Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
8
1. Instanz
SG Stuttgart (BWB)
Aktenzeichen
S 12 AL 8588/04
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 8 AL 1667/07
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 21. Februar 2007 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Der Kläger wendet sich gegen die Abschaffung der Arbeitslosenhilfe (Alhi) und begehrt diese Leistung über den 31.12.2004 hinaus.
Der 1959 geborene Kläger ist seit April 2001 arbeitslos. Er bezog bis 23.02.2002 Arbeitslosengeld (Alg) und anschließend bis 31.12.2004 Alhi in Höhe von zuletzt 247,87 EUR wöchentlich. Im September 2004 wandte sich der Kläger schriftlich an die Beklagte und legte "Widerspruch gegen die Änderung der Versicherungsart (Arbeitslosengeld zu Sozialhilfe)" ein und begründete dies damit, dass die hinsichtlich der Alhi vorgesehene gesetzliche Neuregelung gegen das Sozialstaatsprinzip verstoße. Die Beklagte wertete diese Schreiben des Klägers als Widerspruch und verwarf diesen mit Widerspruchsbescheid vom 29.09.2004 als unzulässig, da bislang kein Verwaltungsakt ergangen sei, der im Rahmen eines Widerspruchsverfahrens überprüft werden könne. Darauf hin teilte der Kläger mit am 18.10.2004 bei der Beklagten eingegangenem Schreiben mit, er habe Widerspruch gegen ein verfassungswidriges Gesetz erhoben. Auf Anfrage der Beklagten bat der Kläger darum, das Schreiben an die "zuständige Organschaft zur rechtlichen Prüfung" weiter zuleiten. Die Beklagte übersandte darauf hin die entsprechenden Schreiben des Klägers an das Sozialgericht Stuttgart (SG), wo diese am 28.12.2004 eingingen.
Am 27.12.2004 beantragte der Kläger bei der Beklagten die Fortzahlung der Lohnersatzleistungen in Höhe der im Jahre 2004 monatlich erbrachten Leistungen. Dies lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 05.01.2005 ab. Sie begründete dies damit, dass die gesetzlichen Regelungen über die Alhi zum 01.01.2005 aufgehoben worden seien. Mit Schreiben vom 28.01.2005 teilte die Beklagte dem Kläger mit, dass dieser Bescheid Gegenstand des anhängigen Klageverfahrens geworden sei. Zur Begründung der Klage führte der Kläger aus, er mache einen Anspruch auf Weitergewährung der bisherigen Lohnersatzleistungen geltend. Die erfolgte Gesetzesänderung sei verfassungswidrig. Die gesetzliche Neuregelung sei mit einer Schlechterstellung aller Arbeitslosen verbunden. Die Beklagte trat der Klage entgegen.
Mit Urteil vom 21.02.2007 wies das SG die Klage ab. Die Beklagte habe die Eingabe des Klägers zu Recht mit Widerspruchsbescheid vom 29.09.2004 als unzulässig verworfen, da eine im Rahmen des Vorverfahrens zu überprüfende Entscheidung der Beklagten in Form eines Verwaltungsaktes nicht ergangen sei. Eine abstrakte Überprüfung einer überdies zu diesem Zeitpunkt zukünftigen Gesetzesänderung sei nicht möglich. Der Bescheid vom 05.01.2005, der Gegenstand des anhängigen Klageverfahrens geworden sei, sei rechtmäßig. Die gesetzliche Regelung, mit der zum 01.01.2005 die gesetzlichen Vorschriften über die Alhi aufgehoben und durch die Regelungen des Sozialgesetzbuches - Zweites Buch - (SGB II) ersetzt worden sind, seien nach seiner Überzeugung nicht verfassungswidrig.
Gegen das ihm am 01.03.2007 durch Niederlegung bei der Post zugestellte Urteil hat der Kläger am 28.03.2007 beim SG Berufung eingelegt, mit der an seinem Ziel festhält. Er bringt zusätzlich vor, seine damalige Weigerung, den ua vom SG Recklinghausen für verfassungswidrig eingestuften Fragebogen nicht auszufüllen habe er und begründe er weiterhin mit Artikel 20 Abs. 3 GG.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 21. Februar 2007 und den Bescheid der Beklagten vom 05. Januar 2005 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm über den 31. Dezember 2004 hinaus Arbeitslosenhilfe weiter zu gewähren, hilfsweise ihm ab 01.01.2004 bis einschließlich Oktober 2007 monatlich 500 EUR zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend.
