Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
11
1. Instanz
SG Karlsruhe (BWB)
Aktenzeichen
S 3 KR 3050/06
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 11 KR 5528/07
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Das Anfrageverfahren (§ 7a Abs. 1 SGB IV) begründet keinen derartigen Vorrang vor dem Verfahren zur Feststellung der Versicherungs- und Beitragspflicht durch die Einzugsstelle (§ 28h Abs. 2 SGB IV), dass die Einzugsstelle nicht über einen bei ihr gestellten Antrag auf Feststellung der Versicherungspflicht entscheiden und diesen an die DR Bund weiterleiten müsste.
Auf die Berufung der Kläger und der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 30. Oktober 2007 aufgehoben. Die Sache wird an das Sozialgericht zurückverwiesen.
Die Kostenentscheidung bleibt der Entscheidung des Sozialgerichts vorbehalten.
Tatbestand:
Streitig ist, ob die Klägerin zu 1 während der Tätigkeit bei dem Kläger zu 2 sozialversicherungspflichtig war.
Die 1961 geborene Klägerin zu 1 ist die Ehefrau des Inhabers des Klägers zu 2. Sie ist seit 1. April 2002 bei dem Kläger zu 2, der ein Unternehmen der Edelmetall- und Feinblechverarbeitung betreibt, als Bürokraft tätig.
Die Kläger beantragten am 31. Oktober 2005 bei der Beklagten die Überprüfung der Sozialversicherungspflicht der Klägerin zu 1 und die Rückerstattung von Sozialversicherungsbeiträgen. Nach Prüfung der vorgelegten Unterlagen stellte die Beklagte mit Bescheid vom 10. März 2006 und Widerspruchsbescheid vom 30. Mai 2006 fest, dass die Klägerin zu 1 im Rahmen der seit 1. April 2002 ausgeübten Tätigkeit in einem abhängigen Beschäftigungsverhältnis stehe, das der Versicherungspflicht zur Kranken-, Pflege-, Renten- und Arbeitslosenversicherung unterliege.
Die Kläger haben hiergegen Klage bei dem Sozialgericht Karlsruhe (SG) erhoben. Der von dem Kammervorsitzenden in einem richterlichen Hinweis geäußerten Ansicht, die Zuständigkeit der Beklagten zur Entscheidung über den Antrag der Kläger sei fraglich, vielmehr bestehe eine Zuständigkeit der Beigeladenen zu 2 gem. § 7a Abs. 1 Satz 1 und 3 Viertes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IV), sind die Beklagte und die Beigeladene zu 2 entgegengetreten.
Mit Urteil vom 30. Oktober 2007 hat das SG den Bescheid vom 10. März 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 30. Mai 2006 aufgehoben, die Klage im Übrigen abgewiesen und die Beklagte zur Erstattung der außergerichtlichen Kosten der Kläger verurteilt. Die angefochtenen Bescheide seien rechtswidrig, da nicht die Beklagte, sondern nach § 7a Abs. 1 Satz 1 und 3 SGB IV die Beigeladene zu 2 für die Feststellung einer Beschäftigung zuständig sei. Die Vorschrift regle abweichend von § 28h Abs. 2 SGB IV die Zuständigkeit der Beigeladenen zu 2, auch wenn der Antrag nicht bei ihr gestellt sei. Dies entspreche auch § 16 Abs. 2 Erstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB I), wonach die bei einem unzuständigen Leistungsträger gestellten Anträge unverzüglich an den zuständigen Leistungsträger weiterzuleiten seien. Es liege auch keine ungeschriebene Zulässigkeitsvoraussetzung dahingehend vor, dass die Beigeladenen zu 2 allein in objektiven Zweifelsfällen zu entscheiden habe. § 7a SGB IV lasse sich auch nicht entnehmen, dass das Anfrageverfahren nur zu Beginn einer Beschäftigung eröffnet sei. Ein Auftragsverhältnis gem. § 88 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch zwischen der Beklagten und der Beigeladene zu 2 lasse sich aus den von der Beklagten vorgelegten Besprechungsergebnissen der Spitzenverbände der Sozialversicherungsträger nicht ableiten. An einer Feststellung der Rechtsqualität der Tätigkeit der Klägerin zu 1 sei das Gericht durch das Entscheidungsmonopol der Beigeladenen zu 2 gehindert, woran auch eine entsprechende Anwendung von § 75 Abs. 5 Sozialgerichtsgesetz (SGG) nichts ändere.
