L 24 KR 333/07

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
24
1. Instanz
SG Frankfurt (Oder) (BRB)
Aktenzeichen
S 4 KR 257/05
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 24 KR 333/07
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt (Oder) vom 30. März 2007 wird zurückgewiesen. Die weitergehende Klage wird abgewiesen. Die Beklagte hat dem Kläger dessen außergerichtliche Kosten der ersten Instanz zu erstatten. Die Beteiligten haben einander außergerichtliche Kosten des Verfahrens vor dem Landessozialgericht nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Der Kläger begehrt von der Beklagten die Auszahlung von Krankengeld nebst Zinsen, "eine Summe der Wiedergutmachung" nach Ermessen des Gerichts sowie Erstattung von "Kosten zum sozialen Abstieg" und des Rechtsstreits.

Der 1956 geborene Kläger, der bis zum 31. Dezember 1990 in der Sozialversicherung als Selbständiger krankenversicherungspflichtig versichert war, wurde zum 01. Januar 1991 als selbständiger Unternehmer (Vermietung bzw. Reparatur und Verkauf von Baumaschinen) freiwilliges Mitglied zunächst ohne Anspruch auf Krankengeld und ab 01. Januar 1997 mit Anspruch auf Krankengeld ab der dritten Woche der Arbeitsunfähigkeit.

Wegen einer am 02. Juni 2003 eingetretenen Arbeitsunfähigkeit bezog er zuletzt Krankengeld vom 16. Juni 2003 bis 08. April 2004.

Mit Bescheid vom 12. Dezember 2003 setzte die Beklagte den Krankenversicherungsbeitrag ab 01. Januar 2004 auf 271,69 Euro monatlich fest. Der Berechnung legte sie die Mindesteinkommensgrenze für hauptberuflich selbständig Tätige im Jahr 2004 in Höhe von 1.811,25 Euro zugrunde.

Maßgeblich hierfür war der vom Kläger vorgelegte Bescheid für 2002 über Einkommensteuer des Finanzamtes Strausberg vom 03. September 2003, der Einkünfte aus Gewerbebetrieb von minus 6.014,00 Euro, aus Kapitalvermögen von 2.430,00 Euro sowie aus Vermietung und Verpachtung von 3.935,00 Euro feststellte.

In der Anlage "Informationen zu ihrem Krankengeldanspruch" zum Schreiben vom 22. September 2004 wies die Beklagte den Kläger auf die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) vom 30. März 2004 - B 1 KR 32/02 R - hin, wonach Krankengeld nicht nach der Mindestbeitragsbemessungsgrundlage, sondern nach dem Einkommen berechnet werde, das bei Arbeitsunfähigkeit tatsächlich entfalle. Grundlage des Krankengeldanspruchs sei damit der letzte vorliegende Einkommensteuerbescheid. Sie forderte den Kläger auf zu prüfen, ob bei ihm eine Versicherung mit Krankengeld angesichts dessen sinnvoll sei, teilte die Beträge mit, um die der monatliche Krankenversicherungsbeitrag im Falle einer Versicherung ohne Anspruch auf Krankengeld sinken werde, und machte auf die Möglichkeit einer Krankentagegeldversicherung für Selbständige bei der Deutschen Krankenversicherung AG aufmerksam.

Mit dem dagegen eingelegten Widerspruch forderte der Kläger die Weiterführung der bisherigen Krankengeldregelung nach Maßgabe der zwischen den Beteiligten getroffenen vertraglichen Vereinbarung.

Mit Bescheid vom 20. Dezember 2004 lehnte die Beklagte die Zahlung von Krankengeld infolge einer am 15. November 2004 eingetretenen Arbeitsunfähigkeit ab, da der Steuerbescheid aus dem Jahre 2003 ein Negativeinkommen ausweise.

Mit dem am 02. November 2005 zugestellten Widerspruchsbescheid vom 28. Oktober 2005 wies die Beklagte den Widerspruch zurück: Eine Weiterführung der bisherigen Krankengeldregelung sei wegen der Rechtsprechung des BSG nicht möglich. Wegen dieser Rechtsprechung sei außerdem ab 01. Januar 2005 die Satzung geändert worden. Der Begriff des Einkommens sei durch den Begriff des Arbeitseinkommens ersetzt worden. Die Regelung zum Krankengeld sei zudem dahingehend ergänzt worden, dass Krankengeld nur dann gezahlt werde, soweit es eine Arbeitseinkommensausfallfunktion erfülle.

