Land
Hessen
Sozialgericht
Hessisches LSG
Sachgebiet
Vertragsarztangelegenheiten
Abteilung
7
1. Instanz
SG Frankfurt (HES)
Aktenzeichen
S 27 Ka 3101/96
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 7 KA 415/97
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 12. Februar 1997 wird zurückgewiesen.
II. Der Kläger hat die außergerichtlichen Kosten der Beklagten zu erstatten.
III. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand:
Es geht in dem Rechtsstreit um die sachlich-rechnerische Berichtigung der Honorarabrechnungen des Klägers in den Quartalen I/94 bis I/95.
Der Kläger ist in W. als Pathologe niedergelassen und zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassen.
Mit Bescheid vom 29. August 1994 (abgesandt 26.9.1994) teilte die Beklagte dem Kläger hinsichtlich der Honorarabrechnung I/94 (Primärkassen) mit, daß er die GO-Nrn. 7103 und 7140 mehr als einmal je überwiesenen Untersuchungsfall abgerechnet habe, daß die GO-Nr. 7103 jedoch nur einmal je überwiesenen Untersuchungsfall abgerechnet werden könne und damit auch die Kosten für die Übermittlung der Untersuchungsergebnisse abgegolten seien.
Hiergegen hat der Kläger am 16. Oktober 1994 Widerspruch eingelegt und die Auffassung vertreten, daß ein Material einem Untersuchungsfall entspreche. Dementsprechend seien die Nr. 7103 und 7140 zuzuordnen.
Mit Bescheid vom 3. Mai 1995 (abgesandt 16. Mai 1995) teilte die Beklagte dem Kläger hinsichtlich der Quartale II/94, III/94 und IV/94 (Ersatz-/Primärkassen) mit, daß folgende Berichtigungen vorgenommen worden seien:
... in mehreren Behandlungsfällen habe der Kläger die GO-Nrn. 7103, 7120, 7140 und 8023 mehr als einmal je überwiesenen Untersuchungsfall abgerechnet, ...
Hiergegen hat der Kläger am 7. Juni 1995 sinngemäß Widerspruch eingelegt und die Überweisung des einbehaltenen Betrages in Höhe von DM 4.475,20 begehrt.
Mit Schreiben vom 8. August 1995 erklärte die Beklagte die weiteren Absetzungen u.a. damit, daß die GO-Nr. 46 als Assistenzgebühr dem Kläger schon früher rechtskräftig abgelehnt worden sei.
Mit Bescheid vom 11. September 1995 (abgesandt am 20. September 1995), betreffend das Quartal I/95 (Ersatz-/Primärkassen) übersandte die Beklagte dem Kläger eine Liste der abgesetzten Leistungen (hauptsächlich Nrn. 7103 und 7140) und erklärte die dementsprechende sachlich-rechnerische Berichtigung. Hiergegen hat der Kläger am 26. September 1995 Widerspruch eingelegt.
Nachdem die Bezirksstelle W. den Widersprüchen nicht abgeholfen hat, hat die Beklagte die Widersprüche mit Widerspruchsbescheid vom 10. Juli 1996 zurückgewiesen im wesentlichen mit der bisherigen Begründung, wobei die verschiedenen Beanstandungen unter den Buchstaben a) bis g) abgehandelt wurden:
...
b) Mehrfache Abrechnung der Nr. 7103 EBM’87 [Pauschalerstattung für Versandmaterial, Versandgefäße usw. sowie für die Versendung bzw. den Transport von Untersuchungsmaterial einschl. der Kosten für die Übermittlung von Untersuchungsergebnissen der Laboratoriumsdiagnostik, Histologie, Zytologie, je überwiesenen Untersuchungsfall], sowie der zusätzlich auf diesen Fällen abgerechneten Nrn. 7120, 7140 und 8023 EBM’87.
c) ...
d) Absetzung der Nr. 46 EBM’87 [Beistand bei der ärztlichen Leistung eines anderen Arztes (Assistenz), bei Tage] ...
