L 7 AS 5931/07 ER-B

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
7
1. Instanz
SG Mannheim (BWB)
Aktenzeichen
S 11 AS 3918/07 ER
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 7 AS 5931/07 ER-B
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Sozialgerichts Mannheim vom 22. November 2007 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Gründe:

Die unter Beachtung der Vorschrift des § 173 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) form- und fristgerecht eingelegte Beschwerde des Antragstellers, der das Sozialgericht Mannheim (SG) nicht abgeholfen hat (§ 174 SGG), ist zulässig. Die Beschwerde ist jedoch unbegründet. Das SG hat den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung, mit welcher dem Antragsgegner untersagt werden soll, den Antragsteller "für jetzt und für die Zukunft.mit Ermittlern aufzusuchen", zu Recht abgelehnt.

Nach § 86b Abs. 2 Satz 1 SGG kann das Gericht der Hauptsache, soweit nicht ein Fall des Abs. 1 a.a.O. vorliegt, eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint (Satz 2 a.a.O.). Der Antrag nach § 86b Abs. 2 SGG ist schon vor Klageerhebung zulässig (Abs. 3 a.a.O.).

Vorliegend kommt nur eine Regelungsanordnung nach § 86b Abs. 2 Satz 2 SGG in Betracht. Der Erlass einer einstweiligen Anordnung verlangt grundsätzlich die - summarische - Prüfung der Erfolgsaussichten in der Hauptsache sowie die Erforderlichkeit einer vorläufigen gerichtlichen Entscheidung (ständige Rechtsprechung des Senats; vgl. z.B. Beschlüsse vom 1. August 2005 - L 7 AS 2875/05 ER-B - FEVS 57, 72 und vom 17. August 2005 - L 7 SO 2117/05 ER-B - FEVS 57, 164 (beide auch in juris; jeweils m.w.N.)). Die Erfolgsaussicht des Hauptsacherechtsbehelfs (Anordnungsanspruch) und die Eilbedürftigkeit der erstrebten einstweiligen Regelung (Anordnungsgrund) sind glaubhaft zu machen (§ 86b Abs. 2 Satz 4 SGG i.V.m. § 920 Abs. 2 der Zivilprozessordnung (ZPO)); dabei sind die insoweit zu stellenden Anforderungen umso niedriger, je schwerer die mit der Versagung vorläufigen Rechtsschutzes verbundenen Belastungen - insbesondere auch mit Blick auf ihre Grundrechtsrelevanz - wiegen (ständige Senatsrechtsprechung; vgl. schon Beschluss vom 15. Juni 2005 - L 7 SO 1594/05 ER-B - (juris) unter Verweis auf Bundesverfassungsgericht (BVerfG) NVwZ 1997, 479; NJW 2003, 1236; NVwZ 2005, 927 = Breithaupt 2005, 803). Die Erfolgsaussichten der Hauptsache sind daher in Ansehung des sich aus Art. 1 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG) ergebenden Gebots der Sicherstellung einer menschenwürdigen Existenz sowie des grundrechtlich geschützten Anspruchs auf effektiven Rechtsschutz (vgl. Art. 19 Abs. 4 GG) u.U. nicht nur summarisch, sondern abschließend zu prüfen; ist im Eilverfahren eine vollständige Aufklärung der Sach- und Rechtslage nicht möglich, so ist bei besonders folgenschweren Beeinträchtigungen eine Folgenabwägung unter Berücksichtigung der grundrechtlichen Belange der Antragsteller vorzunehmen (vgl. schon Senatsbeschluss vom 13. Oktober 2005 - L 7 SO 3804/05 ER-B - (juris) unter Hinweis auf BVerfG NVwZ 1997, 479; NVwZ 2005, 927; ferner Puttler in Sodan/Ziekow, Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO), 2. Auflage, § 123 Rdnrn. 79, 96, 100; Funke-Kaiser in Bader u.a., VwGO, 4. Auflage, Rdnrn. 15, 25). Maßgebend für die Beurteilung der Anordnungsvoraussetzungen sind regelmäßig die Verhältnisse im Zeitpunkt der gerichtlichen Eilentscheidung (ständige Senatsrechtsprechung; vgl. z.B. Senatsbeschlüsse vom 1. August 2005 L 7 AS 2875/05 ER-B - a.a.O. und vom 17. August 2005 - L 7 SO 2117/05 ER-B - a.a.O.; Puttler in Sodan/Ziekow, a.a.O., Rdnr. 78; Funke-Kaiser in Bader u.a., a.a.O., Rdnr. 62 (alle m.w.N.)).

