L 1 SF 10/08

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Sonstige Angelegenheiten
Abteilung
1
1. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 1 SF 10/08
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Das Gesuch der Beklagten, den D wegen der Besorgnis der Befangenheit abzulehnen, wird zurückgewiesen.

Gründe:

Nach § 60 Sozialgerichtsgesetz (SGG) in Verbindung mit § 42 Abs. 1 und 2 Zivilprozessordnung findet die Ablehnung eines Richters wegen Besorgnis der Befangenheit statt, wenn ein Grund vorliegt, der geeignet ist, Misstrauen gegen seine Unparteilichkeit zu rechtfertigen. Dies ist der Fall, wenn ein am Verfahren Beteiligter von seinem Standpunkt aus bei objektiver und vernünftiger Betrachtung davon ausgehen darf, dass der Richter das Rechtsschutzbegehren nicht unvoreingenommen bearbeiten und entscheiden werde. Die nur subjektive Besorgnis, für die bei Würdigung der Tatsachen vernünftigerweise kein Grund ersichtlich ist, ist dagegen nicht Maßstab der Prüfung.

Für richterliche Hinweise gilt weiter, dass Meinungsäußerungen eines Richters nicht gegen dessen Unvoreingenommenheit und Objektivität sprechen. Solche Hinweise eines Richters liegen im Allgemeinen im wohlverstandenen Interesse der Beteiligten. Diesen ist gewöhnlich daran gelegen, die Einstellung des Richters zu den für den Prozessausgang maßgeblichen rechtlichen Problemen zu erfahren. Auf diese Weise erhalten sie Gelegenheit, ihre eigene, von der des Richters abweichende Ansicht näher zu erläutern und dabei zusätzliche entscheidungserhebliche Gesichtspunkte stärker hervorzuheben. Eine verständige Partei wird diesem Verfahren den Vorzug geben vor einer eher passiven richterlichen Prozessleitung, welche die Beteiligten auf sich allein gestellt lässt. Eine Besorgnis der Befangenheit kann sich allenfalls aus der Art und Weise ergeben, wie ein Rich¬ter seine Meinung vorträgt. Ein Grund kann bestehen, wenn der Richter in ungewöhnlicher, nach der Prozesslage nicht verständlicher Weise subjektive Gewissheit erkennen lässt, so dass die Beteiligten Anlass haben können zu befürchten, er sei ihren Argumenten gegenüber nicht mehr aufgeschlossen und habe sich seine Auffassung schon abschließend gebildet. Dies ist hier nicht der Fall, wie sich bereits aus der Absicht zeigt, einen Erörterungstermin abzuhalten. Die (angeblichen) Äußerungen des Richters bei Telefonaten mit den Bevollmächtigten der Beklagten lassen nicht auf den Verdacht der Voreingenommenheit dieser gegenüber schließen, selbst wenn er dabei von "Schikane" und/oder "Unverschämtheit" der Beklagten dem Kläger gegenüber gesprochen haben sollte. Besteht aus Sicht des Richters Anlass, das Verhalten eines Beteiligten für schikanös zu halten, darf er diese Auffassung jedenfalls gegenüber Rechtsanwälten äußern, die nicht selbst Partei sind und als Organe der Rechtspflege zu einer differenzierten Betrachtung gehalten sind, ohne dass aus objektivierter Sicht Anlass zum Verdacht der Befangenheit besteht. Dies gilt allerdings nur, wenn diese -vorläufige- Einschätzung nicht ersichtlich unvertretbar ist.

Letzteres ist hier nicht der Fall: Nach Durchsicht der Akte teilt der Senat die vorläufige Auffassung des Vorsitzenden, die vorliegende Klage sei nicht offensichtlich unzulässig. Die Auffassung der Beklagten, der Kläger habe seine Verpflichtung aus dem Vergleich im Vorprozess, den Rentenbescheid einzureichen, nicht erfüllt habe, erscheint fernliegend.

Die Beklagte kann ihr Ablehnungsgesuch auch nicht auf die aus ihrer Sicht rechtswidrige (angeblich willkürliche bzw. schikanöse) Verfahrensweise des Richters stützen, kurzfristig einen Erörterungstermin anzuberaumen und auf ein Erscheinen eines Vertreters bzw. Bevollmächtigten der Beklagten zu drängen. Das Institut der Richterablehnung ist kein geeignetes Mittel, sich gegen unrichtige oder für unrichtig gehaltene Verfahrensweisen oder Rechtsauffassungen eines Richters zu wenden. Behauptete Verstöße können eine Besorgnis der Befangenheit vielmehr nur dann rechtfertigen, wenn Gründe dargetan werden, die dafür sprechen, dass die mögliche Fehlerhaftigkeit auf einer unsachlichen Einstellung des Richters gegenüber dem ihn ablehnenden Beteiligten oder auf Willkür beruht. Dies ist hier nicht der Fall. Die Anberaumung eines Erörterungstermins steht im richterlichen Ermessen. Dass ein Termin hier sicher überflüssig wäre und deshalb alleine in der Absicht anberaumt wurde, der Beklagten zu schaden, ist nicht ersichtlich.

Selbst wenn der Vorsitzende bei seiner Terminierung davon ausgegangen sein sollte, dass Anwälte ungern zu Termin am Freitagnachmittag anreisen, stellt sich die konkrete Anberaumung hier auf Freitag 15.15 Uhr nicht als objektiv schikanös dar, schon gar nicht, wenn -wie hier- aufgrund gerichtlicher Überlastung regelmäßig zu dieser Zeit terminiert werden muss, die Beklagte extra zu einem weiteren Verhandlungstermin geladen wird und sie außer der entfernten Zentrale im Bezirk des Landessozialgerichts eine Geschäftsstelle unterhält.

Das Anordnen des persönlichen Erscheinens wäre schließlich nach § 111 SGG noch möglich gewesen mit der Folge der Ordnungsgeldverhängung bei Nichterscheinen (§ 202 SGG i. V. m. 141 Abs. 3 ZPO), so dass der telefonische Hinweis auf diese Folge auch keinen Anlass zur Besorgnis der Voreingenommenheit darstellt.

Dieser Beschluss kann nicht mit der Beschwerde an das Bundessozialgericht angefochten werden (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
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