Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
10
1. Instanz
SG Reutlingen (BWB)
Aktenzeichen
S 6 R 3579/04
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 10 R 3548/07
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Reutlingen vom 24.05.2007 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Gründe:
I.
Die Klägerin begehrt die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung.
Die am.1952 in G. geborene Klägerin hat keinen Beruf erlernt. Sie war bis zuletzt im November 2001, teils versicherungspflichtig, teils selbständig (von Dezember 1995 bis Januar 2001) in der Gastronomie tätig. Anschließend bezog sie Kranken- und Arbeitslosengeld bzw. Sozialhilfe, derzeit bezieht sie Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch.
Den Antrag der Klägerin auf Gewährung von Erwerbsminderungsrente vom 08.03.2004 lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 05.05.2004 und Widerspruchsbescheid vom 07.10.2004 ab. Dem lagen Gutachten von Dr. F: , Internist (Adipositas per magna, LWS-Syndrom mit radikulärer Symptomatik, somatisierte Depression, Gonalgie rechts stärker als links, Hyperuricämie mit rezidivierender Arthritis urica; vollschichtiges Leistungsvermögen für leichte körperliche Tätigkeiten im Wechsel zwischen Sitzen, Stehen und Gehen in Tagesschicht ohne Tätigkeiten unter Zeitdruck, Tätigkeiten mit Heben und Tragen von Lasten über 15 kg, Tätigkeiten auf Leitern und Gerüsten, Zwangshaltungen und Überkopfarbeiten) und Dr. Stärk, Neurologe und Psychiater (leichte depressive Episode, Essstörungen im Sinne von Essattacken bei abgelaufener depressiver Anpassungsstörung auf den Tod des Ehemannes, Zustand nach Operation eines Carpaltunnelsyndroms links; Leistungsvermögen von mindestens sechs Stunden täglich für leichte bis mittelschwere Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt ohne Akkord- und Schichtarbeit, ohne Arbeiten mit besonderer Verantwortung und Beanspruchung der geistigen Belastbarkeit) zu Grunde.
Hiergegen hat die Klägerin am 10.11.2004 zum Sozialgericht Reutlingen Klage erhoben und geltend gemacht, sie sei körperlich und seelisch nicht in der Lage, zu arbeiten. Das Sozialgericht hat die behandelnden Ärzte, u.a. Dr. R. und die Allgemeinärztin R. schriftlich als sachverständige Zeugen befragt und ein Gutachten von Dr. G ... eingeholt. Die Allgemeinärztin R. hat Behandlungen wegen einer ausgeprägten Essstörung mit Adipositas per magna auf dem Boden einer Depression, einem metabolischen Syndrom mit Diabetes mellitus (Besserung nach gastric banding), Polyarthrose, ausgeprägter Gonarthrose beidseits und chronisch obstruktiver Lungenerkrankung angegeben; auf Grund des Übergewichts bestehe eine geminderte Leistungsfähigkeit, ein vollschichtiges Leistungsvermögen sei fraglich. Der Neurologe und Psychiater Dr. R. hat angegeben, es bestehe eine Erschöpfungsdepression mit massivem Übergewicht und Zustand nach Magenbandoperation, chronische Schlafstörungen und ein Verdacht auf eine posttraumatische Belastungsstörung. Mit der Beurteilung durch Dr. F: und Dr. S. stimme er nicht überein. Die Klägerin sei nicht nur körperlich, sondern auch psychisch so antriebsarm und unbeweglich, dass sie zu einer anhaltenden Konzentrationsleistung auch bei leichter körperlicher Arbeit maximal drei Stunden täglich fähig sei. Der Sachverständige Dr. G. , Psychiater und Internist hat eine Adipositas per magna (Gewicht bei Untersuchung 120 kg bei 153 cm Körpergröße), einen Verdacht auf Polyarthrose, einen diätetisch einstellbaren Diabetes mellitus Typ II, ein LWS-Syndrom ohne neurologische Ausfälle, eine Gonalgie beidseits, einen Zustand nach früherem Magenulcus und Magenband-Operation, ein anhaltendes depressives Syndrom leichter bis mäßiggradiger Ausprägung, Anpassungsstörungen mit pathologischem Essverhalten, eine beginnende periphere diabetische Polyneuropathie und einen Zustand nach Operation eines Carpaltunnel-Syndroms ohne neurologische Ausfälle festgestellt. Die Klägerin wolle mittels der Rente ihren Wunsch realisieren, zu ihren in G. wohnenden Kindern zurückzukehren. Ausgeschlossen seien Tätigkeiten mit erhöhter Verantwortlichkeit und Tätigkeiten unter Akkord- und Stressbedingungen, Nachtarbeit oder Tätigkeiten, welche ein besonderes Einstellungs- oder Umstellungsvermögen erforderten, schwere und mittelschwere körperliche Arbeiten mit Heben und Tragen von Lasten über 5 kg, Tätigkeiten mit häufigem Bücken, Arbeiten auf Leitern und Gerüsten und mit Absturzgefahr. Nach einer - innerhalb eines halben Jahres möglichen - Gewichtsreduktion um mindestens 10 kg sei davon auszugehen, dass die Klägerin leichte Arbeiten (z.B. einfache Kontroll- oder Sortierarbeiten) mindestens sechs Stunden täglich ausüben könne.
Die Beklagte hat ein mehrfachärztliches Gutachten (Dr. L., Dr. Sch. und Dr. Sch. ) und den Entlassungsbericht über eine stationäre Anschlussheilbehandlung (Juli/August 2006) nach Bauchdeckenrekonstruktion und Re-Gastroplastik (Operation am 04.07.2006) in der Fachklinik S. vorgelegt.
