Land
Freistaat Sachsen
Sozialgericht
SG Dresden (FSS)
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
5
1. Instanz
SG Dresden (FSS)
Aktenzeichen
S 5 AS 990/08 ER
Datum
2. Instanz
Sächsisches LSG
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Bemerkung
Zur Einkommensberechnung bei selbständiger Tätigkeit nach § 3 Alg II-V in
der Fassung vom 17.12.2007
der Fassung vom 17.12.2007
I. Der Antrag wird abgelehnt. II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten
Gründe:
I.
Die Antragsteller begehren erneut im Wege der einstweiligen Anordnung den Antragsgegner zu verpflichten, ihnen ab Antragstellung Leistungen der Grundsicherung nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) unter Anrechung eines Erwerbseinkommens der Antragstellerin zu 1. aus selbstständiger Tätigkeit in Höhe von 495,24 EUR monatlich vor Einkommensbereinigung zu gewähren.
Bei den Antragstellern handelt es sich um eine Bedarfsgemeinschaft im Sinne des § 7 Abs. 3 SGB II. Die Antragstellerin zu 1. ist Inhaberin eines Sonnenstudios und erzielt insoweit Einkommen aus selbstständiger Tätigkeit.
Die Antragsteller erhalten seit einem Erstantrag im Januar 2005 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II. Mit Bescheid vom 21.6.2007 wurden ihnen für den Zeitraum vom 1.7.2007 bis 31.1.2008 Leistungen in Höhe von 1.125,44 EUR gewährt. Mit Bescheid vom 23.7.2007 wurde dann der Leistungsanspruch für den Zeitraum 1.8.2007 bis zum 31.1.2008 dahingehend abgeändert, dass noch lediglich 369,53 EUR gezahlt wurden. Hierbei wurde ein Einkommen der Antragstellerin zu 1. in Höhe von 1.061,91 EUR berücksichtigt. Dem legte der Antragsgegner den in der betriebswirtschaftlichen Auswertung vom 31.5.2007 ausgewiesenen Gewinn in Höhe von 4.467,25 EUR zugrunde und addierte dann die Kosten für Werbung, Repräsentation, Aufmerksamkeiten in Höhe von 1.760,10 EUR sowie die als Betriebsausgaben geltend gemachten Zeitschriften und Bücher (135,15 EUR) hinzu. Zusätzlich wurden 10 % der geltend gemachten Kosten für Bürobedarf und Porto als Einkommen berücksichtigt, sodass sich ein bereinigtes Bruttoeinkommen in Höhe von 6.371,44 EUR ergab.
Mit weiteren Änderungsbescheiden vom 2.10.2007 stellte der Antragsgegner dann die Leistungen für den Zeitraum 1.12.2006 bis 30.6.2007 neu fest und forderte überzahlte Leistungen in Höhe von 434,96 EUR zurück. Zusätzlich wurde der Leistungsanspruch vom 1.7.2007 bis 31.1.2008 nochmals neu berechnet und für den Zeitraum ab 1.10.2007 lediglich Leistungen in Höhe von 438,54 EUR erbracht. Hierbei erfolgte eine monatliche Verrechnung in Höhe von 90,00 EUR mit der geltend gemachten Rückforderung.
Sämtliche von den Antragstellern erhobene Widersprüche wies der Antragsgegner mit Widerspruchsbescheid vom 1.11.2007 zurück und ging für die Zeit ab dem 1.10.2007 von einem berücksichtigungsfähigen Einkommen der Antragsteller zu 1. in Höhe von 985,23 EUR monatlich aus.
Hiergegen haben die Antragsteller Klage erhoben (S 5 AS 3545/07).
Bereits am 9.11.2007 hatten die Antragsteller einstweiligen Rechtsschutz begehrt und ihren Antrag damit begründet, dass der Antragsgegner nicht berechtigt sei, die von einem Steuerberater ermittelte betriebswirtschaftliche Auswertung nach eigenem Gutdünken abzuändern. Sämtliche Abschreibungen seien auch bei der Ermittlung des steuerrechtlichen Gewinns zu berücksichtigen. Mit Beschluss vom 26.11.2007 wurde dem Antrag stattgegeben (S 5 AS 3507/07 ER).
