L 6 AS 39/07

Land
Schleswig-Holstein
Sozialgericht
Schleswig-Holsteinisches LSG
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
6
1. Instanz
SG Schleswig (SHS)
Aktenzeichen
S 5 AS 565/05
Datum
2. Instanz
Schleswig-Holsteinisches LSG
Aktenzeichen
L 6 AS 39/07
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
1. Für einen alleinstehenden Hilfebedürftigen in Lübeck umfasst das soziale Um-feld im Sinne des BSG-Urteils vom 7. November 2006 – B 7b AS 10/06 R – das gesamte Stadtgebiet.

2. Die 6-Monats-Frist des § 22 Abs. 1 SGB II ist eine Regelhöchstfrist, die in aty-pischen Fällen abgekürzt werden kann.
Auf die Berufung des Klägers werden das Urteil des Sozialgerichts Schleswig vom 23. Mai 2007 und der Bescheid der Beklagten vom 20. Juni 2005 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 11. Juli 2005 geändert. Die Beklagte wird verurteilt, dem Kläger für Juli 2005 weitere Mietkosten in Höhe von 128,00 EUR zu zahlen. Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen. Die Beklagte trägt 1/5 der Kosten des Klägers für beide Rechtszüge. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten über die Höhe von Unterkunftsleistungen nach dem Sozialgesetzbuch, Zweites Buch (SGB II) für den Zeitraum vom 1. Juli 2005 bis 30. November 2005.

Der am 1951 geborene Kläger wohnte - ursprünglich gemeinsam mit seiner Mutter - in einer 1954 errichteten, 75,53 qm großen 2 2/2-Zimmerwohnung in L. Für die Wohnung waren Anfang 2005 eine Nettokaltmiete in Höhe von 390,04 Euro, Betriebsne¬benkosten in Höhe von 105,83 Euro und Heizungs- und Warmwasserkosten in Höhe von 125,00 Euro zu entrichten.

Mit Bescheid vom 25. November 2005 bewilligte die Beklagte dem Kläger zunächst Leistungen in Höhe von monatlich 561,73 Euro für den Zeitraum zwischen dem 1. Januar 2005 und dem 30. Juni 2005. Dabei erkannte sie die Hälfte der Gesamtaufwendungen für die Wohnung als Aufwendungen de Klägers für die Unterkunft an und berücksichtigte vom Einkommen der Mutter aus Altersrenten einen Betrag von 69,00 Euro als Einkommen des Klägers.

Am 25. Januar 2005 teilte der Kläger mit, dass sich seine Mutter inzwischen seit dem 19. Januar 2005 in einem Pflegeheim befinde, er beabsichtige aber, die Wohnung zu erhalten, da er seine Mutter nach Entlassung aus dem Pflegeheim zuhause weiter pflegen wolle. Mit Schreiben vom 27. Januar 2005 wies die Beklagte den Kläger darauf hin, dass die Wohnung für einen Einpersonenhaushalt unangemessen teuer sei; die Nettokaltmiete übersteige die als angemessen anzuerkennenden Aufwendungen von 262,00 Euro um 128,04 Euro. Die tatsächliche Miete könne daher grundsätzlich nur bis zum 30. Juni 2005 anerkannt werden. Am 28. Januar 2005 verstarb die Mutter des Klägers im Pflegeheim

Mit Bescheid vom 20. Juni 2005 bewilligte die Beklagte dem Kläger Leistungen in Höhe von 756,01 Euro monatlich für den Zeitraum zwischen dem 1. Juli 2005 und dem 30. November 2005. Dabei berücksichtigte sie nur noch die für angemessen erachtete Nettokaltmiete in Höhe von 262,00 Euro.

Dagegen legte der Kläger am 5. Juli 2005 Widerspruch ein. Zur Begründung wies er darauf hin, dass die Mietobergrenzen falsch bemessen seien. Auch habe die Beklagte bei ihrer Entscheidung außer Acht gelassen, dass er die Wohnung bereits seit über 40 Jahren bewohne. Schon deshalb könne ihm ein Auszug nicht zugemutet werden.

Den Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 11. Juli 2005 als unbe¬gründet zurück. Die Beklagte führte im Wesentlichen aus: Die Mietobergrenze orientiere sich an dem am 26. August 2004 von der Bürgerschaft beschlossenen Mietspiegel und sei nicht zu beanstanden. Dass der Kläger bereits über 40 Jahre in der Wohnung lebe, begründe über die ihm eingeräumte Übergangsfrist hinaus keinen weiteren Bestandsschutz.

