Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
SG Düsseldorf (NRW)
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
16
1. Instanz
SG Düsseldorf (NRW)
Aktenzeichen
S 16 U 112/06
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 15 U 46/08
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Klage wird abgewiesen. Kosten sind unter den Beteiligten nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Die Klägerin ist die Witwe des am 00.00.1942 geborenen und am 27.08.2004 an den Folgen einer chronischen lymphatischen Leukämie (Non-Hodgkin-Lymphom) verstorbenen G (Versicherter). Mit Schreiben vom 27.09.2004 ersuchte die Klägerin die Beklagte die Erkrankung des Versicherten als Berufskrankheit anzuerkennen. Nach Angaben der Klägerin absolvierte der Versicherte in der Zeit von April 1956 bis März 1958 eine Schlosserlehre. Anschließend war er bis April 1960 als Hilfsarbeiter in einer Fabrik für Feld- und Industriebahnen in E tätig. Sodann arbeitete er bei der Firma I in E bis November 1994. Danach war er arbeitslos; ab dem 01.04.2002 bezog er Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung. Nach den Feststellungen der Präventionsabteilung der Beklagten war der Versicherte im Profilwalzwerk der Firma I als Sägearbeiter, Einteiler, 1. Scherenmann, Reservewalzer, 1. Sägenmann und Vorarbeiter beschäftigt. Bei allen Tätigkeiten hatte er an der Xstraße gearbeitet. Das Profilmaterial - so die Ausführungen der Präventionsabtei- lung - sei dort 600 Grad heiß gewesen; Kühlschmeirstoff sei bei dem Walzvorgang nicht verwendet worden. Zwar sei ein Kalibertrennmittel eingesetzt worden. Dieses Material habe jedoch kein Benzol enthalten und habe auch bei der Pyrolyse kein Benzol abgegeben. Weitere Arbeitsstoffe seien nicht eingesetzt worden, so dass die arbeitstechnischen Voraussetzungen für die Entstehung einer Berufskrankheit nach Nr. 1303 der Anlage zur Berufskrankheiten-Verordnung (BKV) verneint werden müssten. Auf dieser Grundlage lehnte die Beklagte die Bewilligung von Leistungen mit der Begründung ab, der Tod des Versicherten sei auf ein berufsunabhängiges Leiden zurückzuführen (Bescheid vom 12.05.2005). Mit ihrem Widerspruch machte die Klägerin im Wesentlichen geltend, der Versicherte sei stets an der Schere im H, zuletzt als Vorarbeiter, tätig gewesen. Dort seien Spuntbohlen auf Maß zugeschnitten worden. Es sei zu Expositionen gegenüber Werkzeugabrieb wie Nickel-Ionen, Chrom, Kobald und Kühlschmierstoffen gekommen. In den Kühlschmierstoffen hätten sich bekannterweise Nitroso-Verbindungen gefunden. Die Beklagte holte daraufhin eine Stellungnahme von Dr. Prager ein. Dieser äußerte, Benzol stehe zwar im Verdacht Lymphomerkrankungen auszulösen, eine entsprechende Exposition ließe sich jedoch nicht belegen. Eine Berufskrankheit nach Nr. 1303 der Anlage zur BKV müsse deshalb verneint werden. Nickel, Chrom und Kobald gälten als nicht kanzerogen im Hinblick auf das blutbildende und lymphatische System. Eine wesentliche Exposition gegenüber Nitrosaminen aus Kühlschmierstoffen sei aufgrund des Tätigkeitsprofils nicht anzunehmen. Ferner sei auch nicht gesichert, dass Nitrosamine Non-Hodgkin-Lymphome auslösten. Die Klägerin wandte daraufhin ein, der Versicherte habe mit Sprühnebel gearbeitet, der beim Zerfall Giftstoffe freisetzte. Ferner sei der Versicherte für die regelmäßige Reinigung des Walzengrabens mitverantwortlich gewesen, wobei die Verschmutzung dort