Die Beklagte hat gegen das Urteil am 22. November 2007 Berufung eingelegt und vorgetragen, sie sei sehr wohl befugt, über die Sozialversicherungspflicht der Klägerin zu 1 zu entscheiden. Ein Verfahren nach § 7a Abs. 1 Satz 1 SGB IV liege nicht vor.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 30. Oktober 2007 aufzuheben und die Klage abzuweisen, hilfsweise den Rechtsstreit gem. § 159 Abs. 1 Nr. 1 Sozialgerichtsgesetz an das Sozialgericht zurückzuverweisen, höchsthilfsweise die Revision zuzulassen.
Die Kläger beantragen,
die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.
Sie haben darüber hinaus gegen das ihrem Prozessbevollmächtigten am 7. November 2007 zugestellte Urteil am 7. Dezember 2007 ebenfalls Berufung eingelegt und verweisen zu Begründung auf ihr Vorbringen vor dem Sozialgericht.
Die Kläger beantragen,
für den Fall, dass der Berufung der Beklagten stattgegeben wird, das erstinstanzliche Urteil insoweit aufzuheben, als die Klage im Übrigen abgewiesen wurde.
Die Beklagte hat sich zur Berufung der Kläger nicht geäußert.
Die übrigen Beteiligten haben sich zur Sache nicht geäußert.
Die Beteiligten haben auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung verzichtet.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf deren Schriftsätze sowie die Akten der Beklagten, des Sozialgerichts und des Senats Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die gemäß den §§ 143, 144, 151 SGG zulässige Berufung der Beklagten, über die der Senat auf Grund des Einverständnisses der Beteiligten nach § 124 Abs. 2 SGG ohne mündliche Verhandlung entscheidet, ist im Sinne der Zurückverweisung an das Sozialgericht begründet. Dieses hat zu Unrecht angenommen, dass die Beklagte nicht für die geltend gemachte Feststellung der Sozialversicherungspflicht der Klägerin zu 1 zuständig ist.
Personen, die gegen Arbeitsentgelt beschäftigt sind, unterliegen in der Kranken-, Pflege-, Renten- und Arbeitslosenversicherung der Versicherungs- bzw. Beitragspflicht (§ 5 Abs. 1 Nr. 1 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch, § 20 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 Elftes Buch Sozialgesetzbuch, § 1 Satz 1 Nr. 1 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch, § 168 Abs. 1 Satz 1 des Arbeitsförderungsgesetzes bis 31. Dezember 1997, ersetzt durch § 25 Abs. 1 des Dritten Buches Sozialgesetzbuch). Zuständig für die Feststellung der Versicherungspflicht und Beitragshöhe ist nach § 28h Abs. 2 Satz 1 SGB IV die Einzugstelle, hier also die Beklagte.
Dem steht im Fall der Kläger auch keine vorangehende Zuständigkeit der Beigeladenen zu 2 aufgrund der Vorschrift des § 7a Abs. 1 SGB IV (Anfrageverfahren) entgegen.
Nach § 7a Abs. 1 SGB IV können die Beteiligten eine Entscheidung beantragen, ob eine Beschäftigung vorliegt, es sei denn, die Einzugsstelle oder ein anderer Versicherungsträger hatte im Zeitpunkt der Antragstellung bereits ein Verfahren zur Feststellung einer Beschäftigung eingeleitet (Satz 1). Die Einzugsstelle hat einen Antrag nach Satz 1 zu stellen, wenn sich aus der Meldung des Arbeitgebers (§ 28a SGB IV) ergibt, dass der Beschäftigte Angehöriger des Arbeitgebers oder geschäftsführender Gesellschafter einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung ist (Satz 2). Über den Antrag entscheidet abweichend von § 28h Abs. 2 SGB IV die Deutsche Rentenversicherung Bund (Satz 3), also die Beigeladene zu 2.