Der Orthopäde Dr. Sch. hat ein Lumbalsyndrom, eine Arthrose der Daumensattelgelenke und der Kniegelenke sowie Senk-Spreiz-Füße festgestellt und ein Leistungsvermögen von mindestens sechs Stunden täglich für leichte körperliche Tätigkeiten überwiegend im Sitzen oder in wechselnden Körperhaltungen ohne Zwangshaltungen des Rumpfes, häufiges Bücken, Heben und Tragen von Lasten über 10 kg sowie ohne Steigen auf Leitern und Gerüste festgestellt. Der Neurologe und Psychiater Dr. Sch. hat eine leichtgradige diabetische Polyneuropathie, eine Normvariante der Persönlichkeit mit histrionischen Zügen und daraus resultierenden psychosomatischen Beschwerden, eine leichtgradig ausgeprägte Depressivität und eine Adipositas permagna festgestellt. Leichte körperliche Arbeiten ohne besonderen Stress, ohne Arbeiten auf Leitern und Gerüsten sowie ohne ständiges Gehen und Stehen könne die Klägerin weiterhin vollschichtig ausüben. Der Internist Dr. L. hat ausgeführt, die Klägerin sei wegen einer ausgeprägten Eisenmangelanämie (Hb-Gehalt 7,6 g/dl) zum Untersuchungszeitpunkt (Oktober 2005) selbst für leichte Arbeiten nicht belastbar. Wäre die Anämie ausgeglichen, könnten der Klägerin leichte Arbeiten vollschichtig zugemutet werden. Im Entlassungsbericht über die im Juli/August 2006 durchgeführte Anschlussheilbehandlung hat Priv.-Doz. Dr. D. einen Z.n. Narbenhernie und Re-Gastroplastik, einen Z.n. gastrojejunalem Bypass, einen diätetisch eingestellten Diabetes mellitus Typ 2 und eine rheumatoide Arthritis - hingegen keine Eisenmangelanämie - festgestellt und eine Gewichtsreduktion auf 109 kg angegeben. Die früher ausgeübte Tätigkeit als Aushilfe im eigenen Lokal könne die Klägerin mindestens sechs Stunden und leichte bis mittelschwere Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt drei bis unter sechs Stunden täglich ausüben.
Mit Urteil vom 24.05.2007 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen und zusammenfassend ausgeführt, eine Erwerbsminderung liege nicht vor, da die Klägerin noch in der Lage sei, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Die Leistungsbeurteilung von Dr. R. überzeuge nicht, diejenige im Entlassungsbericht der Fachklinik S. sei widersprüchlich. Die Eisenmangelanämie sei nach dem Entlassungsbericht der Fachklinik S. behoben.
Gegen das am 21.06.2007 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 09.07.2007 Berufung eingelegt. Sie macht weiterhin geltend, ihr körperlicher und seelischer Zustand lasse eine Erwerbstätigkeit nicht zu, der seelische Zustand habe sich verschlechtert.
Die Klägerin beantragt sinngemäß,
das Urteil des Sozialgerichts Reutlingen vom 24.05.2007 und den Bescheid vom 05.05.2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 07.10.2004 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihr eine Rente wegen voller bzw. teilweiser Erwerbsminderung zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Der Senat hat Priv.-Doz. Dr. D. und Dr. R. schriftlich als sachverständige Zeugen befragt. Priv.-Doz. Dr. D. hat ausgeführt, leichte Arbeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt (die definitionsgemäß auch lang dauerndes Stehen oder ständiges Umhergehen beinhalteten) seien vollschichtig denkbar, wenn die Klägerin Ruhepausen einlegen könne. Dr. R. hat angegeben, dass wesentliche Änderungen im Gesundheitszustand der Klägerin nicht eingetreten seien.
Zur weiteren Darstellung des Sachverhaltes und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Prozessakten erster und zweiter Instanz sowie die Verwaltungsakten der Beklagten verwiesen.
II.
Die gemäß den §§ 143, 144, 151 SGG zulässige Berufung, über die der Senat nach Anhörung der Beteiligten nach § 153 Abs. 4 SGG durch Beschluss entscheidet, ist unbegründet. Das Sozialgericht hat die Klage im Ergebnis zu Recht abgewiesen, weil die Klägerin weder voll noch teilweise erwerbsgemindert ist.
Rechtsgrundlage für die hier begehrte Rente wegen Erwerbsminderung ist in erster Linie § 43 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI). Danach haben Versicherte bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze Anspruch auf Rente wegen teilweiser bzw. voller Erwerbsminderung, wenn sie - unter anderem - teilweise bzw. voll erwerbsgemindert sind.
Nach § 43 Abs. 1 Satz 2 SGB VI sind teilweise erwerbsgemindert Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Nach § 43 Abs. 2 Satz 2 SGB VI sind voll erwerbsgemindert Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Nach § 43 Abs. 3 SGB VI ist nicht erwerbsgemindert, wer unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig sein kann; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen.
Die Klägerin ist nicht erwerbsgemindert im Sinne der oben genannten Vorschriften. Sie kann nach Überzeugung des Senats leichte körperliche Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt überwiegend im Sitzen mit Wechsel von Stehen und Gehen unter Berücksichtigung qualitativer Einschränkungen (kein Heben und Tragen von Lasten über 5 kg, keine Arbeiten auf Leitern, Gerüsten, in Zwangshaltungen, keine Überkopfarbeiten, kein häufiges Bücken, Knien, Hocken und Treppensteigen, keine Arbeiten unter Zeitdruck, in Akkord-, Schicht- und Nachtarbeit, keine Arbeiten unter besonderen Stressbedingungen oder mit besonderer Verantwortung und Beanspruchung der geistigen Belastbarkeit sowie keine Arbeiten, die ein besonderes Einstellungs- oder Umstellungsvermögen erfordern) weiterhin mindestens sechs Stunden täglich ausüben.
Im Vordergrund stehen bei der Klägerin durch das Übergewicht und das depressive Syndrom bestehende Beschwerden.