Zu b) führte die Beklagte u.a. aus, daß der Begriff "je überwiesenen Untersuchungsfall” eindeutig im Kölner Kommentar erläutert werde und mit der Inanspruchnahme gleichzusetzen sei. Demnach sei die mehrfache Abrechnung der Nr. 7103 EBM’87 für die Einsendung mehrerer Präparate eines Patienten an einem Behandlungstag ausgeschlossen. Die im Abschnitt P (Histologie) erläuterte Definition eines Materials stehe in keinem Zusammenhang mit dem Begriff Untersuchungsfall. Die zusätzlich abgerechneten Leistungen nach den Nrn. 7120, 7140 EBM’87 und 8023 (Telefonkosten) seien Bestandteil der Nr. 7103 EBM’87 und somit nicht gesondert abrechnungsfähig.
Zu d) führte die Beklagte aus, daß der Kläger bei dem Behandlungsfall Wenzel zur Nr. 4816 EBM’87 [Histologische Sofortuntersuchung eines Materials während einer Operation (Schnellschnitt)] die Assistenz nach Nr. 46 EBM’87 abgerechnet habe. Die Tatsache, daß der Kläger bei der Gewebeentnahme anwesend sei und den operierenden Kollegen evtl. beratend unterstütze, rechtfertige nicht den Ansatz einer Assistenzgebühr, zumal der Operateur durchaus in der Lage sei, Gewebematerial selbst zu entnehmen.
Hiergegen hat der Kläger am 30. Juli 1996 Klage erhoben, die er zuletzt auf die im Widerspruchsbescheid unter b) und d) behandelten Beanstandungen beschränkt hat. Der Kläger hat vorgetragen, daß er anders als die meisten Fachkollegen die Proben nicht von Krankenhäusern auf deren Kosten zugeliefert bekomme, sondern auf seine eigenen Kosten durch einen Kleintransportunternehmer bei den niedergelassenen Ärzten abholen lasse und allein dadurch pro Probe (nicht pro Patient) Kosten von mehr als DM 3,– entstünden. Es kämen noch Gefäßkosten, Kosten für Schachteln, Schreibkosten, Porto und Entsorgung hinzu. Seine Kosten würden durch die Pauschale von DM 5,– je Probe nicht gedeckt. Da er auch für die Untersuchung jeder einzelnen Probe die jeweilige Ziffer abrechnen könne, müsse sich der Begriff des Untersuchungsfalles daran orientieren und die Pauschale nach 7103 auf die jeweilige Probe beziehen.
Mit Urteil vom 12. Februar 1997 hat das Sozialgericht Frankfurt am Main die Klage abgewiesen und dies im wesentlichen damit begründet, daß die Leistung nach Nr. 7103 EBM nur einmal je Untersuchungsfall und nicht je Probe abgerechnet werden könne. Anderenfalls hätte der EBM-Geber eine andere Formulierung wie z.B. "je Probe” oder je "Untersuchungsmaterial” verwandt. Der Begriff Untersuchungsfall sei mit Inanspruchnahme gleichzusetzen. Die Leistungen nach Nrn. 7120, 7140 und 8023 (nur im Ersatzkassenbereich) würden bereits von der Pauschalerstattung erfaßt, so daß sie nicht gesondert berechnet werden könnten. Soweit der Kläger vortrage, seine Kosten seien höher als die Pauschalerstattung, dürfe nicht auf die tatsächlichen Kosten abgestellt werden. Es sei nicht erkennbar, daß die Pauschalerstattung willkürlich festgelegt sei, also in Bereichen liege, die mit den tatsächlichen Kosten nicht vergleichbar seien. Die Beklagte habe auch zu Recht die Nr. 46 abgesetzt. Es sei grundsätzlich Aufgabe des Operateurs und dieser dürfte auch dazu in der Lage sein, die richtige Gewebsprobe zu entnehmen. Die Notwendigkeit einer Assistenz sei hierbei nicht zu erkennen.
