L 11 SO 53/07

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Sozialhilfe
Abteilung
11
1. Instanz
SG Würzburg (FSB)
Aktenzeichen
S 15 SO 94/06
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 11 SO 53/07
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 8 SO 3/08 B
Datum
Kategorie
Urteil
I. Es wird festgestellt, dass der Rechtsstreit L 11 SO 99/06 mit Abschluss des Vergleiches vom 05.07.2007 beendet worden ist.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Streitig ist, ob der Rechtsstreit L 11 SO 99/06 durch den Vergleich vom 05.07.2007 beendet worden ist.

Gegenstand des Rechtsstreits war die Frage, ob dem Kläger höhere Unterkunftskosten im Rahmen der Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem Bundessozialhilfegesetz (BSHG) für die Zeit vom 01.09.2002 bis 31.12.2003 zustehen. Dabei hatte der Kläger lediglich gegen die bloße mündliche Mitteilung der von der Beklagten anerkannten Mietobergrenze Widerspruch eingelegt. Gegen die eigentlichen Bewilligungsbescheide für den streitgegenständlichen Zeitraum hatte er keinen Widerspruch eingelegt.

Im Rahmen des Berufungsverfahrens haben die Beteiligten am 05.07.2007 einen Vergleich vor dem Senat dahingehend geschlossen, dass sich der Beklagte bereit erkläre, dem Kläger einen Betrag in Höhe von 235,- EUR nachzuzahlen. Damit seien alle an den Kläger bis 31.12.2004 durch den Beklagten zu erbringenden Leistungen abgegolten. Der Kläger hat dieses Angebot angenommen. Die Beteiligten haben den Rechtsstreit für erledigt erklärt. Dieser Vergleich ist den Beteiligten vorgelesen und von diesen genehmigt worden.

Mit Schreiben vom 09.07.2007 hat der Kläger dem Vergleich widersprochen. Zur Begründung hat er vorgetragen, der Vergleich basiere auf Betrug und Urkundenfälschung und das Gericht habe ihn zeitlich genötigt. Den ihm in der mündlichen Verhandlung vom Senat vorgelegten Bescheid "06/03" habe er nie erhalten. Die darin genannten Beträge seien nicht ausgezahlt worden. Mit weiteren Schriftsätzen hat der Kläger Vorwürfe u.a. gegen den Senat und den Beklagten erhoben.

Der Kläger beantragt sinngemäß, den Rechtsstreit fortzusetzen und den Beklagten unter Aufhebung der entsprechenden Bewilligungsbescheide zu verurteilen, Hilfe zum Lebensunterhalt unter Berücksichtigung von Unterkunftskosten in Höhe von 300,- EUR monatlich ohne Heizung für die Zeit vom 01.09.2002 bis 31.12.2003 nachzuzahlen.

Der Beklagte beantragt festzustellen, dass der Rechtsstreit mit Abschluss des Ver gleiches vom 05.07.2007 beendet worden ist.

Zur Ergänzung des Tatbestandes wird auf die beigezogenen Akten des Beklagten sowie die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Das Berufungsverfahren vor dem Bayer. Landessozialgericht L 11 SO 99/06 ist durch den Vergleich vom 05.07.2007 beendet worden.

Ein Vergleich ist ordnungsgemäß und wirksam zustande gekommen. Der Vergleich verstößt nicht gegen § 101 Abs 1 SGG, denn die Beteiligten konnten über den Gegenstand der Klage verfügen. Es handelte sich auch um eine vergleichsweise Beendigung des Verfahrens. Die Parteien haben gegenseitig nachgegeben.

Der Prozessvergleich hat dabei eine Doppelnatur. Er ist einerseits materiell-rechtlicher Vertrag, für den materielles Recht gilt, andererseits aber auch Prozesshandlung der Beteiligten, die den Rechtsstreit unmittelbar beendet und deren Wirksamkeit sich nach den Grundsätzen des Prozessrechts richtet (vgl. Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 8.Aufl, § 101 RdNr 3 mwN zur Rechtsprechung).

Der Vergleich vom 05.07.2007 als Prozessvergleich ist in formeller Hinsicht nicht zu beanstanden. Er ist in der mündlichen Verhandlung in Anwesenheit der Beteiligten des Rechtsstreites vor dem Senat zur Niederschrift abgeschlossen worden (§ 101 Abs 1 SGG). Aus der Niederschrift ergibt sich, dass der Vergleichswortlaut den Beteiligten vorgelesen und von diesen genehmigt worden ist. Die Niederschrift ist entsprechend den gesetzlichen Vorschriften ausgefertigt und vom Vorsitzenden sowie von der Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle unterschrieben worden (§ 122 Sozialgerichtsgesetz - SGG -, §§ 159, 160 Zivilprozessordnung - ZPO -). Die Unterschrift der Beteiligten ist nicht erforderlich. Der Kläger hat dem Vergleich nach Vorlesen ausdrücklich zugestimmt, wie sich aus dem Protokoll ergibt (§ 122 SGG iVm § 165 Satz 1 ZPO). Eine Widerrufsmöglichkeit ist darin nicht vorgesehen.

