L 10 Ar 740/94

Land
Hessen
Sozialgericht
Hessisches LSG
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
10
1. Instanz
SG Frankfurt (HES)
Aktenzeichen
S 14 Ar 2343/92
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 10 Ar 740/94
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung der Beklagten gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 14. Juli 1994 wird zurückgewiesen.

II. Die Beklagte hat dem Kläger die außergerichtlichen Kosten zu erstatten.

III. Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist der Eintritt einer Sperrzeit vom 1. Juli 1992 bis zum 22. September 1992 im Streit.

Der Kläger stellte am 17. Juni 1992 bei der Beklagten Antrag auf Arbeitslosengeld (Alg). Laut Arbeitsbescheinigung der Firma S. AG war er vom 1. Dezember 1974 bis zum 30. Juni 1992 als Betriebsschlosser bei der Firma S. AG – H. beschäftigt. Dem Kläger wurde am 14. November 1991 zum 30. Juni 1992 seitens des Arbeitgebers gekündigt. Die ordentliche Kündigung des Arbeitsverhältnisses durch den Arbeitgeber war tarifvertraglich nur bei Zahlung einer Abfindung, Entschädigung oder ähnlichen Leistungen zulässig. Gemäß § 21 Abs. 5 des Hessischen Manteltarifvertrages der Eisen-, Metall- und Elektroindustrie vom 15. Januar 1982 war das Arbeitsverhältnis des Klägers unkündbar, es sei denn, es hätte ein wichtiger Grund vorgelegen. Dies galt nicht bei Vorliegen eines für den Kläger geltenden Sozialplanes sowie bei einer Änderungskündigung zum Zwecke innerbetrieblicher Versetzung und Versetzungen innerhalb des Unternehmens bzw. Konzerns, wenn damit keine Veränderung des Wohnsitzes erforderlich wurde, ebenso wie die gesetzlichen Bestimmungen über die außerordentliche Kündigung des Arbeitsverhältnisses unberührt blieben. Anlaß für die Kündigung des Arbeitgebers war kein vertragswidriges Verhalten des Klägers. Maßgeblich waren betriebliche Gründe. Wegen der Kündigung erhielt der Kläger von der Firma S. einen Übergangszuschuß, und zwar vom 1. Juli 1992 bis zum 31. Dezember 1992 sowie Beihilfe als Anerkennung für langjährige Dienstzeit vom 1. Januar 1993 bis zum 31. Mai 1994 und Ruhegeld ab 1. Juli 1992.

Der Kläger erklärte gegenüber der Beklagten, daß er den Arbeitsplatz aus betriebsbedingten Gründen verloren habe. Die Gründe seien ihm in einem persönlichen Gespräch erläutert worden und der Betriebsrat sei ordnungsgemäß gehört worden und habe der Kündigung zugestimmt. Wenn er auf einer Änderungskündigung bestanden hätte, wäre einem anderen Arbeitnehmer gekündigt worden. Eine Klage beim Arbeitsgericht habe er aus folgenden Gründen unterlassen: Zum einen habe er diverse finanzielle Unterstützung erhalten und er sei der Auffassung, daß auch vom Arbeitsgericht ihm nicht mehr zugesprochen worden wäre und zum anderen sei er in dem Unternehmen bis zum Schluß korrekt behandelt worden; er sei daher der Meinung, daß es ihm nicht zugemutet werden könne, gegen dieses Unternehmen eine Klage zu erheben.

Mit Bescheid vom 19. August 1992 stellt die Beklagte den Eintritt einer Sperrzeit ab 1. Juli 1992 bis zum 22. September 1992 fest, wobei sie die Kündigung des Arbeitgebers durch die Zustimmung des Klägers in einen Aufhebungsvertrag umdeutete, weil grundsätzlich der Kläger nach der bereits zitierten Vorschrift des Manteltarifvertrages unkündbar gewesen sei. Mit Bescheid vom 21. August 1992 gewährt die Beklagte dem Kläger Alg ab 23. September 1992. Gegen den Bescheid vom 19. August 1992 legte der Kläger Widerspruch ein, wobei er im wesentlichen die Gründe, wie bereits vorher zitiert, wiederholte.