Der Senat hat die Beteiligten darauf hingewiesen, dass die Berufung ohne mündliche Verhandlung durch Beschluss zurückgewiesen werden könne, wenn er sie einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich halte und das diese Möglichkeit nach dem Inhalt der vorliegenden Akten in Betracht komme. Die Beteiligten haben Gelegenheit erhalten, hierzu Stellung zu nehmen.
Wegen der weiteren Einzelheiten und des weiteren Vorbringens wird auf die Akten erster und zweiter Instanz und die Akten der Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Der Senat kann über die gemäß den § 143, 144 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthafte und auch im Übrigen zulässige Berufung des Klägers gemäß § 153 Abs. 4 SGG durch Beschluss entscheiden, da er diese einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält. Die Beteiligten sind hierzu gehört worden.
Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen. Die Beklagte hat einen Anspruch des Klägers auf Weitergewährung von Alhi über den 31.12.2004 hinaus zutreffend verneint.
Streitgegenstand ist nur noch der Bescheid vom 05.01.2005, mit dem die Beklagte während des bereits seit 28.12.2004 beim SG anhängigen Rechtsstreit einen Anspruch des Klägers auf Weitergewährung der Alhi über den 31.12.2004 hinaus verneint hat. Die zunächst vom Kläger erhobene Klage auf Feststellung der Verfassungswidrigkeit der am 01.01.2005 in Kraft getretenen gesetzlichen Neuregelung hat der Kläger nach Erlass des Bescheides vom 05.01.2005 nicht mehr weiter verfolgt. Vielmehr hat er danach nur noch einen Anspruch auf Weitergewährung der bisher bezogenen Alhi geltend gemacht. Der Bescheid vom 05.01.2005 ist auch Gegenstand des Klageverfahrens geworden. Der Bescheid vom 05.01.2005 ersetzte den Widerspruchsbescheid vom 29.09.2004 (§ 96 Abs. 1 SGG), mit dem die Beklagte den "Widerspruch" des Klägers vom 17.09.2004 als unzulässig verworfen hatte.
Der Senat hält die zum 01.01.2005 in Kraft getretene und mit der Aufhebung der Regelungen über die Alhi und deren Ersetzung durch Ansprüche nach dem SGB II verbundene Gesetzesänderung nicht für verfassungswidrig. Diese Auffassung entspricht auch der ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) seit dem Urteilen vom 23.11.2006 (B 11 b AS 1/06 R u.a.). In diesem Urteil hat das BSG ua ausgeführt:
"Es ist ferner nicht verfassungswidrig, dass der Gesetzgeber die Ansprüche auf Alhi nach den Vorschriften des SGB III in der bis 31. Dezember 2004 geltenden Fassung ohne Übergangsregelung abgeschafft und durch andersartige Ansprüche nach dem SGB II ersetzt hat.
Die Klägerin kann sich insoweit nicht auf die Eigentumsgarantie des Art 14 Abs 1 GG berufen. Denn die Alhi ist keine beitragsfinanzierte Leistung, sondern eine aus Steuermitteln finanzierte Fürsorgeleistung (vgl BSGE 85, 123, 130 = SozR 3-4100 § 136 Nr 11 mwN; SozR 3-4300 § 427 Nr 2 S 13; SozR 4-4300 § 434c Nr 3 RdNr 16). Selbst wenn im Übrigen der Anspruch auf Alhi dem Eigentumsschutz unterläge, wäre ein Verstoß gegen Art 14 Abs 1 GG zu verneinen, da der Gesetzgeber mit den Vorschriften zur Abschaffung der Alhi und zur Einführung des SGB II seine Befugnis zur Inhalts- und Schrankenbestimmung des Eigentums nicht überschritten hätte. Insoweit ergäbe sich bei diesem Prüfungsmaßstab hier nichts anderes, als wenn die angegriffenen Regelungen am Maßstab des Rechtsstaatsprinzips des Art 20 Abs 3 GG geprüft werden (vgl BVerfG SozR 3-4100 § 242q Nr 2 S 10, 12 sowie BVerfG SozR 4-2600 § 237a Nr 1 RdNr 24 ff).
