L 5 B 180/08 AS ER

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
5
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 123 AS 33545/07 ER
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 5 B 180/08 AS ER
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Auf die Beschwerden des Antragstellers wird der Beschluss des Sozialgerichts Berlin vom 15. Januar 2008 aufgehoben. Es wird festgestellt, dass der seitens des Antragstellers am 17. Dezember 2007 eingelegte Widerspruch gegen den Bescheid des Antragsgegners vom 14. Dezember 2007 aufschiebende Wirkung hat. Die dem Antragsteller entstandenen Kosten hat der Antragsgegner zu erstatten. Dem Antragsteller wird für das Verfahren vor dem Sozialgericht und für das Beschwerdeverfahren Prozesskostenhilfe bewilligt und Rechtsanwalt C Z beigeordnet. Beträge aus dem Vermögen oder Raten sind nicht zu zahlen.

Gründe:

I.

Der Antragsteller wendet sich gegen die Vollziehung eines von dem Antragsgegner erlassenen Bescheids, mit welchem dieser einen Bescheid über die Bewilligung pauschaler Förderleistungen zur Schaffung von Zusatzjobs nach § 16 Abs. 3 Satz 2 Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II) widerrufen hat.

Der Antragsteller ist ein eingetragener gemeinnütziger Verein, der seiner Satzung zufolge die Integration von in B lebenden Migranten fördert. Auf einen entsprechenden Antrag hin bewilligte ihm der Antragsgegner unter dem 8. März 2007 pauschale Förderleistungen zur Schaffung von 30 Zusatzjobs im Zeitraum vom 19. März 2007 bis zum 18. März 2008. In dem Bescheid finden sich Angaben zu den Fördervoraussetzungen, zu Maßgaben der Förderung, zum Verwendungsnachweis und zur Maßnahmeprüfung.

Nachdem der bis Ende Juni 2007 bei dem Antragsgegner als für die Durchführung der Maßnahme beschäftigte Projektleiter Unregelmäßigkeiten hinsichtlich der Verwendung der Fördermittel angezeigt hatte, nahm der Antragsgegner im August 2007 eine unangekündigte Prüfung vor, in deren Ergebnis der Antragsteller unter dem 7. September 2007 unter Hinweis auf die Möglichkeit der Aufhebung des Bewilligungsbescheids angehört wurde. Nachdem der Antragsteller mit Schreiben vom 24. September 2007 um Verständnis für die infolge des Wechsel in der Projektleitung schwierige Situation gebeten und zahlreiche Unterlagen übersandt hatte, sah der Antragsgegner zunächst von der Aufhebung des Bewilligungsbescheids ab und nahm am 8. November 2007 eine erneute Prüfung vor. Bei dieser stellte er im Wesentlichen ein Fortbestehen der bei der vorangegangenen Kontrolle festgestellten Mängel fest. Daraufhin widerrief er mit Bescheid vom 14. Dezember 2007 den Bewilligungsbescheid vom 08. März 2007 mit Wirkung ab 17. Dezember 2007. In dem Bescheid heißt es, Grundlage sei § 47 Abs. 1 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X). Die Ermittlung des tatsächlichen Förderanspruchs sei noch nicht abgeschlossen, so dass über die Frage, ob Leistungen zu erstatten seien, noch nicht entschieden werden könne. Insoweit werde ein gesonderter Bescheid ergehen.

Gegen den Bescheid legte der Antragsteller am 17. Dezember 2007 Widerspruch ein und bat zugleich um Bestätigung der aufschiebenden Wirkung des eingelegten Rechtsbehelfs.