Mit Widerspruchsbescheid vom 14. September 1992 wurde der Widerspruch des Klägers zurückgewiesen. Die Beklagte stellte sich hierbei auf den Standpunkt, daß aufgrund des Einverständnisses des Klägers mit der Kündigung davon auszugehen sei, daß er konkludent das Aufhebungsangebot angenommen habe und somit einen Aufhebungsvertrag mit seinem ehemaligen Arbeitgeber geschlossen worden sei, der aber einer Eigenkündigung gleichstehe, so daß ein Sperrzeittatbestand eingetreten sei. Einen wichtigen Grund könne der Kläger für sich nicht in Anspruch nehmen. Das Alter eines Arbeitslosen komme die Zusage einer Abfindung oder ähnlichen Leistung durch den Arbeitgeber sowie die Erhaltung seines Arbeitsplatzes für einen jüngeren Arbeitnehmer seien allein kein wichtiger Grund für die Aufgabe eines Beschäftigungsverhältnisses.

Der Kläger hat gegen diesen Widerspruchsbescheid am 8. Oktober 1992 vor dem Sozialgerichts Frankfurt am Main Klage erhoben.

Mit Gerichtsbescheid vom 14. Juli 1994 hat sich das Sozialgericht Frankfurt am Main der Auffassung des Klägers angeschlossen und unter Aufhebung der angefochtenen Bescheide die Beklagte verurteilt, dem Kläger Alg ab 1. Juli bis zum 22. September 1992 zu gewähren. Das Sozialgericht ist in seiner Begründung zu der Auffassung gelangt, daß der Kläger sein Beschäftigungsverhältnis im Sinne des § 119 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Arbeitsförderungsgesetz (AFG) nicht im Sinne dieses Gesetzes gelöst habe. Der Arbeitgeber habe das Beschäftigungsverhältnis durch Kündigung aufgehoben. Eine Zustimmung zu einem Aufhebungsvertrag könne jedoch dadurch nicht unterstellt werden, da es hierzu zu einer ausdrücklichen Willenserklärung des Klägers in dieser Hinsicht bedurft hätte. Auch könne aus dem bloßem Schweigen oder Hinnehmen einer Kündigung bzw. aus dem Absehen von der Erhebung einer Kündigungsschutzklage nicht auf ein Einverständnis im Sinne eines Aufhebungsvertrages geschlossen werden. Im übrigen müßte selbst dann, wenn von einer Aufhebungsvereinbarung auszugehen sei, die Voraussetzung des Eintritts einer Sperrzeit in der Frage des "wichtigen Grundes” verneint werden. Die vom Kläger in diesem Zusammenhang angeführten Gründe seien ein schlüssiges Vorbringen für das Vorliegen eines wichtigen Grundes.