Der Prozessvergleich ist auch materiell-rechtlich wirksam. Wegen seiner Doppelnatur entfaltet der Prozessvergleich keine Rechtswirksamkeit, wenn die Beteiligten nicht wirksam zugestimmt haben oder er als öffentlich-rechtlicher Vertrag nach den Bestimmungen des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) nichtig oder wirksam angefochten ist; das Gleiche gilt, wenn der nach dem Inhalt des Vergleichs als feststehend zugrunde gelegte Sachverhalt der Wirklichkeit nicht entspricht oder der Streit oder die Ungewissheit bei Kenntnis der Sachlage nicht entstanden sein würde (§ 779 Abs 1 BGB; vgl. BSG Urteil vom 24.01.1991 - 2 RU 51/90 - Reg.-Nr. 19676).

Dies ist hier jedoch nicht der Fall. Die Beteiligten haben dem Vergleich zugestimmt. Anhaltspunkte für eine Anfechtbarkeit des Prozessvergleiches etwa nach den Bestimmungen der §§ 116 ff BGB oder seine Unwirksamkeit nach § 779 Abs 1 BGB liegen nicht vor. Der Kläger trägt zunächst vor, er sei zeitlich genötigt worden, die mündliche Verhandlung habe lediglich 27 Minuten gedauert. Nachdem dem Kläger in der mündlichen Verhandlung vom 05.07.2007 die Berechnungsmethode in den Leistungsbewilligungen vom Senat dargelegt worden ist, hat er sich ohne Zögern auf den vorgeschlagenen Vergleich eingelassen. Er hat dem Senat nicht zu erkennen gegeben, dass er weitere Ausführungen machen möchte oder weiterer Erklärung bedürfte. Eine Nötigung ist allein durch die Dauer der mündlichen Verhandlung nicht vom Kläger dargelegt worden und auch nicht zu erkennen. Eine Nötigungshandlung des Senates (Drohung mit empfindlichem Übel) hat der Kläger auch nicht dargelegt. Eine solche ist nicht erfolgt.

Der Kläger machte weiter geltend, der Vergleich basiere auf Betrug und Urkundenfälschung. Auch diese eventuellen Gründe für eine Anfechtung des Vergleichs sind von ihm weder glaubhaft dargelegt worden, noch sind Anhaltspunkte hierfür ersichtlich. Dabei bleibt ohne Bedeutung, ob dem Kläger der Leistungsbescheid für Juni 2003 tatsächlich zugegangen ist. Zum einen war dieser nicht Gegenstand des Rechtsstreites, denn der Kläger hat lediglich gegen die mündliche Mitteilung über die Mietobergrenze Widerspruch eingelegt, nicht jedoch gegen die folgenden Leistungsbescheide. Zum anderen aber ist dieser Leistungsbescheid vom Senat lediglich dazu herangezogen worden, um dem Kläger die Berechnungsmethode darzulegen. Anhaltspunkte für eine Urkundenfälschung oder einen Betrug finden sich daher in keinster Weise. Damit sind die Anfechtungsgründe iSd § 123 BGB, die der Kläger geltend macht, weder dargelegt, noch liegen diese tatsächlich vor.

Es fehlen auch Anhaltspunkte dafür, dass der dem Vergleich zugrunde gelegte Sachverhalt der Wirklichkeit nicht entspricht. Nach Lage der Akten sind lt. Bewilligungsbescheid ab 10.06.2003 Leistungen für die Unterkunft in Höhe von mindestens 300,- EUR von dem Beklagten bewilligt worden. Dabei ist zu berücksichtigen, dass ein Wohngeldzuschuss in Höhe von 128,- EUR jeweils bezahlt wurde.

Eine Wiederaufnahmeklage (§ 179 SGG iVm §§ 578 ff ZPO; hier evtl. § 580 Nr 2 ZPO) kommt nicht in Betracht. Gegen Prozessvergleiche ist eine Wiederaufnahmeklage grundsätzlich nicht zulässig (vgl. BSG Urteil vom 28.11.2002 - B 7 AL 26/02 R - mwN).

Die Frage, ob dem Kläger die bewilligten Leistungen ab Juni 2003 tatsächlich ausgezahlt und auf welches Konto diese Beträge überwiesen worden sind, sind vom Senat im vorliegenden Rechtsstreit nicht zu klären gewesen. Sollte der Kläger feststellen, dass bewilligte Beträge nicht von den Beklagten überwiesen worden sind, so hat er sich diesbezüglich an diese zu wenden.

Nach alledem ist festzustellen, dass das Verfahren L 11 SO 99/06 durch den Vergleich vom 05.07.2007 beendet ist.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision gemäß § 160 Abs 2 Nrn 1 und 2 SGG liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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