arbeitsentgelt bis zum 30. September 1993 mit dem Kläger abgerechnet und gezahlt.
Mit Bescheid vom 20. Dezember 1993 bewilligte die Beklagte dem Kläger Arbeitslosengeld für die Zeit ab dem 1. November 1993 in Höhe von 543,60 DM wöchentlich auf der Grundlage eines Bemessungsentgelts von 1.300,00 DM wöchentlich. Hierzu teilte sie dem Kläger erläuternd mit, die Bemessung sei nicht auf der Grundlage des tatsächlich erzielten Arbeitsentgelts vorgenommen worden, weil dies unbillig hart gewesen wäre (§ 112 Abs. 7 Arbeitsförderungsgesetz – AFG –). Es sei deshalb der Bemessung ein tarifliches Arbeitsentgelt von 5.635,00 DM monatlich nach Gehaltsgruppe 5 des Tarifvertrages der Hessischen Kautschukindustrie zugrunde gelegt worden, das der Kläger als Buchhalter erzielen könne. Bei einer regelmäßigen Wochenarbeitszeit von 38 Stunden errechnete die Beklagte hieraus ein gerundetes wöchentliches Arbeitsentgelt von 1.300,00 DM. Ab dem 1. Januar 1994 betrug die Leistung 507,60 DM wöchentlich (Änderungsbescheid vom 4. Januar 1994).
Der Kläger erhob am 4. Januar 1994 Widerspruch und machte geltend, der Bemessung müsse das insgesamt erzielte Einkommen aus seinen beiden Tätigkeiten für die Firma G. GmbH und für die Rechtsanwälte R. und Partner zugrunde gelegt werden. Den Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 28. Februar 1994 zurück.
Am 25. März 1994 erhob der Kläger Klage zum Sozialgericht Frankfurt am Main. Er trug vor, aus seinen beiden Arbeitsverhältnissen für die Firma G. und die Rechtsanwälte R. und Partner habe er einen Anspruch auf eine monatliche Vergütung von insgesamt 7.405,00 DM gehabt (2.645,00 DM plus 4.760,00 DM), die als Bemessungsgrundlage heranzuziehen sei. Seine wöchentliche Arbeitszeit dürfe dabei nicht in der Weise ermittelt werden, daß die Stundenzahlen aus den beiden Arbeitsbescheinigungen zusammengerechnet würden; tatsächlich habe seine gesamte wöchentliche Arbeitszeit für beide Beschäftigungen 37,5 Stunden betragen. Im Verlauf des Verfahrens paßte die Beklagte mit Bescheiden vom 9. November 1994, 3. Januar 1995 und 8. November 1995 die dem Kläger gewährten Leistungen auf der Grundlage der ursprünglichen Leistungsmerkmale für die Zukunft neu an. Der Arbeitslosengeldbezug des Klägers endete am 31. Dezember 1995; seit dem 1. Januar 1996 bezieht er Altersrente.
Das Sozialgericht zog die Akte des Arbeitsgerichts Gießen (1 Ca 448/93) bei. In dem dortigen Verfahren hatte der Kläger, der für die Zeit seit der Freistellung durch die Firma G. GmbH von dieser kein Arbeitsentgelt mehr erhalten hatte, den Konkursverwalter zunächst auf Zahlung von insgesamt 9.602,08 DM Arbeitsentgelt für Juni und Juli 1993 verklagt. In einem Widerrufsvergleich vom 15. September 1993 einigten sich die Beteiligten dahingehend, daß Einigkeit darüber bestehe, daß das Arbeitsverhältnis des Klägers im gegenseitigen Einvernehmen auf Veranlassung des beklagten Arbeitgebers mit dem 31. Oktober 1993 sein Ende finde; die Zahlung des rückständigen Arbeitsentgelts solle erfolgen, wenn genügend Konkursmasse vorhanden sei; als Abfindung wurde ein Betrag von 2.000,00 DM vereinbart. Diesen Vergleich widerrief der Kläger und erweiterte seine Klage anschließend auf die Rechtsnachfolgerin seines früheren Arbeitgebers. Am 23. November 1994 schlossen die Parteien einen neuen Vergleich mit folgendem Inhalt:
"Das Arbeitsverhältnis endete aufgrund von Fristablauf und der Nichtweiterverlängerung des Arbeitsverhältnisses durch den Arbeitgeber am 31. Oktober 1993.