Die Kläger haben hier schon keinen Antrag nach § 7a Abs. 1 Satz 1 SGB IV gestellt, der - wie das SG meint - nach § 16 Abs. 2 SGB I (der auf andere Anträge als Anträge auf Sozialleistungen entsprechend anzuwenden ist [Seewald in: Kasseler Kommentar, § 16 SGB I Rdnr. 3 m.w.N.]) an die Beigeladene zu 2 weiterzuleiten wäre. Denn beantragt wurde (neben der Rückerstattung von Sozialversicherungsbeiträgen, die hier nicht streitgegenständlich ist) ausdrücklich die "Prüfung der Sozialversicherungspflichtigkeit", womit nur die Versicherungs- bzw. Beitragspflicht im Sinne der oben genannten Vorschriften gemeint sein kann. Allein hierüber hat die Beklagte auch entschieden. Die Feststellung, ob eine "Beschäftigung", also eine nichtselbstständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis (§ 7 Abs. 1 Satz 1 SGB IV), vorliegt, haben die Kläger nicht beantragt. Das Vorliegen eines Beschäftigungsverhältnisses ist zwar wesentliche Vorfrage für die Annahme der Sozialversicherungspflicht, mit dieser aber nicht deckungsgleich (vgl. Lüdtke in: Winkler, SGB IV, § 7a Rdnr. 7).
Der Senat kann offen lassen, ob - darüber hinausgehend - der in der Literatur vertretenen Ansicht (Seewald in: Kasseler Kommentar, § 7a SGB IV Rdnr. 11a; Klattenhoff in: Hauck/Noftz, § 7a SGB IV Rdnr. 17a) zu folgen ist, die über den Wortlaut hinaus, aus Gründen der Gesetzessystematik im Rahmen des Verfahrens nach § 7a SGB IV auch eine Feststellung der Versicherungs- bzw. Beitragspflicht vorsieht. Letztlich kommt es hierauf nicht an. Denn jedenfalls kann der Vorschrift des § 7a SGB IV kein Vorrang des Anfrageverfahren auch für den Fall, dass ein entsprechender Antrag bei der Beigeladenen zu 2 gar nicht gestellt worden ist, entnommen werden. Vielmehr spricht § 7a Abs. 1 Satz 1 SGB IV, der neben dem Anfrageverfahren ausdrücklich Verfahren zur Feststellung einer Beschäftigung bei der Einzugsstelle nennt, klar gegen eine solche Annahme. Im Übrigen hätte dann eine Änderung von § 28h Abs. 2 Satz 1 SGB IV nahe gelegen, der bisher allgemein so verstanden worden ist, dass dort auch Feststellungen auf Antrag von Arbeitnehmern - hier der Klägerin zu 1 - oder von Arbeitgebern - hier dem Kläger zu 2 - erfasst werden (vgl. BSG, Urteil vom 23. September 2003, B 12 RA 3/02 R, SozR 4-2400 § 28h Nr. 1; LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 15. August 2007, L 31 KR 128/07). Das ist aber nicht geschehen.
Nichts anderes sagt die Gesetzesbegründung (BT-Drs. 14/1855, S. 7 zu Nr. 2 § 7a Abs. 1), wo von einer alleinigen Zuständigkeit der (damaligen) Bundesversicherungsanstalt für Angestellte (heute: Deutsche Rentenversicherung Bund) "nur" für das - konkret durchgeführte - Anfrageverfahren gesprochen wird und nicht darüber hinaus. Auch die gesamte Verwaltungspraxis der Einzugsstellen und der Beigeladenen zu 2 verfährt so (vgl. Rundschreiben der Spitzenverbände der Sozialversicherungsträger vom 20. Dezember 1999, Punkt 3.8.1, Aktenseite 28 der Senatsakten). Schließlich findet sich auch in den einschlägigen Kommentierungen nichts, was für einen Vorrang des Verfahrens nach § 7a SGB IV in dem vom SG angenommenen Umfang spricht (vgl. Seewald, a.a.O. § 7a SGB VI Rdnr. 8, 9; Klattenhoff, a.a.O. Rdnr. 5, 18; Lüdtke, a.a.O., Rdnr. 12).
Einen absoluten Vorrang des Anfrageverfahren nach § 7a Abs. 1 SGB IV gegenüber anderen Verfahren, deren Gegenstand die Feststellung einer Beschäftigung ist, gibt es also nicht (ebenso Sächs. LSG, Beschluss vom 14. August 2006, L 1 B 205/05 KR-PKH). Ob das Anfrageverfahren nur zu Beginn einer Beschäftigung (so Bayerisches LSG, Urteil vom 7. Dezember 2004, L 5 KR 163/03, unter Hinweis auf § 7a Abs. 6 SGB IV; dem zustimmend Ergebnis der Besprechung der Spitzenverbände der Krankenkassen, der Deutschen Rentenversicherung Bund und der Bundesagentur für Arbeit am 25./26. April 2006, Aktenseite 31 der Senatsakten) bzw. nur in Fällen objektiver Zweifel an der Sozialversicherungspflicht (s. das bereits erwähnte Rundschreiben der Spitzenverbände) statthaft ist, kann der Senat offen lassen.