Gegen das am 28. Februar 1997 zugestellte Urteil hat der Kläger am 13. März 1997 Berufung eingelegt. Er trägt u.a. vor, bei der Entnahme mehrerer Gewebeteile eines Patienten seien diese gesonderten Proben in gesonderte Gefäße verpackt und müßten gesondert untersucht werden. Mithin handele es sich dabei um jeweils einen gesonderten Untersuchungsfall. Mit seiner Auslegung verstoße das Sozialgericht gegen Grundsätze, die das BSG aufgestellt habe. Danach sei bei der Auslegung der Gebührenordnung größte Zurückhaltung zu üben; entscheidend sei die Orientierung am Wortlaut.
Was die übrigen Leistungen angehe, werde auf den Schriftsatz der ersten Instanz Bezug genommen.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 12. Februar 1997 aufzuheben, die Bescheide der Beklagten vom 29. August 1994, vom 3. Mai 1995 und vom 11. September 1995 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10. Juli 1996 bezüglich der im Widerspruchsbescheid unter den Buchstaben b) und d) genannten Beanstandungen abzuändern und die Beklagte zu verpflichten, das entsprechende Honorar zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Beklagte bezieht sich auf die erstinstanzliche Entscheidung und trägt ergänzend vor, daß gerade bei einer am Wortlaut orientierten Auslegung, wie sie der Kläger fordere, ein Ansatz der Gebührenordnungsnummer 7103 je Material nicht möglich sei.
Wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Verwaltungsakten sowie der Gerichtsakten ergänzend Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung ist form- und fristgerecht eingelegt, § 151 Sozialgerichtsgesetz (SGG).
Die Berufung ist auch zulässig, jedoch unbegründet. Das angefochtene Urteil des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 12. Februar 1997 ist im Ergebnis nicht zu beanstanden. Die angefochtenen Bescheide der Beklagten vom 29. August 1994, vom 3. Mai 1995 und vom 11. September 1995 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10. Juli 1996 sind zu Recht ergangen, soweit sie der Überprüfung durch das Gericht unterlagen, also hinsichtlich derjenigen sachlich-rechnerischen Berichtigungen, die im Widerspruchsbescheid vom 10. Juli 1996 unter b) und d) abgehandelt wurden. Die übrigen Berichtigungen waren durch die entsprechende Klagerücknahme vor dem Sozialgericht nicht mehr Gegenstand des Berufungsverfahrens. Der Kläger hat dem in der mündlichen Verhandlung am 8. Juli 1998 Rechnung getragen und seinen ursprünglich wieder umfassend angekündigten Antrag entsprechend beschränkt.
Soweit das Sozialgericht über Bescheide entschieden hat, die mit abweichenden Daten bezeichnet waren, ist dies für die Richtigkeit der Klageabweisung unschädlich. Denn es handelt sich um die streitbefangenen Bescheide. Versehentlich waren sie nur mit den Absendedaten statt mit ihren tatsächlichen Daten in der ersten Instanz bezeichnet worden.
Der Kläger hat gegen die Beklagte keinen Anspruch auf weitergehende Vergütung hinsichtlich der noch streitigen Positionen nach Nr. 7103 EBM’87, einschließlich der damit im Zusammenhang stehenden Nrn. 7120, 7140 EBM’87 und 8023 (Telefonkosten). Soweit der Kläger beanstandet hat, daß ihm die Anlage (Auflistung der einzelnen Beanstandungen) zu dem Bescheid vom 29. August 1998 nicht übersandt worden war, kann dies nicht zur Aufhebung des Bescheides führen. Die Beklagte hat die Anlage während des Berufungsverfahrens nachgereicht, der Kläger hat hiervon eine Kopie erhalten. Damit wurden die einzelnen Beanstandungen zum Gegenstand des Rechtsstreites gemacht und waren hinsichtlich des vom Kläger insoweit geltend gemachten Honoraranspruches vom erkennenden Senat überprüfbar. Weitergehende Beanstandungen (über die grundsätzliche Frage der mehrfachen Abrechenbarkeit der Nr. 7103 EBM’87 nebst 7120, 7140, 8023 hinaus) hat der Kläger insoweit nicht erhoben. Damit hat der Kläger weder dargelegt noch steht zur Überzeugung des erkennenden Senats fest, daß er einen Anspruch hinsichtlich der streitbefangenen Gebührenordnungspositionen hat.