einige Zentimeter hoch gewesen sei. Die Beklagte schaltete daraufhin zur Prüfung der Benzolbelastung des Versicherten erneut ihre Präventionsabteilung ein, die nach mehreren Besprechungen mit Mitarbeitern der Firma I äußerte, im Bereich der hinter dem Blockwalzwerk angeordneten Schere seien Getriebeöle zur Schmierung der Lager der Antriebswalze zum Einsatz gekommen. Diese Öle seien aufgesprüht worden. Der Arbeitsplatz des Versicherten habe sich jedoch in einer Kabine ca. 30 bis 40 m von den Walzgerüsten entfernt befunden. Zur Kühlung des Schneidvorgangs seien an Schere und Säge Werkswasser verwendet worden. Diese hätten Reste von Kalibertrennmitteln, nicht aber weitere Zusätze enthalten. Bis 1972 sei auch "Teeröl" verwendet worden. Es müsse daher davon ausgegangen werden, dass auch im Profilwalzwerk Teeröl eingesetzt worden sei. Früher sei zur Kaliberschmierung auch Teer verwendet worden. Untersuchungen in den 80er Jahren hätten ergeben, dass damals als Kalibertrennmittel ein Öl/Bitumengemisch mit der Bezeichnung "Mirolit" Verwendung gefunden habe. Dabei habe es sich um ein Gemisch aus paraffinischen, napthenischen und aromatischen Kohlenwasserstoffen gehandelt. Zumindest für den Zeitraum Ende der 70er und Anfang der 80er Jahre könne eine Verwendung bitumenhaltiger Zubereitungen als gesichert angesehen werden. Mihabit Dunkelöl werde seit Mitte der 60er Jahre hergestellt. In der aktuellen Zusammensetzung bestehe es aus einem Gemisch aus Spindelöl und Bitumen. Mit Sicherheit sei davon auszugehen, dass früher in Kalibertrennmitteln Teer eingesetzt worden sei. Insgesamt handele es sich bei dem verwendeten Kalibertrennmittel um mit Bitumen, möglicherweise in früheren Zeiten auch mit Teer versetzte mineralölstämmige Maschinenöle. Hinweise auf Benzolgehalte ergäben sich nicht. Aufgrund der Siedetemperatur des leicht flüchtigen Benzols (80 Grad Celsius) sei ein Vorkommen von Benzol herstellungsbedingt weder in Mineralölen noch in Bitumen oder Teer wahrscheinlich zu machen. Dementsprechend sei eine Benzolexposition bedingt durch die Ölnebenschmierung an der Schere unwahrscheinlich. Die Ablagerungen im Walzengraben kämen ebenfalls als Benzolquelle nicht in Frage. Neue Erkenntnisse zu den arbeitstechnischen Voraussetzungen der Berufskrankheit nach Nr. 1303 der Anlage zur BKV ergäben sich daher nicht. Die Beklagte hörte daraufhin erneut Q, der die Aufffassung vertrat, von einer Exposition gegenüber Benzol sei nach wie vor nicht auszugehen. Zwar habe eine Exposition gegenüber polyzyklischen aromatischen Kohlenwasserstoffen bestanden. Diese seien in der Lage, Haut- und Atemwegstumore auszulösen, nicht jedoch Non-Hodgkin-Lymphome. Die Widerspruchsstelle bei der Beklagten wies daraufhin den Widerspruch der Klägerin zurück (Widerspruchsbescheid vom 06.04.2006). Mit ihrer beim Sozialgericht Düsseldorf am 27.04.2006 eingegangenen Klage macht die Klägerin im Wesentlichen geltend, der Versicherte habe regelmäßige Reinigungen des Walzengrabens durchführen müssen. Die Verschmutzung sei oftmals einige Zentimeter hoch gewesen. Die Reinigungsmittel dürften Benzol bzw. Toluol oder Xylol enthalten haben. Die Schmieröle seien mit hohem Druck aufgesprüht worden. Von hydraulischen Anlagen sei bekannt, dass dabei Öl geknackt und Benzol gebildet werde. Es sei nicht abgeklärt worden, ob eine vergleichbare chemische Reaktion abgelaufen sei. Einen Kabinenarbeitsplatz habe ihr Mann erst ab 1987 gehabt.