Die Beklagten verpflichten sich, an den Kläger für den Verlust des Arbeitsplatzes eine Abfindung analog der §§ 9,10 KSchG i.V.m. § 3 Ziffer 9 EinkStG in Höhe von 11.000,00 DM brutto gleich netto zu zahlen. Die Abfindung ist fällig bis spätestens 31. Dezember 1994. Mit diesem Vergleich sind alle wechselseitigen Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis und dessen Beendigung abgegolten.”
Mit Urteil vom 24. Juli 1997 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Die angefochtenen Bescheide, die – soweit erst nach Klageerhebung erlassen – gemäß § 96 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) Gegenstand des Verfahrens geworden seien, seien bezüglich der Bemessensgrundlage des Arbeitslosengeldes rechtlich nicht zu beanstanden. Es gäbe keine gesetzliche Grundlage, dem Kläger Arbeitslosengeld unter Zugrundelegung eines Arbeitsentgelts von 7.405,00 DM monatlich bei einer Arbeitszeit von 37,5 Stunden wöchentlich zu bewilligen. Nach § 112 Abs. 2 Satz 1 AFG in der vorliegend maßgeblichen Fassung habe der Arbeitslosengeld-Bemessungszeitraum die beim Ausscheiden des Arbeitnehmers abgerechneten Lohnabrechnungszeiträume der letzten drei Monate der die Beitragspflicht begründenden Beschäftigungen vor der Entstehung des Anspruchs, in dem der Arbeitslose Arbeitsentgelt erzielt habe, umfaßt. In den Monaten Juli bis September 1993 habe der Kläger Arbeitsentgelt aber lediglich aus dem Arbeitsverhältnis bei dem Konkursverwalter, nicht dagegen auch aus dem Arbeitsverhältnis bei der Firma G. GmbH, erhalten. Zwar könne nach der neueren Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) bei der Bemessung des Arbeitslosengeldes auch Arbeitsentgelt berücksichtigt werden, das dem Arbeitslosen nach dem Ausscheiden aus dem Beschäftigungsverhältnis in nachträglicher Vertragserfüllung zugeflossen sei. Die an den Kläger erfolgte Zahlung von 11.000,00 DM aus dem arbeitsgerichtlichen Vergleich vom 23. November 1994 stelle jedoch nicht die Zahlung von Arbeitsentgelt dar, sondern es habe sich um eine Abfindung nach den §§ 9, 10 KSchG gehandelt, was dadurch bestätigt werde, daß die Zahlung "brutto gleich netto” zu erfolgen hatte und dementsprechend auch erfolgt sei. Dies schließe es aus, hierin die Zahlung von Arbeitsentgelt zu sehen, zumal für das Gericht auch nicht feststellbar sei, in welchen Teilbeträgen der Betrag von 11.000,00 DM ggf. Arbeitsentgelt oder Abfindung enthalte. Der Kläger könne nicht beide Vorteile – Zahlung einer Abfindung brutto gleich netto einerseits und Anrechnung als Sozialabgabe und steuerpflichtiges Arbeitsentgelt andererseits – für sich beanspruchen. Richtigerweise habe die Beklagte daher eine fiktive Einstufung des Klägers in Anwendung der Vorschrift des § 112 Abs. 7 AFG vorgenommen, die seitens des Klägers nicht beanstandet worden sei und auch für das Gericht keinerlei Fehler erkennen lasse. Ergänzend nahm das Sozialgericht insoweit auf die Darlegungen im Widerspruchsbescheid Bezug.
Gegen dieses ihm am 14. August 1997 zugestellte Urteil hat der Kläger am 1. September 1997 Berufung eingelegt.
