S 6 R 53/06

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
SG Aachen (NRW)
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
6
1. Instanz
SG Aachen (NRW)
Aktenzeichen
S 6 R 53/06
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 11 R 11/07
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Der Bescheid vom 20.12.2004 in der Fassung des Widerspruchsbe- scheides vom 25.04.2006 wird insoweit aufgehoben, als die Beklagte Sozialversicherungsbeiträge für die von der Klägerin übernommenen Buß- und Verwarnungsgelder wegen Überschreitung von Lenkzeiten er- hoben hat. Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten darüber, ob Verwarnungsgelder wegen Überschreitungen von Lenkzeiten, die die Klägerin für bei ihr beschäftigte Fahrer gezahlt hat, als sozialversicherungspflichtiges Arbeitsentgelt einzuordnen sind.

Bei der Klägerin handelt es sich um ein in Düren ansässiges Speditionsunternehmen. Im Januar und Februar 2000 sowie zwischen Januar und April 2003 führte das Finanzamt Düren bei ihr Lohnsteueraußenprüfungen für den Zeitraum vom 01.01.1997 bis 31.12.1999 bzw. für den Zeitraum vom 01.01.2000 bis 31.12.2002 durch. Mit Haftungs- und Nachforderungsbescheiden vom 24.03.2000 und 11.04.2000 sowie vom 22.05.2003 forderte das Finanzamt Düren von der Klägerin Lohnsteuer für die Kalenderjahre 1997 bis 1999 sowie für die Kalenderjahre 2000 bis 2002 nach. Den Bescheiden lag unter anderen die zutreffende Feststellung zugrunde, dass die Klägerin in den entsprechenden Zeiträumen die Zahlung von Buß-, Ordnungs- und Verwarnungsgeldern übernommen hatte, die gegen bei ihr beschäftigte Fahrer im Zusammenhang mit der Ausübung ihrer beruflichen Tätigkeit persönlich verhängt worden waren. Zur Begründung führte das Finanzamt Düren aus, es handele sich hierbei um steuerpflichtigen Arbeitslohn.

In der Zeit von November 2003 bis Dezember 2004 führte die Beklagte bei der Klägerin eine Betriebsprüfung für den Zeitraum vom 01.01.1999 bis 31.12.2000 durch. Nach Anhörung vom 30.11.2004 forderte sie mit Bescheid vom 20.12.2004 von der Klägerin Sozialversicherungsbeiträge in Höhe von 12.578,72 EUR sowie Säumniszuschläge in Höhe von 6.858,34 EUR (insgesamt 19.437,06 EUR) nach. Zur Begründung führte sie unter anderem aus, dass es sich bei den von der Klägerin übernommenen Buß-, Ordnungs- und Verwarnungsgeldern um sozialversicherungspflichtiges Arbeitsentgelt handele. Der insoweit für die Kalenderjahre 1999 und 2000 einschließlich Säumniszuschlägen ermittelte Betrag belief sich auf 5.254,70 EUR des insgesamt geltend gemachten Betrages von 19.437,06 EUR.

Die Klägerin legte am 21.01.2005 gegen die im Beitragsbescheid getroffene Einstufung der Übernahme von Buß-, Ordnungs- und Verwarnungsgeldern Widerspruch ein. Zur Begründung verwies sie auf ein Urteil des Bundesfinanzhofes vom 07.07.2004 (Az.: VI R 29/00). Aus dieser Entscheidung gehe hervor, dass die vom Arbeitgeber aus überwiegend eigenbetrieblichen Interessen übernommene Zahlung von Verwarnungsgeldern, die gegen bei ihm angestellte Fahrer verhängt worden sind, nicht als Arbeitsentgelt einzustufen sei. Die Beklagte wies den Widerspruch mit Bescheid vom 25.04.2006 zurück.

Hiergegen richtet sich die am 24.05.2006 erhobene Klage.

Die Klägerin verweist darauf, dass sie ihren Fahrern gegenüber lediglich erklärt hat, im Zusammenhang mit Überschreitung von Lenkzeiten verhängte Verwarnungs- und Ordnungsgelder zu übernehmen, wenn diese aus Gründen des Wettbewerbsdrucks im Speditionsgewerbe Lenkzeiten überschritten haben.