Wie sich aus dem Gutachten des gerichtlichen Sachverständigen Dr. G ... ergibt, leidet die Klägerin auf nervenärztlichem Fachgebiet an einem anhaltenden depressiven Syndrom leichter bis mäßiggradiger Ausprägung, Anpassungsstörungen mit pathologischem Essverhalten, einer beginnenden peripheren diabetischen Polyneuropathie und einem Zustand nach Operation eines Carpaltunnelsyndroms ohne neurologische Ausfälle. Das depressive Syndrom ist allerdings - so Dr. G ... - nicht so stark ausgeprägt, dass dieses eine Minderung der Erwerbsfähigkeit in quantitativer Hinsicht rechtfertigen würde. Es bestehen zwar leichtere psycho-soziale Rückzugstendenzen, die Klägerin ist jedoch weiterhin in der Lage, ihren Alltag zu strukturieren, die in ihrem Haushalt anfallenden Arbeiten und das Erledigen von Einkäufen durchzuführen, regelmäßig längere Spaziergänge durchzuführen und soziale Kontakte zu pflegen (wöchentliches Treffen mit Landsleuten im griechischen Club, regelmäßiger telefonischer Kontakt zu den in G. lebenden Töchtern). Dies ergibt sich aus den anamnestischen Angaben der Klägerin gegenüber dem Sachverständigen Dr. G ... Auch ergibt sich aus den Beschwerdeschilderungen der Klägerin gegenüber dem gerichtlichen Sachverständigen Dr. G ... kein wesentlicher Antriebsmangel; vielmehr rührt die Verstimmung der Klägerin im Wesentlichen daher, dass sie nach dem Tod ihres Sohnes vor 20 Jahren und dem Tod ihres Ehemannes im Jahr 2000 keine weiteren Familienangehörigen mehr in der Bundesrepublik Deutschland hat, da ihre beiden Töchter mit Familie in G. leben und die Klägerin aus finanziellen Gründen eine eigene Rente benötigt, um nach G. zu ihren Töchtern zu ziehen. Der Sachverständige Dr. G ... hat insoweit zutreffend dargelegt, dass es sich hierbei zwar um nachvollziehbare Beweggründe handelt, die allerdings weder eine quantitative Minderung der Erwerbsfähigkeit noch einen Rentenanspruch begründen können.
Die beginnende periphere Polyneuropathie führt ebenfalls nicht zu einer Minderung der Leistungsfähigkeit in quantitativer Hinsicht; eine Stand- oder Gangbeeinträchtigung wird hierdurch - so der gerichtliche Sachverständige Dr. G ... - nicht verursacht, die funktionellen Auswirkungen der Polyneuropathie können durch qualitative Leistungseinschränkungen (keine Arbeiten auf Leitern und Gerüsten bzw. mit Absturzgefahr) hinreichend berücksichtigt werden. Bezüglich des Zustandes nach Operation eines Carpaltunnel-Syndroms liegt ein neurologisches Defizit nicht vor, weshalb sich wesentliche Einschränkungen hieraus nicht ergeben. Dies wird im Übrigen belegt durch den Untersuchungsbefund des Orthopäden Dr. Schulz, der freie Fingerbewegungen festgestellt hat.
Die von Dr. G ... und auch von dem im Verwaltungsverfahren gehörten Gutachter Dr. S. diagnostizierte Anpassungsstörung führt - so überzeugend der Sachverständige Dr. G ... - zu einem gestörten, nämlich übermäßigen Essverhalten, welches wiederum das bei der Klägerin bestehende Übergewicht begünstigt. Dieses ist nach Überzeugung des Senats jedoch nicht so ausgeprägt, als dass die Klägerin daran gehindert wäre, leichte körperliche Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt unter Berücksichtigung der oben genannten qualitativen Leistungseinschränkungen auszuüben. Die insoweit von Dr. G ... geäußerte Auffassung, dass die Belastbarkeit der Klägerin (erst) durch eine Gewichtsreduktion innerhalb eines halben Jahres von ca. 10 kg soweit gebessert werden könne, dass ein Leistungsvermögen von mindestens sechs Stunden täglich für leichte körperliche Arbeiten besteht, vermag der Senat unter Berücksichtigung der von Dr. G ... erhobenen Befunde nicht nachzuvollziehen. Die Klägerin hat - so Dr. G ... - während der über zweistündigen Begutachtung ohne Anzeichen von Schmerzen sitzen, sich mühelos bewegen und ohne größere Mühe bücken können. Die verschiedenen Gangarten haben während der Untersuchung, abgesehen vom Einbein-Hüpfen, durchgeführt werden können, bei der lumbalen Beweglichkeitsprüfung hat sich keine wesentliche Blockade ergeben, lediglich die Kopfdrehung und Seitwärtsneigung ist mittel- bis endgradig eingeschränkt gewesen. Insgesamt ergibt sich damit nach den von Dr. G ... erhobenen Befunden durch das Übergewicht keine wesentliche Einschränkung der Beweglichkeit. Auch die nach den anamnestischen Angaben der Klägerin gegenüber Dr. G ... weitgehend erhaltenen Alltagsaktivitäten (längeres Spazierengehen, Einkaufen, Erledigen der Arbeiten im Haushalt, Pflege sozialer Kontakte) sprechen gegen eine erhebliche Einschränkung der Belastbarkeit durch das Übergewicht. Im Übrigen ist die - aus medizinischer Sicht sicherlich als sinnvoll anzusehende - Gewichtsreduktion um 10 kg im weiteren Verlauf tatsächlich eingetreten, da die Klägerin zum Zeitpunkt der Entlassung aus dem Anschlussheilverfahren ihr Gewicht auf insgesamt 109 kg (gegenüber 120 kg bei der Untersuchung durch Dr. G. ) reduziert hatte. Das weiterhin bestehende Übergewicht ist - so Dr. G ... - durch eine ambulante ernährungsphysiologische Beratung und Behandlung therapierbar und kann bei einer Tätigkeit der Klägerin im Erwerbsleben durch die Berücksichtigung qualitativer Einschränkungen (Ausschluss schwerer und mittelschwerer körperlicher Arbeiten mit Heben und Tragen von Lasten über 5 kg sowie Tätigkeiten mit häufigem Bücken) hinreichend berücksichtigt werden.
