L 6 R 246/06

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
6
1. Instanz
SG Landshut (FSB)
Aktenzeichen
S 7 R 214/04 A
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 6 R 246/06
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 13 R 41/07 BH
Datum
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Landshut vom 13. Februar 2006 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Streitig ist Erwerbsminderungsrente, insbesondere das Vorliegen der versicherungsrechtlichen Voraussetzungen.

Die Klägerin ist 1952 geboren. Sie hat keinen Beruf erlernt. In Deutschland war sie von 1971 bis 1979 und dann wieder von Januar 1992 bis Juni 1997 versicherungspflichtig beschäftigt. In ihrer Heimat oder anderen Staaten hat sie keine Versicherungszeiten zur gesetzlichen Rentenversicherung zurückgelegt. Seit Beschäftigungsende in Deutschland im Jahr 1997 hat sie, ohne rentenversichert zu sein, in der Landwirtschaft gearbeitet. Sie war nicht arbeitslos gemeldet und hat auch keine Sozialleistungen bezogen.

Am 20.05.2002 beantragte die Klägerin Rente. Mitübersandt wurde das Gutachten der Invalidenkommission S. vom 04.07.2002, wonach die Klägerin auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt seit diesem Zeitpunkt keine Arbeit mehr verrichten könne. Die Kommission diagnostizierte insbesondere eine schizoaffektive Psychose. Die Klägerin leide seit 1995 an psychischen Beschwerden. Sie sei deshalb ambulant behandelt worden und dann erstmals stationär im Kantonkrankenhaus B. vom 08.02. bis 08.03.2001. Nach einer Verschlimmerung im April 2002 habe dort nochmals eine ca. fünfwöchige stationäre Behandlung stattgefunden

Die Beklagte lehnte den Rentenantrag zunächst ohne medizinische Prüfung aus versicherungsrechtlichen Gründen mit Bescheid vom 21.10.2002 ab, da im maßgeblichen Fünfjahreszeitraum gemäß § 43 SGB VI nur drei statt erforderlichen 36 Kalendermonate mit Pflichtbeiträge belegt seien.

In ihrem Widerspruch machte die Klägerin geltend, bereits seit 1998 krankheitsbedingt nicht mehr zur Arbeitsleistung in der Lage gewesen zu sein.

Daraufhin ließ die Beklagte die Klägerin durch den Nervenarzt Dr.S. stationär am 17. bis 19.11.2003 untersuchen. Dieser diagnostizierte insbesondere eine depressive Entwicklung (Dysthymie) mit psychovegetativen Störungen. Dr.S. stellte fest, dass die affektive Schwingungsfähigkeit der Klägerin beeinträchtigt sei, der Antrieb leicht vermindert. Die Klägerin zeige histrionische Züge sowie aggravierendes Verhalten während der Untersuchung. Sie könne noch vollschichtig leichte Arbeiten ohne besondere nervliche Belastung verrichten.

Mit dieser Begründung lehnte die Beklagte den Antrag mit Bescheid vom 05.12.2003 ab und bestätigte diese Entscheidung mit Widerspruchsbescheid vom 23.01.2004: Insbesondere sei die Klägerin als Ungelernte anzusehen und könne daher auf den allgemeinen Arbeitsmarkt verwiesen werden, ohne dass eine Verweisungstätigkeit konkret benannt werden müsste.

Hiergegen wandte sich die Klägerin mit ihrer Klage an das Sozialgericht (SG) Landshut am 26.02.2004.

Das SG erhob Beweis durch Einholung von Sachverständigengutachten des Internisten Dr.P. und des Nervenarztes P. R ...

Dr.P. sah aus somatischer Sicht keine erhebliche Leistungseinschränkung, im Vordergrund stehe die psychische Erkrankung.