Er meint weiterhin, bei der Bemessung des Arbeitslosengeldes seien die arbeitsvertraglichen Vergütungen beim Konkursverwalter und der Firma G. GmbH zusammenzurechnen. Als ihm zugeflossenes Arbeitsentgelt sei dabei die Zahlung von 11.000,00 DM aus dem arbeitsgerichtlichen Vergleich vom 23. November 1994 zu berücksichtigten. Die dort vereinbarte "Abfindung” beinhalte in Wirklichkeit Arbeitsentgelt, welches die Parteien lediglich aus steuerlichen Gründen in die Form einer Abfindung gekleidet hätten. Der Betrag von 11.000,00 DM habe bereits deshalb nur Arbeitsentgelt darstellen können, weil sein Arbeitsverhältnis aufgrund der arbeitsvertraglichen Befristung ohnehin am 31. Oktober 1993 geendet hätte; für die Vereinbarung einer Abfindung sei daher kein Raum gewesen, vielmehr habe sich der Betrag von 11.000,00 DM an der geschätzten noch ausstehenden Nettovergütung für die Zeit ab Juni 1993 orientiert. Wenn ihm damals die neue Rechtsprechung des BSG bereits bekannt gewesen wäre, hätte er natürlich auf der Auszahlung der Bruttovergütung bestanden. Es könne also nicht auf die formalistische Seite ankommen, sondern maßgebend müsse sein, was der wirtschaftliche Hintergrund der getroffenen Vereinbarung gewesen sei.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 24. Juli 1997 aufzuheben und die Beklagte unter Abänderung der Bescheide vom 20. Dezember 1993 und vom 4. Januar 1994 und unter Aufhebung des Widerspruchsbescheides vom 28. Februar 1994 sowie unter Abänderung der Bescheide vom 9. November 1994, 3. Januar 1995 und 8. November 1995 zu verurteilen, ihm für die Zeit vom 1. November 1993 bis zum 31. Dezember 1995 Arbeitslosengeld auf der Grundlage eines monatlichen Arbeitsentgelts von 7.405,00 DM bei einer Arbeitszeit von 37,5 Stunden wöchentlich zu bewilligen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie bezieht sich auf die Entscheidungsgründe des erstinstanzlichen Urteils.
Der Senat hat die Akte des Arbeitsgerichts Gießen, 1 Ca 448/93, beigezogen. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt dieser Akte, der Gerichtsakte und der Verwaltungsakte der Beklagten, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung war, Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung ist unbegründet. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Zugrundelegung eines höheren Arbeitsentgelts bei der Bemessung des Arbeitslosengeldes für die Zeit vom 1. November 1993 bis zum 31. Dezember 1995.
Bei der Bestimmung des maßgeblichen Arbeitsentgelts ist die Beklagte zu Recht zu dem Ergebnis gelangt, daß dieses ab 1. November 1993 1.300,00 DM wöchentlich – entsprechend einem monatlichen Bruttoarbeitsentgelt von 5.635,00 DM – betrug. Ein Arbeitsentgelt von 7.405,00 DM monatlich hat der Kläger im Bemessungszeitraum nicht erzielt. Der Bemessungszeitraum umfaßt die beim Ausscheiden des Arbeitnehmers abgerechneten Lohnabrechnungszeiträume der letzten drei Monate der die Beitragspflicht begründenden Beschäftigungen vor der Entstehung des Anspruchs, in denen der Arbeitslose Arbeitsentgelt erzielt hat (§ 112 Abs. 2 Satz 1 AFG in der bis zum 31. Dezember 1993 geltenden Fassung durch das 8. AFG-Änderungsgesetz vom 14. Dezember 1987 – BGBl. 2602). Enthalten die Lohnabrechnungszeiträume weniger als 60 Tage mit Anspruch auf Arbeitsentgelt, verlängert sich der Bemessungszeitraum um weitere Abrechnungszeiträume, bis 60 Tage mit Anspruch auf Arbeitsentgelt erreicht sind (§ 112 Abs. 2 Satz 3 AFG). Aus dem im Bemessungszeitraum erzielten Arbeitsentgelt ist sodann nach der Berechnungsweise des § 112 Abs. 3 AFG das durchschnittliche wöchentliche Arbeitsentgelt zu ermitteln. Dies erfolgt in der Weise, daß das im Bemessungszeitraum durchschnittlich in der Arbeitsstunde erzielte Arbeitsentgelt mit der Zahl der Arbeitsstunden vervielfacht wird, die sich als Durchschnitt der tariflichen regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit der Beschäftigungsverhältnisse im Bemessungszeitraum ergibt. Arbeitsentgelt, das nach Monaten bemessen ist, gilt als in der Zeit von Arbeitsstunden erzielt, die sich ergibt, wenn die Zahl der vereinbarten regelmäßigen wöchentlichen Arbeitsstunden mit 13 vervielfacht und durch 3 geteilt wird.
Die Bestimmung des Bemessungsentgelts erfordert somit zunächst die Festlegung des Bemessungszeitraums (BSG SozR 3, 4100 § 112 Nr. 2 m.w.N.). Dieser Zeitraum ist anhand der beim Ausscheiden abgerechneten zugeflossenen Arbeitsentgelte zu ermitteln; hierbei gilt das sogenannte strenge Zuflußprinzip (BSG NZS 1996, 183). Der Bemessungszeitraum umfaßt im Fall des Klägers damit die Zeit vom 1. Juli bis 30. September 1993 als die letzten drei beim Ausscheiden aus dem Arbeitsverhältnis bei den Rechtsanwälten R. und Partner abgerechneten Lohnabrechnungszeiträume.