Die Klägerin beantragt,
die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 12.05.2005 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 06.04.2006 zu verurteilen, die zu dessen Lebzeiten bei dem verstorbenen G diagnostizierte Erkrankung des blutbildenden Systems als Berufskrankheit im Sinne des § 9 Abs. 1 SGB VII i. V. m. der BKV anzuerkennen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Das Gericht hat zur Klärung der Zusammenhangsfrage Q2 gehört. Dieser hat die Voraussetzungen einer Berufskrankheit verneint. Wegen des Ergebnisses der medizinischen Beweisaufnahme im Einzelnen wird auf die Gerichtsakten und die Akten der Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Klage ist unbegründet. Der Bescheid vom 12.05.2005 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 06.04.2006 ist rechtmäßig. Die Klägerin kann keine Leistungen beanspruchen, da bei dem Versicherten keine Berufskrankheit nach Nr. 1303 der Anlage zur BKV vorgelegen hat. Die Feststellung einer Berufskrankheit setzt voraus, dass zum einen in der Person des Versicherten die sog. arbeitstechnischen Voraussetzungen vorliegen, d. h., dass er im Rahmen seiner versicherten Tätigkeit schädigenden Einwirkungen im Sinne der Berufskrankheit ausgesetzt gewesen ist, die geeignet sind, einen entsprechenden Gesundheitsschaden zu bewirken. Dabei müssen - wie das Bundessozialgericht in ständiger Rechtsprechung (vgl. Urteil vom 22.08.2002 - B 2 U 34/99 R - ) entschieden hat, die Krankheit, die versicherte Tätigkeit und die durch sie bedingten schädigenden Einwirkungen einschließlich ihrer Art und ihres Ausmaßes im Sinne des Vollbeweises also mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nachgewiesen werden. Nur für den ursächlichen Zusammenhang als Voraussetzung der Entschädigungspflicht reicht die hinreichende Wahrscheinlichkeit aus. Der Versicherte ist an den Folgen eines Non-Hodgkin-Lymphoms gestorben. Diese Erkrankung kann nach dem Empfehlungen des ärztlichen Sachverständigenbeirats "Berufskrankheiten (vgl. Gemeinsames Ministerialblatt 2007, S. 974 ff.) durch Benzoleinwirkungen verursacht werden, sofern eine mittlere Belastungsintensität, d. h. eine Expositionszeit von in der Regel 6 bis 10 Jahre angenommen werden kann. In einem solchen Fall ist davon auszugehen, dass die Expositionsbedingungen aus arbeitsmedizinisch-toxikologischer Sicht grundsätzlich geeignet sind, die Wahrscheinlichkeit eines Ursachenzusammenhangs zwischen der Benzolbelastung und der Erkrankung zu begründen. Im vorliegenden Fall lässt sich eine Benzolbelastung des Versicherten nicht nachweisen. Die Feststellungen der Präventionsabteilung, die unter anderem auf den Angaben der Mitarbeiter der Firma I beruhen, haben ergeben, dass sich Hinweise für den Einsatz von Benzol in der Umgebung des Arbeitsplatzes des Versicherten im Profilwalzwerk der Firma I nicht ergeben haben. Unerheblich ist eine Expostion des Versicherten gegenüber polyzyklischen aromatischen Kohlenwasserstoffen, da diese Non-Hodgkin-Lymphome nicht versursachen können. Der Sachverständige hat darauf hingewiesen, dass die Ausführungen der Präventionsabteilung plausibel sind. Nach bisherigem Wissen sind Tätigkeiten in Profilwalzwerken typischerweise nicht benzol-exponiert. Im Auftrag von Berufsgenossenschaften durchgeführte Messungen bei mechanischen Bearbeitungsverfahren in der Metallbearbeitung bzw. dem Maschinenbau hätten keine Werte für Benzol oberhalb der Nachweisgrenze ergeben. Zwar sei es möglich, dass Benzol infolge thermischer Versetzung von Mineralölen beim Härten in Ölabschreckbädern und Funkenerodieranlagen entsteht. Dieser Vorgang lässt sich jedoch nicht auf den Arbeitsplatz des Versicherten übertragen, da dort die Temperaturen niedriger gewesen sein dürften und auch die Menge des eingesetzten Öls wesentlich geringer gewesen sein müsse. Insofern ist mit dem Sachverständigen davon auszugehen, dass aufgrund der Ermittlungsergebnisse der Präventionsabteilung sich eine relevante Benzol-Exposition des Versicherten nicht mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit annehmen lässt. Eine berufliche Verursachung der Erkrankung des Versicherten lässt sich damit nicht wahrscheinlich machen. Der Sachverständige hat in diesem Zusammenhang darauf hingewiesen, dass die beim Versicherten festgestellte chronische lymphatische Leukämie zu den häufigsten Non-Hodgkin-Lymphomen gehört und gleichzeitig der häufigste weiße Blutzellkrebs bei Erwachsenen der westlichen Welt ist und vorwiegend im Alter auftritt.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Sozialgerichtsgesetz.