Hiergegen hat der Kläger am 29. Juli 2005 Klage vor dem Sozialgericht Schleswig erhoben.

Zur Begründung hat der Kläger sein bisheriges Vorbringen vertieft: Zum einen müsse berücksichtigt werden, dass die nach der Bezugsfertigkeit der Wohnungen ge¬staffelte Mietobergrenze der Beklagten vom Mietspiegel insbesondere insoweit nicht gedeckt sei, als es um die seit 1969 erstmals bezugsfertig gewordenen Wohnungen gehe. Zum anderen liege wegen der langen Mietbezugs¬dauer der aktuellen Wohnung sein soziales Umfeld im Stadtteil St. J., weshalb er sich nicht auf Wohnungen verweisen lassen müsse, die sich außerhalb dieses Stadtteils der Hansestadt L befänden.

Der Kläger hat beantragt,

die Beklagte in Abänderung des Bescheids vom 20. Juni 2005 und des Wider¬spruchsbescheids vom 11. Juli 2005 zu verurteilen, ihm Leistungen für die Unterkunft in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen zu gewähren.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat sich auf ihr bisheriges Vorbringen bezogen.

Nach mündlicher Verhandlung am 23. Mai 2007 hat das Sozialgericht am gleichen Tag die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt: Der Kläger habe keinen Anspruch auf höhere Leistungen, insbesondere stünden ihm Leistungen für die Unterkunft in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen nicht zu. Der Kläger könne die Übernahme der tatsächlichen Aufwendungen zunächst nicht nach § 22 Abs. 1 Satz 1 Sozialgesetzbuch Zweites Buch – SGB II - beanspruchen. Danach würden Leistungen für Unterkunft und Heizung in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen nur er¬bracht, soweit diese angemessen seien. Der Begriff der Ange¬messenheit bedürfe als unbestimmter Rechtsbegriff der Konkretisierung. Vergleichsmaßstab für die Bestimmung der Angemessenheit seien dabei diejenigen Wohnungen, auf die auch Bezieher unterer Einkommen knapp ober¬halb des Sozialhilfe- bzw. Grundsicherungsniveaus ihre Anmietbemühungen in erster Linie erstreckten und die in der Regel erhebliche Anstrengungen unternähmen, Wohnungen im unteren Preissegment anzu¬mieten. Nach der höchstrichterlich anerkannten Produkttheorie (vgl. BSG, Urteil vom 7. November 2006 – B 7b AS 18/06 R - FEVS 58, 271), komme es grundsätzlich auf das Produkt aus angemessener Wohnfläche einerseits und angemessenem Quadratmeterpreis andererseits an. Die Wohnung des Klägers sei mit ihren 75,53 qm für einen Einperso¬nenhaushalt erheblich zu groß; sie sei mit einer Nettokaltmiete von monatlich 390,04 EUR auch un¬angemessen teuer, weil sie das Produkt aus angemessener Wohnfläche und angemesse¬nem Nettoquadratmeterpreis in Höhe von (50 qm x 5,03 EUR/qm =) 251,50 EUR erheblich (um mehr als 50 %) überschreite. Für die Bestimmung des ange¬messenen Mietzinses sei dabei zunächst in Übereinstimmung von den Höchstwerten der landesrechtlichen Ausführungsbestimmun¬gen zum Wohnraumförderungsgesetz auszugehen (BSG, a.a.O.). Gemäß Ziffer 8.5.1. der Verwaltungsvorschrift zur Sicherung der Bindungen in der sozialen Wohnraumförderung nach dem Wohnungsbindungsgesetz und dem Wohnraumförderungsgesetz (VwV-SozWo 2004) vom 17. Juni 2004 (Amtsbl. Sch.-H. S. 548) sei danach in Schleswig-Holstein für Ein¬personen-Haushalte eine Wohnungsgröße bis zu 50 qm angemessen. Hinsichtlich des ange¬messenen Quadratmeterpreises könne nach höchstrichterlicher Rechtsprechung - soweit vorhanden - auf Mietspiegel jedenfalls insoweit zurückgegriffen werden, als diese aktuell und keine sonstigen Anzeichen dafür ersichtlich seien, dass sie den örtlichen Wohnungsmarkt nicht verlässlich wiedergäben. Der Mietspiegel der Hansestadt L weise indes zum Stichtag 1. April 2004 bezogen auf Wohnungen der Größe zwischen 40 und 65 qm für mittlere Wohnlagen bezogen auf die zwischen 1949 und 1957 bezugsfertig gewordenen Wohnun¬gen, zu denen dem Grunde nach auch die 1954 errichtete Wohnung des Klägers gehöre, einen durchschnittlichen Nettokaltmietzins von 5,03 EUR/qm aus. Zweifel daran, dass dieser Wert bezogen auf das gesamte Stadtgebiet die tatsächlichen Gegebenheiten zutreffend wie¬dergebe, habe die Kammer nicht. Zu berücksichtigen sei insbesondere, dass die Wohnung des Klägers im bevorzugten Stadtteil St. J. ebenfalls