In dem so bestimmten Bemessungszeitraum hat der Kläger der Arbeitslosengeldbemessung zugrunde zu legendes Arbeitsentgelt (nur) in Höhe von 2.645,00 DM monatlich – aus der bereits genannten Beschäftigung bei den Rechtsanwälten R. und Partner – erzielt. Hingegen kann der Vergütungsanspruch in Höhe von 4.760,00 DM monatlich, den der Kläger gegenüber der Firma G. GmbH hatte, nicht als erzieltes Arbeitsentgelt berücksichtigt werden. Arbeitsentgelt ist nicht schon erzielt, wenn es erarbeitet ist und ein einklagbarer Anspruch darauf besteht. Vielmehr muß dieses Arbeitsentgelt auch tatsächlich zugeflossen sein. Während die Rechtsprechung früher allerdings nur solches Arbeitsentgelt als "zugeflossen” ansah, welches im Zeitpunkt des Ausscheidens des Arbeitnehmers tatsächlich erzielt und abgerechnet war, ist nach der neueren Rechtsprechung des BSG auch nach dem Ausscheiden des Arbeitnehmers infolge nachträglicher Vertragserfüllung zugeflossenes Arbeitsentgelt für den Bemessungszeitraum zu berücksichtigen (BSG a.a.O.). Es hat damit den vielfältigen, auch verfassungsrechtlich begründeten Bedenken gegen die bisherige Rechtsprechung Rechnung getragen. Denn Arbeitslose, denen Teile des Arbeitsentgelts zunächst rechtswidrig vorenthalten, aber später nachgezahlt worden sind, dürfen bei der Leistungsbemessung nicht schlechter dastehen als diejenigen, deren Arbeitsentgelt rechtzeitig und vollständig ausgezahlt worden ist, zumal auch das nachträglich gezahlte Arbeitsentgelt in gleichem Umfang der Beitragspflicht unterliegt wie der bis zum Ausscheiden gezahlte Lohn (a.a.O., 185). Dem schließt sich der Senat an.
Im Fall des Klägers bedeutet dies, daß es nicht darauf ankommt, daß er ab dem 7. Juni 1993 wegen des Annahmeverzugs der Firma G. GmbH bis zum Arbeitsvertragsende am 31. Oktober 1993 einen nicht erfüllten Gehaltsanspruch hatte, sondern allein darauf, ob ihm dieses geschuldete Arbeitsentgelt – und zwar für den maßgeblichen Bemessungszeitraum vom 1. Juli bis 30. September 1993 – tatsächlich nachträglich noch zugeflossen ist. Das ist jedoch nicht der Fall.
Bei der dem Kläger aufgrund des arbeitsgerichtlichen Vergleichs vom 23. November 1994 gezahlten "Abfindung” hat es sich allerdings – trotz des entgegenstehenden Wortlauts – um Arbeitsentgelt gehandelt. Die vereinbarte "Abfindung für den Verlust des Arbeitsplatzes analog der §§ 9, 10 KSchG” war in Wahrheit verdeckte Vergütung, mit der die Parteien darauf abzielten, dem Kläger die steuerliche Vergünstigung des § 3 Ziffer 9 EinkStG und seinem früheren Arbeitgeber die Freistellung von der Sozialversicherungspflicht zu verschaffen. Denn der Kläger hatte im arbeitsgerichtlichen Verfahren ausschließlich Gehaltsansprüche verfolgt; die Beendigung des Arbeitsverhältnisses zum 31. Oktober 1993 war zwischen den dortigen Parteien nie umstritten und konnte angesichts der ausdrücklichen Befristung des Arbeitsvertrages auch nicht streitig sein. Umgekehrt wurde das grundsätzliche Bestehen von Vergütungsansprüchen des Klägers durch den Konkursverwalter der Firma G. dem Grunde nach ebenfalls nicht bestritten; dieser hatte lediglich Masseunzulänglichkeit eingewandt. In einem solchen Fall, wo ein verständiger Grund für die Gewährung einer Entschädigung für den Verlust des Arbeitsplatzes nicht zu erkennen ist und ebensowenig für den Arbeitnehmer Anlaß besteht, auf die ihm zustehende Vergütung zu verzichten, verstößt ein solcher "Abfindungsvergleich” aber gegen § 32 Sozialgesetzbuch Erstes Buch (SGB I), wonach privatrechtliche Vereinbarungen nichtig sind, die zum Nachteil des Sozialleistungsberechtigten von Vorschriften dieses Gesetzbuches abweichen (BSG Breithaupt 1991, 710). Denn der Zweck einer solchen Vereinbarung läuft dem – gesetzlich angeordneten – Schutz des Arbeitnehmers in den einzelnen Zweigen der Sozialversicherung für die Restdauer seines Arbeitsverhältnisses zuwider.