Tatbestand:
Die Klägerin ist die Witwe des am 00.00.1942 geborenen und am 27.08.2004 an den Folgen einer chronischen lymphatischen Leukämie (Non-Hodgkin-Lymphom) verstorbenen G (Versicherter). Mit Schreiben vom 27.09.2004 ersuchte die Klägerin die Beklagte die Erkrankung des Versicherten als Berufskrankheit anzuerkennen. Nach Angaben der Klägerin absolvierte der Versicherte in der Zeit von April 1956 bis März 1958 eine Schlosserlehre. Anschließend war er bis April 1960 als Hilfsarbeiter in einer Fabrik für Feld- und Industriebahnen in E tätig. Sodann arbeitete er bei der Firma I in E bis November 1994. Danach war er arbeitslos; ab dem 01.04.2002 bezog er Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung. Nach den Feststellungen der Präventionsabteilung der Beklagten war der Versicherte im Profilwalzwerk der Firma I als Sägearbeiter, Einteiler, 1. Scherenmann, Reservewalzer, 1. Sägenmann und Vorarbeiter beschäftigt. Bei allen Tätigkeiten hatte er an der Xstraße gearbeitet. Das Profilmaterial - so die Ausführungen der Präventionsabtei- lung - sei dort 600 Grad heiß gewesen; Kühlschmeirstoff sei bei dem Walzvorgang nicht verwendet worden. Zwar sei ein Kalibertrennmittel eingesetzt worden. Dieses Material habe jedoch kein Benzol enthalten und habe auch bei der Pyrolyse kein Benzol abgegeben. Weitere Arbeitsstoffe seien nicht eingesetzt worden, so dass die arbeitstechnischen Voraussetzungen für die Entstehung einer Berufskrankheit nach Nr. 1303 der Anlage zur Berufskrankheiten-Verordnung (BKV) verneint werden müssten. Auf dieser Grundlage lehnte die Beklagte die Bewilligung von Leistungen mit der Begründung ab, der Tod des Versicherten sei auf ein berufsunabhängiges Leiden zurückzuführen (Bescheid vom 12.05.2005). Mit ihrem Widerspruch machte die Klägerin im Wesentlichen geltend, der Versicherte sei stets an der Schere im H, zuletzt als Vorarbeiter, tätig gewesen. Dort seien Spuntbohlen auf Maß zugeschnitten worden. Es sei zu Expositionen gegenüber Werkzeugabrieb wie Nickel-Ionen, Chrom, Kobald und Kühlschmierstoffen gekommen. In den Kühlschmierstoffen hätten sich bekannterweise Nitroso-Verbindungen gefunden. Die Beklagte holte daraufhin eine Stellungnahme von Dr. Prager ein. Dieser äußerte, Benzol stehe zwar im Verdacht Lymphomerkrankungen auszulösen, eine entsprechende Exposition ließe sich jedoch nicht belegen. Eine Berufskrankheit nach Nr. 1303 der Anlage zur BKV müsse deshalb verneint werden. Nickel, Chrom und Kobald gälten als nicht kanzerogen im Hinblick auf das blutbildende und lymphatische System. Eine wesentliche Exposition gegenüber Nitrosaminen aus Kühlschmierstoffen sei aufgrund des Tätigkeitsprofils nicht anzunehmen. Ferner sei auch nicht gesichert, dass Nitrosamine Non-Hodgkin-Lymphome auslösten. Die Klägerin wandte daraufhin ein, der Versicherte habe mit Sprühnebel gearbeitet, der beim Zerfall Giftstoffe freisetzte. Ferner sei der Versicherte für die regelmäßige Reinigung des Walzengrabens mitverantwortlich gewesen, wobei die Verschmutzung dort einige Zentimeter hoch gewesen sei. Die Beklagte schaltete daraufhin zur Prüfung der Benzolbelastung des Versicherten erneut ihre Präventionsabteilung ein, die nach mehreren Besprechungen mit Mitarbeitern