Mit Bescheid vom 12.02.2008 bewilligte der Antragsgegner den Antragstellern vorläufig Leistungen für den Zeitraum 01.02. – 31.07.2008 in Höhe von 642,25 Euro monatlich. Dabei wurde ein monatliches Einkommen der Antragstellerin zu 1. in Höhe von 753,75 Euro berücksichtigt, das der Antragsgegnerin ausgehend von einem Jahresgewinn von 5095,69 Euro durch Hinzurechnung von Werbungskosten in Höhe von 2310,20 Euro und Verspätungszuschlägen/Zwangsgeldern in Höhe von 28,50 Euro ermittelte.
Hiergegen erhoben die Antragsteller Widerspruch und begehrten am 29.02.2008 erneut einstweiligen Rechtsschutz. § 3 der Verordnung zur Berechnung von Einkommen sowie zur Nichtberücksichtigung von Einkommen und Vermögen beim Arbeitslosengeld II/Sozialgeld vom 17.12.2007 (Alg II-V), gültig ab 01.01.2008, sei unwirksam, da er gegen § 15 Sozialgesetzbuch IV (SGB IV) verstoße. Der Verordnungsgeber könne keinen eigenständigen Einkommensbegriff konstruieren. Außerdem werde zu Unrecht § 14 SGB IV angewandt, da Unterschiede zwischen dem Einkommen aus selbständiger Tätigkeit und aus abhängiger Erwerbstätigkeit nicht berücksichtigt würden.
Die Antragsteller beantragen daher,
den Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, ihnen vorläufig Leistungen nach dem SGB II unter Anrechnung eines Erwerbseinkommens der Antragstellerin zu 1. aus selbstständiger Tätigkeit in Höhe von 459,24 EUR zu gewähren.
Der Antragsgegner beantragt,
den Antrag abzulehnen.
Er argumentiert damit, dass sich der Gesetzgeber entschieden habe, im SGB II-Bereich die Einkommensberechnung abweichend zu § 15 SGB IV zu regeln. Dies verstoße nicht gegen höherrangiges Recht. Ob Kosten für Werbung /Repräsentation/Aufmerksamkeiten sowie die Betriebsausgaben für Zeitschriften und Bücher notwendig gewesen seien, ließe sich mangels Belegen nicht feststellen. In Ansatz gebrachte Ausgaben für Verspätungszuschläge und Zwangsgelder seien jedenfalls vermeidbar gewesen.
II.
Der Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz ist zulässig, jedoch nicht begründet. Die Voraussetzungen für den Erlass einer einstweiligen Anordnung liegen nicht vor.
Ist einstweiliger Rechtsschutz wieder durch die aufschiebende Wirkung eines Rechtsbehelfs gegen einen Verwaltungsakt noch die sofortige Vollziehung eines Verwaltungsaktes (§ 86 b Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz – SGG -) zu gewährleisten, kann nach § 86 b Abs. 2 Satz 1 SGG das Gericht auf Antrag eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustandes die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Nach Satz 2 der Vorschrift sind einstweilige Anordnungen auch zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis statthaft, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile notwendig erscheint. Bildet ein Leistungsbegehren des Antragstellers den Hintergrund für den begehrten einstweiligen Rechtsschutz, ist dieser grundsätzlich im Wege der Regelungsanordnung gemäß § 86 b Abs. 2 Satz 2 SGG zu gewähren. Danach muss die einstweilige Anordnung erforderlich sein um einen wesentlichen Nachteil für den Antragsteller abzuwenden. Ein solcher Nachteil ist nur anzunehmen, wenn einerseits dem Antragsteller gegenüber dem Antragsgegner ein materiell-rechtlicher Leistungsanspruch in der Hauptsache zumindest möglicherweise zusteht und es ihm andererseits nicht zuzumuten ist, die Entscheidung über den Anspruch in der Hauptsache abzuwarten. Das Abwarten einer Entscheidung in der Hauptsache darf nicht mit wesentlichen Nachteilen verbunden sein; d.h., es muss eine dringliche Notlage vorliegen, die eine sofortige Entscheidung erfordert. Eine solche Notlage ist vor allem bei einer Gefährdung der Existenz oder erheblichen wirtschaftlichen Nachteilen zu bejahen (Keller in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 8. Aufl., § 86 b RdNr. 28). Die Eilbedürftigkeit der erstrebten Regelung ist im Übrigen regelmäßig zu verneinen, soweit Ansprüche für die in diesem Zeitpunkt bereits abgelaufenen Zeiträume begehrt werden (vgl. z. B. Landessozialgericht Berlin-Brandenburg, Beschluss v. 2.2.2007 - L 26 B 107/07 AS ER -). Eine einstweilige Anordnung ist insoweit zur Abwendung wesentlicher Nachteile nicht geboten.