Die Klägerin beantragt,

den Bescheid vom 20.12.2004 in der Fassung des Widerspruchs- bescheides vom 25.04.2006 insoweit aufzuheben, als die Beklagte Sozialversicherungsbeiträge für die von der Klägerin übernommenen Buß- und Verwarnungsgelder wegen Überschreitung von Lenkzeiten erhoben hat.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie führt aus, das Urteil des Bundesfinanzhofes vom 07.07.2004 sei nicht auf den vorliegenden Sachverhalt übertragbar. Klägerin in jenem Verfahren sei ein Paketzustelldienst gewesen, der gegenüber der (ehemaligen) Deutschen Bundespost Wettbewerbsnachteile hatte, weil für Letztere in der Straßenverkehrsordnung (§ 35 Abs. 7 StVO) Sonderrechte festgeschrieben waren. Allein um den hieraus für die Deutsche Bundespost gegenüber anderen Paketzustelldiensten resultierenden Wettbewerbsvorteil auszugleichen, hätte dieser Paketzustelldienst seine Fahrer angewiesen, Parkverstöße zu begehen. Ein solcher Wettbewerbsvorsprung sei hier jedoch nicht geltend gemacht. Überdies könne die 2004 ergangene Entscheidung des BFH nicht gleichsam rückwirkend auf die hier in den Jahren 1999 und 2000 erfolgte Übernahme von Verwarnungsgeldern angewendet werden.

Die Beigeladenen zu 1) bis 22) stellen keinen eigenen Antrag.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die gewechselten Schriftsätze und die übrige Gerichtsakte sowie auf die beigezogene Verwaltungsakte der Beklagten verwiesen, deren wesentlicher Inhalt Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist.

Entscheidungsgründe:

Das Gericht konnte in Abwesenheit der Beigeladenen zu 1) bis 11) und 22) sowie in Abwesenheit von Vertretern der Beigeladenen zu 13) bis 20) aufgrund mündlicher Verhandlung entscheiden, weil die Beigeladenen auf diese Möglichkeit in der schriftlichen Terminsladung hingewiesen worden sind, §§ 110 Abs. 1 Satz 2, 124 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG).

Die in der mündlichen Verhandlung auf die Übernahme von Verwarnungsgeldern wegen Überschreitung von Lenkzeiten beschränkte Klage ist in vollem Umfang begründet. Die Klägerin wird durch die angefochtenen Bescheide im Sinne des § 54 Abs. 2 Satz 1 SGG insoweit beschwert, als die Beklagte die Übernahme von Buß- und Verwarnungsgeldern wegen Überschreitung von Lenkzeiten als sozialversicherungspflichtiges Arbeitsentgelt qualifiziert hat.

Rechtsgrundlage für die angefochtenen Beitragsbescheide ist § 28p Abs. 1 Satz 5 Sozialgesetzbuch – Viertes Buch – Gemeinsame Vorschriften der Sozialversicherung (SGB IV). Die formell-rechtlichen Anforderungen sind gewahrt, insbesondere ist die Klägerin mit Schreiben vom 30.11.2004 in einer § 24 SGB X genügenden Weise angehört worden. Die angefochtenen Bescheide verstoßen jedoch insoweit gegen materielles Recht, als die Übernahme von Verwarnungsgeldern wegen Überschreitungen von Lenkzeiten durch die Klägerin als beitragspflichtiges Arbeitsentgelt eingestuft worden ist.

Der Umfang der Beitragspflicht bemisst sich für alle Zweige der Sozialversicherung nach dem Arbeitsentgelt (für die gesetzliche Krankenversicherung § 226 Abs. 1 Nr.1 Sozialgesetzbuch – Fünftes Buch – Gesetzliche Krankenversicherung (SGB V), für die gesetzliche Rentenversicherung § 162 Nr. 1 Sozialgesetzbuch – Sechstes Buch – Gesetzliche Rentenversicherung (SGB VI), für die gesetzliche Pflegeversicherung § 57 Abs. 1 Sozialgesetzbuch – Elftes Buch – Soziale Pflegeversicherung (SGB XI) und für die Arbeitslosenversicherung § 342 Sozialgesetzbuch – Drittes Buch – Arbeitsförderung, SGB III).