der Firma I äußerte, im Bereich der hinter dem Blockwalzwerk angeordneten Schere seien Getriebeöle zur Schmierung der Lager der Antriebswalze zum Einsatz gekommen. Diese Öle seien aufgesprüht worden. Der Arbeitsplatz des Versicherten habe sich jedoch in einer Kabine ca. 30 bis 40 m von den Walzgerüsten entfernt befunden. Zur Kühlung des Schneidvorgangs seien an Schere und Säge Werkswasser verwendet worden. Diese hätten Reste von Kalibertrennmitteln, nicht aber weitere Zusätze enthalten. Bis 1972 sei auch "Teeröl" verwendet worden. Es müsse daher davon ausgegangen werden, dass auch im Profilwalzwerk Teeröl eingesetzt worden sei. Früher sei zur Kaliberschmierung auch Teer verwendet worden. Untersuchungen in den 80er Jahren hätten ergeben, dass damals als Kalibertrennmittel ein Öl/Bitumengemisch mit der Bezeichnung "Mirolit" Verwendung gefunden habe. Dabei habe es sich um ein Gemisch aus paraffinischen, napthenischen und aromatischen Kohlenwasserstoffen gehandelt. Zumindest für den Zeitraum Ende der 70er und Anfang der 80er Jahre könne eine Verwendung bitumenhaltiger Zubereitungen als gesichert angesehen werden. Mihabit Dunkelöl werde seit Mitte der 60er Jahre hergestellt. In der aktuellen Zusammensetzung bestehe es aus einem Gemisch aus Spindelöl und Bitumen. Mit Sicherheit sei davon auszugehen, dass früher in Kalibertrennmitteln Teer eingesetzt worden sei. Insgesamt handele es sich bei dem verwendeten Kalibertrennmittel um mit Bitumen, möglicherweise in früheren Zeiten auch mit Teer versetzte mineralölstämmige Maschinenöle. Hinweise auf Benzolgehalte ergäben sich nicht. Aufgrund der Siedetemperatur des leicht flüchtigen Benzols (80 Grad Celsius) sei ein Vorkommen von Benzol herstellungsbedingt weder in Mineralölen noch in Bitumen oder Teer wahrscheinlich zu machen. Dementsprechend sei eine Benzolexposition bedingt durch die Ölnebenschmierung an der Schere unwahrscheinlich. Die Ablagerungen im Walzengraben kämen ebenfalls als Benzolquelle nicht in Frage. Neue Erkenntnisse zu den arbeitstechnischen Voraussetzungen der Berufskrankheit nach Nr. 1303 der Anlage zur BKV ergäben sich daher nicht. Die Beklagte hörte daraufhin erneut Q, der die Aufffassung vertrat, von einer Exposition gegenüber Benzol sei nach wie vor nicht auszugehen. Zwar habe eine Exposition gegenüber polyzyklischen aromatischen Kohlenwasserstoffen bestanden. Diese seien in der Lage, Haut- und Atemwegstumore auszulösen, nicht jedoch Non-Hodgkin-Lymphome. Die Widerspruchsstelle bei der Beklagten wies daraufhin den Widerspruch der Klägerin zurück (Widerspruchsbescheid vom 06.04.2006). Mit ihrer beim Sozialgericht Düsseldorf am 27.04.2006 eingegangenen Klage macht die Klägerin im Wesentlichen geltend, der Versicherte habe regelmäßige Reinigungen des Walzengrabens durchführen müssen. Die Verschmutzung sei oftmals einige Zentimeter hoch gewesen. Die Reinigungsmittel dürften Benzol bzw. Toluol oder Xylol enthalten haben. Die Schmieröle seien mit hohem Druck aufgesprüht worden. Von hydraulischen Anlagen sei bekannt, dass dabei Öl geknackt und Benzol gebildet werde. Es sei nicht abgeklärt worden, ob eine vergleichbare chemische Reaktion abgelaufen sei. Einen Kabinenarbeitsplatz habe ihr Mann erst ab 1987 gehabt.