Die auf internistischem Fachgebiet von dem Gutachter Dr. L. diagnostizierte ausgeprägte Eisenmangelanämie (Hb-Wert 7,6 g/dl) ist nicht nachgewiesen. Weder vor noch nach der Untersuchung durch Dr. L. ist jemals ein derart niedriger Hb-Wert gemessen worden. So wurde vor der Untersuchung durch Dr. L. während eines Aufenthalts in der Kurparkklinik Überlingen ein Hb-Wert von 12,5 g/dl gemessen, aus den vom behandelnden Internisten Dr. M. vorgelegten Befunden ergeben sich Hb-Werte von 10,8 g/dl bzw. 12,9 g/dl. Im Entlassungsbericht des Krankenhauses Bad Cannstatt nach der Magenoperation (gastrojejunaler Bypass) ist ein Hb-Wert von 10,8 g/dl und im Entlassungsbericht über die nach der Untersuchung bei Dr. L. durchgeführte stationäre Anschlussheilbehandlung in der Fachklinik S. sind Hb-Werte von 11,2 g/dl und 10,8 g/dl angegeben. Sämtliche Hb-Werte sprechen damit allenfalls für eine leichtgradige Blutarmut (Normwerte ausweislich der Anlagen zum Gutachten von Dr. L. 12,0 - 16,0 g/dl). Diese ist - so die behandelnde Allgemeinärztin R. - schon seit Jahren bekannt und wird mittels Eisensubstitution behandelt. Eine Einschränkung der Leistungsfähigkeit wegen der Eisenmangelanämie hat weder die Ärztin R. angegeben, noch lässt sich eine solche aus den sowohl von dem Sachverständigen Dr. G ... als auch von Dr. L. beschriebenen Alltagsaktivitäten ableiten.
Die auf orthopädischem Gebiet bestehenden Gesundheitsstörungen (Lumbalsyndrom, Arthrose der Daumensattelgelenke und der Kniegelenke, Senk-Spreiz-Füße) bedingen - so überzeugend der Gutachter Dr. Sch. - zwar gewisse qualitative Einschränkungen (keine schweren und mittelschweren körperlichen Arbeiten, keine Zwangshaltungen des Rumpfes, kein häufiges und regelmäßiges Bücken, kein Heben und Tragen von Lasten über 10 kg, kein Steigen auf Leitern und Gerüste, kein überwiegendes und längeres Stehen und Gehen), führen jedoch nicht zu einer Einschränkung der Leistungsfähigkeit in quantitativer Hinsicht.
Die von dem behandelnden Arzt für Neurologie und Psychiatrie Dr. R. vertretene Auffassung, die Klägerin sei "nicht nur körperlich, sondern auch psychisch so antriebsarm und unbeweglich, dass sie zu einer anhaltenden Konzentrationsleistung auch bei leichter körperlicher Arbeit bis zu maximal drei Stunden täglich fähig ist", vermag den Senat nicht zu überzeugen. Der Sachverständige Dr. G ... hat - wie bereits oben dargelegt - unter Berücksichtigung der weiterhin erhaltenen Alltagsaktivitäten und der erhobenen Befunde überzeugend dargelegt, dass allenfalls ein depressives Syndrom leichter bis mäßiggradiger Ausprägung besteht und eine erhebliche Antriebsminderung bei ausreichender Fähigkeit zur Tagesstrukturierung, keinen auffallenden psychomotorischen Blockaden und sehr prompten und zügig anmutenden Reaktions- und Verhaltensweisen im Rahmen der Begutachtung nicht festgestellt werden kann. Auch besteht - so Dr. G ... - eine ausreichende affektive Schwingungsfähigkeit, die gegen einen höhergradigen Depressionsgrad spricht. Die Essstörung führt zwar zu einem nicht unerheblichen Übergewicht; dieses bedingt jedoch - wie bereits dargelegt, keine Einschränkung der Leistungsfähigkeit in quantitativer Hinsicht. Darüber hinaus ist die Essstörung - dies zeigt die tatsächlich eingetretene Gewichtsreduktion - entgegen der Auffassung von Dr. R. durchaus behandelbar. Soweit die behandelnde Ärztin für Allgemeinmedizin R. wegen des bestehenden Übergewichts die Fähigkeit der Klägerin, eine vollschichtige Tätigkeit auszuüben, in Frage stellt, vermag dies ebenfalls begründete Zweifel an dem oben dargelegten Leistungsvermögen nicht zu begründen. Ein Rentenanspruch ist nicht erst bei einem vollschichtigen, sondern bereits bei einem Leistungsvermögen von mindestens sechs Stunden täglich ausgeschlossen. Ein solches besteht, wie oben dargelegt, auch unter Berücksichtigung des bestehenden Übergewichts. Die von Priv.-Doz. Dr. D. geäußerte Auffassung, leichte Arbeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt seien unter Umständen vollschichtig denkbar, wenn die Klägerin die Möglichkeit habe, Ruhepausen einzulegen, ist nach Überzeugung des Senats ebenfalls nicht geeignet, ein Leistungsvermögen für leichte körperliche Tätigkeiten unter Berücksichtigung der oben genannten qualitativen Einschränkungen in einem Umfang von mindestens sechs Stunden täglich in Frage zu stellen. Zum Ausschluss eines Rentenanspruch führt - wie bereits dargelegt - nicht erst ein vollschichtiges Leistungsvermögen, sondern bereits ein Leistungsvermögen von sechs Stunden täglich. Weshalb die Klägerin bei Berücksichtigung der oben genannten qualitativen Einschränkungen zusätzliche Ruhepausen benötigt, ist nicht nachvollziehbar, dies hat Dr. D. auch nicht näher begründet. Der von Dr. D. im Zusammenhang mit einer leichten Arbeit angenommenen Belastung durch langdauerndes Stehen oder ständiges Umhergehen kann hinreichend dadurch Rechnung getragen werden, dass Tätigkeiten nur noch überwiegend im Sitzen ausgeübt werden.
Ergänzend ist anzumerken, dass die Klägerin - auch wenn das Sozialgericht hierüber nicht entschieden hat - auch nicht berufsunfähig im Sinne des § 240 SGB VI ist, da sie ausgehend von ihrem beruflichen Werdegang (sie hat keinen Beruf erlernt und war zuletzt als Arbeiterin in der Gastronomie beschäftigt) als ungelernte Arbeiterin nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts auf sämtliche Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarkts verweisbar ist.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Gründe:
I.
