S 4 KR 65/07

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
SG Würzburg (FSB)
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
4
1. Instanz
SG Würzburg (FSB)
Aktenzeichen
S 4 KR 65/07
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist die Höhe der Zuzahlungen des Klägers zu den Fahrten zu einer ambulanten Strahlenbehandlung streitig.

Der 1953 geborene Kläger ist bei der Beklagten krankenversichert.

Anlässlich einer ambulanten Strahlentherapie in der Universitätsklinik W. in der Zeit vom 09.02.2006 bis 13.03.2006 erfolgten 25 Taxifahrten von der Wohnung des Klägers zur Klinik und zurück. Mit Schreiben vom 26.09.2006 beantragten die Bevollmächtigten des Klägers unter Bezugnahme auf ein - in der Akte nicht vorhandenes - Schreiben vom 28.07.2006 die Übernahme der Fahrkosten zur ambulanten Strahlentherapie und fügten eine Rechnung vom 20.03.2006 bei, die sich auf einen Betrag von 250,00 Euro belief. In der Beschreibung war aufgeführt: Eigenleistung für Serienfahrten, 25 Fahrten à 10,00 Euro. Nach dem Hinweis der Beklagten, dass diese die eigentlichen Fahrkosten bereits direkt an das Taxiunternehmen S. in K. erstattet habe und es sich hier nur um die gesetzlichen Zuzahlungen handele, machte die Klägerseite nun geltend, dass es sich bei der Bestrahlungsserie um eine fortlaufende Behandlung gehandelt habe und somit der Eigenanteil nur für die erste und letzte Fahrt zu tragen sei.

Mit Bescheid vom 25.10.2006 lehnte die Beklagte die Übernahme weiterer Fahrkosten ab. Der gesetzlich vorgeschriebene Eigenanteil könne durch die Beklagte nicht übernommen werden. Zu beachten sei, dass bei einer Strahlentherapie nach dem bis 31.12.2003 geltenden Recht die Eigenbeteiligung auf die erste und letzte Fahrt beschränkt gewesen sei, diese Regelung jedoch zwischenzeitlich vom Gesetzgeber geändert worden sei. Die Eigenbeteiligung werde nunmehr für jede Fahrt fällig.

Der Widerspruch des Klägers vom 14.11.2006 wurde mit Widerspruchsbescheid vom 26.01.2007 zurückgewiesen. Nach § 60 Abs. 1 Satz 3 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch (SGB V) in der Fassung des Gesetzes zur Modernisierung der gesetzlichen Krankenversicherung ab 01.01.2004 würde die Krankenversicherung Fahrkosten zu einer ambulanten Behandlung unter Abzug der Zuzahlung nach vorheriger Genehmigung in besonderen Ausnahmefällen übernehmen, die der gemeinsame Bundesausschuss in Richtlinien festgelegt habe. Die Zuzahlung belaufe sich auf 10 Prozent der Kosten, mindestens jedoch 5,00 Euro. Nach § 8 der Krankentransportrichtlinie in Verbindung mit der dortigen Anlage 2 seien onkologische Strahlentherapien als Fälle anzusehen, in denen eine Behandlung in hoher Behandlungsfrequenz über einen längeren Zeitraum erfolge und bei denen der zur Behandlung führende Krankheitsverlauf den Patienten in einer Weise beeinträchtige, dass eine Beförderung zur Vermeidung von Schaden an Leib und Leben unerlässlich sei. Aus diesen Gründen habe die Beklagte die Fahrkosten für die Fahrten des Klägers zur ambulanten Strahlenbehandlung übernommen. Es sei jedoch die gesetzlich vorgesehene Zuzahlung zu entrichten. Es liege bei diesen Behandlungsserien jedoch keine "krankenhausersetzende" Gesamtsituation vor, so dass eine Begrenzung der Zuzahlung auf die erste und letzte Fahrt nicht in Betracht komme.

Hiergegen erhob der Kläger mit Telefax zum 22.02.2007 Klage zum Sozialgericht Würzburg. Er hielt die Rechtsansicht der Beklagten für unzutreffend und verwies darauf, dass eine andere Krankenversicherung bei einer ambulanten Chemotherapie nur die Kosten der ersten Hin- und der letzten Rückfahrt als gesetzliche Zuzahlung berücksichtigt habe.

Das Gericht holte im Folgenden Informationen zur typischen Behandlung eines Prostatakarzinoms durch Sichtung im Internet ein und führte diese Informationen in das Verfahren ein. Der Kläger beantragt:

1. Der Bescheid vom 25.10.2006 und der Widerspruchsbescheid vom 26.01.2007 werden aufgehoben. 2. Dem Kläger werden Fahrtkosten erstattet, wobei vom Kläger nur der Eigenanteil für die erste und letzte Fahrt in Höhe von jeweils 10,00 Euro zu tragen ist. 3. Dem Kläger werden die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung entstanden Kosten und Auslagen erstattet.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Zur Ergänzung des Tatbestandes wird auf den Inhalt der Ge- richtsakte, der beigezogenen Akte der Beklagten und der Ausdrucke aus dem Internetauftritt www.br-online.de/sprechstunde (Erkrankungen der Prostata) Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Klage ist zulässig. Sie wurde form- und fristgerecht beim örtlich und sachlich zuständigen Sozialgericht erhoben (§§ 51, 54, 57, 87, 90 Sozialgerichtsgesetz - SGG -).

