S 119 AS 16141/07 ER

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
SG Berlin (BRB)
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
119
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 119 AS 16141/07 ER
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung wird zurückgewiesen. Die Beteiligten haben einander außergerichtliche Kosten nicht zu erstatten.

Gründe:

Der am 18. Juli 2007 bei Gericht eingegangene Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung, mit dem der Antragsteller unter Bezugnahme auf den Ablehnungsbescheid des Antragsgegners vom 20. Juli 2007 sinngemäß beantragt,

den Antragsgegner zu verpflichten, ihm ein Darlehen in Höhe von 500,- EUR für eine Anzahlung im Rahmen einer zahnärztlichen Heilbehandlung zu gewähren,

ist nach § 86 b Abs. 2 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthaft und zulässig, aber unbegründet.

Nach § 86 b Abs. 2 Satz 2 SGG sind einstweilige Anordnungen in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint. Dies setzt neben einer besonderen Eilbedürftigkeit der Regelung (Anordnungsgrund) einen Anspruch der Antragstellerin auf die begehrte Regelung (Anordnungsanspruch) voraus. Anordnungsgrund und Anordnungsanspruch sind glaubhaft zu machen (§ 86 b Abs. 2 Satz 4 SGG i.V.m. § 920 Abs. 2 Zivilprozessordnung – ZPO -).

Bei seiner Entscheidung kann das Gericht grundsätzlich sowohl eine Folgenabwägung vornehmen wie auch eine summarische Prüfung der Erfolgsaussichten in der Hauptsache anstellen. Drohen aber ohne die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes schwere und unzumutbare, anders nicht abwendbare Beeinträchtigungen, die durch das Hauptsacheverfahren nicht mehr zu beseitigen wären, dann dürfen sich die Gerichte nur an den Erfolgsaussichten orientieren, wenn die Sach- und Rechtslage abschließend geklärt ist. Ist dem Gericht dagegen eine vollständige Aufklärung der Sach- und Rechtslage im Eilverfahren nicht möglich, so ist allein anhand einer Folgenabwägung zu entscheiden (BVerfG, Beschluss vom 12. Mai 2005 – 1 BvR 596/05 -).

Unter Beachtung dieser Grundsätze ist vorliegend eine einstweilige Anordnung nicht zu erlassen.

Es fehlt an der Glaubhaftmachung eines Anordnungsanspruchs.

Die Gewährung einer Sonderregelleistung nach § 23 Abs. 1 Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II) in Form eines Darlehens kommt nicht in Betracht, da kein unabweisbarer Bedarf im Sinne der Vorschrift vorliegt.

Nach § 23 Abs. 1 Satz 1 SGB II kann ein Darlehen nur gewährt werden, wenn im Einzelfall ein von den Regelleistungen umfasster und nach den Umständen unabweisbarer Bedarf zur Sicherung des Lebensunterhalts weder durch das Vermögen nach § 12 Abs. 2 Nr. 4 noch auf andere Weise gedeckt werden kann.

Nach der Sach- und Rechtslage erscheint bereits zweifelhaft, ob es sich bei den Kosten des Zahnersatzes um einen von der Regelleistung umfassten Bedarf handelt. Das Landessozialgericht Berlin-Brandenburg hat insoweit in einem Beschluss vom 13. Februar 2007 (L 10 B 102/07 AS PKH, veröffentlicht in www.sozialgerichtsbarkeit.de) ausgeführt: "Denn anders als bei der Verordnung einer medizinisch notwendigen Sehhilfe (Brille), die von der gesetzlichen Krankenversicherung - bis auf wenige Ausnahmefälle (vgl. § 33 Abs. 1 Sätze 5 bis 7 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch – SGB V -) – grundsätzlich nicht mehr finanziert wird und daher dem von der Regelleistung umfassten Bedarf zuzuordnen ist, sieht das Leistungsrecht der gesetzlichen Krankenversicherung für Zahnersatz eine "Vollversorgung" für Leistungsempfänger nach dem SGB II in § 55 SGB V in der seit dem 01. Januar 2005 geltenden Fassung vor ( ). Nur wenn die Versicherte einen über die Regelversorgung hinausgehenden gleichartigen Zahnersatz wählt, hat sie die Mehrkosten gegenüber den in § 56 Abs. 2 Satz 10 aufgelisteten Leistungen selbst zu tragen (§ 55 Abs. 4 SGB V). Demzufolge werden die Kosten der Regelversorgung für medizinisch notwendigen Zahnersatz bei Arbeitslosengeld II – Empfängern, die nach § 5 Abs. 1 Zif. 2 a SGB V in der gesetzlichen Krankenversicherung pflichtversichert sind, von der Krankenkasse in vollem Umfang übernommen."