Die Klägerin begehrt die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung.
Die am.1952 in G. geborene Klägerin hat keinen Beruf erlernt. Sie war bis zuletzt im November 2001, teils versicherungspflichtig, teils selbständig (von Dezember 1995 bis Januar 2001) in der Gastronomie tätig. Anschließend bezog sie Kranken- und Arbeitslosengeld bzw. Sozialhilfe, derzeit bezieht sie Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch.
Den Antrag der Klägerin auf Gewährung von Erwerbsminderungsrente vom 08.03.2004 lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 05.05.2004 und Widerspruchsbescheid vom 07.10.2004 ab. Dem lagen Gutachten von Dr. F: , Internist (Adipositas per magna, LWS-Syndrom mit radikulärer Symptomatik, somatisierte Depression, Gonalgie rechts stärker als links, Hyperuricämie mit rezidivierender Arthritis urica; vollschichtiges Leistungsvermögen für leichte körperliche Tätigkeiten im Wechsel zwischen Sitzen, Stehen und Gehen in Tagesschicht ohne Tätigkeiten unter Zeitdruck, Tätigkeiten mit Heben und Tragen von Lasten über 15 kg, Tätigkeiten auf Leitern und Gerüsten, Zwangshaltungen und Überkopfarbeiten) und Dr. Stärk, Neurologe und Psychiater (leichte depressive Episode, Essstörungen im Sinne von Essattacken bei abgelaufener depressiver Anpassungsstörung auf den Tod des Ehemannes, Zustand nach Operation eines Carpaltunnelsyndroms links; Leistungsvermögen von mindestens sechs Stunden täglich für leichte bis mittelschwere Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt ohne Akkord- und Schichtarbeit, ohne Arbeiten mit besonderer Verantwortung und Beanspruchung der geistigen Belastbarkeit) zu Grunde.
Hiergegen hat die Klägerin am 10.11.2004 zum Sozialgericht Reutlingen Klage erhoben und geltend gemacht, sie sei körperlich und seelisch nicht in der Lage, zu arbeiten. Das Sozialgericht hat die behandelnden Ärzte, u.a. Dr. R. und die Allgemeinärztin R. schriftlich als sachverständige Zeugen befragt und ein Gutachten von Dr. G ... eingeholt. Die Allgemeinärztin R. hat Behandlungen wegen einer ausgeprägten Essstörung mit Adipositas per magna auf dem Boden einer Depression, einem metabolischen Syndrom mit Diabetes mellitus (Besserung nach gastric banding), Polyarthrose, ausgeprägter Gonarthrose beidseits und chronisch obstruktiver Lungenerkrankung angegeben; auf Grund des Übergewichts bestehe eine geminderte Leistungsfähigkeit, ein vollschichtiges Leistungsvermögen sei fraglich. Der Neurologe und Psychiater Dr. R. hat angegeben, es bestehe eine Erschöpfungsdepression mit massivem Übergewicht und Zustand nach Magenbandoperation, chronische Schlafstörungen und ein Verdacht auf eine posttraumatische Belastungsstörung. Mit der Beurteilung durch Dr. F: und Dr. S. stimme er nicht überein. Die Klägerin sei nicht nur körperlich, sondern auch psychisch so antriebsarm und unbeweglich, dass sie zu einer anhaltenden Konzentrationsleistung auch bei leichter körperlicher Arbeit maximal drei Stunden täglich fähig sei. Der Sachverständige Dr. G. , Psychiater und Internist hat eine Adipositas per magna (Gewicht bei Untersuchung 120 kg bei 153 cm Körpergröße), einen Verdacht auf Polyarthrose, einen diätetisch einstellbaren Diabetes mellitus Typ II, ein LWS-Syndrom ohne neurologische Ausfälle, eine Gonalgie beidseits, einen Zustand nach früherem Magenulcus und Magenband-Operation, ein anhaltendes depressives Syndrom leichter bis mäßiggradiger Ausprägung, Anpassungsstörungen mit pathologischem Essverhalten, eine beginnende periphere diabetische Polyneuropathie und einen Zustand nach Operation eines Carpaltunnel-Syndroms ohne neurologische Ausfälle festgestellt. Die Klägerin wolle mittels der Rente ihren Wunsch realisieren, zu ihren in G. wohnenden Kindern zurückzukehren. Ausgeschlossen seien Tätigkeiten mit erhöhter Verantwortlichkeit und Tätigkeiten unter Akkord- und Stressbedingungen, Nachtarbeit oder Tätigkeiten, welche ein besonderes Einstellungs- oder Umstellungsvermögen erforderten, schwere und mittelschwere körperliche Arbeiten mit Heben und Tragen von Lasten über 5 kg, Tätigkeiten mit häufigem Bücken, Arbeiten auf Leitern und Gerüsten und mit Absturzgefahr. Nach einer - innerhalb eines halben Jahres möglichen - Gewichtsreduktion um mindestens 10 kg sei davon auszugehen, dass die Klägerin leichte Arbeiten (z.B. einfache Kontroll- oder Sortierarbeiten) mindestens sechs Stunden täglich ausüben könne.
Die Beklagte hat ein mehrfachärztliches Gutachten (Dr. L., Dr. Sch. und Dr. Sch. ) und den Entlassungsbericht über eine stationäre Anschlussheilbehandlung (Juli/August 2006) nach Bauchdeckenrekonstruktion und Re-Gastroplastik (Operation am 04.07.2006) in der Fachklinik S. vorgelegt.