Denn der Kläger hat keinen Anspruch auf mehrfache Bezahlung der Pauschale nach Nr. 7103 EBM’87, wenn es sich um mehrere Proben (Material) eines Patienten handelt, die ihm an einem Tag von dem behandelnden Arzt übersandt (bzw. von ihm selbst abgeholt) werden. Dabei handelt es sich um einen überwiesenen Untersuchungsfall. Auch nach Auffassung des erkennenden Senats läßt sich der im EBM verwendete Begriff "je überwiesenen Untersuchungsfall” nicht in dem vom Kläger gewünschten Sinne interpretieren. Auszugehen ist von dem Grundsatz des Vorrangs der Vertragspartner bei der Festlegung des Inhalts und des Umfangs der vertragsärztlichen Leistungen und damit korrespondierend der erforderlichen Zurückhaltung der Gerichte bei der Auslegung. Auszugehen ist von dem Wortlaut und erkennbaren Sinn, weitergehende Auslegungen dürfen nur ausnahmsweise erfolgen, etwa bei Überschreitungen von Regelungsspielräumen oder mißbräuchlicher Ausübung der Bewertungskompetenz durch die Selbstverwaltungsorgane (vgl. BSG 4.5.1994 – 6 RKa 19/93, 1.2.1995 – 6 RKa 10/94). Bei dem in Nr. 7103 verwendeten Begriff "je überwiesenen Untersuchungsfall” fällt auf, daß bewußt nicht der im Bereich der Pathologie bzw. Labormedizin übliche Begriff der "Probe” oder des "Materials” verwendet wurde. Es wurde auch nicht der isolierte Begriff des Untersuchungsfalles verwendet, sondern dieser mit dem Zusatz "je überwiesenen” erweitert. Da bei dem Pathologen und Laborarzt nicht der Patient in Person überwiesen wird, sondern Körperflüssigkeiten oder Gewebeteile - ggf. auch mehrere gleichzeitig - übersandt oder abgeholt werden, kann sich der verwendete Begriff nur auf den Vorgang des Versendens bzw. Abholens beziehen, dies um so mehr, als es sich um eine Pauschalerstattung für Versandmaterial, Versandgefäße usw. sowie für die Versendung bzw. den Transport von Untersuchungsmaterial einschl. der Kosten für die Übermittlung von Untersuchungsergebnissen handelt. Ein jeweils überwiesener Untersuchungsfall erfaßt damit einen einheitlichen Versendungsvorgang (oder Abholvorgang) von Gewebsproben eines Patienten an einem Tag zum Zwecke der Untersuchung durch den Pathologen bzw. Laborarzt. Ein Abstellen auf die einzelne Gewebsprobe bzw. deren Untersuchung, wie es der Kläger möchte, ist damit nicht möglich (vgl. Kölner Kommentar zum EBM, Stand Januar 1998, Nr. 7103, Anm. 3). Hinsichtlich der vom Kläger neben der Pauschale nach Nr. 7103 EBM verlangten Erstattungen nach Nrn. 7120, 7140, 8023 (nur E-GO), handelt es sich um Pauschalen, die bereits in der Nr. 7103 enthalten sind, also daneben nicht zusätzlich verlangt werden können.
Der Kläger hat auch keinen Anspruch auf Vergütung einer Assistenzgebühr nach Nr. 46 EBM’87. Es ist Aufgabe des Operateurs, die richtige Gewebsprobe zu entnehmen. Die Arbeit und zu vergütende Leistung des Pathologen beginnt erst, wenn die Gewebsprobe gewonnen wurde und beschränkt sich auf die Arbeit an und mit der Gewebsprobe. Dies ändert sich auch nicht dadurch, daß es sich bei dem einen hier streitigen Fall um die Histologie eines Materials handelt, das während eines Eingriffs gewonnen (Schnellschnitt) und sofort untersucht wurde, um Konsequenzen für das weitere Vorgehen des Operateurs daraus zu gewinnen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Die Revision ist vom Senat wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zugelassen worden, § 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG.
