L 10 R 6167/06

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
10
1. Instanz
SG Ulm (BWB)
Aktenzeichen
S 4 R 2556/05
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 10 R 6167/06
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Sozialgerichts Ulm vom 19.10.2006 abgeändert. Die Beklagte wird unter Abänderung des Bescheides vom 22.12.2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19.7.2005 verurteilt, der Klägerin Rente wegen voller Erwerbsminderung für die Zeit vom 01.02.2007 bis 31.12.2009 zu gewähren.

Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.

Die Beklagte hat der Klägerin die außergerichtlichen Kosten des Berufungsverfahrens zu erstatten. Im Übrigen sind Kosten nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Umstritten ist die Gewährung von Rente wegen Erwerbsminderung.

Die am 1952 geborene Klägerin, die keine Berufsausbildung abgeschlossen hat, war von 1981 bis November 2003 - unterbrochen von Zeiten der Arbeitslosigkeit - im Wesentlichen als Bedienung, Küchenhilfe und Beiköchin versicherungspflichtig tätig. Anschließend war sie arbeitsunfähig erkrankt bzw. arbeitslos, ein Arbeitsversuch in einem Altenheim ist gescheitert. Seit Juli 2007 arbeitet sie als Putzhilfe zwei Stunden wöchentlich in einem Büro. Zur Feststellung der rentenversicherungsrechtlichen Zeiten wird auf den von der Beklagten vorgelegten Versicherungsverlauf Bezug genommen.

Vom 30.07. bis 23.08.2003 befand sich die Klägerin zur Durchführung einer stationären Rehabilitation in der Rheintalklinik in Bad K ... Es wurden eine koronare Zweigefäßerkrankung, ein Zustand nach PTCA und Stenteinlage mehrmals seit 1996, ein Zustand nach Hinterwandinfarkt 1996 mit Reanimation bei Kammerflimmern, eine arterielle Hypertonie, eine Hypercholesterinämie sowie eine psycho-vegetative Erschöpfung diagnostiziert. Anamnestisch wurde eine 14-malige Koronarangiographie erwähnt. Sie wurde als für ihre bisherige Tätigkeit arbeitsfähig und für leichte bis gelegentlich mittelschwere Tätigkeiten vollschichtig entlassen.

Vom 04.10. bis zum 08.11.2004 befand sich die Klägerin erneut in stationärer Rehabilitation in der Reha-Klinik G ... Dort wurde neben den bereits im früheren Reha-Verfahren gestellten Diagnosen zusätzlich ein Diabetes mellitus diagnostiziert. Es wurde von einer vollschichtigen Arbeitsfähigkeit für leichte bis mittelschwere Arbeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt ausgegangen. An ihren bisherigen Arbeitsplatz könne die Klägerin nicht mehr zurückkehren, weil sie dort schwerem Mobbing ausgesetzt sei.

Am 29.11.2004 beantragte die Klägerin bei der Beklagten die Gewährung von Rente wegen Erwerbsminderung mit der Begründung, sie habe ein Herzleiden und habe auch einen Nervenzusammenbruch erlitten.

Mit Bescheid vom 22.12.2004/Widerspruchsbescheid vom 19.07.2005 lehnte die Beklagte die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung mit der Begründung ab, die Klägerin könne auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt Tätigkeiten im Umfang von mindestens sechs Stunden täglich weiterhin verrichten. Sie stützte sich hierbei auf das Gutachten der Nervenärztin Dr. S. vom 29.04.2005, der Befundberichte der die Klägerin behandelnden Ärzte vorlagen. Dr. S. diagnostizierte auf ihrem Fachgebiet eine selbstwertlabile, durchsetzungsgehemmte, aggressionsgehemmte Persönlichkeit sowie eine depressive Entwicklung bei inadäquat verarbeitetem Arbeitsplatzkonflikt und hielt allein aus nervenärztlicher Sicht leichte Tätigkeiten ohne besonderen Zeitdruck und ohne Wechselschicht vollschichtig für zumutbar.

Am 17.08.2005 hat die Klägerin Klage zum Sozialgericht Ulm erhoben. Sie hat das Attest des Psychiaters und Neurologen O. vom 04.08.2005 (nur noch eine regelmäßige Tätigkeit von unter drei Stunden täglich zumutbar), das Gutachten nach Aktenlage der Dr. E. vom Ärztlichen Dienst der Agentur für Arbeit A. vom 18.11.2005 (die psychische Belastbarkeit der Klägerin reiche für eine regelmäßige Erwerbstätigkeit nicht aus) sowie den Arztbrief des Internisten W. vom 13.04.2006 (es bestünden erhebliche Zweifel an der Eignung für eine sechsstündige tägliche Arbeit) vorgelegt.