Auf die weiteren, vom SG aufgeworfenen Fragen, also diejenigen eines möglichen Auftragsverhältnisses zwischen der Beklagten und der Beigeladenen zu 2 bzw. der Möglichkeit einer Entscheidung nach § 75 Abs. 5 SGG gegenüber der Beigeladenen zu 2, kommt es daher nicht an.
Das SG hat - ausgehend von seiner Rechtsansicht folgerichtig - nicht in der Sache, also nicht über die Sozialversicherungspflicht der Klägerin zu 1 entschieden. Der Senat macht von seinem Ermessen nach § 159 Abs. 1 Nr. 1 SGG dahingehend Gebrauch, die Sache an das SG zurückzuverweisen. Leitend für diese Entscheidung waren die Gesichtspunkte, dass für die Frage der Sozialversicherungspflicht der Klägerin zu 1 nicht unerhebliche tatsächliche Feststellungen zu treffen sind, die in gleicher Weise vom SG getroffen werden können, den Klägern für die Sachentscheidung keine Instanz genommen werden soll und keine besondere Eilbedürftigkeit zu erkennen ist.
Die Berufung der Kläger legt der Senat (vgl. § 106 Abs. 1, § 123 Halbsatz 2 SGG) dahingehend aus, dass für den Fall der Aufhebung und Zurückverweisung das Urteil des SG auch in dem die Klage abweisenden Teil, aufzuheben wäre. Dies ist schon Teil der Berufung der Beklagten, denn eine Zurückverweisung, die die Möglichkeit ausschließt, festzustellen, dass die Klägerin zu 1 während ihrer Tätigkeit bei dem Kläger zu 2 nicht sozialversicherungspflichtig beschäftigt war, ist ohne Sinn. Der auf die Berufung der Beklagten ergangene Ausspruch des Senats entspricht auch dem Begehren der Kläger, deren Berufung zulässig und - entsprechend den obigen Ausführungen - auch begründet ist.
Die Kostenentscheidung bleibt der Entscheidung des Sozialgerichts vorbehalten.
Die Revision ist nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 SGG nicht erfüllt sind.
Die Kostenentscheidung bleibt der Entscheidung des Sozialgerichts vorbehalten.
Tatbestand:
Streitig ist, ob die Klägerin zu 1 während der Tätigkeit bei dem Kläger zu 2 sozialversicherungspflichtig war.
Die 1961 geborene Klägerin zu 1 ist die Ehefrau des Inhabers des Klägers zu 2. Sie ist seit 1. April 2002 bei dem Kläger zu 2, der ein Unternehmen der Edelmetall- und Feinblechverarbeitung betreibt, als Bürokraft tätig.
Die Kläger beantragten am 31. Oktober 2005 bei der Beklagten die Überprüfung der Sozialversicherungspflicht der Klägerin zu 1 und die Rückerstattung von Sozialversicherungsbeiträgen. Nach Prüfung der vorgelegten Unterlagen stellte die Beklagte mit Bescheid vom 10. März 2006 und Widerspruchsbescheid vom 30. Mai 2006 fest, dass die Klägerin zu 1 im Rahmen der seit 1. April 2002 ausgeübten Tätigkeit in einem abhängigen Beschäftigungsverhältnis stehe, das der Versicherungspflicht zur Kranken-, Pflege-, Renten- und Arbeitslosenversicherung unterliege.
Die Kläger haben hiergegen Klage bei dem Sozialgericht Karlsruhe (SG) erhoben. Der von dem Kammervorsitzenden in einem richterlichen Hinweis geäußerten Ansicht, die Zuständigkeit der Beklagten zur Entscheidung über den Antrag der Kläger sei fraglich, vielmehr bestehe eine Zuständigkeit der Beigeladenen zu 2 gem. § 7a Abs. 1 Satz 1 und 3 Viertes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IV), sind die Beklagte und die Beigeladene zu 2 entgegengetreten.