Arbeitsentgelt sind nach § 14 Abs. 1 SGB IV alle laufenden oder einmaligen Einnahmen aus einer Beschäftigung, gleichgültig, ob ein Rechtsanspruch auf die Einnahmen besteht, unter welcher Bezeichnung oder in welcher Form sie geleistet werden und ob sie unmittelbar aus der Beschäftigung oder im Zusammenhang mit ihr erzielt werden. Gemäß der in § 17 Abs. 1 Satz 1 SGB IV vorgesehenen Verordnungsermächtigung kann bestimmt werden, dass einmalige Einnahmen oder laufende Zulagen, Zuschläge, Zuschüsse oder ähnliche Einnahmen, die zusätzlich zu Löhnen oder Gehältern gewährt werden, ganz oder teilweise nicht dem Arbeitsentgelt zuzurechnen sind. Dabei ist nach § 17 Abs. 1 Satz 2 SGB IV eine möglichst weitgehende Übereinstimmung mit den Regelungen des Steuerrechts sicherzustellen. Auf der Grundlage dieser Ermächtigung ist die Verordnung über die Bestimmung des Arbeitsentgelts in der Sozialversicherung (Arbeitsentgelt-verordnung – ArEV) ergangen.

Die von der Klägerin an bei ihr beschäftigte Fahrer geleisteten Zahlungen für Verwarnungsgelder, die gegen diese Fahrer wegen Überschreitung von Lenkzeiten verhängt worden waren, erfüllen den Tatbestand des § 17 Abs. 1 Satz 1 SGB IV. Ob diese Zahlungen dem Arbeitsentgelt zuzurechnen sind, beurteilt sich nach § 1 ArEV danach, ob sie steuerpflichtigen Arbeitslohn darstellen. Der Begriff des Arbeitslohns im Sinne der Regelungen des Steuerrechts wiederum wird definiert als jeder geldwerte Vorteil, der durch das individuelle Dienstverhältnis veranlasst ist (vgl. BFH, Urteil vom 07.07.2004, VI R 29/00 m.w.N.). Eine solche Veranlassung liegt vor, wenn der Vorteil nur mit Rücksicht auf das Arbeitsverhältnis eingeräumt wird und wenn sich die Leistung des Arbeitgebers im weitesten Sinne als Gegenleistung für das Zurverfügungstellen der individuellen Arbeitskraft des Arbeitnehmers erweist. Dagegen sind solche Vorteile nicht als Arbeitslohn anzusehen, die sich bei objektiver Würdigung aller Umstände nicht als Entlohnung, sondern lediglich als notwendige Begleiterscheinung betriebsfunktionaler Zielsetzungen erweisen. Vorteile besitzen danach keinen Arbeitslohncharakter, wenn sie im ganz überwiegend eigenbetrieblichen Interesse des Arbeitgebers gewährt werden. Das ist der Fall, wenn sich aus den Begleitumständen wie Anlass, Art und Höhe des Vorteils, Auswahl der Begünstigten, freie oder nur gebundene Verfügbarkeit, Freiwilligkeit oder Zwang zur Annahme des Vorteils und seiner besonderen Geeignetheit für den jeweils verfolgten betrieblichen Zweck ergibt, dass diese Zielsetzung ganz im Vordergrund steht und ein damit einhergehendes eigenes Interesse des Arbeitnehmers, den betreffenden Vorteil zu erlangen, vernachlässigt werden kann. In Grenzfällen ist eine wertende Gesamtbeurteilung unter Berücksichtigung aller den jeweiligen Einzelfall prägenden Umstände vorzunehmen (vgl. BFH, a.a.O.). Unter Zugrundelegung dieser Maßstäbe sind die von der Klägerin übernommenen Ordnungs- und Verwarnungsgelder wegen Überschreitung von Lenkzeiten nicht als lohnsteuerpflichtiger Arbeitslohn zu qualifizieren. Denn der geldwerte Vorteil der Zahlung war bei wertender Gesamtbeurteilung nicht Gegenleistung für das Zurverfügungstellen der individuellen Arbeitskraft der Fahrer, sondern erfolgte im ganz überwiegend eigenbetrieblichen Interesse der Klägerin.