Das Sozialgericht hat die behandelnden Ärzte schriftlich als sachverständige Zeugen gehört. Der Psychiater und Neurologe O. hat als Diagnosen ein Psychotrauma nach Vergewaltigungen, Angst und depressive Störung, Albträume und Störungen des Schlaf-Wach-Rhythmus mitgeteilt und weiterhin nur noch eine Tätigkeit von unter drei Stunden pro Tag für möglich gehalten. Der Arzt für Innere Medizin und Kardiologe Dr. B. hat angegeben, die Klägerin befinde sich seit Oktober 1997 in seiner regelmäßigen Behandlung. Die Einschränkung der beruflichen Leistungsfähigkeit liege etwa zu gleichen Teilen im Bereich der Herzerkrankung sowie im psychiatrisch-psychosomatischen Bereich. Leichte Tätigkeiten ohne klimatische Einflüsse und Zwangshaltung seien wohl möglich, an der Vollschichtigkeit einer solchen Tätigkeit müsse gezweifelt werden.

Das Sozialgericht hat das Gutachten des Arztes für Neurologie und Psychiatrie Dr. K. vom 05.02.2006 eingeholt. Er hat zusammenfassend ausgeführt, bei der Klägerin liege Angst, Depression und Gehemmtheit vor, die ihre Wurzel in langjährigen Psychotraumen in der Adoleszenz hätten, als es zu mehreren Missbrauchserlebnissen gekommen sei. Vor diesem Hintergrund habe sich eine ängstlich vermeidende Grundpersönlichkeit entwickelt, die auf Widerstand mit Rückzug reagiere, Probleme nicht verbalisieren könne. Glaubwürdig schildere die Klägerin Probleme im Sozialverhalten mit Vermeidungstendenzen. Diese seien letztlich der Grund, weshalb sie sich eine neuerliche berufliche Tätigkeit nicht zutraue. Eine berufliche Wiedereingliederung erscheine sinnvoll, werde am Anfang aber schwierig sein angesichts der hiermit verbundenen Ängste. Bei entsprechender Fortführung der derzeitigen psychotherapeutischen Behandlung schienen körperlich leichte, vorübergehend auch mittelschwere Tätigkeiten aus psychiatrischer Sicht mindestens sechs Stunden täglich zumutbar.

Das Sozialgericht hat weiter das Gutachten des Facharztes für Innere Medizin und Kardiologen Dr. K. vom 08.06.2006 eingeholt. Er hat eine coronare Herzkrankheit, eine Hypercholesterinämie sowie eine arterielle Hypertonie diagnostiziert und auf kardiologischem Fachgebiet das Vorliegen einer eingeschränkten qualitativen und quantitativen Belastbarkeit verneint.

Mit Urteil vom 19.10.2006 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt, eine Erwerbsminderung liege bei der Klägerin nicht vor, denn sie sei noch in der Lage, zumindest körperlich leichte Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt mindestens sechs Stunden täglich zu verrichten. Dies ergebe sich aus den Gutachten von Dr. K. und Dr. K. sowie dem Entlassungsbericht der Reha-Klinik G ... Durch diese überzeugenden Gutachten werde die gegenteilige Leistungsbeurteilung des behandelnden Nervenarztes O. und des Internisten W. widerlegt.

Gegen das am 09.11.2006 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 11.12.2006 (Montag) Berufung eingelegt und vorgebracht, das Sozialgericht habe die Aussagen ihrer behandelnden Ärzte im Wesentlichen unberücksichtigt gelassen.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Ulm vom 19.10.2006 sowie den Bescheid der Beklagten vom 22.12.2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 19.07.2005 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihr Rente wegen voller Erwerbsminderung ab 01.12.2004 zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält das erstinstanzliche Urteil für zutreffend.