II. Der Kläger hat die außergerichtlichen Kosten der Beklagten zu erstatten.
III. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand:
Es geht in dem Rechtsstreit um die sachlich-rechnerische Berichtigung der Honorarabrechnungen des Klägers in den Quartalen I/94 bis I/95.
Der Kläger ist in W. als Pathologe niedergelassen und zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassen.
Mit Bescheid vom 29. August 1994 (abgesandt 26.9.1994) teilte die Beklagte dem Kläger hinsichtlich der Honorarabrechnung I/94 (Primärkassen) mit, daß er die GO-Nrn. 7103 und 7140 mehr als einmal je überwiesenen Untersuchungsfall abgerechnet habe, daß die GO-Nr. 7103 jedoch nur einmal je überwiesenen Untersuchungsfall abgerechnet werden könne und damit auch die Kosten für die Übermittlung der Untersuchungsergebnisse abgegolten seien.
Hiergegen hat der Kläger am 16. Oktober 1994 Widerspruch eingelegt und die Auffassung vertreten, daß ein Material einem Untersuchungsfall entspreche. Dementsprechend seien die Nr. 7103 und 7140 zuzuordnen.
Mit Bescheid vom 3. Mai 1995 (abgesandt 16. Mai 1995) teilte die Beklagte dem Kläger hinsichtlich der Quartale II/94, III/94 und IV/94 (Ersatz-/Primärkassen) mit, daß folgende Berichtigungen vorgenommen worden seien:
... in mehreren Behandlungsfällen habe der Kläger die GO-Nrn. 7103, 7120, 7140 und 8023 mehr als einmal je überwiesenen Untersuchungsfall abgerechnet, ...
Hiergegen hat der Kläger am 7. Juni 1995 sinngemäß Widerspruch eingelegt und die Überweisung des einbehaltenen Betrages in Höhe von DM 4.475,20 begehrt.
Mit Schreiben vom 8. August 1995 erklärte die Beklagte die weiteren Absetzungen u.a. damit, daß die GO-Nr. 46 als Assistenzgebühr dem Kläger schon früher rechtskräftig abgelehnt worden sei.
Mit Bescheid vom 11. September 1995 (abgesandt am 20. September 1995), betreffend das Quartal I/95 (Ersatz-/Primärkassen) übersandte die Beklagte dem Kläger eine Liste der abgesetzten Leistungen (hauptsächlich Nrn. 7103 und 7140) und erklärte die dementsprechende sachlich-rechnerische Berichtigung. Hiergegen hat der Kläger am 26. September 1995 Widerspruch eingelegt.
Nachdem die Bezirksstelle W. den Widersprüchen nicht abgeholfen hat, hat die Beklagte die Widersprüche mit Widerspruchsbescheid vom 10. Juli 1996 zurückgewiesen im wesentlichen mit der bisherigen Begründung, wobei die verschiedenen Beanstandungen unter den Buchstaben a) bis g) abgehandelt wurden:
...
b) Mehrfache Abrechnung der Nr. 7103 EBM’87 [Pauschalerstattung für Versandmaterial, Versandgefäße usw. sowie für die Versendung bzw. den Transport von Untersuchungsmaterial einschl. der Kosten für die Übermittlung von Untersuchungsergebnissen der Laboratoriumsdiagnostik, Histologie, Zytologie, je überwiesenen Untersuchungsfall], sowie der zusätzlich auf diesen Fällen abgerechneten Nrn. 7120, 7140 und 8023 EBM’87.
c) ...
d) Absetzung der Nr. 46 EBM’87 [Beistand bei der ärztlichen Leistung eines anderen Arztes (Assistenz), bei Tage] ...