Gegen den am 21. Juli 1994 zugestellten Gerichtsbescheid richtet sich die Berufung der Beklagten vom 16. August 1994 beim Hessischen Landessozialgericht. Die Berufung wird damit begründet, daß das Sozialgericht verkannt habe, daß durch das Handeln des Klägers ein Aufhebungsvertrag zwischen Arbeitgeber und Kläger zustande gekommen sei, der aber einer Eigenkündigung im Sinne des § 119 AFG gleichzusetzen sei. Es sei nicht entscheidend, von wem die Initiative zur Auflösung des Beschäftigungsverhältnisses ausgegangen sei. Die Beklagte hat dann weiter in der Berufungsbegründung zunächst ihre Auffassung dargelegt, daß der Arbeitgeber des Klägers sich nicht auf die Ausnahmen für ein Kündigungsverbot eines so langjährigen Arbeitnehmers habe berufen können. So seien die Regelungen der Firma S. zur finanziellen Erleichterung der Übergangszeit zwischen Arbeitsverhältnis und Rentenbezug zunächst nicht als Sozialplan anzusehen. Bei den von der Firma S. gezahlten Leistungen handele es sich nicht um solche, die im Zusammenhang mit einem Interessenausgleich wegen vom Unternehmer durchgeführten Betriebsänderung stehe. Es seien Leistungen, die ältere Arbeitnehmer des Unternehmens beim Ausscheiden erhielten. Sie sollten die Übergangszeit zwischen dem Ende des Arbeitsverhältnisses und dem Rentenbezug finanziell erleichtern. Ihre Gewährung sei auch nicht davon abhängig, ob der Arbeitnehmer im Einzelfall an den Folgen einer innerbetrieblichen Umstrukturierung betroffen sei. Weiterhin habe zwar zur Beseitigung des Unkündbarkeitsstatusses die Firma S. die Möglichkeit der Änderungskündigung. Diese habe jedoch die Firma S. nicht ausgesprochen. Vielmehr sei in der Vergangenheit die Lösung dieser Arbeitsverhältnisse in vergleichbaren Situationen mittels Aufhebungsvertrag erfolgt. Dabei sei die Firma S. davon ausgegangen, durch den Aufhebungsvertrag hätten die betroffenen unkündbaren Arbeitnehmer die Arbeitslosigkeit nicht grob fahrlässig herbeigeführt, weil andernfalls eine Kündigung durch den Arbeitgeber aus vom Verhalten des Arbeitnehmers unabhängigen Gründen zum gleichen Zeitpunkt ausgesprochen worden wäre. Hierbei habe die Firma S. die Rechtmäßigkeit einer solchen Kündigung aus § 21 Nr. 5 Satz 2 des Manteltarifvertrages abgeleitet. Soweit die Firma S. Einwände, gegenüber den betroffenen Arbeitnehmern wäre zum gleichen Zeitpunkt eine Änderungskündigung ausgesprochen worden, so sei dadurch noch nicht nachgewiesen, daß eine Ausnahme von dem besonderen Kündigungsschutz des § 21 Nr. 5 Satz 1 des Manteltarifvertrages vorliege. In diesem Falle habe der Arbeitgeber nämlich darzulegen, welchen konkreten Beschäftigungsmöglichkeiten dem Arbeitnehmer tarifkonform angeboten werden konnten und daß der Arbeitnehmer diese Angebote ausdrücklich abgelehnt habe. Hierfür gebe es keine Anhaltspunkte. Bei diesen vorliegenden Voraussetzungen hätte der Kläger der Kündigung nicht zuzustimmen brauchen, da er unkündbar gewesen sei und die Ausnahmevoraussetzungen nicht vorgelegen hätten. Ein wichtiger Grund für das Verhalten des Klägers könne darüber hinaus auch nicht anerkannt werden. Die in diesem Zusammenhang ergangene Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) könne nicht herangezogen werden, da es sich im vorliegenden Fall der Firma S. um keinen Personalabbau handele. Es habe sich lediglich um eine Umstrukturierungsmaßnahme gehandelt, die infolge Rationalisierung ein Wegfall von Arbeitsplätzen zur Folge gehabt hätte.

Die Beklagte beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 14. Juli 1994 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.

Der Kläger ist der Auffassung, daß im vorliegenden Fall der Anspruch einer Änderungskündigung eine reine Formfrage gewesen wäre, denn die Änderungskündigung in § 2 des Kündigungsschutzgesetzes stelle nichts anderes dar, als eine Vollkündigung des Beschäftigungsverhältnisses, die gekoppelt sei, mit dem Angebot des das Arbeitsverhältnis zu geänderten Bedingungen fortzusetzen. Für die Annahme dieses Fortsetzungsangebotes würden dem Mitarbeiter dann nach dem Gesetz drei Wochen zur Verfügung stehen. Nehme er während dieser Zeit das Angebot nicht ausdrücklich an, so ende das Arbeitsverhältnis aufgrund der ausgesprochenen Änderungskündigung, d.h. die Änderungskündigung wirke wie eine Vollkündigung. Wenn von vornherein feststehe, daß der Arbeitnehmer das Änderungsangebot nicht annehme, so stehe bereits fest, daß aus einer formal ausgesprochenen Änderungskündigung eine Vollkündigung werde. Aus diesem Grund habe das Bundesarbeitsgericht den Ausspruch einer Beendigungskündigung auch bei vorhandenen freien Arbeitsplätzen, die ansonsten im Wege der Änderungskündigung hätten angeboten werden müssen, für zulässig erachtet. Wenn nun in Anbetracht dieser Situation die Firma S. dazu übergegangen sei, das Arbeitsverhältnis nicht per Aufhebungsvertrag sondern durch Beendigungskündigung zu beenden, so sei dies eine Handhabung, die unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts rechtlich zulässig erscheine.

Wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Verwaltungsakte der Beklagten sowie auf den Inhalt der Gerichtsakte Bezug genommen, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung war.

Entscheidungsgründe:

Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Beklagten ist zulässig und statthaft, aber unbegründet.

Gemäß § 119 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AFG in der vorliegend anwendbaren Fassung des Gesetzes zur Änderung des Arbeitsförderungsgesetzes und zur Förderung eines gleitenden Übergangs älterer Arbeitnehmer in den Ruhestand vom 20. Dezember 1988 (BGBl. I S. 2334) tritt eine Sperrzeit von acht Wochen ein, wenn der Arbeitslose das Beschäftigungsverhältnis gelöst und dadurch vorsätzlich oder grob fahrlässig die Arbeitslosigkeit herbeigeführt hat, ohne für sein Verhalten einen wichtigen Grund zu haben. Nach § 119 a Nr. 1 AFG in der Fassung des Gesetzes zur Verlängerung beschäftigungsfördernder Vorschriften (Beschäftigungsförderungsgesetz 1990) vom 22. Dezember 1989 (BGBl. I S. 2406) gilt bei Sperrzeiten nach § 119 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AFG, die in der Zeit vom 1. Januar 1985 bis zum 31. Dezember 1995 eintreten, § 119 AFG mit der Maßgabe, daß die Dauer der Sperrzeit nach Abs. 1 Satz 1 zwölf Wochen beträgt.

Zutreffend und mit überzeugender Begründung hat das SG im angefochtenen Urteil dargelegt, daß der Kläger sein Beschäftigungsverhältnis mit der Firma S. AG/B. werk H. nicht im Sinne des § 119 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AFG "gelöst” hat, weshalb bereits diese erste Voraussetzung einer Sperrzeit nicht erfüllt war und es nicht mehr darauf ankam, ob der Kläger für sein Verhalten einen wichtigen Grund im Sinne des Gesetzes hatte. Weder wurde das Beschäftigungsverhältnis vom Kläger selbst gelöst, noch gab der Kläger durch ein arbeitsvertragswidriges Verhalten Anlaß für die Lösung des Beschäftigungsverhältnisses. Entgegen der Auffassung der Beklagten hat der Kläger auch keinen Aufhebungsvertrag mit seinem Arbeitgeber geschlossen. Insoweit trägt die Beklagte mit ihrem Berufungsvorbringen selbst vor, daß allein in dem Unterlassen einer Kündigungsschutzklage im allgemeinen keine Vereinbarung mit dem Arbeitgeber über die Beendigung des Arbeitsverhältnisses gesehen werden könne. Die zum vorliegenden Fall vorgetragene Auffassung jedoch, daß etwas anderes im Falle des Bestehens eines besonderen Kündigungsschutzes gelte, vermag der Senat nicht nachvollziehen. Er folgt vielmehr der Rechtsprechung des BSG (Urteil vom 20. April 1977 – 7 RAr 81/75), daß das Unterlassen der Kündigungsschutzklage keine Lösung des Arbeitsverhältnisses durch den Arbeitnehmer und mithin keinen Tatbestand für eine Sperrzeit darstellt (so auch Gagel/Vogt, Beendigung von Arbeitsverhältnissen, Neuwied 1992, Randziffern 87, 97). Insoweit verweist der Senat auf seine Entscheidung vom 16. September 1994 (L-10/Ar-836/93) in einem Parallelfall, in dem folgendes ausgeführt wurde:

"Die Beendigung des Arbeitsverhältnisses erfolgte durch die einseitige Kündigung des Arbeitgebers. Der Kläger hat diese Kündigung hingenommen. Hieraus ist nicht der rechtliche Schluß zu ziehen, daß durch das Nichtreagieren des Klägers in Form einer Kündigungsschutzklage ein Verhalten dem Kläger vorzuwerfen ist, was einem Mitwirken an einer Auflösungsvereinbarung gleichkommt. Hierbei ist nicht entscheidend, daß die Kündigung durch den Arbeitgeber objektiv unwirksam bzw. rechtswidrig war, da der Kläger gemäß § 21 Nr. 5 Satz 2 des gemeinsamen Manteltarifvertrages für Arbeiter und Angestellte in der Eisen-, Metall- und Elektroindustrie des Landes Hessen aufgrund seiner langjährigen Zugehörigkeit zum Betrieb als unkündbar anzusehen war. Ob eine Kündigung rechtswidrig oder rechtmäßig ist, ist in diesem Fall nicht relevant für den Eintritt der tatsächlichen Arbeitslosigkeit. Auf jeden Fall wurde die Kündigung dadurch wirksam, daß der Kläger gegen die Kündigung keine Kündigungsschutzklage erhoben hat. Damit ist die Kündigung des Arbeitgebers auch dann wirksam geworden, wenn die von ihr geltend gemachten Rationalisierungsgründe unter anderem keinen wichtigen Grund im Sinne des § 626 Abs. 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) darstellen (so im Ergebnis BSG 7 RAr 85/75, Urteil vom 20. April 1977 sowie BSG 7 RAr 28/83, Urteil vom 12. April 1984). Somit rechtfertigt der Umstand allein, daß sich der Kläger nicht mit der Kündigungsschutzklage gegen eine Kündigung wehrt keinen Grund für eine Sperrzeit dar. Die Besprechung der Kündigungsgründe zwischen den Parteien des Arbeitsvertrages, wie sie hier erfolgt ist, kann ebensogut dem Zweck gedient haben, den Kläger geneigt zu machen, von einer Feststellungsklage gegen die Kündigung abzusehen. Richtig ist zwar, daß eine Kündigung in das Vertragsangebot zur sofortigen einverständlichen Beendigung des Arbeitsverhältnisses umgedeutet werden kann, wenn es dem mutmaßlichen Willen des Kündigenden entspricht, auch beim Fehlen eines Kündigungsschutzgrundes gleichwohl unter allen Umständen das Arbeitsverhältnis zu beenden. Auch aufgrund eines derartigen Angebots des Kündigenden kommt es aber nicht stets zum Abschluß eines Aufhebungsvertrages, wenn der Kündigungsempfänger die Kündigung akzeptiert, sondern nur dann, wenn das in dem Bewußtsein geschieht, eine rechtsgeschäftliche Willenserklärung abgeben zu können und zu wollen. Auch wenn im Zusammenhang mit der Kündigung zwischen Arbeitgeber, Betriebsvertretung und Kläger Gespräche geführt wurden, die nach Meinung des Arbeitgebers zu einer Beendigung des Arbeitsverhältnisses in Form der Kündigung geführt haben, so zeigt gerade der Umstand, daß der Arbeitgeber zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses den Weg der Kündigung beschritten hat, daß der hierfür ebenfalls mögliche Weg über den Aufhebungsvertrag nicht beschritten werden sollte (BSG a.a.O.). Jedenfalls kann allein die Tatsache des Schweigens des Klägers in der Form der schlichten Hinnahme der Kündigung (ohne Erhebung einer Kündigungsschutzklage) nicht als Ausdruck einer rechtsgeschäftlichen Willenserklärung zum Abschluß eines Aufhebungsvertrages angesehen werden. Bezüglich des Verhaltens, aus dem auf einen das Arbeitsverhältnis beendenden Geschäftswillen beider Parteien des Arbeitsverhältnisses geschlossen werden soll, ist ein strenger Maßstab anzulegen. Das Schweigen des Klägers auf eine Kündigung und die widerspruchslose Hinnahme einer Kündigung bedeuten noch kein Einverständnis zu einer der vertraglichen Aufhebung (so unter anderem auch SG Stuttgart – Az.: S-1/Ar-2290/93 vom 24. November 1993 und Schaub, Arbeitsrechtshandbuch, § 122 II. 2 S. 810 bis 811). Zu Recht hat in diesem Zusammenhang auch das SG Stuttgart (wie zitiert) darauf hingewiesen, daß die Verfahrensweise, zu der die Fa. S. jetzt in dieser Form, nachdem sie früher Aufhebungsverträge mit den Arbeitnehmern abgeschlossen hatte, übergegangen ist, die Verhängung von Sperrzeiten praktisch nicht ermöglicht. Dies würde jedoch auch die Interessen der Versichertengemeinschaft insofern nicht schädigen, denn nach § 117 Abs. 2 und 3 AFG sind die gezahlten Abfindungen bzw. Beihilfen bzw. Übergangsgelder in der Regel zu berücksichtigen und die Erstattungspflicht des Arbeitgebers nach § 128 AFG ist ein weiteres Korrektiv, um die Versichertengemeinschaft zu schützen.”