Der Senat hat das Gutachten des Dr. G. , Chefarzt der Klinik für Psychosomatik und psychotherapeutische Medizin am Klinikum E. , mit ergänzenden gutachterlichen Stellungnahmen eingeholt. Er hat im Wesentlichen eine Angststörung mit Panikattacken, eine Anpassungsstörung mit depressiver Symptomatik, eine andauernde Persönlichkeitsänderung nach Extrembelastung, eine koronare Herzerkrankung mit Zustand nach PTCA und Stentanlage, einen Zustand nach Hinterwandinfarkt 1996, eine arterielle Hypertonie mit Fettstoffwechselstörung sowie einen Zustand nach Hörsturz diagnostiziert. Parallel zu einem eskalierenden Arbeitsplatzkonflikt habe sich bei der Klägerin eine zunehmende psychische Symptomatik mit Ängsten, depressiven Verstimmungen, Albträumen, Rückzugsverhalten, Stimmungslabilität und Schlafstörungen entwickelt. Die Ängste mit sozialphobischer Komponente seien inzwischen chronifiziert. Die Klägerin sei vornehmlich aus psychischen Gründen eingeschränkt belastbar. Unter Berücksichtigung der Auswirkungen der koronaren Herzerkrankung und der psychiatrisch-psychosomatischen Erkrankungen und deren Wechselwirkung seien leichte körperliche Arbeiten ohne Schichtarbeit drei bis weniger als sechs Stunden täglich zumutbar. Eine Besserung sei bei entsprechender intensiver Therapie innerhalb eines Jahres möglich.

Der Senat hat von dem Internisten W. die Befunde der Koronarangiographie vom 15.02.2007 (60%ige CX de novo-Stenose) und der Streßechokardiographie (kein Ischämienachweis) vom 19.06.2007 beigezogen.

Die Beklagte hat die Stellungnahmen der Fachärztin für Innere Medizin Dr. H. vom 23.08.2007 und 22.11.2007 vorgelegt. Sie hat darauf hingewiesen, dass sich aus dem Gutachten von Dr. G. weder auf internistischem noch auf nervenärztlichem Gebiet ein neuer medizinischer Sachverhalt gegenüber dem psychischen Befund von Dr. K. und Dr. S. ergebe.

Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts und des Beteiligtenvorbringens wird auf die Prozessakten erster und zweiter Instanz und die vorgelegten Verwaltungsakten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die gemäß den §§ 143, 144, 151 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zulässige Berufung ist teilweise begründet.

Die Klägerin hat Anspruch auf Gewährung von Rente wegen voller Erwerbsminderung für die Zeit vom 01.02.2007 bis 31.12.2009. Im Übrigen ist die Berufung zurückzuweisen.

Rechtsgrundlage für die hier begehrte Rente wegen voller Erwerbsminderung ist § 43 Abs. 2 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI). Danach haben Versicherte bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung, wenn sie voll erwerbsgemindert sind, in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Tätigkeit haben und vor Eintritt der Erwerbesminderung die allgemeine Wartezeit (§§ 50, 51 SGB VI) erfüllt haben. Nach § 43 Abs. 2 Satz 1 und 2 SGB VI sind voll erwerbsgemindert Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Volle Erwerbsminderung besteht über die Regelung des § 43 Abs. 2 SGB VI hinaus nach der Rechtsprechung des BSG (Großer Senat, Beschluss vom 10.12.1976, u.a. GS 2/75 in SozR 2200 § 1246 Nr. 13) bei regelmäßig bejahter Verschlossenheit des Arbeitsmarktes auch dann, wenn eine zeitliche Leistungseinschränkung von drei bis unter sechs Stunden vorliegt. Nach § 43 Abs. 3 SGB VI ist aber nicht erwerbsgemindert, wer unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig sein kann; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen.