Insbesondere bei Ansprüchen, die darauf gerichtet sind, als Ausfluss der grundrechtlich geschützten Menschenwürde das soziokulturelle Existenzminimum zu sichern ist ein nur möglicherweise bestehender Anordnungsanspruch in der Regel vorläufig zu befriedigen, wenn sich die Sach- oder Rechtslage im Eilverfahren nicht vollständig klären lässt. Denn im Rahmen der gebotenen Folgeabwägung hat dann regelmäßig das Interesse des Leistungsträgers ungerechtfertigte Leistungen zu vermeiden gegenüber der Sicherstellung des ausschließlich gegenwärtig für den Antragsteller verwirklichbaren soziokulturellen Existenzminimums zurückzutreten (BVerfG, 3. Kammer des 1. Senates, Beschluss v. 12.5.2005 -1 BvR 569/05-).
Bei Berücksichtigung dieser Maßgaben kann offen bleiben, ob ein Anordnungsgrund vorliegt. Es fehlt bereits an einem Anordnungsanspruch.
Die Voraussetzungen für einen Anspruch der Antragsteller auf Arbeitslosengeld II liegen zwar grundsätzlich vor. Der Antragsgegner hat das bei der Bedürftigkeitsprüfung einzusetzende Einkommen gemäß § 11 Abs. 1 SGB II vor Abzug der Absetzungsbeträge nach § 11 Abs. 2 SGB II aber zutreffend berechnet. Rechtsgrundlage hierfür ist die Alg II–V in der Fassung vom 17.12.2007, die für den streitigen Bewilligungszeitraum zur Anwendung gelangt.
Das Einkommen der Antragstellerin zu 1. aus selbstständiger Tätigkeit ist gemäß § 11 Abs. 1 Satz 1 SGB II zu berücksichtigen. Näheres regelt § 3 Alg II-V, der im Unterschied zur Alg II-V vom 20.10.2004 jetzt bestimmt, dass bei der Berechnung des Einkommens aus selbständiger Arbeit von den Betriebseinnahmen auszugehen ist. Betriebseinnahmen sind alle aus selbständiger Arbeit, Gewerbebetrieb oder Land- und Forstwirtschaft erzielten Einnahmen, die im Bewilligungszeitraum tatsächlich zufließen (§ 3 Abs. 1 Satz 2 Alg II-V). Zur Berechnung des Einkommens sind von den Betriebseinnahmen die im Bewilligungszeitraum tatsächlich geleisteten notwendigen Ausgaben mit Ausnahme der nach § 11 Abs. 2 SGB II abzusetzenden Beträge ohne Rücksicht auf steuerrechtliche Vorschriften abzusetzen (§ 3 Abs. 2 Satz 1 Alg II-V). Daran hat sich der Antragsgegner gehalten und mit der Erzielung des Einkommens verbundene notwendige Ausgaben zu Recht unbeachtet gelassen. Die mit der Erzielung das Einkommens verbundenen notwendigen Ausgaben im Sinne von § 11 Abs. Ziffer 5 SGB II bleiben außen vor. Andere von den Betriebseinnahmen im Bewilligungszeitraum geleistete Ausgabe wurden nicht belegt.
§ 3 Alg II-V in der Fassung vom 17.12.2007 verstößt auch nicht gegen höherrangiges Recht und ist insbesondere von der Ermächtigungsgrundlage in § 13 SGB II gedeckt. Danach ist das Bundesministerium für Arbeit und Soziales ermächtigt, durch Rechtsverordnung unter anderem zu bestimmen, welche weiteren Einnahmen nicht als Einkommen zu berücksichtigen sind und wie das Einkommen im Einzelnen zu berechnen ist. Hieran hält sich die ergangene Rechtsverordnung (Alg II-V in der Fassung vom 17.12.2007), und regelt in § 3 (nur) die Berechnung des Einkommens, ohne den Einkommensbegriff des § 11 SGB II zu erweitern. Dass hierbei in Abweichung zu § 15 SGB IV für den Bereich des SGB II steuerrechtliche Regelungen nicht berücksichtigt werden, führt nicht zur Rechtswidrigkeit von § 3 Alg II-V. Nur die Vorschriften des sechsten Abschnitts des SGB IV gelten für die Grundsicherung für Arbeitssuchende, nicht aber die §§ 14 und 15 SGB IV (§ 1 Abs. 2 SGB IV).