Zu b) führte die Beklagte u.a. aus, daß der Begriff "je überwiesenen Untersuchungsfall” eindeutig im Kölner Kommentar erläutert werde und mit der Inanspruchnahme gleichzusetzen sei. Demnach sei die mehrfache Abrechnung der Nr. 7103 EBM’87 für die Einsendung mehrerer Präparate eines Patienten an einem Behandlungstag ausgeschlossen. Die im Abschnitt P (Histologie) erläuterte Definition eines Materials stehe in keinem Zusammenhang mit dem Begriff Untersuchungsfall. Die zusätzlich abgerechneten Leistungen nach den Nrn. 7120, 7140 EBM’87 und 8023 (Telefonkosten) seien Bestandteil der Nr. 7103 EBM’87 und somit nicht gesondert abrechnungsfähig.
Zu d) führte die Beklagte aus, daß der Kläger bei dem Behandlungsfall Wenzel zur Nr. 4816 EBM’87 [Histologische Sofortuntersuchung eines Materials während einer Operation (Schnellschnitt)] die Assistenz nach Nr. 46 EBM’87 abgerechnet habe. Die Tatsache, daß der Kläger bei der Gewebeentnahme anwesend sei und den operierenden Kollegen evtl. beratend unterstütze, rechtfertige nicht den Ansatz einer Assistenzgebühr, zumal der Operateur durchaus in der Lage sei, Gewebematerial selbst zu entnehmen.
Hiergegen hat der Kläger am 30. Juli 1996 Klage erhoben, die er zuletzt auf die im Widerspruchsbescheid unter b) und d) behandelten Beanstandungen beschränkt hat. Der Kläger hat vorgetragen, daß er anders als die meisten Fachkollegen die Proben nicht von Krankenhäusern auf deren Kosten zugeliefert bekomme, sondern auf seine eigenen Kosten durch einen Kleintransportunternehmer bei den niedergelassenen Ärzten abholen lasse und allein dadurch pro Probe (nicht pro Patient) Kosten von mehr als DM 3,– entstünden. Es kämen noch Gefäßkosten, Kosten für Schachteln, Schreibkosten, Porto und Entsorgung hinzu. Seine Kosten würden durch die Pauschale von DM 5,– je Probe nicht gedeckt. Da er auch für die Untersuchung jeder einzelnen Probe die jeweilige Ziffer abrechnen könne, müsse sich der Begriff des Untersuchungsfalles daran orientieren und die Pauschale nach 7103 auf die jeweilige Probe beziehen.
Mit Urteil vom 12. Februar 1997 hat das Sozialgericht Frankfurt am Main die Klage abgewiesen und dies im wesentlichen damit begründet, daß die Leistung nach Nr. 7103 EBM nur einmal je Untersuchungsfall und nicht je Probe abgerechnet werden könne. Anderenfalls hätte der EBM-Geber eine andere Formulierung wie z.B. "je Probe” oder je "Untersuchungsmaterial” verwandt. Der Begriff Untersuchungsfall sei mit Inanspruchnahme gleichzusetzen. Die Leistungen nach Nrn. 7120, 7140 und 8023 (nur im Ersatzkassenbereich) würden bereits von der Pauschalerstattung erfaßt, so daß sie nicht gesondert berechnet werden könnten. Soweit der Kläger vortrage, seine Kosten seien höher als die Pauschalerstattung, dürfe nicht auf die tatsächlichen Kosten abgestellt werden. Es sei nicht erkennbar, daß die Pauschalerstattung willkürlich festgelegt sei, also in Bereichen liege, die mit den tatsächlichen Kosten nicht vergleichbar seien. Die Beklagte habe auch zu Recht die Nr. 46 abgesetzt. Es sei grundsätzlich Aufgabe des Operateurs und dieser dürfte auch dazu in der Lage sein, die richtige Gewebsprobe zu entnehmen. Die Notwendigkeit einer Assistenz sei hierbei nicht zu erkennen.