Die vorstehenden Voraussetzungen sind seit Juli 2006 erfüllt, denn die Klägerin kann seit Juli 2006 leichte Tätigkeiten mit qualitativen Einschränkungen zur Überzeugung des Senats nicht mehr wenigstens sechs Stunden täglich verrichten. Hierbei stützt sich der Senat insbesondere auf die überzeugenden Ausführungen von Dr. K. im Gutachten vom 05.02.2006 und von Dr. G. im Gutachten vom 23.05.2007 mit ergänzenden Stellungnahmen vom 31.10. und 18.12.2007 sowie auf die sachverständigen Zeugenaussagen der die Klägerin behandelnden Ärzte Dr. B. , W. und Dr. B ... Danach liegen bei der Klägerin eine Angststörung mit Panikattacken, eine Anpassungsstörung mit depressiver Symptomatik, eine andauernde Persönlichkeitsänderung nach Extrembelastung bei vorbestehender Persönlichkeit mit ängstlichen und abhängigen Merkmalen, eine koronare Herzerkrankung mit Zustand nach PTCA und Stentanlage, ein Zustand nach Hinterwandinfarkt 1996 mit Kammerflimmern, eine arterielle Hypertonie und eine Fettstoffwechselstörung vor. Bei der Klägerin äußert sich dies im Einzelnen durch eine ausgeprägte Angstsymptomatik mit immer wieder auftretenden Panikattacken, durch Probleme im Sozialverhalten und daraus resultierendem Vermeidungsverhalten, durch eine depressive Symptomatik bei ausgeprägter Stimmungslabilität mit immer wieder auftretenden Stimmungstiefs, Hoffnungslosigkeit, Selbstabwertung bis hin zu Suizidgedanken. Auffallend ist eine ausgeprägte Selbstwertproblematik mit Labilität der Selbstwertregulation. Außerdem bestehen ein hohes Erregungsniveau mit Neigung zu vegetativen Fehlreaktionen und ausgeprägt wechselhaftem Blutdruckverhalten. Gerade die sozialphobische, sich auch auf die Arbeitssituation beziehende Komponente der Ängste, wirkt leistungslimitierend. Dabei ist es von erheblicher Bedeutung, dass situative Ängste der Klägerin zu körperlichen Symptomen wie Herzjagen und -stechen führen, wie sie bei den meisten Patienten mit Angsterkrankungen angegeben werden. Die biographische Erfahrung des Herzinfarktes mit Wiederbelebungsmaßnahmen bei Kammerflimmern und zahlreiche Eingriffe an den Herzkranzgefäßen mit Stentimplantationen haben bei der ohnehin vorbestehenden ängstlichen Disposition der Klägerin zu einer zusätzlichen massiven Verunsicherung geführt, sodass entsprechende Beschwerden von der Klägerin als lebensbedrohend wahrgenommen werden, und immer wieder auch zu neuen invasiven Maßnahmen führten. Die durchgeführten psychotherapeutischen Maßnahmen haben lediglich anfangs im Rahmen der Einzelkunsttherapien vom April 2005 bis Juli 2006 zu einer Besserung geführt, weshalb auch Dr. K. - allerdings unter der Annahme einer Weiterführung der Psychotherapie - nachvollziehbar von einer täglichen Leistungsfähigkeit von sechs Stunden ausgegangen ist. Schon in der anschließenden gruppenpsychotherapeutischen Behandlung hat sich jedoch ein Konflikt ergeben, der die Klägerin zum Verlassen der Gruppe veranlasst hat, was - so überzeugend Dr. G. - auf dem Hintergrund der biographischen Bezüge, der Persönlichkeitsentwicklung und der traumatischen Vorerfahrungen mit der daraus folgenden Misstrauenshaltung durchaus schlüssig und nachvollziehbar ist. Der Senat geht deshalb vom Eintreten des Versicherungsfalls im Juli 2006 mit Beendigung der Kunst-Einzeltherapie aus. Ohne Fortführung dieser stützenden Einzeltherapie hat auch Dr. K. eine berufliche Eingliederung der Klägerin nicht für möglich gehalten.

Die Tatsache, dass die Klägerin ab 01.07.2007 zwei Stunden wöchentlich Putzarbeiten in einem Büro durchführt, steht der Leistungseinschätzung von Dr. K. und Dr. G. sowie der Zeitrentengewährung nicht entgegen, denn bei dieser Tätigkeit hat die Klägerin keinen Kontakt zu Arbeitskollegen, weil sie diese Arbeiten alleine verrichtet. Dies hat sie in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat glaubhaft geschildert. Die bei der Klägerin vorliegenden Probleme im Sozialverhalten mit Vermeidungstendenzen werden durch die Putzarbeit deshalb nicht berührt.

Bei dem Krankheitsbild der Klägerin handelt es sich um ein mittlerweile erheblich chronifiziertes Beschwerdebild, das - so Dr. G. - höchstens durch langfristig angelegte intensive therapeutische Maßnahmen, eventuell auch stationärer Art und traumaspezifischen Interventionen, über einen Zeitraum von einem Jahr gebessert werden könnte. Dementsprechend kommt der derzeitigen lediglich einmal monatlich stattfindenden Gesprächstherapie für die Entscheidung des Senats keine Bedeutung zu. Unter Berücksichtigung dessen und der Tatsache, dass derartige Kliniken Wartezeiten haben und nach einer einjährigen therapeutischen Maßnahme eine Verlängerung erforderlich sein könnte, hält der Senat eine Zeitrente bis zum 31.12.2009 für angebracht.

Weiter kann sich der Senat der Beurteilung von Dr. S. im Gutachten vom 29.04.2005 nicht anschließen bzw. hält sie nicht für ausreichend. Dr. S. hat eine selbstwertlabile, durchsetzungsgehemmte, aggressionsgehemmte Persönlichkeit sowie eine depressive Entwicklung bei inadäquat verarbeitetem Arbeitskonflikt auf ihrem Fachgebiet diagnostiziert. Damit ist die bei der Klägerin vorliegende Angststörung mit Panikattacken, die sich auch in den immer wieder erforderlich werdenden Koronarangiographien ausdrückt, überhaupt nicht erfasst.