Der Nervenarzt P. R. stellte in seinem Gutachten vom 23.11.2005 eine organische Wesensänderung mit zum Teil histrionischen Zügen und Halluzinationserlebnissen fest. Die Klägerin sei zur Arbeitsleistung derzeit nicht mehr in der Lage. In der Zeit von Februar bis Dezember 2004 habe noch ein drei- bis untersechsstündiges Leistungsvermögen auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt bestanden. Seit Januar 2005 sei das Leistungsvermögen aufgehoben, ohne dass eine Besserungsaussicht bestehe.

Hierauf gestützt wies das SG die Klage mit Urteil vom 13.02.2006 ab. Dagegen richtet sich die Berufung vom 03.04.2006.

Der Senat wies die Klägerin darauf hin, dass es aus versicherungsrechtlichen Gründen entscheidend auf ihre gesundheitlichen Verhältnisse bis August 1999 ankomme. Beigezogen wurden Befundberichte des behandelnden Arztes Dr.K. , der einen schwankenden Verlauf referierte, sowie von Dr.S ... Die Klägerin legte weiterhin Befundberichte aus dem Jahr 1999 sowie von einem stationären Aufenthalt im Jahr 1998 vor.

Der Senat holte eine ergänzende Stellungnahme von dem Sachverständigen R. ein. Dieser kommt am 08.06.2007 im Ergebnis zu der Auffassung, dass sich aus den vorgelegten Befunden, die insgesamt "sehr vage" seien, keine Änderung seiner Beurteilung im erstinstanzlichen Verfahren ergebe.

Die Klägerin beantragt sinngemäß, 1. das Urteil des Sozialgerichts Landshut vom 13.02.2006 sowie die Bescheide der Beklagten vom 21.10.2002 und 05.12.2003 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 23.01.2004 aufzuheben und 2. ihr Rente wegen Erwerbsminderung ab 01.05.2002 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts wird auf die beigezogenen Akten der Beklagten und des SG sowie die Berufungsakte hingewiesen, deren wesentlicher Inhalt Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung ist unbegründet, da zum Zeitpunkt der letztmaligen Erfüllung der versicherungsrechtlichen Voraussetzungen - im August 1999 - (1) die medizinischen Voraussetzungen für eine Rente wegen Erwerbsminderung noch nicht erfüllt waren (2). Somit besteht kein Rentenanspruch gemäß §§ 43, 240, 241 des Sechsten Sozialgesetzbuchs (SGB VI) in der ab 2001 geltenden Fassung.

1. § 43 Abs.1 und 2, jeweils Nr.2 SGB VI verlangt im Zeitpunkt des Eintritts der Erwerbsminderung eine Belegung mit drei Jahren Pflichtbeitragszeiten in dem vorliegenden Fünfjahreszeitraum, der ggf. durch bestimmte "Aufschubzeiten", insbesondere bei Sozialleistungsbezug, verlängert werden kann. Unschädlich ist somit lediglich eine Lücke im Versicherungsverlauf von maximal zwei Jahren. Die Klägerin hat ihre letzte Beitragszeit bzw. Aufschubzeit in Deutschland im Juli 1997 zurückgelegt. Nach diesem Zeitpunkt hat sie auch in ihrer Heimat keine - ggf. nach dem deutsch-jugoslawischen Sozialversicherungsabkommen gleichzustellende - rentenrechtliche Zeit mehr zurückgelegt. Die Klägerin kann die zum damaligen Zeitpunkt bestehende Lücke im Versicherungsverlauf auch nicht mehr mit freiwilligen Beiträgen schließen, da die Beitragszahlungsfrist nach § 197 Abs.2 für Beiträge der Jahre ab 1997 längst verstrichen sind. Unterbrechungstatbestände liegen nicht vor. Ihr Versicherungsschutz ist daher bis zum Eintritt einer eventuellen Erwerbsminderung spätestens am 31.08.1999 erhalten.

Somit kommt es medizinisch allein auf diese Frage an.