Entscheidend hierfür ist zunächst, dass nach dem Vorbringen der Klägerin die Zahlungen nicht erst durch das individuelle Fehlverhalten der betroffenen Fahrer veranlasst worden sind. Vielmehr hatte die Klägerin eine betriebliche Entscheidung dahingehend getroffen, terminliche Verpflichtungen gegenüber ihren Kunden im Zweifel auch auf Kosten von Bestimmungen über Lenkzeiten im Straßenverkehr einzuhalten. Die Klägerin hat in diesem Zusammenhang ausgeführt, dass eine pünktliche Lieferung der von ihr transportierten Waren nicht immer gewährleistet werden kann, wenn die Fahrer im Einklang mit den einschlägigen Lenkzeitenbestimmungen längerer Ruhepausen einlegen und den Warentransport erst anschließend fortsetzen. Die individuelle Entscheidung der einzelnen Fahrer, Verstöße gegen derartige Bestimmungen zu begehen sowie die Sanktionierung dieses Verhaltens durch Verhängung von Verwarnungsgeldern stellt sich damit lediglich als Folge der betrieblichen Entscheidung der Klägerin dar und die Übernahme von Verwarnungsgeldern führt lediglich zum Ausgleich eines finanziellen Nachteils, den die Fahrer allein im Interesse der Klägerin hingenommen haben.

Für ein überwiegendes betriebliches Interesse an der Übernahme der Verwarnungsgelder wegen Überschreitung von Lenkzeiten spricht aus Sicht der Kammer weiter, dass die Zahlung der Verwarnungsgelder nicht als Gegenleistung für das Zurverfügungstellen der individuellen Arbeitskraft der Fahrer erfolgt. Denn die Fahrer, die Lenkzeiten überschreiten und diejenigen, die dies nicht tun, erbringen gegenüber der Klägerin die gleiche Arbeitsleistung. Auch hat die Klägerin im Rahmen der mündlichen Verhandlung erklärt, dass diejenigen Fahrer, die Lenkzeiten überschreiten, das gleiche vereinbarte Festgeld erhalten, wie die Fahrer, die keine Lenkzeiten überschreiten.

In diesem Zusammenhang ist es unerheblich, dass die Klägerin ausgeführt hat, bei ihr angestellte Fahrer nicht gleichsam zu einer Überschreitung von Lenkzeiten angestiftet zu haben, sondern lediglich erklärt zu haben, dass – wenn aus terminlichen Gründen Lenkzeiten überschritten und daraufhin Verwarnungsgelder gegen Fahrer verhängt worden sind – der damit verbundene finanzielle Nachteil der betroffenen Fahrer durch Zahlung an diese Fahrer ausgeglichen wird. Entscheidend ist, dass sie eine betriebliche Entscheidung dahingehend getroffen hat, aus Verhängung von Verwarnungsgeldern resultierende finanzielle Einbußen der bei ihr beschäftigten Fahrer auszugleichen und dies ihren Fahrern auch mitgeteilt hat.

Demgegenüber treten Umstände, die eine Übernahme solcher Gelder im individuellen Interesse der Arbeitnehmer erscheinen lassen, in den Hintergrund. Dies gilt auch für die Höhe der einzelnen Geldbußen. Zwar hat die Klägerin je Fahrer Beträge zwischen monatlich 50,- DM und 1.847,76 DM übernommen (in einem Einzelfall sogar einen monatlichen Betrag von 4.482,00 DM), so dass es sich um nicht unerhebliche wirtschaftliche Einbußen der Arbeitnehmer handelt. Dennoch erwiesen sich die Zahlungen dieser – teils nicht unbeträchtlichen Summen – als Folge der betrieblichen Entscheidung der Klägerin, deren Interesse an der Übernahme der verhängten Geldbußen das individuelle Interesse der einzelnen Fahrer überwiegt. Dem steht auch nicht entgegen, dass der Beigeladene zu 12) in der mündlichen Verhandlung ausgeführt hat, die Klägerin habe nicht gleichsam schlechthin Zahlungen für verhängte Bußgelder geleistet, sondern dies von der Höhe der Verwarnungsgelder abhängig gemacht. Maßgeblich ist allein, dass die Klägerin für die hier in Rede stehenden Verwarnungsgelder Zahlungen an die individuell betroffenen Fahrer geleistet hat und sich diese Zahlungen als Folge der zuvor im Interesse der Wettbewerbsfähigkeit getroffenen betrieblichen Entscheidung erweisen.