Der Senat vermag nicht zu erkennen, dass mit der Abschaffung der Alhi und der Einführung des SGB II bzw des Alg II eine Verletzung des aus dem Rechtsstaatsprinzip abzuleitenden Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit (vgl Jarass/Pieroth, GG, 8. Auflage 2006, Art 20 RdNr 80 ff) verbunden war. Zu beachten ist insoweit, dass der Gesetzgeber bei der vorgenommenen Umgestaltung und Zusammenführung bisheriger getrennter staatlicher Fürsorgesysteme zu einem einheitlichen System der Grundsicherung für Arbeitsuchende wichtige Gemeinwohlinteressen im Sinne der Anpassung der Sozialausgaben an eine geänderte Wirtschaftslage verfolgt hat (vgl ua BT-Drucks 15/1516 S 1 ff, 41 ff). Zu beachten ist weiter die in § 1 Abs 1 Satz 1 SGB II zum Ausdruck kommende Absicht des Gesetzgebers, mit der Einführung der Grundsicherung für Arbeitsuchende die Eigenverantwortung erwerbsfähiger Hilfebedürftiger und mit diesen in einer Bedarfsgemeinschaft lebender Personen zu stärken und dazu beizutragen, dass sie ihren Lebensunterhalt unabhängig von der Grundsicherung aus eigenen Mitteln und Kräften bestreiten können. Außerdem hat der Gesetzgeber vor dem Hintergrund der Abschaffung der (Anschluss-)Alhi für ehemalige Alg-Bezieher, die - bereits unter 2a aa erwähnte - Regelung über den befristeten Zuschlag in § 24 SGB II vorgesehen, mit der ein Teil der Einkommenseinbußen abgefedert werden soll, die in der Regel beim Übertritt in die Grundsicherung für Arbeitsuchende entstehen (BT-Drucks 15/1516 S 57 f, zu § 24). Unter Berücksichtigung dieser Umstände ist nicht ersichtlich, dass die Einführung der neuen gesetzlichen Bestimmungen Betroffene wie die Klägerin bei Abwägung ihrer Interessen mit den verfolgten Gemeinwohlbelangen unverhältnismäßig belasten würde oder dass der Gesetzgeber den ihm zustehenden weiten Gestaltungsspielraum in unverhältnismäßiger Weise überschritten hätte.
Der Gesetzgeber hat nach der Überzeugung des Senats auch nicht die Anforderungen des rechtsstaatlichen Vertrauensschutzprinzips verletzt (vgl BVerfG, Beschluss vom 13. Juni 2006 - 1 BvL 9/00 ua; dazu auch Schlegel, jurisPR-SozR 19/2006 und Wenner, SozSich 2006, 316). Denn abgesehen von der seit Jahren öffentlich geführten Diskussion über die Zusammenführung von Alhi und Sozialhilfe sind die Bestimmungen zur Aufhebung der §§ 190 ff SGB III und zur Einführung des SGB II bereits am 24. Dezember 2003 im Bundesgesetzblatt veröffentlicht worden, die Änderungen aber erst am 1. Januar 2005 in Kraft getreten. Die Betroffenen hatten somit ausreichend Gelegenheit, sich auf die neue Rechtslage einzustellen. Im Übrigen stand die Alhi wegen ihres Charakters als Fürsorgeleistung von jeher unter der Prämisse der jederzeitigen Änderbarkeit, wie wiederholte Reduzierungen der letzten Jahre belegen (ua zeitliche Anspruchsbegrenzung der originären Alhi durch Gesetz vom 21. Dezember 1993, BGBl I 2353, und deren Abschaffung durch Gesetz vom 22. Dezember 1999, BGBl I 2624; ferner zB Minderung des Bemessungsentgelts durch § 201 Abs 1 Satz 1 SGB III in der Fassung des Arbeitsförderungs-Reformgesetzes vom 24. März 1997, BGBl I 594). Insofern lässt sich ein schutzwürdiges Vertrauen auf den Fortbestand der bis Ende 2004 geltenden Rechtslage nicht begründen. Jedenfalls ist einem Vertrauen betroffener Arbeitsloser nicht größeres Gewicht beizumessen als dem Gemeinwohlinteresse an der Änderung der Rechtslage (vgl BVerfG SozR 3-4100 § 242q Nr 2 S 11). Der Senat hat im Übrigen einen Verstoß gegen das rechtsstaatliche Vertrauensschutzprinzip durch die Abschaffung der Alhi sogar für Arbeitslose, die eine Erklärung nach § 428 SGB III abgegeben hatten, verneint (BSG, Urteil vom 23. November 2006 - B 11b AS 9/06 R -).