Auf die Unterschiede zwischen §§ 14 und 15 SGB IV kommt es somit nicht an. Auch der Gleichbehandlungsgrundsatz ist nicht verletzt.
Dementsprechend war der Antrag abzulehnen.
Die Kostenentscheidung beruht auf einer analogen Anwendung des § 193 SGG.
-
Gründe:
I.
Die Antragsteller begehren erneut im Wege der einstweiligen Anordnung den Antragsgegner zu verpflichten, ihnen ab Antragstellung Leistungen der Grundsicherung nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) unter Anrechung eines Erwerbseinkommens der Antragstellerin zu 1. aus selbstständiger Tätigkeit in Höhe von 495,24 EUR monatlich vor Einkommensbereinigung zu gewähren.
Bei den Antragstellern handelt es sich um eine Bedarfsgemeinschaft im Sinne des § 7 Abs. 3 SGB II. Die Antragstellerin zu 1. ist Inhaberin eines Sonnenstudios und erzielt insoweit Einkommen aus selbstständiger Tätigkeit.
Die Antragsteller erhalten seit einem Erstantrag im Januar 2005 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II. Mit Bescheid vom 21.6.2007 wurden ihnen für den Zeitraum vom 1.7.2007 bis 31.1.2008 Leistungen in Höhe von 1.125,44 EUR gewährt. Mit Bescheid vom 23.7.2007 wurde dann der Leistungsanspruch für den Zeitraum 1.8.2007 bis zum 31.1.2008 dahingehend abgeändert, dass noch lediglich 369,53 EUR gezahlt wurden. Hierbei wurde ein Einkommen der Antragstellerin zu 1. in Höhe von 1.061,91 EUR berücksichtigt. Dem legte der Antragsgegner den in der betriebswirtschaftlichen Auswertung vom 31.5.2007 ausgewiesenen Gewinn in Höhe von 4.467,25 EUR zugrunde und addierte dann die Kosten für Werbung, Repräsentation, Aufmerksamkeiten in Höhe von 1.760,10 EUR sowie die als Betriebsausgaben geltend gemachten Zeitschriften und Bücher (135,15 EUR) hinzu. Zusätzlich wurden 10 % der geltend gemachten Kosten für Bürobedarf und Porto als Einkommen berücksichtigt, sodass sich ein bereinigtes Bruttoeinkommen in Höhe von 6.371,44 EUR ergab.
Mit weiteren Änderungsbescheiden vom 2.10.2007 stellte der Antragsgegner dann die Leistungen für den Zeitraum 1.12.2006 bis 30.6.2007 neu fest und forderte überzahlte Leistungen in Höhe von 434,96 EUR zurück. Zusätzlich wurde der Leistungsanspruch vom 1.7.2007 bis 31.1.2008 nochmals neu berechnet und für den Zeitraum ab 1.10.2007 lediglich Leistungen in Höhe von 438,54 EUR erbracht. Hierbei erfolgte eine monatliche Verrechnung in Höhe von 90,00 EUR mit der geltend gemachten Rückforderung.
Sämtliche von den Antragstellern erhobene Widersprüche wies der Antragsgegner mit Widerspruchsbescheid vom 1.11.2007 zurück und ging für die Zeit ab dem 1.10.2007 von einem berücksichtigungsfähigen Einkommen der Antragsteller zu 1. in Höhe von 985,23 EUR monatlich aus.
Hiergegen haben die Antragsteller Klage erhoben (S 5 AS 3545/07).
Bereits am 9.11.2007 hatten die Antragsteller einstweiligen Rechtsschutz begehrt und ihren Antrag damit begründet, dass der Antragsgegner nicht berechtigt sei, die von einem Steuerberater ermittelte betriebswirtschaftliche Auswertung nach eigenem Gutdünken abzuändern. Sämtliche Abschreibungen seien auch bei der Ermittlung des steuerrechtlichen Gewinns zu berücksichtigen. Mit Beschluss vom 26.11.2007 wurde dem Antrag stattgegeben (S 5 AS 3507/07 ER).
Mit Bescheid vom 12.02.2008 bewilligte der Antragsgegner den Antragstellern vorläufig Leistungen für den Zeitraum 01.02. – 31.07.2008 in Höhe von 642,25 Euro monatlich. Dabei wurde ein monatliches Einkommen der Antragstellerin zu 1. in Höhe von 753,75 Euro berücksichtigt, das der Antragsgegnerin ausgehend von einem Jahresgewinn von 5095,69 Euro durch Hinzurechnung von Werbungskosten in Höhe von 2310,20 Euro und Verspätungszuschlägen/Zwangsgeldern in Höhe von 28,50 Euro ermittelte.