nur 5,16 EUR/qm koste. Dieser Betrag wiederum liege noch deutlich innerhalb der von der Beklag¬ten anerkannten, am Mietspiegel orientierten Mietobergrenze von 5,24 EUR/qm (262,00 EUR / 50 qm). Die Unangemessenheit der Unterkunftsaufwendungen stehe auch nicht deshalb in Zweifel, weil der Mietspiegel repräsentativ nur für den Wohnungsmarkt im gesamten Stadtgebiet sei und nicht auch für den Wohnungsmarkt im Stadtteil St. J. Zwar sei es grundsätzlich geboten, dem Hilfesuchenden sein sozia¬les Umfeld zu erhalten (vgl. insbesondere BSG, Urteil vom 7. November 2006 – B 7b AS 10/06 R - FEVS 58, 248). Ein Umzug in einen anderen Wohnort, der mit einer Aufgabe des sozialen Umfeldes verbunden wäre, könne im Regelfall nicht verlangt werden. Nach Überzeugung der Kammer stelle das gesamte Stadtgebiet der Hansestadt L und nicht nur der Stadtteil St. J. das soziale Umfeld des Klägers dar, innerhalb dessen ihm ein Umzug ohne Weiteres zuzumuten sei. Besondere, in der Person des Klägers liegende Umstän¬de rechtfertigten einen engeren Zuschnitt des relevanten Referenzgebiets nicht. Danach stünden dem Kläger keine weiteren als die ihm seitens der Beklagten be¬willigten Leistungen in Höhe von 262,00 Euro zzgl. Betriebsnebenkosten zu. Dabei sei auch zu berücksichtigen, dass die Mietobergrenze der Beklagten mit 262,00 Euro für den relevanten Wohnungsbestand bereits oberhalb der sich nach der Produkttheorie rechnerisch ergebenden Angemessenheitsgrenze liege. Dem Kläger stünden für den streitgegenständlichen Zeitraum auch nicht Leistungen für die Unterkunft in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen nach § 22 Abs. 1 Satz 2 SGB II in der bis zum Inkrafttreten des Gesetzes zur Fortentwicklung der Grundsicherung für Arbeitsu¬chende vom 20. Juli 2006 (BGBI. I S. 1706) am 1. August 2006 geltenden Fassung (a.F.) zu. Die Voraussetzungen des § 22 Abs. 1 Satz 2 SGB II a.F. seien bezogen auf den Zeitraum zwischen dem 1. Juli 2005 und dem 31. Juli 2005 nicht schon deshalb erfüllt, weil der Kläger erst mit Schreiben vom 27. Januar 2005 über die Unangemessenheit der Unter¬kunftskosten aufgeklärt und zur Kostensenkung aufgefordert worden sei und weil seit diesem Zeitpunkt noch keine sechs Monate verstrichen gewesen seien. Die Frist des § 22 Abs. 1 Satz 2 SGB II a.F. stelle keine Überlegungsfrist dar, die regelmäßig im Umfang von sechs Mona¬ten ausgeschöpft werden könne. § 22 Abs. 1 Satz 2 SGB II a.F. spreche vielmehr von einer Regelhöchstfrist. Vor diesem Hintergrund könne eine Gewährung lediglich angemessener Unterkunftsleistungen vor Ablauf von sechs Monaten insbesondere dann in Betracht kommen, wenn die tatsächlichen Unterkunftsleistungen die angemes¬senen Unterkunftskosten erweislich überschritten, der Hilfesuchende auf die Unangemessenheit der Unterkunftskosten hingewiesen worden sei und keine ernsthaften Bemühungen unternommen habe, seine Unterkunftsaufwendungen zu senken (vgl. schon SG Schleswig, Beschluss vom 2. Mai 2005 – S 5 AS 145/05 ER -). Eine solche Situation liege hier vor. Der Kläger, der die wesentlich zu teure Wohnung nach wie vor bewohne, habe bis heute keine erstzunehmenden Bemühungen entfaltet, kostengünstigeren Wohnraum anzumieten. Sein Bestreben sei vielmehr im Wesentlichen darauf gerichtet, in der zurzeit bewohnten Wohnung zu bleiben. In einer solchen Situation bedürfe es der vollständigen Ausschöpfung der Sechsmonatsfrist nicht. Die Sechsmonatsfrist sei auch durch das Schreiben der Beklagten vom 27. Januar 2005 ausgelöst worden. Denn die Kostensenkungsaufforderung der Beklagten sei hinsichtlich der Angemessenheitsgrenze richtig und vollständig gewesen. Dies ergebe sich bereits dar¬aus, dass die seitens der Beklagten als angemessen anerkannten Aufwendungen ¬zum Teil deutlich oberhalb der nach der Produkttheorie errechneten Angemessenheits¬grenze lägen, was den Wohnungsmarkt in den Segmenten der bis 1918, zwischen 1918 und 1948 sowie zwischen 1949 und 1957 errichteten Wohnungen anbelange. Der Kläger, der in einer 1954 errichteten Wohnung wohne, müsse seine Suche auf den tendenziell günstigeren Altbaubestand beschränken, für den die Beklagte die Ange¬messenheitsgrenze rechtsfehlerfrei festgestellt habe.

