L 6 R 545/05

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
6
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 19 RA 2912/03
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 6 R 545/05
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 20. Mai 2005 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe:

I.

Der Kläger begehrt von der Beklagten, die seit dem 01. Oktober 2005 Deutsche Rentenversicherung Bund Versorgungsträger für die Zusatzversorgungssysteme heißt, die Feststellung von Zeiten der Zugehörigkeit zur Altersversorgung der technischen Intelligenz -AVItech- (Zusatzversorgungssystem nach Anlage 1 Nr. 1 zum Anspruchs- und Anwartschaftsüberführungsgesetz – AAÜG-) für die Zeit vom 01. März 1971 bis zum 30. Juni 1990 sowie der während dieses Zeitraums tatsächlich erzielten Arbeitsverdienste.

Dem 1943 geborenen Kläger wurde am 14. Mai 1969 nach erfolgreichem Studium an der Technischen Hochschule K-M-Stadt der akademische Grad eines Diplom-Ingenieurs verliehen. Seit dem 11. November 1968 war er in verschiedenen volkseigenen Betrieben (VEB), zuletzt bis zum 31. Mai 1990 als Bereichsleiter beim VEB Mechanisierung, sozialversicherungspflichtig beschäftigt. Dieses Arbeitsverhältnis wurde gemäß Überleitungsvertrag vom 31. Mai 1990 aufgelöst und ab dem 01. Juni 1990 ein Arbeitsverhältnis mit der Produktionsgenossenschaft des Handwerks (PGH) K Metallbau begründet. Der VEB Mechanisierung Berlin war am 26. Juni 1990 in zwei Gesellschaften mit beschränkter Haftung und eine PGH des Handwerks umgewandelt worden, nachdem die Nachfolgebetriebe ihre Tätigkeit zum 1. Juni 1990 aufgenommen hatten. Seit dem 01. Mai 1974 gehörte der Kläger der freiwilligen Zusatzrentenversicherung (FZR) an. Eine Einbeziehung in ein Zusatzversorgungssystem war nicht erfolgt.

Im Juli 2001 beantragte er beim beklagten Zusatzversorgungsträger, seine Beschäftigungszeiten in der DDR vom 1. März 1971 – ab diesem Zeitpunkt lag der tatsächliche Gesamtarbeitsverdienst über den im Sozialversicherungsausweis bescheinigten beitragspflichtigen Beiträgen - bis zum 30. Juni 1990 festzustellen. Diesen Antrag lehnte die Beklagte ab (Bescheid vom 16. Dezember 2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28. April 2003).

Die anschließend vor dem Sozialgericht (SG) Berlin erhobene Klage ist ohne Erfolg geblieben (Urteil vom 25. Mai 2005). Zur Begründung hat das SG im Wesentlichen ausgeführt, die Vorschriften des AAÜG seien auf den Kläger nicht anwendbar. Der Kläger habe zu keinem Zeitpunkt eine Versorgungszusage in der ehemaligen DDR erhalten und auch die Voraussetzungen für einen fiktiven Anspruch auf Versorgungszusage lägen nicht vor. Ein "fiktiver" Anspruch hänge von drei (persönlichen, sachlichen und betrieblichen) Voraussetzungen ab. Das System sei eingerichtet für Personen, die berechtigt gewesen seien, eine bestimmte Berufsbezeichnung zu führen, die entsprechende Tätigkeit tatsächliche ausgeübt hätten und zwar in einem volkseigenen oder diesem gleichgestellten Produktionsbetrieb (Industrie, Bauwesen). Vorliegend fehle es an der betrieblichen Voraussetzung, da der Kläger am 30. Juni 1990 nicht in einem volkseigenen Produktionsbetrieb beschäftigt gewesen sei. Ein Arbeitsverhältnis habe ab dem 1. Juni 1990 mit der PGH K Metallbau bestanden. Bei diesem Betrieb handele es sich nicht um einen volkseigenen Betrieb, sondern um eine Produktionsgenossenschaft des Handwerks.