Gegen das am 28. Februar 1997 zugestellte Urteil hat der Kläger am 13. März 1997 Berufung eingelegt. Er trägt u.a. vor, bei der Entnahme mehrerer Gewebeteile eines Patienten seien diese gesonderten Proben in gesonderte Gefäße verpackt und müßten gesondert untersucht werden. Mithin handele es sich dabei um jeweils einen gesonderten Untersuchungsfall. Mit seiner Auslegung verstoße das Sozialgericht gegen Grundsätze, die das BSG aufgestellt habe. Danach sei bei der Auslegung der Gebührenordnung größte Zurückhaltung zu üben; entscheidend sei die Orientierung am Wortlaut.
Was die übrigen Leistungen angehe, werde auf den Schriftsatz der ersten Instanz Bezug genommen.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 12. Februar 1997 aufzuheben, die Bescheide der Beklagten vom 29. August 1994, vom 3. Mai 1995 und vom 11. September 1995 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10. Juli 1996 bezüglich der im Widerspruchsbescheid unter den Buchstaben b) und d) genannten Beanstandungen abzuändern und die Beklagte zu verpflichten, das entsprechende Honorar zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Beklagte bezieht sich auf die erstinstanzliche Entscheidung und trägt ergänzend vor, daß gerade bei einer am Wortlaut orientierten Auslegung, wie sie der Kläger fordere, ein Ansatz der Gebührenordnungsnummer 7103 je Material nicht möglich sei.
Wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Verwaltungsakten sowie der Gerichtsakten ergänzend Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung ist form- und fristgerecht eingelegt, § 151 Sozialgerichtsgesetz (SGG).
Die Berufung ist auch zulässig, jedoch unbegründet. Das angefochtene Urteil des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 12. Februar 1997 ist im Ergebnis nicht zu beanstanden. Die angefochtenen Bescheide der Beklagten vom 29. August 1994, vom 3. Mai 1995 und vom 11. September 1995 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10. Juli 1996 sind zu Recht ergangen, soweit sie der Überprüfung durch das Gericht unterlagen, also hinsichtlich derjenigen sachlich-rechnerischen Berichtigungen, die im Widerspruchsbescheid vom 10. Juli 1996 unter b) und d) abgehandelt wurden. Die übrigen Berichtigungen waren durch die entsprechende Klagerücknahme vor dem Sozialgericht nicht mehr Gegenstand des Berufungsverfahrens. Der Kläger hat dem in der mündlichen Verhandlung am 8. Juli 1998 Rechnung getragen und seinen ursprünglich wieder umfassend angekündigten Antrag entsprechend beschränkt.
Soweit das Sozialgericht über Bescheide entschieden hat, die mit abweichenden Daten bezeichnet waren, ist dies für die Richtigkeit der Klageabweisung unschädlich. Denn es handelt sich um die streitbefangenen Bescheide. Versehentlich waren sie nur mit den Absendedaten statt mit ihren tatsächlichen Daten in der ersten Instanz bezeichnet worden.
Der Kläger hat gegen die Beklagte keinen Anspruch auf weitergehende Vergütung hinsichtlich der noch streitigen Positionen nach Nr. 7103 EBM’87, einschließlich der damit im Zusammenhang stehenden Nrn. 7120, 7140 EBM’87 und 8023 (Telefonkosten). Soweit der Kläger beanstandet hat, daß ihm die Anlage (Auflistung der einzelnen Beanstandungen) zu dem Bescheid vom 29. August 1998 nicht übersandt worden war, kann dies nicht zur Aufhebung des Bescheides führen. Die Beklagte hat die Anlage während des Berufungsverfahrens nachgereicht, der Kläger hat hiervon eine Kopie erhalten. Damit wurden die einzelnen Beanstandungen zum Gegenstand des Rechtsstreites gemacht und waren hinsichtlich des vom Kläger insoweit geltend gemachten Honoraranspruches vom erkennenden Senat überprüfbar. Weitergehende Beanstandungen (über die grundsätzliche Frage der mehrfachen Abrechenbarkeit der Nr. 7103 EBM’87 nebst 7120, 7140, 8023 hinaus) hat der Kläger insoweit nicht erhoben. Damit hat der Kläger weder dargelegt noch steht zur Überzeugung des erkennenden Senats fest, daß er einen Anspruch hinsichtlich der streitbefangenen Gebührenordnungspositionen hat.