Der Orthopäde Dr. Sch. hat ein Lumbalsyndrom, eine Arthrose der Daumensattelgelenke und der Kniegelenke sowie Senk-Spreiz-Füße festgestellt und ein Leistungsvermögen von mindestens sechs Stunden täglich für leichte körperliche Tätigkeiten überwiegend im Sitzen oder in wechselnden Körperhaltungen ohne Zwangshaltungen des Rumpfes, häufiges Bücken, Heben und Tragen von Lasten über 10 kg sowie ohne Steigen auf Leitern und Gerüste festgestellt. Der Neurologe und Psychiater Dr. Sch. hat eine leichtgradige diabetische Polyneuropathie, eine Normvariante der Persönlichkeit mit histrionischen Zügen und daraus resultierenden psychosomatischen Beschwerden, eine leichtgradig ausgeprägte Depressivität und eine Adipositas permagna festgestellt. Leichte körperliche Arbeiten ohne besonderen Stress, ohne Arbeiten auf Leitern und Gerüsten sowie ohne ständiges Gehen und Stehen könne die Klägerin weiterhin vollschichtig ausüben. Der Internist Dr. L. hat ausgeführt, die Klägerin sei wegen einer ausgeprägten Eisenmangelanämie (Hb-Gehalt 7,6 g/dl) zum Untersuchungszeitpunkt (Oktober 2005) selbst für leichte Arbeiten nicht belastbar. Wäre die Anämie ausgeglichen, könnten der Klägerin leichte Arbeiten vollschichtig zugemutet werden. Im Entlassungsbericht über die im Juli/August 2006 durchgeführte Anschlussheilbehandlung hat Priv.-Doz. Dr. D. einen Z.n. Narbenhernie und Re-Gastroplastik, einen Z.n. gastrojejunalem Bypass, einen diätetisch eingestellten Diabetes mellitus Typ 2 und eine rheumatoide Arthritis - hingegen keine Eisenmangelanämie - festgestellt und eine Gewichtsreduktion auf 109 kg angegeben. Die früher ausgeübte Tätigkeit als Aushilfe im eigenen Lokal könne die Klägerin mindestens sechs Stunden und leichte bis mittelschwere Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt drei bis unter sechs Stunden täglich ausüben.
Mit Urteil vom 24.05.2007 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen und zusammenfassend ausgeführt, eine Erwerbsminderung liege nicht vor, da die Klägerin noch in der Lage sei, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Die Leistungsbeurteilung von Dr. R. überzeuge nicht, diejenige im Entlassungsbericht der Fachklinik S. sei widersprüchlich. Die Eisenmangelanämie sei nach dem Entlassungsbericht der Fachklinik S. behoben.
Gegen das am 21.06.2007 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 09.07.2007 Berufung eingelegt. Sie macht weiterhin geltend, ihr körperlicher und seelischer Zustand lasse eine Erwerbstätigkeit nicht zu, der seelische Zustand habe sich verschlechtert.
Die Klägerin beantragt sinngemäß,
das Urteil des Sozialgerichts Reutlingen vom 24.05.2007 und den Bescheid vom 05.05.2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 07.10.2004 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihr eine Rente wegen voller bzw. teilweiser Erwerbsminderung zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Der Senat hat Priv.-Doz. Dr. D. und Dr. R. schriftlich als sachverständige Zeugen befragt. Priv.-Doz. Dr. D. hat ausgeführt, leichte Arbeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt (die definitionsgemäß auch lang dauerndes Stehen oder ständiges Umhergehen beinhalteten) seien vollschichtig denkbar, wenn die Klägerin Ruhepausen einlegen könne. Dr. R. hat angegeben, dass wesentliche Änderungen im Gesundheitszustand der Klägerin nicht eingetreten seien.
Zur weiteren Darstellung des Sachverhaltes und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Prozessakten erster und zweiter Instanz sowie die Verwaltungsakten der Beklagten verwiesen.
II.
Die gemäß den §§ 143, 144, 151 SGG zulässige Berufung, über die der Senat nach Anhörung der Beteiligten nach § 153 Abs. 4 SGG durch Beschluss entscheidet, ist unbegründet. Das Sozialgericht hat die Klage im Ergebnis zu Recht abgewiesen, weil die Klägerin weder voll noch teilweise erwerbsgemindert ist.
Rechtsgrundlage für die hier begehrte Rente wegen Erwerbsminderung ist in erster Linie § 43 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI). Danach haben Versicherte bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze Anspruch auf Rente wegen teilweiser bzw. voller Erwerbsminderung, wenn sie - unter anderem - teilweise bzw. voll erwerbsgemindert sind.
Nach § 43 Abs. 1 Satz 2 SGB VI sind teilweise erwerbsgemindert Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Nach § 43 Abs. 2 Satz 2 SGB VI sind voll erwerbsgemindert Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Nach § 43 Abs. 3 SGB VI ist nicht erwerbsgemindert, wer unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig sein kann; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen.
Die Klägerin ist nicht erwerbsgemindert im Sinne der oben genannten Vorschriften. Sie kann nach Überzeugung des Senats leichte körperliche Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt überwiegend im Sitzen mit Wechsel von Stehen und Gehen unter Berücksichtigung qualitativer Einschränkungen (kein Heben und Tragen von Lasten über 5 kg, keine Arbeiten auf Leitern, Gerüsten, in Zwangshaltungen, keine Überkopfarbeiten, kein häufiges Bücken, Knien, Hocken und Treppensteigen, keine Arbeiten unter Zeitdruck, in Akkord-, Schicht- und Nachtarbeit, keine Arbeiten unter besonderen Stressbedingungen oder mit besonderer Verantwortung und Beanspruchung der geistigen Belastbarkeit sowie keine Arbeiten, die ein besonderes Einstellungs- oder Umstellungsvermögen erfordern) weiterhin mindestens sechs Stunden täglich ausüben.
Im Vordergrund stehen bei der Klägerin durch das Übergewicht und das depressive Syndrom bestehende Beschwerden.