Mit der Berufung, mit der der Kläger seinen Anspruch weiterverfolgt, macht er geltend, der VEB Mechanisierung B sei keine Produktionsgenossenschaft des Handwerks und erst am 19. August 1991 gelöscht worden.

Der Kläger beantragt sinngemäß,

das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 20. Mai 2005 sowie den Bescheid der Beklagten vom 16. Dezember 2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28. April 2003 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, die Zeit vom 01. März 1971 bis zum 30. Juni 1990 als Zeit der Zugehörigkeit zur AVItech sowie die in diesem Zeitraum tatsächlich erzielten Arbeitsentgelte festzustellen und die Zeugen C L und K-H H zu der Tätigkeit des Klägers im Betriebsteil IV des VEB Baustoffversorgung Berlin zu hören.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält die angefochtene Entscheidung für richtig, da sie im Einklang mit der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) stehe.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Gerichtsakte, insbesondere die Schriftsätze der Beteiligten, die Kopie der Umwandlungserklärung des VEB Mechanisierung B vom 26. Juni 1990, den den VEB Mechanisierung B betreffenden Auszug aus dem Register der volkseigenen Wirtschaft (Reg Nr ) und die den Kläger betreffende Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen.

II.

Die zulässige Berufung ist nach einstimmiger Auffassung des Senats nicht begründet und eine mündliche Verhandlung ist nicht erforderlich. Das Rechtsmittel kann daher durch Beschluss zurückgewiesen werden, nachdem die Beteiligten dazu gehört worden sind (§ 153 Abs. 4 Satz 1 und 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG)). Einer Entscheidung durch Beschluss ist vorliegend nicht ausgeschlossen, da das SG Cottbus nicht durch Gerichtsbescheid, sondern im Einverständnis der Beteiligten im schriftlichen Verfahren entschieden hat (vgl.

Zu entscheiden ist über eine vom Kläger sinngemäß erhobene Anfechtungs- und Verpflichtungsklage (§ 54 Abs. 1 SGG), die nicht nur auf die Feststellung von Zugehörigkeitszeiten im streitigen Zeitraum gerichtet ist, sondern auch auf die Feststellung der während dieses Zeitraums tatsächlich erzielten Entgelte. Obwohl das zuletzt genannte Begehren nicht ausdrücklich Gegenstand seines Antrags im Verwaltungsverfahren war und die Beklagte hierüber im angefochtenen Bescheid (in der Gestalt des Widerspruchsbescheides) ebenso wenig ausdrücklich – negativ – entschieden hat wie das SG, stehen prozessuale Gründe einer Sachentscheidung des Senats auch insoweit nicht entgegen. Denn da die für dieses Begehren entscheidende Vorfrage des Vorliegens von "Zugehörigkeitszeiten" abschlägig beschieden und damit auch die hiervon abhängigen Ansprüche auf kalenderjährliche Feststellungen von Arbeitsverdiensten abgelehnt wurde, ist davon auszugehen, dass dieses Begehren auch bei der materiell-rechtlichen Prüfung im Verwaltungs- und Klageverfahren Berücksichtigung gefunden hat.