Im vorliegenden Fall hat sich die Krankenkasse des Antragstellers ausweislich der Bescheinigung vom 10. August 2007 im Rahmen der Härtefallregelung bereit erklärt, die im Heil- und Kostenplan ausgewiesenen Kosten für die Regelversorgung des Antragstellers mit Zahnersatz vollständig zu übernehmen. Kosten kommen insoweit auf den Antragsteller nicht zu.

Soweit der Antragsteller nunmehr eine höherwertige Versorgung anstrebt und mit seiner behandelnden Zahnärztin eine entsprechende Vereinbarung abschließen möchte, die für ihn mit Zusatzkosten in Höhe von 1.500,- EUR verbunden ist, vermag das Gericht keine Verpflichtung des Antragsgegners erkennen, für die insoweit zu leistende Anzahlung in Höhe von 500,- EUR ein Darlehen gemäß § 23 Abs. 1 SGB II zu gewähren. Auch wenn hinsichtlich der Zusatzvereinbarung möglicherweise ein von der Regelleistung umfasster Bedarf vorliegt, ist jedenfalls nicht ersichtlich, dass dieser Bedarf unabweisbar ist. Ein unabweisbarer Bedarf im Sinne des § 23 Abs. 1 Satz 1 SGB II liegt dann vor, wenn die Abdeckung des fraglichen Bedarfs keinen Aufschub duldet und eine erhebliche Beeinträchtigung des Bedarfs vorliegt, die auch nicht durch Mittelumschichtung innerhalb der Regelleistung beseitigt oder aufgefangen werden kann ( LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss v. 28.08.2006 – L 19 B 316/06 AS ER - unter Hinweis auf Eicher/Spellbrink, Kommentar zum SGB II, § 23 Rz. 26 ff.). Eine schlichte Bedarfsunterdeckung hat nicht bereits die Unabweisbarkeit des Bedarfs zur Folge. Unabweisbarkeit liegt auch noch nicht dann vor, wenn ein nach § 20 SGB II an sich notwendiger Bedarf nicht befriedigt werden kann (Eicher/Spellbrink, a.a.O.). Der Hilfebedürftige hat das Vorliegen eines solchen Mehrbedarfs nachzuweisen.

Dies ist dem Antragsteller nicht gelungen. Zwar spricht die vorgelegte Bescheinigung der behandelnden Zahnärztin K B vom 14. August 2007 dafür, dass ein Bedarf des Antragstellers an der Versorgung mit höherwertigem Zahnersatz vorliegt, der als notwendig angesehen werden kann. Auch aus dem telefonischen Vortrag des Antragstellers (vgl. den Vermerk Bl. 18 R der Gerichtsakte) ergibt sich durchaus nachvollziehbar, dass einem höherwertigen Zahnersatz nicht zuletzt aus ästhetischen Gründen in seinem Fall der Vorzug zu geben ist. Ein notwendiger Bedarf ist jedoch nicht einem unabweisbaren Bedarf gleichzusetzen. Der Antragsteller hat insoweit nicht darlegen können, dass medizinisch zwingende Gründe bestehen, aus denen in seinem Fall eine andere Versorgung als die krankenversicherungsrechtlich vorgesehene Regelversorgung notwendig ist bzw. dass – sollte ein solcher Fall vorliegen – die Krankenkasse nach Prüfung die Übernahme der zusätzlich anfallenden Kosten endgültig abgelehnt hat. Er ist von daher darauf zu verweisen, die von der Krankenkasse finanzierte Heilbehandlung durchführen zu lassen, auch wenn sich dadurch aus seiner Sicht weder ein in medizinischer noch in ästhetischer Hinsicht befriedigendes Ergebnis erzielen lässt.

Die darüber hinaus im Schriftsatz vom 18. Juli 2007 gestellten Anträge des Antragstellers, ihm die Durchwahlnummern und e-mail-Adressen der Mitarbeiter des Antragsgegners offenzulegen und ihm einen "monetären Nachteilsausgleich" für die Aufwendungen für sein Fahrzeug zu gewähren, waren bereits deshalb zurückzuweisen, weil insoweit keine Eilbedürftigkeit der begehrten Regelungen festgestellt werden konnte.

Die Kostenentscheidung folgt aus einer entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.
Rechtskraft
Aus
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