Gegen das dem Kläger am 25. Juli 2007 zugestellte Urteil richtet sich seine Berufung vom 21. August 2007. Zur Begründung weist der Kläger darauf hin, dass er sich ernsthaft um einen Umzug in eine kostengünstigere Wohnung bemühe. Ein Umzug in eine Wohnung in seiner Nähe im Rahmen der Mietobergrenze sei aber daran gescheitert, dass die Beklagte ihm nur die Miete für ein Transportfahrzeug sowie die Anschaffung einer Sackkarre genehmigt habe. Aufgrund seines Gesundheitszustandes könne er den Umzug nicht durchführen. Wegen dieser Frage laufe ein Rechtsstreit beim Sozialgericht Schleswig (S 1 AS 240/06). Zudem sei er durch das Schreiben vom 27. Januar 2005 nicht über die Höhe der angemessenen Aufwendungen bei der Übernahme der Unterkunftskosten aufgeklärt worden. Auch sei er nicht darüber informiert worden, dass die in dem Schreiben genannten Mietobergrenzen nicht für preisgebundenen Wohnraum gelten würden und dass die Beklagte die Miete für Sozialwohnungen grundsätzlich als angemessen ansehe. Auch seien seine sozialen Bindungen zu seinem gegenwärtigen Wohnort im Stadtteil St. J. nicht berücksichtigt worden, in dem er seit über 40 Jahren lebe und umfangreiche Bindungen zu Menschen habe, die in seiner Nähe lebten oder arbeiteten. Seine 94 Jahre alte blinde und pflegebedürftige Tante besuche er im Pflegeheim fast täglich im Pflegeheim. Bei einem Umzug in einen entfernt liegenden Stadtteil müsse er öffentliche Verkehrsmittel benutzen. Dann könne er seine Tante nur fünfmal im Monat besuchen. Der Kläger beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Schleswig vom 23. Mai 2007 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm für die Zeit vom 1. Juli 2005 bis 30. November 2005 Leistungen für Unterkunft und Heizung in tatsächlicher Höhe zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Beklagte verweist auf das angefochtene Urteil des Sozialgerichts Schleswig. Es sei von keinem Bemühen des Klägers auszugehen, einen angemessen großen Wohnraum zu beziehen. Von Seiten der Beklagten sei der Kläger nicht aufgefordert worden, sich eine Unterkunft außerhalb des Stadtteils St. J. zu suchen.