Die Berufung hat keinen Erfolg; das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen. In einem Verfahren nach § 8 AAÜG, das einem Vormerkungsverfahren nach § 149 Abs. 5 Sechstes Buch Sozi¬algesetzbuch ähnlich und außerhalb des Rentenverfahrens durchzuführen ist (dazu stellvertretend: Urteil des BSG vom 18. Juli 1996, SozR 3-8570 § 8 Nr. 2), ist die Beklagte nur dann zu den von dem Kläger begehrten Feststellungen verpflichtet, wenn dieser dem persönlichen Anwendungsbereich des am 01. August 1991 in Kraft getretenen AAÜG unterfällt. Dies ist vorliegend indes nicht der Fall. Der Kläger wird nicht vom persönlichen Anwendungsbereich des § 1 Abs 1 AAÜG erfasst. Der Kläger erfüllt weder einen der beiden ausdrücklich in § 1 Abs. 1 AAÜG genannten Tatbestände, noch den in der höchstrichterlichen Rechtsprechung in erweiternder Auslegung dieser Norm herausgearbeiteten Tatbestand einer fiktiven Versorgungsanwartschaft. Damit entfällt die weitere Prüfung gemäß § 5 AAÜG, ob er in seinem Berufsleben im streitigen Zeitraum Beschäftigungszeiten zurückgelegt hat, die den Charakter von Zugehörigkeitszeiten zur AVItech aufweisen. Denn erst wenn der persönliche Anwendungsbereich des AAÜG bejahrt wird, ist in einem weiteren Schritt zu prüfen, ob derartige Zugehörigkeitszeiten vorliegen (vgl. hierzu stellvertr BSG SozR 3-8570 § 1 Nr. 3).

Der Kläger hatte insbesondere, was seinem Anspruch allein zum Durchbruch verhelfen könnte, auch am 01. August 1991 aus bundesrechtlicher Sicht zum 30. Juni 1990 keinen "Anspruch auf eine Versorgungszusage" im Wege einer verfassungskonformen Erweiterung des § 1 Abs. 1 Satz 2 AAÜG erworben. Danach ist diese Norm auf diejenigen zu erstrecken, die am 30. Juni 1990 (den Tag vor der Schließung der Zusatzversorgungssysteme der DDR) zwar nicht in ein Zusatzversorgungssystem einbezogen waren, aber aus bundesrechtlicher Sicht aufgrund der am 30. Juni 1990 gegebenen Sachlage nach der bundesrechtlichen Rechtslage zum 01. August 1991 einen "Anspruch auf Versorgungszusage" im Hinblick auf die bundesrechtlich wei¬ter geltenden leistungsrechtlichen Regeln der Versorgungssysteme gehabt hätten (vgl. etwa BSG SozR 3-8570 § 1 Nr. 8 Seite 73). Dieser fiktive bundesrechtliche Anspruch auf Erteilung einer Zusage im Bereich der AVItech hängt gemäß § 1 der VO-AVItech vom 17. August 1950 (GBl 844) und § 1 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 der 2. Durchführungsbestimmung zur VO-AVItech vom 24. Mai 1951 (GBl 487) von drei (persönlichen, sachlichen und betrieblichen) Voraussetzungen ab (vgl. BSG aaO). Generell war dieses System eingerichtet für

- Personen, die berechtigt waren eine bestimmte Berufsbezeichnung zu führen und - die entsprechende Tätigkeit tatsächlich ausgeübt haben, und zwar - in einem volkseigenen oder diesen gleichgestellten Produktionsbetrieb der Industrie oder des Bauwesens.

Am 30. Juni 1990 konnte der Kläger jedoch die betrieblichen Voraussetzungen schon deshalb nicht mehr erfüllen, weil sein Arbeitgeber (dazu: BSG SozR 4-8570 § 1 Nr. 2) zu diesem Zeitpunkt nicht mehr der VEB Mechanisierung B, sondern die PGH K Metallbau war. Ausweislich des Überleitungsvertrages vom 31. Mai 1990 wurde das bestehende Arbeitsverhältnis des Klägers mit dem VEB Mechanisierung B zum 31. Mai 1990 aufgelöst. Begründet wurde ein neues Arbeitsverhältnis mit der PGH K Metallbau, eine in Gründung befindliche nicht volkseigene Nachfolgegesellschaft des ehemaligen VEB Mechanisierung B. Damit fehlt es an einer Beschäftigung in einem volkseigenen Betrieb am Stichtag 30. Juni 1990.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor (§ 160 Abs 2 Nrn 1 und 2 SGG).
Rechtskraft
Aus
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