S 8 AS 5538/06

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
SG Berlin (BRB)
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
8
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 8 AS 5538/06
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 25 B 722/06 AS ER
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Das Gesuch des Antragstellers, den Richter am Landessozialgericht N wegen der Besorgnis der Befangenheit abzulehnen, wird als unzulässig verworfen. Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Sozialgerichts Berlin vom 06. Juli 2006 wird zurückgewiesen. Kosten sind auch für das Beschwerdeverfahren nicht zu erstatten. Der Antrag des Antragstellers, ihm für das Beschwerdeverfahren Prozesskostenhilfe zu gewähren, wird abgelehnt.

Gründe:

1. Das Gesuch des Antragstellers, den Richter am Landessozialgericht N wegen der Besorgnis der Befangenheit abzulehnen, war als unzulässig zu verwerfen. Zwar ist im Grundsatz die Ablehnung eines Richters wegen der Besorgnis der Befangenheit im sozialgerichtlichen Verfahren möglich gemäß § 60 Sozialgerichtsgesetz (SGG) in Verbindung mit §§ 41 ff Zivilprozessordnung (ZPO). Vorliegend fehlt es insoweit aber bereits an einem Rechtsschutzbedürfnis, weil – wie dem Antragsteller bereits mitgeteilt wurde – der abgelehnte Richter dem Senat nicht mehr angehört und er im vorliegenden Verfahren nicht mehr zur Mitwirkung an Entscheidungen herangezogen werden kann.

2. Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Sozialgerichts Berlin vom 06. Juli 2006 ist zulässig, insbesondere statthaft gemäß § 172 Sozialgerichtsgesetz (SGG), in der Sache jedoch nicht begründet. Zu Recht hat das Sozialgericht den Antrag des Antragstellers auf Erlass einer einstweiligen Anordnung abgelehnt.

Nach § 86 b Abs. 2 Satz 2 SGG kann eine einstweilige Anordnung zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis ergehen, wenn eine solche Reglung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint. Hierzu hat der betreffende Antragsteller das Bestehen des zu sichernden materiellen Anspruches (Anordnungsanspruch) sowie die besondere Dringlichkeit des Erlasses der begehrten einstweiligen Regelung (Anordnungsgrund) glaubhaft zu machen (vgl. § 86 b Abs. 2 Satz 4 SGG i. V. m. §§ 920 Abs. 2, 294 ZPO).

Hiervon ausgehend ist jedenfalls der Anordnungsgrund zu verneinen. Nach ständiger Rechtsprechung des Senats (vgl. zuletzt Beschlüsse vom 23. Januar 2008, Az: L 25 B 43/08 AS ER, und vom 16. Januar 2008, Az: L 25 B 2274/07 AS ER) beurteilt sich in einem Verfahren auf Erlass einer einstweiligen Anordnung das Vorliegen eines Anordnungsgrundes nach dem Zeitpunkt, in dem das Gericht über den Eilantrag entscheidet; im Beschwerdeverfahren ist dies der Zeitpunkt der Beschwerdeentscheidung (Schoch, in: Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, Verwaltungsgerichtsordnung [VwGO], § 123 Randnummern 165, 166 mit weiteren Nachweisen zur Parallelproblematik in § 123 VwGO). Dies folgt daraus, dass in dem Erfordernis eines Anordnungsgrundes ein spezifisches Dringlichkeitselement enthalten ist, welches im Grundsatz nur Wirkungen für die Zukunft entfalten kann.

Die rückwirkende Feststellung einer – einen zurückliegenden Zeitraum betreffenden – besonderen Dringlichkeit ist zwar rechtlich möglich, sie kann jedoch in aller Regel nicht mehr zur Bejahung eines Anordnungsgrundes führen. Denn die prozessuale Funktion des einstweiligen Rechtsschutzes besteht vor dem Hintergrund des Artikels 19 Absatz 4 Grundgesetz (GG) darin, in dringenden Fällen effektiven Rechtsschutz zu gewährleisten, in denen eine Entscheidung im – grundsätzlich vorrangigen – Verfahren der Hauptsache zu spät käme, weil ohne sie schwere und unzumutbare, anders nicht abwendbare Nachteile entstünden, zu deren nachträglicher Beseitigung die Entscheidung in der Hauptsache nicht mehr in der Lage wäre (Bundesverfassungsgericht, Beschlüsse vom 22. November 2002 – 1 BvR 1586/02 – und vom 12. Mai 2005 – 1 BvR 569/05). Dies bedeutet aber zugleich, dass die Annahme einer besonderen Dringlichkeit und dementsprechend die Bejahung eines Anordnungsgrundes in aller Regel ausscheidet, soweit diese Dringlichkeit vor dem Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung vorgelegen hat, denn insoweit ist die besondere Dringlichkeit durch den Zeitablauf überholt, das Abwarten einer Entscheidung im Verfahren der Hauptsache über den zurückliegenden Zeitraum ist dem Rechtsschutzsuchenden in aller Regel zumutbar.

Hierbei ist allerdings zu berücksichtigen, dass das Gebot des effektiven Rechtsschutzes nach Artikel 19 Absatz 4 GG in besonderen Fällen ausnahmsweise auch die Annahme eines Anordnungsgrundes für zurückliegende Zeiträume verlangen kann, so insbesondere dann, wenn anderenfalls effektiver Rechtsschutz im Hauptsacheverfahren nicht erlangt werden kann, weil bis zur Entscheidung im Verfahren der Hauptsache Fakten zum Nachteil des Rechtsschutzsuchenden geschaffen worden sind, die sich durch eine – stattgebende – Entscheidung im Verfahren der Hauptsache nicht oder nicht hinreichend rückgängig machen lassen.

Dies zugrunde gelegt, drohen dem Antragsteller keine schweren und unzumutbaren Nachteile, wenn seinem Begehren auf Übernahme von Rundfunkgebühren und Bewerbungskosten für vergangene, mehrere Jahre zurück liegend Zeiträume nicht sofort entsprochen wird. Dass dem Antragsteller schwerwiegende Nachteile drohen können, die ausnahmsweise in einem Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes die Sachprüfung eines behaupteten Anspruchs auch für vergangene Zeiträume zu rechtfertigen vermögen, ist nicht ersichtlich.

3. Die Kostenentscheidung für das Beschwerdeverfahren beruht auf § 193 SGG analog und entspricht dem Ausgang des Verfahrens in der Sache selbst.

4. Das Gesuch des Antragstellers, ihm für das Beschwerdeverfahren Prozesskostenhilfe zu gewähren, war abzulehnen, weil dem Rechtsschutzbegehren des Antragstellers aus den oben zu 2. genannten Gründen die hinreichende Erfolgsaussicht fehlt gemäß §§ 73a SGG, 114 ZPO.

Dieser Beschluss kann nicht mit der Beschwerde an das Bundessozialgericht angefochten werden, § 177 SGG.
Rechtskraft
Aus
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