Ein Anspruch der Klägerin auf Leistungen in Höhe der bisherigen Alhi folgt auch nicht aus Art 1 Abs 1 GG iVm dem insbesondere auf Art 20 Abs 1 GG beruhenden Sozialstaatsprinzip (zu letzterem vgl Jarass/Pieroth aaO Art 20 RdNr 112). Die genannten Verfassungsnormen begründen zwar für den Gesetzgeber einen Gestaltungsauftrag; dieser ist jedoch nicht geeignet, eine Verpflichtung des Staates zur Gewährung sozialer Leistungen in einem bestimmten Umfang zu begründen (vgl etwa BVerfGE 94, 241, 263 = SozR 3-2200 § 1255a Nr 5). Vielmehr sind dem Gesetzgeber im Rahmen der Entscheidung, in welchem Umfang soziale Hilfe unter Berücksichtigung vorhandener Mittel und anderer gleichwertiger Staatsaufgaben gewährt werden kann, weite Gestaltungsmöglichkeiten eingeräumt (vgl BVerfGE 82, 60, 80 f = SozR 3-5870 § 10 Nr 1; BVerfGE 98, 169, 204 = NJW 1998, 3337; O’Sullivan SGb 2005, 370)."
Der erkennende Senat hält diese Auffassung weiterhin für zutreffend.
Ein Anspruch auf Alg II ist nicht zulässiger Streitgegenstand des vorliegenden Berufungsverfahrens. Abgesehen davon, dass das SG hierüber - zu Recht - gar nicht entschieden hat, wurde auch noch kein auf diese Leistung gerichtetes Verwaltungsverfahren durchgeführt. Dieses Begehren könnte daher auch durch eine Klageänderung nicht in zulässiger Weise zum Gegenstand des vorliegenden Rechtsstreits gemacht werden.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Der Kläger wendet sich gegen die Abschaffung der Arbeitslosenhilfe (Alhi) und begehrt diese Leistung über den 31.12.2004 hinaus.
Der 1959 geborene Kläger ist seit April 2001 arbeitslos. Er bezog bis 23.02.2002 Arbeitslosengeld (Alg) und anschließend bis 31.12.2004 Alhi in Höhe von zuletzt 247,87 EUR wöchentlich. Im September 2004 wandte sich der Kläger schriftlich an die Beklagte und legte "Widerspruch gegen die Änderung der Versicherungsart (Arbeitslosengeld zu Sozialhilfe)" ein und begründete dies damit, dass die hinsichtlich der Alhi vorgesehene gesetzliche Neuregelung gegen das Sozialstaatsprinzip verstoße. Die Beklagte wertete diese Schreiben des Klägers als Widerspruch und verwarf diesen mit Widerspruchsbescheid vom 29.09.2004 als unzulässig, da bislang kein Verwaltungsakt ergangen sei, der im Rahmen eines Widerspruchsverfahrens überprüft werden könne. Darauf hin teilte der Kläger mit am 18.10.2004 bei der Beklagten eingegangenem Schreiben mit, er habe Widerspruch gegen ein verfassungswidriges Gesetz erhoben. Auf Anfrage der Beklagten bat der Kläger darum, das Schreiben an die "zuständige Organschaft zur rechtlichen Prüfung" weiter zuleiten. Die Beklagte übersandte darauf hin die entsprechenden Schreiben des Klägers an das Sozialgericht Stuttgart (SG), wo diese am 28.12.2004 eingingen.