Mit Urteil vom 30. Oktober 2007 hat das SG den Bescheid vom 10. März 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 30. Mai 2006 aufgehoben, die Klage im Übrigen abgewiesen und die Beklagte zur Erstattung der außergerichtlichen Kosten der Kläger verurteilt. Die angefochtenen Bescheide seien rechtswidrig, da nicht die Beklagte, sondern nach § 7a Abs. 1 Satz 1 und 3 SGB IV die Beigeladene zu 2 für die Feststellung einer Beschäftigung zuständig sei. Die Vorschrift regle abweichend von § 28h Abs. 2 SGB IV die Zuständigkeit der Beigeladenen zu 2, auch wenn der Antrag nicht bei ihr gestellt sei. Dies entspreche auch § 16 Abs. 2 Erstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB I), wonach die bei einem unzuständigen Leistungsträger gestellten Anträge unverzüglich an den zuständigen Leistungsträger weiterzuleiten seien. Es liege auch keine ungeschriebene Zulässigkeitsvoraussetzung dahingehend vor, dass die Beigeladenen zu 2 allein in objektiven Zweifelsfällen zu entscheiden habe. § 7a SGB IV lasse sich auch nicht entnehmen, dass das Anfrageverfahren nur zu Beginn einer Beschäftigung eröffnet sei. Ein Auftragsverhältnis gem. § 88 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch zwischen der Beklagten und der Beigeladene zu 2 lasse sich aus den von der Beklagten vorgelegten Besprechungsergebnissen der Spitzenverbände der Sozialversicherungsträger nicht ableiten. An einer Feststellung der Rechtsqualität der Tätigkeit der Klägerin zu 1 sei das Gericht durch das Entscheidungsmonopol der Beigeladenen zu 2 gehindert, woran auch eine entsprechende Anwendung von § 75 Abs. 5 Sozialgerichtsgesetz (SGG) nichts ändere.
Die Beklagte hat gegen das Urteil am 22. November 2007 Berufung eingelegt und vorgetragen, sie sei sehr wohl befugt, über die Sozialversicherungspflicht der Klägerin zu 1 zu entscheiden. Ein Verfahren nach § 7a Abs. 1 Satz 1 SGB IV liege nicht vor.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 30. Oktober 2007 aufzuheben und die Klage abzuweisen, hilfsweise den Rechtsstreit gem. § 159 Abs. 1 Nr. 1 Sozialgerichtsgesetz an das Sozialgericht zurückzuverweisen, höchsthilfsweise die Revision zuzulassen.
Die Kläger beantragen,
die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.
Sie haben darüber hinaus gegen das ihrem Prozessbevollmächtigten am 7. November 2007 zugestellte Urteil am 7. Dezember 2007 ebenfalls Berufung eingelegt und verweisen zu Begründung auf ihr Vorbringen vor dem Sozialgericht.
Die Kläger beantragen,
für den Fall, dass der Berufung der Beklagten stattgegeben wird, das erstinstanzliche Urteil insoweit aufzuheben, als die Klage im Übrigen abgewiesen wurde.
Die Beklagte hat sich zur Berufung der Kläger nicht geäußert.
Die übrigen Beteiligten haben sich zur Sache nicht geäußert.
Die Beteiligten haben auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung verzichtet.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf deren Schriftsätze sowie die Akten der Beklagten, des Sozialgerichts und des Senats Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die gemäß den §§ 143, 144, 151 SGG zulässige Berufung der Beklagten, über die der Senat auf Grund des Einverständnisses der Beteiligten nach § 124 Abs. 2 SGG ohne mündliche Verhandlung entscheidet, ist im Sinne der Zurückverweisung an das Sozialgericht begründet. Dieses hat zu Unrecht angenommen, dass die Beklagte nicht für die geltend gemachte Feststellung der Sozialversicherungspflicht der Klägerin zu 1 zuständig ist.
Personen, die gegen Arbeitsentgelt beschäftigt sind, unterliegen in der Kranken-, Pflege-, Renten- und Arbeitslosenversicherung der Versicherungs- bzw. Beitragspflicht (§ 5 Abs. 1 Nr. 1 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch, § 20 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 Elftes Buch Sozialgesetzbuch, § 1 Satz 1 Nr. 1 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch, § 168 Abs. 1 Satz 1 des Arbeitsförderungsgesetzes bis 31. Dezember 1997, ersetzt durch § 25 Abs. 1 des Dritten Buches Sozialgesetzbuch). Zuständig für die Feststellung der Versicherungspflicht und Beitragshöhe ist nach § 28h Abs. 2 Satz 1 SGB IV die Einzugstelle, hier also die Beklagte.