Trotz dieser inhaltlichen Bewertung der gezahlten "Abfindung” als Arbeitsentgelt scheidet eine Berücksichtigung dieses Betrages bei der Arbeitslosengeldbemessung als nachträglich zugeflossenes Arbeitsentgelt aus. Denn für den Senat ist bereits nicht feststellbar, welcher (Teil-)Betrag der gezahlten 11.000,00 DM dem Bemessungszeitraum zuzuordnen ist. Der arbeitsgerichtliche Vergleich hat erkennbar die Arbeitsentgeltansprüche des Klägers nicht vollständig befriedigen sollen. Sein monatliches Gehalt betrug 4.760,00 DM brutto; die vergleichsweise Zahlung von 11.000,00 DM "brutto für netto” bedeutet – verteilt auf den Zeitraum vom 7. Juni bis 31. Oktober 1993 – ca. 2.200,00 DM monatlich und bleibt damit ersichtlich hinter der an sich dem Kläger zustehenden Vergütung zurück. Für welche Zeiträume der Kläger insoweit auf ihm zustehende Leistungen verzichtet hat, ist nicht erkennbar. Ebensowenig läßt sich dem gezahlten Betrag das – für § 112 Abs. 1 Satz 1 AFG maßgebliche – Bruttoarbeitsentgelt entnehmen.
Schließlich ist offen, ob der Betrag von 11.000,00 DM nicht auch solche Arbeitsentgeltanteile enthält, die nach dem Gesetz nicht berücksichtigungsfähig sind. Gemäß § 112 Abs. 1 Satz 2 AFG bleiben u.a. einmalige und wiederkehrende Zuwendungen bei der Bestimmung des Arbeitsentgeltes außer Betracht; dies gilt auch für Zuwendungen, die anteilig gezahlt werden, wenn das Arbeitsverhältnis vor dem Fälligkeitstermin endet. Diese Bestimmung schließt die Berücksichtigung von einmalig gezahltem oder aufgestautem Arbeitsentgelt, wie z.B. das 13. Monatsgehalt oder Urlaubsgeld, aus (Niesel, Kommentar zum AFG, 1. Auflage 1995, § 112 Rdnr. 7). Solche Arbeitsentgeltbestandteile mögen jedoch auch in die Vergleichssumme von 11.000,00 DM eingeflossen sein; denn der Kläger hatte im arbeitsgerichtlichen Verfahren auch anteiliges Weihnachtsgeld geltend gemacht.
Die Vereinbarung einer die Zahlung von Arbeitsentgelt verdeckenden Abfindungssumme hat somit zur Folge, daß die Bestimmung eines für den Bemessungszeitraum vom 1. Juni bis 30. September 1993 nachträglich zugeflossenen Arbeitsentgelts nicht möglich ist. Diese Unaufklärbarkeit geht zu Lasten des Klägers.
Die darin liegende Härte hat die Beklagte zutreffend dadurch vermindert, daß sie in Anwendung von § 112 Abs. 7 AFG nicht auf das von dem Kläger im Bemessungszeitraum tatsächliche erzielte Arbeitsentgelt von 2.645,00 DM monatlich abgestellt hat, sondern die Bemessung fiktiv nach dem Tarifentgelt eines vollzeitbeschäftigten Buchhalters im Bereich der Hessischen Kautschukindustrie vornahm. Die Beklagte hat hierzu dargelegt, daß die Einstufung in die Gehaltsgruppe K 5 des Tarifvertrags der Kautschukindustrie im Bezirk Hessen vom 1. Juli 1992 mit einem monatlichen Bruttoarbeitsentgelt in Höhe von 5.635,00 DM die für den Kläger günstigste Einstufung darstellt, da die Gehaltsgruppe K 5 die höchste Gehaltsgruppe dieses Tarifvertrages ist. Mithin ist die Zugrundelegung eines gerundeten Bemessungsentgelts von 1.300,00 DM wöchentlich (5.635,00 DM mal drei geteilt durch 13) nicht zu beanstanden.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Der Senat hat die Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung der Streitsache zugelassen.
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