Die Klage ist jedoch nicht begründet. Der Kläger hat gegenüber der Beklagten keinen Anspruch auf Übernahme weiterer Fahrkosten.

Die Verpflichtung der Beklagten zur Übernahme von Fahrkosten ergibt sich aus § 60 SGB V, die Höhe der Zuzahlungen aus § 61 SGB V. Aus Sicht des Gerichtes ist bei der Übernahme von Fahrkosten bei Fahrten von Versicherten zu einer ambulanten Krankenbehandlung zwischen zwei gesetzlichen Alternativen zu unterscheiden. Zum einen ist dies die Kostenübernahmeverpflichtung aus § 60 Abs. 1 Satz 3 SGB V, die sich auf vorher genehmigte Fälle besonderer Ausnahmen bezieht; hierzu gehören die in den Richtlinien des gemeinsamen Bundesausschusses (Krankentransportrichtlinie nach § 92 Abs. 1 S. 2 Nr. 12 SGB V) genannten Fahrten bei Behandlungen mit hoher Behandlungsfrequenz über einen längeren Zeitraum, wozu in der Regel Dialysebehandlung, onkologische Strahlentherapie und onkologische Chemotherapie zählen. Zum anderen werden über § 60 Abs. 2 S. 1 Nr. 4 SGB V Fahrten zu einer ambulanten Krankenbehandlung erfasst, wenn dadurch eine an sich gebotene vollstationäre Krankenhausbehandlung vermieden wird. In einem derartigen Falle erfolgt die Erfassung "wie bei einer stationären Krankenhausbehandlung". Hieraus ist auch abzuleiten, dass bei Anwendung dieser Vorschrift nur die erste Hinfahrt und die letzte Rückfahrt für die Ermittlung des Eigenanteils zu berücksichtigen ist, da bei einer entsprechenden Krankenhausbehandlung auch nur diese beiden Fahrten angefallen wären.

Entgegen der Ansicht der Beklagten ist durch die Nennung der onkologischen Strahlenbehandlung in den Krankentransportrichtlinien nicht automatisch eine Anwendung von § 60 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 SGB V ausgeschlossen. Erforderlich ist für die Anwendung dieser Alternative jedoch die eine stationäre Behandlung ersetzende Situation. Eine derartige Situation ist bei der Strahlenbehandlung einer Prostataerkrankung nicht gegeben, denn in diesen Fällen wird die Strahlentherapie derzeit bereits regelmäßig ambulant durchgeführt (mit einem Bestrahlungsplan von 5 Terminen in der Woche und einer Behandlungsdauer von mehreren Wochen). Da zur Überzeugung des Gerichts in einem derartigen Fall also ein rein ambulantes Behandlungssetting vorliegt, hat die Beklagte die Übernahme der Arztkosten zutreffend auf § 60 Abs. 1 Satz 3 SGB V i. V. m. den Krankentransportrichtlinien gestützt. Ein Bezug zu einer stationären Behandlung liegt bei der ambulanten Strahlenbehandlung eines Prostatakarzinoms nicht vor.

Abgesehen davon, dass aus einer Entscheidung in einem anderen Fall kein Anspruch auf Gleichbehandlung abgeleitet werden kann, wenn es an einer entsprechenden gesetzlichen Grundlage hierfür fehlt, ist es aus Sicht des Gerichtes durchaus denkbar, dass hier eine unterschiedliche Ausgangssituation vorliegt: die dort zu Grunde gelegte onkologische Strahlenbehandlung - die sich offensichtlich nicht auf Prostatakrebs bezieht - könnte hier eine ambulante Strahlentherapie gewesen sein, die eine derzeit noch regelmäßig angewendete stationäre Strahlentherapie ersetzte. Weitergehende Schlussfolgerungen können aus dem benannten Vergleichsfall nicht gezogen werden.

Die Beklagte hat die Höhe der Zuzahlung nach § 61 SGB V auch zutreffend ermittelt. Zwar übersteigt der Zuzahlungsbetrag 10 Prozent der gesamten Kosten. Dies ergibt sich jedoch daraus, dass ein Eigenanteil von 5,00 Euro je Fahrt, d. h. an einem Behandlungstag mit Hin- und Rückfahrt von 10,00 Euro, als Mindestgrenze festgehalten ist.

Auch dass bei der entsprechenden hohen Behandlungsfrequenz eine Aufsummierung dieser Zuzahlungen, im hier vorliegenden Fall auf 250,00 Euro, erfolgte, entspricht den gesetzlichen Regelungen und ist aus Sicht des Gerichtes auch nicht aus höherrangigem Recht zu beanstanden, da die notwendigen sozialen Komponenten durch die Einführung einer Belastungsgrenze in § 62 SGB V gewahrt bleiben.

Dementsprechend waren die angefochtenen Bescheide der Beklagten im Ergebnis nicht zu beanstanden und die Klage war abzuweisen. Aus der Klageabweisung ergibt sich die Kostenfolge (§ 193 SGG).
Rechtskraft
Aus
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