Wie sich aus dem Gutachten des gerichtlichen Sachverständigen Dr. G ... ergibt, leidet die Klägerin auf nervenärztlichem Fachgebiet an einem anhaltenden depressiven Syndrom leichter bis mäßiggradiger Ausprägung, Anpassungsstörungen mit pathologischem Essverhalten, einer beginnenden peripheren diabetischen Polyneuropathie und einem Zustand nach Operation eines Carpaltunnelsyndroms ohne neurologische Ausfälle. Das depressive Syndrom ist allerdings - so Dr. G ... - nicht so stark ausgeprägt, dass dieses eine Minderung der Erwerbsfähigkeit in quantitativer Hinsicht rechtfertigen würde. Es bestehen zwar leichtere psycho-soziale Rückzugstendenzen, die Klägerin ist jedoch weiterhin in der Lage, ihren Alltag zu strukturieren, die in ihrem Haushalt anfallenden Arbeiten und das Erledigen von Einkäufen durchzuführen, regelmäßig längere Spaziergänge durchzuführen und soziale Kontakte zu pflegen (wöchentliches Treffen mit Landsleuten im griechischen Club, regelmäßiger telefonischer Kontakt zu den in G. lebenden Töchtern). Dies ergibt sich aus den anamnestischen Angaben der Klägerin gegenüber dem Sachverständigen Dr. G ... Auch ergibt sich aus den Beschwerdeschilderungen der Klägerin gegenüber dem gerichtlichen Sachverständigen Dr. G ... kein wesentlicher Antriebsmangel; vielmehr rührt die Verstimmung der Klägerin im Wesentlichen daher, dass sie nach dem Tod ihres Sohnes vor 20 Jahren und dem Tod ihres Ehemannes im Jahr 2000 keine weiteren Familienangehörigen mehr in der Bundesrepublik Deutschland hat, da ihre beiden Töchter mit Familie in G. leben und die Klägerin aus finanziellen Gründen eine eigene Rente benötigt, um nach G. zu ihren Töchtern zu ziehen. Der Sachverständige Dr. G ... hat insoweit zutreffend dargelegt, dass es sich hierbei zwar um nachvollziehbare Beweggründe handelt, die allerdings weder eine quantitative Minderung der Erwerbsfähigkeit noch einen Rentenanspruch begründen können.
Die beginnende periphere Polyneuropathie führt ebenfalls nicht zu einer Minderung der Leistungsfähigkeit in quantitativer Hinsicht; eine Stand- oder Gangbeeinträchtigung wird hierdurch - so der gerichtliche Sachverständige Dr. G ... - nicht verursacht, die funktionellen Auswirkungen der Polyneuropathie können durch qualitative Leistungseinschränkungen (keine Arbeiten auf Leitern und Gerüsten bzw. mit Absturzgefahr) hinreichend berücksichtigt werden. Bezüglich des Zustandes nach Operation eines Carpaltunnel-Syndroms liegt ein neurologisches Defizit nicht vor, weshalb sich wesentliche Einschränkungen hieraus nicht ergeben. Dies wird im Übrigen belegt durch den Untersuchungsbefund des Orthopäden Dr. Schulz, der freie Fingerbewegungen festgestellt hat.
Die von Dr. G ... und auch von dem im Verwaltungsverfahren gehörten Gutachter Dr. S. diagnostizierte Anpassungsstörung führt - so überzeugend der Sachverständige Dr. G ... - zu einem gestörten, nämlich übermäßigen Essverhalten, welches wiederum das bei der Klägerin bestehende Übergewicht begünstigt. Dieses ist nach Überzeugung des Senats jedoch nicht so ausgeprägt, als dass die Klägerin daran gehindert wäre, leichte körperliche Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt unter Berücksichtigung der oben genannten qualitativen Leistungseinschränkungen auszuüben. Die insoweit von Dr. G ... geäußerte Auffassung, dass die Belastbarkeit der Klägerin (erst) durch eine Gewichtsreduktion innerhalb eines halben Jahres von ca. 10 kg soweit gebessert werden könne, dass ein Leistungsvermögen von mindestens sechs Stunden täglich für leichte körperliche Arbeiten besteht, vermag der Senat unter Berücksichtigung der von Dr. G ... erhobenen Befunde nicht nachzuvollziehen. Die Klägerin hat - so Dr. G ... - während der über zweistündigen Begutachtung ohne Anzeichen von Schmerzen sitzen, sich mühelos bewegen und ohne größere Mühe bücken können. Die verschiedenen Gangarten haben während der Untersuchung, abgesehen vom Einbein-Hüpfen, durchgeführt werden können, bei der lumbalen Beweglichkeitsprüfung hat sich keine wesentliche Blockade ergeben, lediglich die Kopfdrehung und Seitwärtsneigung ist mittel- bis endgradig eingeschränkt gewesen. Insgesamt ergibt sich damit nach den von Dr. G ... erhobenen Befunden durch das Übergewicht keine wesentliche Einschränkung der Beweglichkeit. Auch die nach den anamnestischen Angaben der Klägerin gegenüber Dr. G ... weitgehend erhaltenen Alltagsaktivitäten (längeres Spazierengehen, Einkaufen, Erledigen der Arbeiten im Haushalt, Pflege sozialer Kontakte) sprechen gegen eine erhebliche Einschränkung der Belastbarkeit durch das Übergewicht. Im Übrigen ist die - aus medizinischer Sicht sicherlich als sinnvoll anzusehende - Gewichtsreduktion um 10 kg im weiteren Verlauf tatsächlich eingetreten, da die Klägerin zum Zeitpunkt der Entlassung aus dem Anschlussheilverfahren ihr Gewicht auf insgesamt 109 kg (gegenüber 120 kg bei der Untersuchung durch Dr. G. ) reduziert hatte. Das weiterhin bestehende Übergewicht ist - so Dr. G ... - durch eine ambulante ernährungsphysiologische Beratung und Behandlung therapierbar und kann bei einer Tätigkeit der Klägerin im Erwerbsleben durch die Berücksichtigung qualitativer Einschränkungen (Ausschluss schwerer und mittelschwerer körperlicher Arbeiten mit Heben und Tragen von Lasten über 5 kg sowie Tätigkeiten mit häufigem Bücken) hinreichend berücksichtigt werden.