Die den Kläger betreffenden Akten sowie die Gerichtsakten liegen vor. Wegen der weiteren Einzelheiten wird hierauf verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung ist nur zum Teil begründet.

Der Kläger hat für Juli 2005 Anspruch auf weitere Mietkosten in Höhe von 128,00 EUR. Insofern ist auf die Berufung des Klägers das Urteil des Sozialgerichts Schleswig vom 23. Mai 2007 abzuändern. Im Übrigen ist die Berufung zurückzuweisen, denn der Kläger hat darüber hinaus keinen Anspruch auf Gewährung der tatsächlichen Nettokaltmiete.

Streitgegenständlich ist allein der Bescheid vom 20. Juli 2005 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 11. Juli 2005, mit welchem die Beklagte dem Kläger für die Zeit vom 1. Juli 2005 bis 30. November 2005 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts unter Berücksichtigung einer für angemessen erachteten Nettokaltmiete von 262,00 EUR gegenüber der vom Kläger begehrten tatsächlichen Nettokaltmiete von 390,04 EUR gewährte. Eine Entscheidung über diesen Bewilligungszeitraum hinaus kommt wegen der besonderen Umstände der Leistungsgewährung nach dem SGB II auch unter dem Gesichtspunkt von § 96 Sozialgerichtsgesetz (SGG) nicht in Betracht (ständige Rechtsprechung des Bundessozialgerichts [BSG], vgl. Urteil vom 31. Oktober 2007 - B 14 AS 30/07 R -).

Das Sozialgericht Schleswig hat im angefochtenen Urteil auf der Grundlage des insoweit einschlägigen § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II ausführlich und zutreffend dargelegt, dass die Aufwendungen für die vom Kläger bewohnte Wohnung abstrakt und konkret unangemessen sind. Der Kläger hat im Berufungsverfahren auch keine Gründe vorgebracht, die eine andere Sichtweise rechtfertigen könnten. Zur Vermeidung von Wiederholungen bezieht sich der Senat daher auf die Ausführungen im Urteil und macht sich diese ausdrücklich zu eigen, § 153 Abs. 2 SGG.

Die befristete Bestandsschutzregelung gemäß § 22 Abs. 1 Satz 2 SGB II in der Fassung des Gesetzes vom 24. Dezember 2003 (BGBl. I S. 2954) gewährt in der Regel auf längstens sechs Monate eine befristete Übernahme der unangemessenen Aufwendungen und enthält zugleich die Obliegenheit zu deren Senkung, soweit dies dem Hilfebedürftigen oder der Bedarfsgemeinschaft zumutbar ist.

Dem Kläger waren umgehende und von ihm nachzuweisende Kostensenkungsbemühungen vorliegend zumutbar. Die Zumutbarkeit umgehender und nachzuweisender Kostensenkungsbemühungen ist in der Regel anzunehmen. Allein die vom Gefühl bestimmte Bindung an eine Unterkunft nach jahrzehnte¬lan¬ger Nutzung stellt keinen Grund dar, die Zumutbarkeit eines Umzuges zu verneinen. Nur vom Durchschnitt abweichende besondere Belastungssituationen oder besondere Umstände sind in die Zumutbarkeitsbetrachtung mit einzubeziehen (vgl. Münder, Sozialgesetzbuch II, Lehr- und Praxiskommentar 2. Aufl., § 22 Anm. 59). Danach ist auch die Betreuung der 94 Jahre alten Tante, die in einem Pflegeheim untergebracht und versorgt wird, und die der Kläger ggf. nicht mehr zu Fuß von seiner Wohnung aus besuchen könnte, kein die Zumutbarkeit ausschließender Grund. Soweit der Kläger vorträgt, dass ihm ein Umzug wegen seiner gesundheitlichen Einschränkungen nicht zumutbar wäre, ist darauf hinzuweisen, dass vom Kläger jedenfalls keine aktuelle schwere Erkrankung oder Behinderung vorgetragen wird, die die Zumutbarkeit eines Umzuges an sich ausschließt. Denn es geht nicht um ein Verbleiben in der Wohnung aus gesundheitlichen Gründen. Soweit der Kläger allerdings vorträgt, dass er wegen gesundheitlicher Störungen auch unter Berücksichtigung der Bewilligung der Kosten für die Beschaffung einer Sackkarre und eines Möbeltransporters einen Umzug nicht durchführen könnte, weil er Möbel und Umzugskartons nicht selber tragen könnte, ist dies vom Kläger durch entsprechendes Attest nachzuweisen. Über diese Frage ist in dem vor dem Sozialgericht Schleswig anhängigen Verfahren zu entscheiden. (S 1 AS 240/06).