Dem steht im Fall der Kläger auch keine vorangehende Zuständigkeit der Beigeladenen zu 2 aufgrund der Vorschrift des § 7a Abs. 1 SGB IV (Anfrageverfahren) entgegen.
Nach § 7a Abs. 1 SGB IV können die Beteiligten eine Entscheidung beantragen, ob eine Beschäftigung vorliegt, es sei denn, die Einzugsstelle oder ein anderer Versicherungsträger hatte im Zeitpunkt der Antragstellung bereits ein Verfahren zur Feststellung einer Beschäftigung eingeleitet (Satz 1). Die Einzugsstelle hat einen Antrag nach Satz 1 zu stellen, wenn sich aus der Meldung des Arbeitgebers (§ 28a SGB IV) ergibt, dass der Beschäftigte Angehöriger des Arbeitgebers oder geschäftsführender Gesellschafter einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung ist (Satz 2). Über den Antrag entscheidet abweichend von § 28h Abs. 2 SGB IV die Deutsche Rentenversicherung Bund (Satz 3), also die Beigeladene zu 2.
Die Kläger haben hier schon keinen Antrag nach § 7a Abs. 1 Satz 1 SGB IV gestellt, der - wie das SG meint - nach § 16 Abs. 2 SGB I (der auf andere Anträge als Anträge auf Sozialleistungen entsprechend anzuwenden ist [Seewald in: Kasseler Kommentar, § 16 SGB I Rdnr. 3 m.w.N.]) an die Beigeladene zu 2 weiterzuleiten wäre. Denn beantragt wurde (neben der Rückerstattung von Sozialversicherungsbeiträgen, die hier nicht streitgegenständlich ist) ausdrücklich die "Prüfung der Sozialversicherungspflichtigkeit", womit nur die Versicherungs- bzw. Beitragspflicht im Sinne der oben genannten Vorschriften gemeint sein kann. Allein hierüber hat die Beklagte auch entschieden. Die Feststellung, ob eine "Beschäftigung", also eine nichtselbstständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis (§ 7 Abs. 1 Satz 1 SGB IV), vorliegt, haben die Kläger nicht beantragt. Das Vorliegen eines Beschäftigungsverhältnisses ist zwar wesentliche Vorfrage für die Annahme der Sozialversicherungspflicht, mit dieser aber nicht deckungsgleich (vgl. Lüdtke in: Winkler, SGB IV, § 7a Rdnr. 7).
Der Senat kann offen lassen, ob - darüber hinausgehend - der in der Literatur vertretenen Ansicht (Seewald in: Kasseler Kommentar, § 7a SGB IV Rdnr. 11a; Klattenhoff in: Hauck/Noftz, § 7a SGB IV Rdnr. 17a) zu folgen ist, die über den Wortlaut hinaus, aus Gründen der Gesetzessystematik im Rahmen des Verfahrens nach § 7a SGB IV auch eine Feststellung der Versicherungs- bzw. Beitragspflicht vorsieht. Letztlich kommt es hierauf nicht an. Denn jedenfalls kann der Vorschrift des § 7a SGB IV kein Vorrang des Anfrageverfahren auch für den Fall, dass ein entsprechender Antrag bei der Beigeladenen zu 2 gar nicht gestellt worden ist, entnommen werden. Vielmehr spricht § 7a Abs. 1 Satz 1 SGB IV, der neben dem Anfrageverfahren ausdrücklich Verfahren zur Feststellung einer Beschäftigung bei der Einzugsstelle nennt, klar gegen eine solche Annahme. Im Übrigen hätte dann eine Änderung von § 28h Abs. 2 Satz 1 SGB IV nahe gelegen, der bisher allgemein so verstanden worden ist, dass dort auch Feststellungen auf Antrag von Arbeitnehmern - hier der Klägerin zu 1 - oder von Arbeitgebern - hier dem Kläger zu 2 - erfasst werden (vgl. BSG, Urteil vom 23. September 2003, B 12 RA 3/02 R, SozR 4-2400 § 28h Nr. 1; LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 15. August 2007, L 31 KR 128/07). Das ist aber nicht geschehen.