Die Klägerin beantragt,
die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 12.05.2005 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 06.04.2006 zu verurteilen, die zu dessen Lebzeiten bei dem verstorbenen G diagnostizierte Erkrankung des blutbildenden Systems als Berufskrankheit im Sinne des § 9 Abs. 1 SGB VII i. V. m. der BKV anzuerkennen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Das Gericht hat zur Klärung der Zusammenhangsfrage Q2 gehört. Dieser hat die Voraussetzungen einer Berufskrankheit verneint. Wegen des Ergebnisses der medizinischen Beweisaufnahme im Einzelnen wird auf die Gerichtsakten und die Akten der Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Klage ist unbegründet. Der Bescheid vom 12.05.2005 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 06.04.2006 ist rechtmäßig. Die Klägerin kann keine Leistungen beanspruchen, da bei dem Versicherten keine Berufskrankheit nach Nr. 1303 der Anlage zur BKV vorgelegen hat. Die Feststellung einer Berufskrankheit setzt voraus, dass zum einen in der Person des Versicherten die sog. arbeitstechnischen Voraussetzungen vorliegen, d. h., dass er im Rahmen seiner versicherten Tätigkeit schädigenden Einwirkungen im Sinne der Berufskrankheit ausgesetzt gewesen ist, die geeignet sind, einen entsprechenden Gesundheitsschaden zu bewirken. Dabei müssen - wie das Bundessozialgericht in ständiger Rechtsprechung (vgl. Urteil vom 22.08.2002 - B 2 U 34/99 R - ) entschieden hat, die Krankheit, die versicherte Tätigkeit und die durch sie bedingten schädigenden Einwirkungen einschließlich ihrer Art und ihres Ausmaßes im Sinne des Vollbeweises also mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nachgewiesen werden. Nur für den ursächlichen Zusammenhang als Voraussetzung der Entschädigungspflicht reicht die hinreichende Wahrscheinlichkeit aus. Der Versicherte ist an den Folgen eines Non-Hodgkin-Lymphoms gestorben. Diese Erkrankung kann nach dem Empfehlungen des ärztlichen Sachverständigenbeirats "Berufskrankheiten (vgl. Gemeinsames Ministerialblatt 2007, S. 974 ff.) durch Benzoleinwirkungen verursacht werden, sofern eine mittlere Belastungsintensität, d. h. eine Expositionszeit von in der Regel 6 bis 10 Jahre angenommen werden kann. In einem solchen Fall ist davon auszugehen, dass die Expositionsbedingungen aus arbeitsmedizinisch-toxikologischer Sicht grundsätzlich geeignet sind, die Wahrscheinlichkeit eines Ursachenzusammenhangs zwischen der Benzolbelastung und der Erkrankung zu begründen. Im vorliegenden Fall lässt sich eine Benzolbelastung des Versicherten nicht nachweisen. Die Feststellungen der Präventionsabteilung, die unter anderem auf den Angaben der Mitarbeiter der Firma I beruhen, haben ergeben, dass sich Hinweise für den Einsatz von Benzol in der Umgebung des Arbeitsplatzes des Versicherten im Profilwalzwerk der Firma I nicht ergeben haben. Unerheblich ist eine Expostion des Versicherten gegenüber polyzyklischen aromatischen Kohlenwasserstoffen, da diese Non-Hodgkin-Lymphome nicht versursachen können. Der Sachverständige hat darauf hingewiesen, dass die Ausführungen der Präventionsabteilung plausibel sind. Nach bisherigem Wissen sind Tätigkeiten in Profilwalzwerken typischerweise nicht benzol-exponiert. Im Auftrag von Berufsgenossenschaften durchgeführte Messungen bei mechanischen Bearbeitungsverfahren in der Metallbearbeitung bzw. dem Maschinenbau hätten keine Werte für Benzol oberhalb der Nachweisgrenze ergeben. Zwar sei es möglich, dass Benzol infolge thermischer Versetzung von Mineralölen beim Härten in Ölabschreckbädern und Funkenerodieranlagen entsteht. Dieser Vorgang lässt sich jedoch nicht auf den Arbeitsplatz des Versicherten übertragen, da dort die Temperaturen niedriger gewesen sein dürften und auch die Menge des eingesetzten Öls wesentlich geringer gewesen sein müsse. Insofern ist mit dem Sachverständigen davon auszugehen, dass aufgrund der Ermittlungsergebnisse der Präventionsabteilung sich eine relevante Benzol-Exposition des Versicherten nicht mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit annehmen lässt. Eine berufliche Verursachung der Erkrankung des Versicherten lässt sich damit nicht wahrscheinlich machen. Der Sachverständige hat in diesem Zusammenhang darauf hingewiesen, dass die beim Versicherten festgestellte chronische lymphatische Leukämie zu den häufigsten Non-Hodgkin-Lymphomen gehört und gleichzeitig der häufigste weiße Blutzellkrebs bei Erwachsenen der westlichen Welt ist und vorwiegend im Alter auftritt.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Sozialgerichtsgesetz.
Rechtskraft
Aus
Login
NRW
Saved