2. Zur Überzeugung des Senats war die Klägerin damals noch nicht erwerbsgemindert. Abzustellen ist dabei allein auf ihre Fähigkeit, noch mehr als sechs Stunden täglich auf dem allge-meinen Arbeitsmarkt tätig zu sein. Berufsschutz genießt die Klägerin als ungelernte Arbeiterin nicht.

Nach dem Ergebnis des medizinischen Beweiserhebung war die Klägerin zum fraglichen Zeitpunkt noch zu einer mehr als sechsstündigen Arbeitsleistung täglich in der Lage. Im Vordergrund steht bei ihr eindeutig die psychiatrische Erkrankung, wohingegen die orthopädischen und internistischen Gesundheitsstörungen wie insbesondere das Wirbelsäulensyndrom oder der Bluthochdruck ihr Leistungsvermögen nicht gravierend beeinträchtigen. Für die bei ihr bestehende organische Wesensänderung gilt demgegenüber, dass sie das Leistungsvermögen sehr wohl auch im Hinblick auf die zumutbare Arbeitszeit beeinträchtigt, dies jedoch nachweisbar erst seit den Jahren 2004 bzw., noch gravierender, 2005.

Der Senat folgt hierbei dem Gutachten insbesondere des nervenärztlichen Sachverständigen P. R. , der auch auf dezidierte Nachfrage des Senats im Hinblick auf weitere eingeholte Befundberichte an seiner entsprechenden Leistungseinschätzung mit überzeugenden Argumenten festgehalten hat. In der Tat waren die für die Jahre 1998/1999 im Berufungsverfahren vorgelegten Befundberichte, insbesondere über die zehntätige stationäre Behandlung im Juli 1998, bereits im Verwaltungsverfahren bekannt. Die dort enthaltenen Aussagen sind jedoch bereits rein formal zu vage und dürftig, um, wie der gerichtliche Sachverständige zu Recht feststellt, hierauf eine sichere Annahme bereits bestehender Erwerbsminderung stützen zu können.

Es fällt im Gegenteil auf, dass auch die Invalidenkommission S. von einer richtungsgebenden Verschlechterung im Jahr 2002 spricht und ihre Einschätzung eines aufgehobenen Leistungsvermögens daher entsprechend datiert. Wie der Sachverständige R. ausführt, reicht die Tatsache einer neuroleptischen Therapie ebenso wenig für die Annahme einer Erkrankung von rentenberechtigendem Ausmaß, wie die Tatsache, dass die Klägerin eine "Hospitalisation" abgelehnt hat. Auch der Hinweis auf "Angst, Alpträume, Suizidgedanken, aggressive Stellungnahme mit Ausfällen schwereren schizoaffektiven Benehmens bis zu grenzender Psychose" reicht für die Annahme einer dauerhaften Beeinträchtigung nicht aus. Dies umso weniger, als bei einer Kontrolluntersuchung beispielsweise im November 1999 eine Besserung des Gesundheitszustands bestätigt wurde.

Auch die Angaben der behandelnden Ärzte Dr.S. und Dr.K. sind ebensofalls ungeeignet für die Annahme einer gravierenden Leistungsminderung.

Nach alledem lässt sich nach Auffassung des Senats eine arbeitszeitliche Beeinträchtigung der Klägerin bereits im Jahr 1999 nicht mehr nachweisen. Nach dem Grundsatz der objektiven Beweislast (siehe Meyer-Ladewig, Sozialgerichtsgesetz, § 103 Anm.17a) geht dies zu Lasten dessen, der, wie die Klägerin, hieraus einen Rentenanspruch herleiten will. Die Berufung konnte daher keinen Erfolg haben.

Dem entspricht auch die Kostenentscheidung (§§ 183, 193 SGG).

Gründe für die Zulassung der Revision gemäß § 160 Abs.2 SGG waren nicht ersichtlich.
Rechtskraft
Aus
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