Infolgedessen kann auch Dr. H. in ihrer Stellungnahme vom 23.08.2007 nicht gefolgt werden, die keinen gravierenden Unterschied zwischen der Befundung von Dr. G. und derjenigen von Dr. S. sieht.

Weiter kann sich der Senat der Argumentation von Dr. H. in der Stellungnahme vom 22.11.2007, sie finde eine objektive Begründung für die von Dr. G. angenommene quantitative Leistungseinschränkung insbesondere deshalb nicht, weil alle von ihm herangezogenen Begründungen für eine Leistungseinschränkung auf unter sechs Stunden aus den anamnestischen Angaben abgeleitet würden, nicht anschließen. Hierzu ist zu sagen, dass die anamnestischen Angaben durchaus zu einer gutachtlichen Beurteilung heranzuziehen sind und dass hierzu auch Dr. K. in seinem Gutachten vom 05.02.2006 angegeben hat, die Schilderungen der Klägerin seien durchaus verlässlich und in jeder Hinsicht glaubwürdig. Glaubwürdig seien auch die gegenwärtigen Probleme im Sozialverhalten und ihre Vermeidungstendenzen.

Es ist zwar einerseits richtig, dass der von der Klägerin geschilderte Tagesablauf relativ unauffällig ist, andererseits darf aber nicht übersehen werden, dass es ihr nicht möglich ist, in ihrem Wohnort in die Fußgängerzone zu gehen, mit anderen Menschen zu reden und außerdem erhebliche Schlafstörungen vorliegen. Insgesamt schildert die Klägerin glaubhaft ein Rückzugs- und Vermeidungsverhalten, wie es für Angststörungen typisch ist. In der Schilderung des Tagesablaufes wird die sozialphobische Komponente der Ängste der Klägerin gerade deutlich. Weiter weist Dr. H. zwar zu Recht darauf hin, dass in dem im Juni 2007 durchgeführten Streßechokardiogramm kein Ischämienachweis gefunden worden ist, hat dabei aber außer Acht gelassen, dass bei der Herzkatheteruntersuchung durch Dr. B. am 15.02.2007 eine 60%ige CX de novo-Stenose gefunden und therapeutisch eine CX-PTCA empfohlen worden ist.

Schließlich hat auch der behandelnde Nervenarzt Dr. B. (Stellungnahme vom 18.09.2006) im September 2006 eine sechsstündige tägliche Leistungsfähigkeit der Klägerin verneint.

Eine Minderung der quantitativen Leistungsfähigkeit auf unter sechs Stunden täglich hat nicht bereits seit Antragstellung im November 2004 vorgelegen. Am war 08.11.2004 als leistungsfähig für leichte bis mittelschwere Arbeiten vollschichtig aus der Reha-Klinik G. entlassen worden. Wie bereits dargelegt, geht der Senat mit Dr. K. davon aus, dass das Leistungsvermögen der Klägerin erst mit Wegfall der stützenden Einzel-Kunsttherapie im Juli 2006 auf ein rentenrechtlich bedeutsames Maß von unter sechs Stunden abgesunken ist. Auch Dr. G. hat in seiner ergänzenden gutachtlichen Stellungnahme vom 31.10.2007 an der ursprünglichen Einschätzung ("seit Antragsstellung") nicht festgehalten. Insoweit ist die Berufung daher zurückzuweisen.

Die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen sind erfüllt (vgl. den von der Beklagten vorgelegten Versicherungsverlauf).

Gemäß § 102 Abs. 2 Satz 1 und 2 SGB VI werden Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit auf Zeit geleistet. Die Befristung erfolgt für längstens drei Jahre nach Rentenbeginn. Befristete Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit werden nicht vor Beginn des siebten Kalendermonats nach dem Eintritt der Minderung der Erwerbsfähigkeit geleistet (§ 101 Abs. 1 SGB VI). Ausgehend vom Versicherungsfall im Juli 2006 beginnt die Rente somit am 01.02.2007 und endet - wie dargelegt - am 31.12.2009.

Bei dieser Sach- und Rechtslage ist das Urteil des Sozialgerichts abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, der Klägerin vom 01.02.2007 bis 31.12.2009 Rente wegen voller Erwerbsminderung auf Zeit zu gewähren. Im Übrigen ist die Berufung zurückzuweisen.

Hierauf und auf § 193 SGG beruht die Kostenentscheidung.

Die Revision ist nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 SGG nicht erfüllt sind.
Rechtskraft
Aus
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