Am 27.12.2004 beantragte der Kläger bei der Beklagten die Fortzahlung der Lohnersatzleistungen in Höhe der im Jahre 2004 monatlich erbrachten Leistungen. Dies lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 05.01.2005 ab. Sie begründete dies damit, dass die gesetzlichen Regelungen über die Alhi zum 01.01.2005 aufgehoben worden seien. Mit Schreiben vom 28.01.2005 teilte die Beklagte dem Kläger mit, dass dieser Bescheid Gegenstand des anhängigen Klageverfahrens geworden sei. Zur Begründung der Klage führte der Kläger aus, er mache einen Anspruch auf Weitergewährung der bisherigen Lohnersatzleistungen geltend. Die erfolgte Gesetzesänderung sei verfassungswidrig. Die gesetzliche Neuregelung sei mit einer Schlechterstellung aller Arbeitslosen verbunden. Die Beklagte trat der Klage entgegen.
Mit Urteil vom 21.02.2007 wies das SG die Klage ab. Die Beklagte habe die Eingabe des Klägers zu Recht mit Widerspruchsbescheid vom 29.09.2004 als unzulässig verworfen, da eine im Rahmen des Vorverfahrens zu überprüfende Entscheidung der Beklagten in Form eines Verwaltungsaktes nicht ergangen sei. Eine abstrakte Überprüfung einer überdies zu diesem Zeitpunkt zukünftigen Gesetzesänderung sei nicht möglich. Der Bescheid vom 05.01.2005, der Gegenstand des anhängigen Klageverfahrens geworden sei, sei rechtmäßig. Die gesetzliche Regelung, mit der zum 01.01.2005 die gesetzlichen Vorschriften über die Alhi aufgehoben und durch die Regelungen des Sozialgesetzbuches - Zweites Buch - (SGB II) ersetzt worden sind, seien nach seiner Überzeugung nicht verfassungswidrig.
Gegen das ihm am 01.03.2007 durch Niederlegung bei der Post zugestellte Urteil hat der Kläger am 28.03.2007 beim SG Berufung eingelegt, mit der an seinem Ziel festhält. Er bringt zusätzlich vor, seine damalige Weigerung, den ua vom SG Recklinghausen für verfassungswidrig eingestuften Fragebogen nicht auszufüllen habe er und begründe er weiterhin mit Artikel 20 Abs. 3 GG.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 21. Februar 2007 und den Bescheid der Beklagten vom 05. Januar 2005 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm über den 31. Dezember 2004 hinaus Arbeitslosenhilfe weiter zu gewähren, hilfsweise ihm ab 01.01.2004 bis einschließlich Oktober 2007 monatlich 500 EUR zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend.
Der Senat hat die Beteiligten darauf hingewiesen, dass die Berufung ohne mündliche Verhandlung durch Beschluss zurückgewiesen werden könne, wenn er sie einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich halte und das diese Möglichkeit nach dem Inhalt der vorliegenden Akten in Betracht komme. Die Beteiligten haben Gelegenheit erhalten, hierzu Stellung zu nehmen.
Wegen der weiteren Einzelheiten und des weiteren Vorbringens wird auf die Akten erster und zweiter Instanz und die Akten der Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Der Senat kann über die gemäß den § 143, 144 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthafte und auch im Übrigen zulässige Berufung des Klägers gemäß § 153 Abs. 4 SGG durch Beschluss entscheiden, da er diese einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält. Die Beteiligten sind hierzu gehört worden.
Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen. Die Beklagte hat einen Anspruch des Klägers auf Weitergewährung von Alhi über den 31.12.2004 hinaus zutreffend verneint.
Streitgegenstand ist nur noch der Bescheid vom 05.01.2005, mit dem die Beklagte während des bereits seit 28.12.2004 beim SG anhängigen Rechtsstreit einen Anspruch des Klägers auf Weitergewährung der Alhi über den 31.12.2004 hinaus verneint hat. Die zunächst vom Kläger erhobene Klage auf Feststellung der Verfassungswidrigkeit der am 01.01.2005 in Kraft getretenen gesetzlichen Neuregelung hat der Kläger nach Erlass des Bescheides vom 05.01.2005 nicht mehr weiter verfolgt. Vielmehr hat er danach nur noch einen Anspruch auf Weitergewährung der bisher bezogenen Alhi geltend gemacht. Der Bescheid vom 05.01.2005 ist auch Gegenstand des Klageverfahrens geworden. Der Bescheid vom 05.01.2005 ersetzte den Widerspruchsbescheid vom 29.09.2004 (§ 96 Abs. 1 SGG), mit dem die Beklagte den "Widerspruch" des Klägers vom 17.09.2004 als unzulässig verworfen hatte.