Hiergegen erhoben die Antragsteller Widerspruch und begehrten am 29.02.2008 erneut einstweiligen Rechtsschutz. § 3 der Verordnung zur Berechnung von Einkommen sowie zur Nichtberücksichtigung von Einkommen und Vermögen beim Arbeitslosengeld II/Sozialgeld vom 17.12.2007 (Alg II-V), gültig ab 01.01.2008, sei unwirksam, da er gegen § 15 Sozialgesetzbuch IV (SGB IV) verstoße. Der Verordnungsgeber könne keinen eigenständigen Einkommensbegriff konstruieren. Außerdem werde zu Unrecht § 14 SGB IV angewandt, da Unterschiede zwischen dem Einkommen aus selbständiger Tätigkeit und aus abhängiger Erwerbstätigkeit nicht berücksichtigt würden.
Die Antragsteller beantragen daher,
den Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, ihnen vorläufig Leistungen nach dem SGB II unter Anrechnung eines Erwerbseinkommens der Antragstellerin zu 1. aus selbstständiger Tätigkeit in Höhe von 459,24 EUR zu gewähren.
Der Antragsgegner beantragt,
den Antrag abzulehnen.
Er argumentiert damit, dass sich der Gesetzgeber entschieden habe, im SGB II-Bereich die Einkommensberechnung abweichend zu § 15 SGB IV zu regeln. Dies verstoße nicht gegen höherrangiges Recht. Ob Kosten für Werbung /Repräsentation/Aufmerksamkeiten sowie die Betriebsausgaben für Zeitschriften und Bücher notwendig gewesen seien, ließe sich mangels Belegen nicht feststellen. In Ansatz gebrachte Ausgaben für Verspätungszuschläge und Zwangsgelder seien jedenfalls vermeidbar gewesen.
II.
Der Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz ist zulässig, jedoch nicht begründet. Die Voraussetzungen für den Erlass einer einstweiligen Anordnung liegen nicht vor.
Ist einstweiliger Rechtsschutz wieder durch die aufschiebende Wirkung eines Rechtsbehelfs gegen einen Verwaltungsakt noch die sofortige Vollziehung eines Verwaltungsaktes (§ 86 b Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz – SGG -) zu gewährleisten, kann nach § 86 b Abs. 2 Satz 1 SGG das Gericht auf Antrag eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustandes die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Nach Satz 2 der Vorschrift sind einstweilige Anordnungen auch zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis statthaft, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile notwendig erscheint. Bildet ein Leistungsbegehren des Antragstellers den Hintergrund für den begehrten einstweiligen Rechtsschutz, ist dieser grundsätzlich im Wege der Regelungsanordnung gemäß § 86 b Abs. 2 Satz 2 SGG zu gewähren. Danach muss die einstweilige Anordnung erforderlich sein um einen wesentlichen Nachteil für den Antragsteller abzuwenden. Ein solcher Nachteil ist nur anzunehmen, wenn einerseits dem Antragsteller gegenüber dem Antragsgegner ein materiell-rechtlicher Leistungsanspruch in der Hauptsache zumindest möglicherweise zusteht und es ihm andererseits nicht zuzumuten ist, die Entscheidung über den Anspruch in der Hauptsache abzuwarten. Das Abwarten einer Entscheidung in der Hauptsache darf nicht mit wesentlichen Nachteilen verbunden sein; d.h., es muss eine dringliche Notlage vorliegen, die eine sofortige Entscheidung erfordert. Eine solche Notlage ist vor allem bei einer Gefährdung der Existenz oder erheblichen wirtschaftlichen Nachteilen zu bejahen (Keller in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 8. Aufl., § 86 b RdNr. 28). Die Eilbedürftigkeit der erstrebten Regelung ist im Übrigen regelmäßig zu verneinen, soweit Ansprüche für die in diesem Zeitpunkt bereits abgelaufenen Zeiträume begehrt werden (vgl. z. B. Landessozialgericht Berlin-Brandenburg, Beschluss v. 2.2.2007 - L 26 B 107/07 AS ER -). Eine einstweilige Anordnung ist insoweit zur Abwendung wesentlicher Nachteile nicht geboten.