Die auf internistischem Fachgebiet von dem Gutachter Dr. L. diagnostizierte ausgeprägte Eisenmangelanämie (Hb-Wert 7,6 g/dl) ist nicht nachgewiesen. Weder vor noch nach der Untersuchung durch Dr. L. ist jemals ein derart niedriger Hb-Wert gemessen worden. So wurde vor der Untersuchung durch Dr. L. während eines Aufenthalts in der Kurparkklinik Überlingen ein Hb-Wert von 12,5 g/dl gemessen, aus den vom behandelnden Internisten Dr. M. vorgelegten Befunden ergeben sich Hb-Werte von 10,8 g/dl bzw. 12,9 g/dl. Im Entlassungsbericht des Krankenhauses Bad Cannstatt nach der Magenoperation (gastrojejunaler Bypass) ist ein Hb-Wert von 10,8 g/dl und im Entlassungsbericht über die nach der Untersuchung bei Dr. L. durchgeführte stationäre Anschlussheilbehandlung in der Fachklinik S. sind Hb-Werte von 11,2 g/dl und 10,8 g/dl angegeben. Sämtliche Hb-Werte sprechen damit allenfalls für eine leichtgradige Blutarmut (Normwerte ausweislich der Anlagen zum Gutachten von Dr. L. 12,0 - 16,0 g/dl). Diese ist - so die behandelnde Allgemeinärztin R. - schon seit Jahren bekannt und wird mittels Eisensubstitution behandelt. Eine Einschränkung der Leistungsfähigkeit wegen der Eisenmangelanämie hat weder die Ärztin R. angegeben, noch lässt sich eine solche aus den sowohl von dem Sachverständigen Dr. G ... als auch von Dr. L. beschriebenen Alltagsaktivitäten ableiten.
Die auf orthopädischem Gebiet bestehenden Gesundheitsstörungen (Lumbalsyndrom, Arthrose der Daumensattelgelenke und der Kniegelenke, Senk-Spreiz-Füße) bedingen - so überzeugend der Gutachter Dr. Sch. - zwar gewisse qualitative Einschränkungen (keine schweren und mittelschweren körperlichen Arbeiten, keine Zwangshaltungen des Rumpfes, kein häufiges und regelmäßiges Bücken, kein Heben und Tragen von Lasten über 10 kg, kein Steigen auf Leitern und Gerüste, kein überwiegendes und längeres Stehen und Gehen), führen jedoch nicht zu einer Einschränkung der Leistungsfähigkeit in quantitativer Hinsicht.
Die von dem behandelnden Arzt für Neurologie und Psychiatrie Dr. R. vertretene Auffassung, die Klägerin sei "nicht nur körperlich, sondern auch psychisch so antriebsarm und unbeweglich, dass sie zu einer anhaltenden Konzentrationsleistung auch bei leichter körperlicher Arbeit bis zu maximal drei Stunden täglich fähig ist", vermag den Senat nicht zu überzeugen. Der Sachverständige Dr. G ... hat - wie bereits oben dargelegt - unter Berücksichtigung der weiterhin erhaltenen Alltagsaktivitäten und der erhobenen Befunde überzeugend dargelegt, dass allenfalls ein depressives Syndrom leichter bis mäßiggradiger Ausprägung besteht und eine erhebliche Antriebsminderung bei ausreichender Fähigkeit zur Tagesstrukturierung, keinen auffallenden psychomotorischen Blockaden und sehr prompten und zügig anmutenden Reaktions- und Verhaltensweisen im Rahmen der Begutachtung nicht festgestellt werden kann. Auch besteht - so Dr. G ... - eine ausreichende affektive Schwingungsfähigkeit, die gegen einen höhergradigen Depressionsgrad spricht. Die Essstörung führt zwar zu einem nicht unerheblichen Übergewicht; dieses bedingt jedoch - wie bereits dargelegt, keine Einschränkung der Leistungsfähigkeit in quantitativer Hinsicht. Darüber hinaus ist die Essstörung - dies zeigt die tatsächlich eingetretene Gewichtsreduktion - entgegen der Auffassung von Dr. R. durchaus behandelbar. Soweit die behandelnde Ärztin für Allgemeinmedizin R. wegen des bestehenden Übergewichts die Fähigkeit der Klägerin, eine vollschichtige Tätigkeit auszuüben, in Frage stellt, vermag dies ebenfalls begründete Zweifel an dem oben dargelegten Leistungsvermögen nicht zu begründen. Ein Rentenanspruch ist nicht erst bei einem vollschichtigen, sondern bereits bei einem Leistungsvermögen von mindestens sechs Stunden täglich ausgeschlossen. Ein solches besteht, wie oben dargelegt, auch unter Berücksichtigung des bestehenden Übergewichts. Die von Priv.-Doz. Dr. D. geäußerte Auffassung, leichte Arbeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt seien unter Umständen vollschichtig denkbar, wenn die Klägerin die Möglichkeit habe, Ruhepausen einzulegen, ist nach Überzeugung des Senats ebenfalls nicht geeignet, ein Leistungsvermögen für leichte körperliche Tätigkeiten unter Berücksichtigung der oben genannten qualitativen Einschränkungen in einem Umfang von mindestens sechs Stunden täglich in Frage zu stellen. Zum Ausschluss eines Rentenanspruch führt - wie bereits dargelegt - nicht erst ein vollschichtiges Leistungsvermögen, sondern bereits ein Leistungsvermögen von sechs Stunden täglich. Weshalb die Klägerin bei Berücksichtigung der oben genannten qualitativen Einschränkungen zusätzliche Ruhepausen benötigt, ist nicht nachvollziehbar, dies hat Dr. D. auch nicht näher begründet. Der von Dr. D. im Zusammenhang mit einer leichten Arbeit angenommenen Belastung durch langdauerndes Stehen oder ständiges Umhergehen kann hinreichend dadurch Rechnung getragen werden, dass Tätigkeiten nur noch überwiegend im Sitzen ausgeübt werden.
Ergänzend ist anzumerken, dass die Klägerin - auch wenn das Sozialgericht hierüber nicht entschieden hat - auch nicht berufsunfähig im Sinne des § 240 SGB VI ist, da sie ausgehend von ihrem beruflichen Werdegang (sie hat keinen Beruf erlernt und war zuletzt als Arbeiterin in der Gastronomie beschäftigt) als ungelernte Arbeiterin nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts auf sämtliche Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarkts verweisbar ist.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Rechtskraft
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