Der Kläger ist mit Schreiben vom 27. Januar 2005 über die Unangemessenheit der Unterkunftskosten auch aufgeklärt und entsprechend zur Kostensenkung aufgefordert worden. Beigefügt war diesem Schreiben eine Tabelle über die baujahrbezogenen Mietobergrenzen. Der Kläger, der dieses Schreiben nach seinen Bekundungen gegenüber dem Senat auch erhalten hat, war damit hinreichend informiert. Dass das Schreiben darüber hinaus keinen Hinweis zu den Mietobergrenzen für Sozialwohnungen enthielt, ändert daran nichts. Denn die Kostensenkungsaufforderung unterliegt keinen gesetzlich normierten Voraussetzungen. Der Hinweis über die unangemessenen Mietkosten hat vielmehr allein Aufklärungs- und Warnfunktion, damit der Hilfebedürftige Klarheit über die aus Sicht des Leistungsträgers angemessenen Aufwendungen für die Unterkunft und ggf. die Heizung und einen Hinweis auf die Rechtslage erhält (vgl. BSG vom 7. November 2006 - B 7b AS 10/06 R -). Unter diesem Blickwinkel genügt regelmäßig die Angabe des angemessenen Mietpreises, der hier erfolgt ist. Zudem ist zu bedenken, dass nach § 22 Abs. 2 SGB II sich der Leistungsempfänger ohne dies zwecks Zusicherung an den Leistungsträger wenden soll, bevor er einen Vertrag über eine neue Unterkunft abschließt. Für den Kläger hätte damit jederzeit die Möglichkeit bestanden, ggf. bei der Beklagten entsprechend nachzufragen.

Die nach dem Gesetz befristete Übernahme unangemessener Aufwendungen beträgt in der Regel längstens sechs Monate. Bei dieser Frist handelt es sich um eine Regelhöchstfrist und keine strikte Such- und Überlegungsfrist, die der Hilfeempfänger beliebig ausschöpfen könnte (vgl. Münder, a.a.O., Anm. 61). In atypischen Fällen kann damit auch eine kürzere Frist festgelegt oder u.U. die Frist auch verlängert werden (vgl. Riepen¬stock in jurisPK-SGB II,2. Aufl. 2007, § 22 Anm. 84). Im vorliegenden Fall sind indes keine Gründe ersichtlich, weshalb von der Regelhöchstfrist abzuweichen wäre. Der Kläger hat einen Umzug in eine kostengünstigere Wohnung in dem hier streitigen Zeitraum beabsichtigt. Dieser scheiterte aber aus den Gründen, die dem noch anhängigen Rechtsstreit beim Sozialgericht zugrunde liegen (s.o.). Der Senat vermochte angesichts dessen nicht davon auszugehen, dass der Kläger keinerlei Bemühungen zur Kostensenkung unternommen hat, die eine Reduzierung der Regelhöchstfrist hier rechtfertigen könnten. Gleichwohl hat die Beklagte ab dem 1. Juli 2005 und damit bereits nach fünf Monaten nur noch die angemessenen Unterkunftskosten übernommen. Insofern ist der angefochtene Bescheid vom 20. Juni 2005 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 11. Juli 2005 rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten.

Dem Kläger steht damit die Differenz zwischen den angemessenen Mietkosten in Höhe von 262,00 EUR und der Nettokaltmiete in Höhe von 390,04 EUR zu. Dieser Differenzbetrag in Höhe von 128,04 EUR ist gemäß § 41 Abs. 2 SGB II auf 128,00 EUR abzurunden. Die Gewährung weiterer Aufwendungen der Unterkunft in Form von Heizkosten oder Nebenkosten kommt dagegen nicht in Betracht, da diese zwischen den Beteiligten nicht im Streit stehen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und berücksichtigt das teilweise Obsiegen des Klägers.

Gründe für die Zulassung der Revision nach § 160 Abs. 2 SGG sind nicht ersichtlich.
Rechtskraft
Aus
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