Hiervon ausgehend hat das SG den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung zu Recht abgelehnt. Der Senat nimmt zur Vermeidung von Wiederholungen auf die zutreffenden Gründe des angefochtenen Beschlusses Bezug (§ 153 Abs. 2 SGG entsprechend). Ergänzend ist (lediglich) darauf hinzuweisen, dass kein Anordnungsanspruch darauf besteht, dem Antragsgegner (unangemeldete) Hausbesuche zur Prüfung des Vorliegens der Leistungsvoraussetzungen nach dem Sozialgesetzuch Zweites Buch (SGB II) in der vom Antragsteller begehrten pauschalen Form zu untersagen.

§ 20 Abs. 1 des Sozialgesetzbuchs Zehntes Buch (SGB X) sieht vor, dass die Behörde den Sachverhalt von Amts wegen ermittelt. Sie bestimmt dabei Art und Umfang der Ermittlungen; an das Vorbringen und an die Beweisanträge der Beteiligten ist sie nicht gebunden. Zu den nach § 20 Abs. 1 SGB X zulässigen Maßnahmen behördlicher Sachaufklärung gehört danach auch die Feststellung der Wohn- und Wirtschaftsverhältnisse (Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen (OVG NRW) -, Urteil vom 15. Juni 1987 - 8 A 1698/85 -) und zu diesem Zweck gegebenenfalls die Besichtigung der Wohnung eines Hilfesuchenden (OVG NRW, Beschlüsse vom 27. November 1987 - 8 B 2497/97 -, vom 22. Februar 1989 - 8 B 3716/88 -, FEVS 39, 430 und Beschluss vom 6. Dezember 2002 - 16 B 1921/02 - m. w. N.). Die Augenscheinseinnahme durch Hausbesuch kann unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalles ein taugliches Mittel sein, um den geltend gemachten sozialhilferechtlichen Bedarf festzustellen (§ 21 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 SGB X und Bundesverwaltungsgericht (BVerwG), Beschluss vom 30. Juli 1991 - 5 ER 657/91 - sowie OVG NRW, Beschluss vom 6. Dezember 2002 - 16 B 1921/02 -; s. auch SG Koblenz, Urteil vom 30. Mai 2007 - S 2 AS 595/06 (juris)). Nach dieser, auch vom erkennenden Senat für zutreffend gehaltenen Auffassung ist ein Hausbesuch somit zulässig, wenn er erforderlich ist und keinen unverhältnismäßigen Eingriff in die Privatsphäre darstellt. Ob diese Voraussetzungen vorliegen, ist der Prüfung im Einzelfall vorbehalten. Diese Einzelbezogenheit der Erforderlichkeit und Angemessenheit eines Hausbesuchs steht der vom Antragsteller begehrten kategorischen, gewissermaßen "vorbeugenden" Untersagung solcher Hausbesuche "für jetzt und für die Zukunft" - zumal im Rahmen eines Verfahrens des einstweiligen Rechtsschutzes - entgegen.

Soweit der Antragsteller sich für sich Begehren auf die Grundrechte, darunter die Verletzung des Wohnungsgrundrechts (Art. 13 GG) beruft, ist ergänzend darauf hinzuweisen, dass keine Verpflichtung des Hilfesuchenden besteht, der Behörde die Besichtigung seiner Wohnung zu gestatten, was freilich nicht bedeutet, dass eine solche Zutrittsverweigerung leistungsrechtlich folgenlos bleibt (vgl. VG Münster, Urteil vom 4. Februar 2003 - 5 K 1906/99 - (juris) m.w.N.).

Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung des § 193 Abs. 1 und 4 SGG.

Diese Entscheidung ist nicht anfechtbar (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
Saved