Ergänzend hierzu ist nach der Auffassung des Senats, worauf er auch bereits in seiner Entscheidung vom 25. November 1994 – L-10/Ar-839/93 – hingewiesen hat, noch folgendes auszuführen: "Die Beklagte selbst führt in ihrer Berufungsbegründung aus, es habe sich vorliegend um Umstrukturierungsmaßnahmen gehandelt, die infolge Rationalisierung einen Wegfall von Arbeitsplätzen zur Folge gehabt hätten. Der Personalabbau habe dabei aus einer innerbetrieblichen Umorganisation resultiert, wie sie im Zuge der technischen Entwicklung bei vielen Betrieben zur Erhaltung der Wettbewerbsfähigkeit getroffen werde. Ausgehend von diesem Sachverhalt zeigt sich, daß die Anwendung des Sperrzeitinstrumentariums vorliegend nach dessen Sinn und Zweck verfehlt ist. Aufgabe der Beklagten ist es nämlich nach § 2 Nr. 3 AFG u.a., daß nachteilige Folgen, die sich für die Erwerbstätigen aus der technischen Entwicklung oder aus wirtschaftlichen Strukturwandlungen ergeben könnten, vermieden, ausgeglichen oder beseitigt werden. Um der Beklagten die Erfüllung dieser Aufgabe zu ermöglichen, treffen den Arbeitgeber gemäß § 8 u.a. Meldepflichten einschließlich der Beifügung einer Stellungnahme des Betriebsrates. Für den Fall, daß der Arbeitgeber diese Mitteilung vorsätzlich oder gar grob fahrlässig unterläßt, kann die Beklagte in gewissem Maße auch Aufwendungsersatz verlangen. Aus den genannten Vorschriften zeigt sich mit hinreichender Deutlichkeit, daß Maßnahmen eines wirtschaftlichen oder personellen Strukturwandels im Gefüge des Arbeitsförderungsrechts eine Frage des Verhältnisses der Bundesanstalt für Arbeit zu den Arbeitgebern und, wie die Beteiligung des Betriebsrates zeigt, darüber hinaus eine kollektivrechtliche Angelegenheit sind. Auch das Kündigungsschutzgesetz (KSchG) macht in § 17 aus individuellen Kündigungen Vorgänge, die gegenüber der Beklagten anzeigepflichtig sind, sofern die in § 17 Abs. 1 Ziffern 1 bis 3 KSchG genannten Erheblichkeitsgrenzen überschritten sind. Die §§ 18 f. geben für diese Fälle der Beklagten zudem bestimmte Handhabungen bis hin zu einer Entlassungssperre.

Für den vorliegenden Fall ergibt sich somit, daß das Vorgehen der Beklagten gegenüber dem Kläger darauf hinausläuft, diesen individuell für einen wirtschaftlichen Strukturwandel verantwortlich zu machen, der nach den einschlägigen Gesetzen allein in die Verantwortung des Arbeitgebers, der Beklagten sowie ggf. der Betriebsvertretung fällt”.

Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 193 Sozialgerichtsgesetz (SGG).

Die Revisionszulassung beruht auf § 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG.
Rechtskraft
Aus
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