Denn der Kläger hat keinen Anspruch auf mehrfache Bezahlung der Pauschale nach Nr. 7103 EBM’87, wenn es sich um mehrere Proben (Material) eines Patienten handelt, die ihm an einem Tag von dem behandelnden Arzt übersandt (bzw. von ihm selbst abgeholt) werden. Dabei handelt es sich um einen überwiesenen Untersuchungsfall. Auch nach Auffassung des erkennenden Senats läßt sich der im EBM verwendete Begriff "je überwiesenen Untersuchungsfall” nicht in dem vom Kläger gewünschten Sinne interpretieren. Auszugehen ist von dem Grundsatz des Vorrangs der Vertragspartner bei der Festlegung des Inhalts und des Umfangs der vertragsärztlichen Leistungen und damit korrespondierend der erforderlichen Zurückhaltung der Gerichte bei der Auslegung. Auszugehen ist von dem Wortlaut und erkennbaren Sinn, weitergehende Auslegungen dürfen nur ausnahmsweise erfolgen, etwa bei Überschreitungen von Regelungsspielräumen oder mißbräuchlicher Ausübung der Bewertungskompetenz durch die Selbstverwaltungsorgane (vgl. BSG 4.5.1994 – 6 RKa 19/93, 1.2.1995 – 6 RKa 10/94). Bei dem in Nr. 7103 verwendeten Begriff "je überwiesenen Untersuchungsfall” fällt auf, daß bewußt nicht der im Bereich der Pathologie bzw. Labormedizin übliche Begriff der "Probe” oder des "Materials” verwendet wurde. Es wurde auch nicht der isolierte Begriff des Untersuchungsfalles verwendet, sondern dieser mit dem Zusatz "je überwiesenen” erweitert. Da bei dem Pathologen und Laborarzt nicht der Patient in Person überwiesen wird, sondern Körperflüssigkeiten oder Gewebeteile - ggf. auch mehrere gleichzeitig - übersandt oder abgeholt werden, kann sich der verwendete Begriff nur auf den Vorgang des Versendens bzw. Abholens beziehen, dies um so mehr, als es sich um eine Pauschalerstattung für Versandmaterial, Versandgefäße usw. sowie für die Versendung bzw. den Transport von Untersuchungsmaterial einschl. der Kosten für die Übermittlung von Untersuchungsergebnissen handelt. Ein jeweils überwiesener Untersuchungsfall erfaßt damit einen einheitlichen Versendungsvorgang (oder Abholvorgang) von Gewebsproben eines Patienten an einem Tag zum Zwecke der Untersuchung durch den Pathologen bzw. Laborarzt. Ein Abstellen auf die einzelne Gewebsprobe bzw. deren Untersuchung, wie es der Kläger möchte, ist damit nicht möglich (vgl. Kölner Kommentar zum EBM, Stand Januar 1998, Nr. 7103, Anm. 3). Hinsichtlich der vom Kläger neben der Pauschale nach Nr. 7103 EBM verlangten Erstattungen nach Nrn. 7120, 7140, 8023 (nur E-GO), handelt es sich um Pauschalen, die bereits in der Nr. 7103 enthalten sind, also daneben nicht zusätzlich verlangt werden können.
Der Kläger hat auch keinen Anspruch auf Vergütung einer Assistenzgebühr nach Nr. 46 EBM’87. Es ist Aufgabe des Operateurs, die richtige Gewebsprobe zu entnehmen. Die Arbeit und zu vergütende Leistung des Pathologen beginnt erst, wenn die Gewebsprobe gewonnen wurde und beschränkt sich auf die Arbeit an und mit der Gewebsprobe. Dies ändert sich auch nicht dadurch, daß es sich bei dem einen hier streitigen Fall um die Histologie eines Materials handelt, das während eines Eingriffs gewonnen (Schnellschnitt) und sofort untersucht wurde, um Konsequenzen für das weitere Vorgehen des Operateurs daraus zu gewinnen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Die Revision ist vom Senat wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zugelassen worden, § 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG.
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