Der Senat hält die zum 01.01.2005 in Kraft getretene und mit der Aufhebung der Regelungen über die Alhi und deren Ersetzung durch Ansprüche nach dem SGB II verbundene Gesetzesänderung nicht für verfassungswidrig. Diese Auffassung entspricht auch der ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) seit dem Urteilen vom 23.11.2006 (B 11 b AS 1/06 R u.a.). In diesem Urteil hat das BSG ua ausgeführt:
"Es ist ferner nicht verfassungswidrig, dass der Gesetzgeber die Ansprüche auf Alhi nach den Vorschriften des SGB III in der bis 31. Dezember 2004 geltenden Fassung ohne Übergangsregelung abgeschafft und durch andersartige Ansprüche nach dem SGB II ersetzt hat.
Die Klägerin kann sich insoweit nicht auf die Eigentumsgarantie des Art 14 Abs 1 GG berufen. Denn die Alhi ist keine beitragsfinanzierte Leistung, sondern eine aus Steuermitteln finanzierte Fürsorgeleistung (vgl BSGE 85, 123, 130 = SozR 3-4100 § 136 Nr 11 mwN; SozR 3-4300 § 427 Nr 2 S 13; SozR 4-4300 § 434c Nr 3 RdNr 16). Selbst wenn im Übrigen der Anspruch auf Alhi dem Eigentumsschutz unterläge, wäre ein Verstoß gegen Art 14 Abs 1 GG zu verneinen, da der Gesetzgeber mit den Vorschriften zur Abschaffung der Alhi und zur Einführung des SGB II seine Befugnis zur Inhalts- und Schrankenbestimmung des Eigentums nicht überschritten hätte. Insoweit ergäbe sich bei diesem Prüfungsmaßstab hier nichts anderes, als wenn die angegriffenen Regelungen am Maßstab des Rechtsstaatsprinzips des Art 20 Abs 3 GG geprüft werden (vgl BVerfG SozR 3-4100 § 242q Nr 2 S 10, 12 sowie BVerfG SozR 4-2600 § 237a Nr 1 RdNr 24 ff).
Der Senat vermag nicht zu erkennen, dass mit der Abschaffung der Alhi und der Einführung des SGB II bzw des Alg II eine Verletzung des aus dem Rechtsstaatsprinzip abzuleitenden Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit (vgl Jarass/Pieroth, GG, 8. Auflage 2006, Art 20 RdNr 80 ff) verbunden war. Zu beachten ist insoweit, dass der Gesetzgeber bei der vorgenommenen Umgestaltung und Zusammenführung bisheriger getrennter staatlicher Fürsorgesysteme zu einem einheitlichen System der Grundsicherung für Arbeitsuchende wichtige Gemeinwohlinteressen im Sinne der Anpassung der Sozialausgaben an eine geänderte Wirtschaftslage verfolgt hat (vgl ua BT-Drucks 15/1516 S 1 ff, 41 ff). Zu beachten ist weiter die in § 1 Abs 1 Satz 1 SGB II zum Ausdruck kommende Absicht des Gesetzgebers, mit der Einführung der Grundsicherung für Arbeitsuchende die Eigenverantwortung erwerbsfähiger Hilfebedürftiger und mit diesen in einer Bedarfsgemeinschaft lebender Personen zu stärken und dazu beizutragen, dass sie ihren Lebensunterhalt unabhängig von der Grundsicherung aus eigenen Mitteln und Kräften bestreiten können. Außerdem hat der Gesetzgeber vor dem Hintergrund der Abschaffung der (Anschluss-)Alhi für ehemalige Alg-Bezieher, die - bereits unter 2a aa erwähnte - Regelung über den befristeten Zuschlag in § 24 SGB II vorgesehen, mit der ein Teil der Einkommenseinbußen abgefedert werden soll, die in der Regel beim Übertritt in die Grundsicherung für Arbeitsuchende entstehen (BT-Drucks 15/1516 S 57 f, zu § 24). Unter Berücksichtigung dieser Umstände ist nicht ersichtlich, dass die Einführung der neuen gesetzlichen Bestimmungen Betroffene wie die Klägerin bei Abwägung ihrer Interessen mit den verfolgten Gemeinwohlbelangen unverhältnismäßig belasten würde oder dass der Gesetzgeber den ihm zustehenden weiten Gestaltungsspielraum in unverhältnismäßiger Weise überschritten hätte.