Nachdem der Antragsgegner dem Antragsteller mitgeteilt hatte, dass er dem Widerspruch keine aufschiebende Wirkung beimesse, hat der Antragsteller am 20. Dezember 2007 beim Sozialgericht Berlin um die Gewährung einstweiligen Rechtschutzes nachgesucht und zur Begründung ausgeführt, die aufschiebende Wirkung sei nicht dadurch ausgeschlossen, dass Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende im Streit stünden, denn die ihm bewilligten Fördermittel zur Schaffung von Arbeitsgelegenheiten seien keine Leistungen in diesem Sinn. Der Bewilligungsbescheid sei rechtswidrig, weil der Antragsgegner keinen Verwaltungsakt hätte erlassen dürfen, sondern die Rechtsbeziehungen zu ihm als Maßnahmeträger im Wege eines öffentlich-rechtlichen Vertrags hätte regeln müssen. Nichtig indessen sei der Bewilligungsbescheid nicht. Nach alledem sei festzustellen, dass der Widerspruch gegen den Bescheid des Antragsgegners vom 14. Dezember 2007 aufschiebende Wirkung habe. Hilfsweise sei die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs gegen diesen Bescheid anzuordnen.

Mit Beschluss vom 15. Januar 2008 hat das Sozialgericht Berlin den Antrag zurückgewiesen und ausgeführt, er sei, soweit die Feststellung der aufschiebenden Wirkung begehrt werde, bereits unzulässig, weil der mit dem Widerspruch angegriffene Bescheid vom 14. Dezember 2007 über Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende entscheide. Dass der Antragsgegner nach Auffassung des Antragstellers nicht durch Verwaltungsakt hätte handeln dürfen, ändere an dem Umstand, dass es sich um Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende handele, nichts. Die aufschiebende Wirkung sei auch nicht anzuordnen, denn es bestünden keine ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Widerrufsbescheids. Mangels hinreichender Erfolgsaussichten habe schließlich auch Prozesskostenhilfe nicht gewährt werden können.

Gegen den ihm am 15. Januar 2008 per Telefax bekannt gegebenen Beschluss hat der Antragsteller am 16. Januar 2008 Beschwerde eingelegt. Er hält an seinem Standpunkt fest, dass der Bewilligungsbescheid mangels Rechtsgrundlage rechtswidrig war. Er ist weiterhin der Auffassung, dass seinem Widerspruch aufschiebende Wirkung zukommt. Er meint, die ihm bewilligten Fördermittel seien keine Leistungen zur Grundsicherung für Arbeitsuchende, so dass § 39 Abs. 2 SGB II auch nicht anwendbar sei. Schließlich bestünden durchaus ernsthafte Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Widerrufsbescheids vom 14. Dezember 2007, so dass zumindest dem Hilfsantrag hätte stattgegeben und zudem Prozesskostenhilfe hätte bewilligt werden müssen.

Der Antragsteller beantragt, unter Aufhebung des Beschlusses des Sozialgerichts Berlin vom 15. Januar 2008 festzustellen, dass der Widerspruch vom 17. Dezember 2007 gegen den Bescheid des Antragsgegners vom 14. Dezember 2007 aufschiebende Wirkung hat, hilfsweise, die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs vom 17. Dezember 2007 gegen den Bescheid des Antragsgegners vom 14. Dezember 2007 anzuordnen, sowie ihm für das Verfahren vor dem Sozialgericht und für das Verfahren vor dem Landessozialgericht Prozesskostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwalt C Z zu gewähren.

Der Antragsgegner beantragt, die Beschwerden zurückzuweisen.

Auch er hält an seiner bislang vertretenden Auffassung fest.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands im Übrigen wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge des Antragsgegners verwiesen, der Gegenstand der Beratung und Entscheidung gewesen ist.

II.

Die Beschwerde des Antragstellers hat Erfolg. Sie ist gemäß §§ 172 Abs. 1 und 173 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) zulässig. Sie ist auch begründet, denn das Sozialgericht Berlin hätte die aufschiebende Wirkung des vom Antragsteller eingelegten Widerspruchs gegen den Bescheid vom 14. Dezember 2007 feststellen müssen (§ 86 b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGG in entsprechender Anwendung).