Nichts anderes sagt die Gesetzesbegründung (BT-Drs. 14/1855, S. 7 zu Nr. 2 § 7a Abs. 1), wo von einer alleinigen Zuständigkeit der (damaligen) Bundesversicherungsanstalt für Angestellte (heute: Deutsche Rentenversicherung Bund) "nur" für das - konkret durchgeführte - Anfrageverfahren gesprochen wird und nicht darüber hinaus. Auch die gesamte Verwaltungspraxis der Einzugsstellen und der Beigeladenen zu 2 verfährt so (vgl. Rundschreiben der Spitzenverbände der Sozialversicherungsträger vom 20. Dezember 1999, Punkt 3.8.1, Aktenseite 28 der Senatsakten). Schließlich findet sich auch in den einschlägigen Kommentierungen nichts, was für einen Vorrang des Verfahrens nach § 7a SGB IV in dem vom SG angenommenen Umfang spricht (vgl. Seewald, a.a.O. § 7a SGB VI Rdnr. 8, 9; Klattenhoff, a.a.O. Rdnr. 5, 18; Lüdtke, a.a.O., Rdnr. 12).
Einen absoluten Vorrang des Anfrageverfahren nach § 7a Abs. 1 SGB IV gegenüber anderen Verfahren, deren Gegenstand die Feststellung einer Beschäftigung ist, gibt es also nicht (ebenso Sächs. LSG, Beschluss vom 14. August 2006, L 1 B 205/05 KR-PKH). Ob das Anfrageverfahren nur zu Beginn einer Beschäftigung (so Bayerisches LSG, Urteil vom 7. Dezember 2004, L 5 KR 163/03, unter Hinweis auf § 7a Abs. 6 SGB IV; dem zustimmend Ergebnis der Besprechung der Spitzenverbände der Krankenkassen, der Deutschen Rentenversicherung Bund und der Bundesagentur für Arbeit am 25./26. April 2006, Aktenseite 31 der Senatsakten) bzw. nur in Fällen objektiver Zweifel an der Sozialversicherungspflicht (s. das bereits erwähnte Rundschreiben der Spitzenverbände) statthaft ist, kann der Senat offen lassen.
Auf die weiteren, vom SG aufgeworfenen Fragen, also diejenigen eines möglichen Auftragsverhältnisses zwischen der Beklagten und der Beigeladenen zu 2 bzw. der Möglichkeit einer Entscheidung nach § 75 Abs. 5 SGG gegenüber der Beigeladenen zu 2, kommt es daher nicht an.
Das SG hat - ausgehend von seiner Rechtsansicht folgerichtig - nicht in der Sache, also nicht über die Sozialversicherungspflicht der Klägerin zu 1 entschieden. Der Senat macht von seinem Ermessen nach § 159 Abs. 1 Nr. 1 SGG dahingehend Gebrauch, die Sache an das SG zurückzuverweisen. Leitend für diese Entscheidung waren die Gesichtspunkte, dass für die Frage der Sozialversicherungspflicht der Klägerin zu 1 nicht unerhebliche tatsächliche Feststellungen zu treffen sind, die in gleicher Weise vom SG getroffen werden können, den Klägern für die Sachentscheidung keine Instanz genommen werden soll und keine besondere Eilbedürftigkeit zu erkennen ist.
Die Berufung der Kläger legt der Senat (vgl. § 106 Abs. 1, § 123 Halbsatz 2 SGG) dahingehend aus, dass für den Fall der Aufhebung und Zurückverweisung das Urteil des SG auch in dem die Klage abweisenden Teil, aufzuheben wäre. Dies ist schon Teil der Berufung der Beklagten, denn eine Zurückverweisung, die die Möglichkeit ausschließt, festzustellen, dass die Klägerin zu 1 während ihrer Tätigkeit bei dem Kläger zu 2 nicht sozialversicherungspflichtig beschäftigt war, ist ohne Sinn. Der auf die Berufung der Beklagten ergangene Ausspruch des Senats entspricht auch dem Begehren der Kläger, deren Berufung zulässig und - entsprechend den obigen Ausführungen - auch begründet ist.
Die Kostenentscheidung bleibt der Entscheidung des Sozialgerichts vorbehalten.
Die Revision ist nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 SGG nicht erfüllt sind.
Rechtskraft
Aus
Login
BWB
Saved