Der Gesetzgeber hat nach der Überzeugung des Senats auch nicht die Anforderungen des rechtsstaatlichen Vertrauensschutzprinzips verletzt (vgl BVerfG, Beschluss vom 13. Juni 2006 - 1 BvL 9/00 ua; dazu auch Schlegel, jurisPR-SozR 19/2006 und Wenner, SozSich 2006, 316). Denn abgesehen von der seit Jahren öffentlich geführten Diskussion über die Zusammenführung von Alhi und Sozialhilfe sind die Bestimmungen zur Aufhebung der §§ 190 ff SGB III und zur Einführung des SGB II bereits am 24. Dezember 2003 im Bundesgesetzblatt veröffentlicht worden, die Änderungen aber erst am 1. Januar 2005 in Kraft getreten. Die Betroffenen hatten somit ausreichend Gelegenheit, sich auf die neue Rechtslage einzustellen. Im Übrigen stand die Alhi wegen ihres Charakters als Fürsorgeleistung von jeher unter der Prämisse der jederzeitigen Änderbarkeit, wie wiederholte Reduzierungen der letzten Jahre belegen (ua zeitliche Anspruchsbegrenzung der originären Alhi durch Gesetz vom 21. Dezember 1993, BGBl I 2353, und deren Abschaffung durch Gesetz vom 22. Dezember 1999, BGBl I 2624; ferner zB Minderung des Bemessungsentgelts durch § 201 Abs 1 Satz 1 SGB III in der Fassung des Arbeitsförderungs-Reformgesetzes vom 24. März 1997, BGBl I 594). Insofern lässt sich ein schutzwürdiges Vertrauen auf den Fortbestand der bis Ende 2004 geltenden Rechtslage nicht begründen. Jedenfalls ist einem Vertrauen betroffener Arbeitsloser nicht größeres Gewicht beizumessen als dem Gemeinwohlinteresse an der Änderung der Rechtslage (vgl BVerfG SozR 3-4100 § 242q Nr 2 S 11). Der Senat hat im Übrigen einen Verstoß gegen das rechtsstaatliche Vertrauensschutzprinzip durch die Abschaffung der Alhi sogar für Arbeitslose, die eine Erklärung nach § 428 SGB III abgegeben hatten, verneint (BSG, Urteil vom 23. November 2006 - B 11b AS 9/06 R -).
Ein Anspruch der Klägerin auf Leistungen in Höhe der bisherigen Alhi folgt auch nicht aus Art 1 Abs 1 GG iVm dem insbesondere auf Art 20 Abs 1 GG beruhenden Sozialstaatsprinzip (zu letzterem vgl Jarass/Pieroth aaO Art 20 RdNr 112). Die genannten Verfassungsnormen begründen zwar für den Gesetzgeber einen Gestaltungsauftrag; dieser ist jedoch nicht geeignet, eine Verpflichtung des Staates zur Gewährung sozialer Leistungen in einem bestimmten Umfang zu begründen (vgl etwa BVerfGE 94, 241, 263 = SozR 3-2200 § 1255a Nr 5). Vielmehr sind dem Gesetzgeber im Rahmen der Entscheidung, in welchem Umfang soziale Hilfe unter Berücksichtigung vorhandener Mittel und anderer gleichwertiger Staatsaufgaben gewährt werden kann, weite Gestaltungsmöglichkeiten eingeräumt (vgl BVerfGE 82, 60, 80 f = SozR 3-5870 § 10 Nr 1; BVerfGE 98, 169, 204 = NJW 1998, 3337; O’Sullivan SGb 2005, 370)."
Der erkennende Senat hält diese Auffassung weiterhin für zutreffend.
Ein Anspruch auf Alg II ist nicht zulässiger Streitgegenstand des vorliegenden Berufungsverfahrens. Abgesehen davon, dass das SG hierüber - zu Recht - gar nicht entschieden hat, wurde auch noch kein auf diese Leistung gerichtetes Verwaltungsverfahren durchgeführt. Dieses Begehren könnte daher auch durch eine Klageänderung nicht in zulässiger Weise zum Gegenstand des vorliegenden Rechtsstreits gemacht werden.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
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