Insbesondere bei Ansprüchen, die darauf gerichtet sind, als Ausfluss der grundrechtlich geschützten Menschenwürde das soziokulturelle Existenzminimum zu sichern ist ein nur möglicherweise bestehender Anordnungsanspruch in der Regel vorläufig zu befriedigen, wenn sich die Sach- oder Rechtslage im Eilverfahren nicht vollständig klären lässt. Denn im Rahmen der gebotenen Folgeabwägung hat dann regelmäßig das Interesse des Leistungsträgers ungerechtfertigte Leistungen zu vermeiden gegenüber der Sicherstellung des ausschließlich gegenwärtig für den Antragsteller verwirklichbaren soziokulturellen Existenzminimums zurückzutreten (BVerfG, 3. Kammer des 1. Senates, Beschluss v. 12.5.2005 -1 BvR 569/05-).
Bei Berücksichtigung dieser Maßgaben kann offen bleiben, ob ein Anordnungsgrund vorliegt. Es fehlt bereits an einem Anordnungsanspruch.
Die Voraussetzungen für einen Anspruch der Antragsteller auf Arbeitslosengeld II liegen zwar grundsätzlich vor. Der Antragsgegner hat das bei der Bedürftigkeitsprüfung einzusetzende Einkommen gemäß § 11 Abs. 1 SGB II vor Abzug der Absetzungsbeträge nach § 11 Abs. 2 SGB II aber zutreffend berechnet. Rechtsgrundlage hierfür ist die Alg II–V in der Fassung vom 17.12.2007, die für den streitigen Bewilligungszeitraum zur Anwendung gelangt.
Das Einkommen der Antragstellerin zu 1. aus selbstständiger Tätigkeit ist gemäß § 11 Abs. 1 Satz 1 SGB II zu berücksichtigen. Näheres regelt § 3 Alg II-V, der im Unterschied zur Alg II-V vom 20.10.2004 jetzt bestimmt, dass bei der Berechnung des Einkommens aus selbständiger Arbeit von den Betriebseinnahmen auszugehen ist. Betriebseinnahmen sind alle aus selbständiger Arbeit, Gewerbebetrieb oder Land- und Forstwirtschaft erzielten Einnahmen, die im Bewilligungszeitraum tatsächlich zufließen (§ 3 Abs. 1 Satz 2 Alg II-V). Zur Berechnung des Einkommens sind von den Betriebseinnahmen die im Bewilligungszeitraum tatsächlich geleisteten notwendigen Ausgaben mit Ausnahme der nach § 11 Abs. 2 SGB II abzusetzenden Beträge ohne Rücksicht auf steuerrechtliche Vorschriften abzusetzen (§ 3 Abs. 2 Satz 1 Alg II-V). Daran hat sich der Antragsgegner gehalten und mit der Erzielung des Einkommens verbundene notwendige Ausgaben zu Recht unbeachtet gelassen. Die mit der Erzielung das Einkommens verbundenen notwendigen Ausgaben im Sinne von § 11 Abs. Ziffer 5 SGB II bleiben außen vor. Andere von den Betriebseinnahmen im Bewilligungszeitraum geleistete Ausgabe wurden nicht belegt.
§ 3 Alg II-V in der Fassung vom 17.12.2007 verstößt auch nicht gegen höherrangiges Recht und ist insbesondere von der Ermächtigungsgrundlage in § 13 SGB II gedeckt. Danach ist das Bundesministerium für Arbeit und Soziales ermächtigt, durch Rechtsverordnung unter anderem zu bestimmen, welche weiteren Einnahmen nicht als Einkommen zu berücksichtigen sind und wie das Einkommen im Einzelnen zu berechnen ist. Hieran hält sich die ergangene Rechtsverordnung (Alg II-V in der Fassung vom 17.12.2007), und regelt in § 3 (nur) die Berechnung des Einkommens, ohne den Einkommensbegriff des § 11 SGB II zu erweitern. Dass hierbei in Abweichung zu § 15 SGB IV für den Bereich des SGB II steuerrechtliche Regelungen nicht berücksichtigt werden, führt nicht zur Rechtswidrigkeit von § 3 Alg II-V. Nur die Vorschriften des sechsten Abschnitts des SGB IV gelten für die Grundsicherung für Arbeitssuchende, nicht aber die §§ 14 und 15 SGB IV (§ 1 Abs. 2 SGB IV).
Auf die Unterschiede zwischen §§ 14 und 15 SGB IV kommt es somit nicht an. Auch der Gleichbehandlungsgrundsatz ist nicht verletzt.
Dementsprechend war der Antrag abzulehnen.
Die Kostenentscheidung beruht auf einer analogen Anwendung des § 193 SGG.
-
Rechtskraft
Aus
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