Gemäß § 86 a Abs. 1 Satz 1 SGG haben Widerspruch und Anfechtungsklage grundsätzlich aufschiebende Wirkung. Dies gilt nach § 86 a Abs. 2 SGG dann nicht, wenn einer der in den Nr. 1 bis 3 und 5 genannten, hier nicht in Betracht kommenden, Fälle vorliegt oder durch Bundesgesetz etwas anderes vorgeschrieben ist (§ 86 a Abs. 2 Nr. 4 SGG). Auch dies ist hier nicht der Fall. Insbesondere entfällt die aufschiebende Wirkung des vom Antragsteller eingelegten Widerspruchs nicht nach § 39 SGB II. Danach haben Widerspruch und Anfechtungsklage gegen einen Verwaltungsakt, der über Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende entscheidet oder den Übergang eines Anspruchs bewirkt, keine aufschiebende Wirkung. Weder die erste noch die zweite Alternative liegt hier vor.

Zu Recht weist der Antragsteller darauf hin, dass es sich bei den ihm bewilligten Fördermitteln schon begrifflich nicht um Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende im Sinne des § 39 Nr. 1 SGB II handelt (vgl. auch Conradis in LPK-SGB II, Rdnrn 6 f zu § 39). Welche Leistungen denen der Grundsicherung zuzuordnen sind, ist §§ 19 ff SGB II zu entnehmen. Neben den Regelleistungen nach § 20 SGB II gehören zu den Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts insbesondere Leistungen für Mehrbedarfe (§ 21 SGB II), einige einmalige Leistungen (§ 23 Abs. 3 SGB II) und Leistungen für Unterkunft und Heizung (§ 22 SGB II). Gemeinsam ist den im zweiten Abschnitt des dritten Kapitels des SGB II aufgeführten Leistungen, dass sie unmittelbar den erwerbsfähigen Hilfebedürftigen bzw. den mit ihnen in einer Bedarfsgemeinschaft lebenden Personen zugute kommen. Im Gegensatz dazu profitiert der einzelne Arbeitsuchende von der Bewilligung pauschaler Förderleistungen zur Schaffung von Zusatzjobs nach § 16 Abs. 3 Satz 2 SGB II nur mittelbar.

Die danach bestehende aufschiebende Wirkung des Widerspruchs des Antragstellers gegen den Bescheid vom 14. Dezember 2007 ist vom Senat festzustellen, weil der Antragsgegner sie bestreitet, so dass der Antragsteller ein entsprechendes Rechtsschutzbedürfnis hat.

Sowohl die Beschwerde gegen die Ablehnung der Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Verfahren vor dem Sozialgericht als auch der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Verfahren vor dem Landessozialgericht haben Erfolg. Gemäß § 73 a SGG i.V.m. § 116 Satz 1 Nr. 2 und § 114 Satz 1 letzter Halbsatz der Zivilprozessordnung (ZPO) erhält eine inländische juristische Person oder eine parteifähige Personenvereinigung - wie hier der Antragsteller - auf Antrag Prozesskostenhilfe, wenn die Kosten weder von ihr noch von den am Gegenstand des Rechtsstreits wirtschaftlich Beteiligten aufgebracht werden können, die Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint und die Unterlassung der Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung allgemeinen Interessen zuwiderlaufen würde. Diese Voraussetzungen sind hier gegeben.

Die Kostenentscheidung findet ihre Grundlage in § 193 SGG in entsprechender Anwendung und trägt dem Ausgang des Verfahrens Rechnung. Ein Fall des § 197 a SGG liegt nicht vor, weil der Antragsteller hier dem nach § 183 SGG privilegierten Personenkreis zugehört, denn die ihm bewilligten Mittel, um die es letztlich geht, zielen nicht auf seine wirtschaftliche Bereicherung ab, sondern dienen der Eingliederung Arbeitsuchender (vgl. Bundessozialgericht [BSG], Beschluss vom 22.9.2004, NZS 2005, S. 555 ff).

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
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