Soweit die Beklagte ausführt, die Entscheidung des Bundesfinanzhofes vom 07.07.2004 sei nicht auf den vorliegenden Sachverhalt übertragbar, so vermag sich die Kammer dem nicht anzuschliessen. Sie verkennt in diesem Zusammenhang nicht, dass es sich in der vom Bundesfinanzhof entschiedenen Konstellation um einen Paketzustelldienst gehandelt hat, der sich erheblichen Wettberwerbsnachteilen dadurch ausgesetzt sah, dass die damals geltende Straßenverkehrsordnung der (ehemaligen) Deutschen Bundespost Sonderrechte eingeräumt hat. Indessen ändern das Ausmaß der Wettberwerbsnachteile und die Gründe hierfür nichts an der Tatsache, dass in beiden Fällen eine betriebliche Entscheidung vorliegt, individuelle finanzielle Einbußen, die einzelne Fahrer im Interesse der Klägerin erlitten haben, aus betrieblichen Interessen auszugleichen (a.A. LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 20.06.2007, L 11 (8) R 75/06). Soweit dem entgegengehalten wird, diese Sichtweise führe dazu, dass durch die Zusage von Arbeitgebern zur Übernahme von Bußgeldern zur Begehung von Ordnungswidrigkeiten im Strassenverkehr angestiftet werde (so LSG Nordrhein-Westfalen, a.a.O.), vermag sich die Kammer dieser Argumentation nicht anzuschliessen. Aus ihrer Sicht ist der Gesetzgeber gefragt, ein derartiges Verhalten durch entsprechende normative Vorgaben zu verhindern. Tut der dies nicht, kann dies nicht dazu führen, dass ein solches Vorgehen mit Mitteln des Steuer- bzw. Sozialversicherungsrechts bekämpft wird. Im Übrigen gibt die Kammer zu bedenken, dass die Einstufung der Zahlung von Verwarnungsgeldern als sozialversicherungspflichtiges Arbeitsentgelt zu ebenso unbefriedigenden Konsequenzen führt. Für diesen Fall nämlich würde sich das Begehen von Ordnungswidrigkeiten im Straßenverkehr im Interesse des Arbeitgebers für die betroffenen Fahrer rentensteigernd auswirken und damit ebenso einen Anreiz schaffen, so zu verfahren, wie die bei der Klägerin beschäftigten Fahrer dies getan haben. Dass – wie die Beklagte betont – im vorliegenden Fall auch die mit der Prüfung befassten Finanzbeamten davon ausgegangen sind, die Entscheidung des BFH sei nicht auf den hier zu Grunde liegenden Sachverhalt übertragbar, entfaltet keinerlei präjudizielle Wirkung und erst Recht keinerlei Bindungswirkung.

Schliesslich rechtfertigt auch das von der Beklagten in der mündlichen Verhandlung vorgebrachten Argument, die Entscheidung des BFH könne nicht gleichsam rückwirkend angewendet werden, keine abweichende Betrachtung. Denn die damit der Sache nach geltend gemachten Vertrauensschutzgesichtspunkte im Steuerrecht können sich nach Auffassung der Kammer nicht zu Gunsten der Finanz- und Sozialverwaltung auswirken. Überdies kann sich ein schutzwürdiges Vertrauen allenfalls in Fällen gebildet haben, in denen steuerrechtliche Begriffe durch eine ständige und langjährige obergerichtliche Rechtsprechung geprägt bzw. präzisiert worden sind. Ändert sich diese obergerichtliche Rechtsprechung dann, mag man – in Einzelfällen und zu Gunsten der Steuerpflichtigen – Vertrauensschutzgesichtspunkten dadurch Rechnung tragen, dass die geänderte Rechtsprechung nicht auf in der Vergangenheit liegende Sachverhalte Anwendung findet, sondern lediglich auf in der Zukunft liegende (ex nunc-Wirkung). Ein solcher Fall indessen ist hier schon deshalb nicht gegeben, weil bislang zur Übernahme von Verwarnungsgeldern keine obergerichtliche und erst Recht keine ständige obergerichtliche Rechtsprechung vorgelegen hat.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 197 a Abs. 1 SGG i.V.m. § 154 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO). Die Kammer verkennt hierbei nicht, dass die Klage erst im Rahmen der mündlichen Verhandlung auf die Übernahme solcher Buß- und Verwarnungsgelder beschränkt worden ist, die wegen Überschreitung von Lenkzeiten verhängt worden sind. Was demgegenüber die Übernahme von Verwarnungsgeldern wegen Verstöße gegen die Vignettenpflicht oder wegen des Fehlens wegen gültiger Versicherungsnachweise angeht, so handelt es sich um geringfügige Beträge, die gegenüber den überwiegend verhängten Verwarnungsgeldern wegen Überschreitung von Lenkzeiten nicht ins Gewicht fallen. Die Kammer hat aus diesem Grund davon abgesehen, eine Kostenquotelung auszusprechen.
Rechtskraft
Aus
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