Mit der dagegen am 02. Dezember 2005 beim Sozialgericht Frankfurt (Oder) erhobenen Klage hat der Kläger vorgetragen, die Beklagte habe ihn nicht ordnungsgemäß über das Urteil des BSG informiert. Sie habe ihm außerdem andere Möglichkeiten zum Bezug von Krankengeld anbieten müssen. Die Rechtsprechung des BSG benachteilige ihn in seinen Rechten; eine Krankenversicherung mit Anspruch auf Krankengeld hätte er bei einer solchen Rechtslage nicht abgeschlossen. Für den Zeitraum ab 01. April 2005 sei alles klar. Für die Zeit bis zum 31. März 2005 mache er jedoch Anspruch auf Krankengeld geltend.

Der Kläger hat beantragt,

unter Aufhebung des Bescheides vom 22. September 2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28. Oktober 2005 die Beklagte zu verurteilen, die Versicherung, wie sie im Jahr 2004 bestanden hat, bis zum 31. März 2005 mit Anspruch auf Krankengeld und auf Beitragsfreiheit fortzuführen.

Die Beklagte hat darauf hingewiesen, dass der Kläger seit 01. April 2005 als Empfänger von Arbeitslosengeld II keinen Anspruch auf Krankengeld habe. Sie hat sich außerdem verpflichtet, den Bescheid vom 20. Dezember 2004 nach § 44 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) zu überprüfen.

Mit Urteil vom 30. März 2007 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen: Die Klage sei unzulässig, denn es mangele an einer rechtlichen Beschwer. Sie sei jedenfalls unbegründet. Die angefochtenen Verwaltungsakte beträfen keinen konkreten Anspruch auf Krankengeld. Ein solcher sei mit bestandskräftigem Bescheid vom 20. Dezember 2004, der nicht Gegenstand des gerichtlichen Verfahrens geworden sei, abgelehnt worden. Seine gerichtliche Überprüfung sei erst nach der von der Beklagten zugestandenen Überprüfung möglich.

Gegen das seinem Prozessbevollmächtigten am 13. April 2007 zugestellte Urteil richtet sich die am 07. Mai 2007 eingegangene als Beschwerde bezeichnete Berufung des Klägers.

Der Kläger hat eine Übersicht seiner Arbeitstätigkeiten vorgelegt und vorgetragen, der mit der Beklagten geschlossene Vertrag müsse wiederhergestellt werden.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt (Oder) vom 30. März 2007 zu ändern und die Beklagte unter Aufhebung des Schreibens vom 22. September 2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28. Oktober 2005 zu verurteilen, 1. ihm das noch offene Krankengeld nebst aller Zinsen zu zahlen, 2. die ihm entstandenen Kosten zum sozialen Abstieg in voller Höhe zu übernehmen, 3. als Summe der Wiedergutmachung einen in das Ermessen des Gerichts gestellten Betrag zu zahlen, 4. ihm alle bisherigen und noch folgenden Kosten, die durch den Rechtsstreit entstanden sind, zu übernehmen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen und die weitergehende Klage abzuweisen.

Sie verweist darauf, dass die erhobenen Forderungen nicht Streitgegenstand seien.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes sowie des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und der bei gezogenen Verwaltungsakte der Beklagten, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist, verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung ist unbegründet. Das Sozialgericht hat die den Krankengeldanspruch betreffende Klage (Schreiben vom 22. September 2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28. Oktober 2005) zu Recht abgewiesen, denn die Klage ist weder als Anfechtungs- und Leistungsklage noch als Feststellungsklage zulässig.

Die weitergehende im Wege der Klageänderung erhobene allgemeine Leistungsklage, mit der die sonstigen vom Kläger erstmals geltend gemachten Ansprüche verfolgt werden, ist gleichfalls unzulässig.

1. Nach § 54 Abs. 1 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) kann durch Klage die Aufhebung eines Verwaltungsaktes oder seine Abänderung sowie die Verurteilung zum Erlass eines abgelehnten oder unterlassenen Verwaltungsaktes begehrt werden. Betrifft der angefochtene Verwaltungsakt eine Leistung, auf die ein Rechtsanspruch besteht, so kann nach § 54 Abs. 4 SGG mit der Klage neben der Aufhebung des Verwaltungsaktes gleichzeitig die Leistung verlangt werden.

Diese Vorschriften regeln die Anfechtungsklage, die Anfechtungs- und Leistungsklage und die Verpflichtungsklage. Sie knüpfen alle am Erfordernis eines Verwaltungsaktes an. Für die Klagebefugnis genügt mithin, ist aber auch erforderlich, dass behauptet wird, durch einen Verwaltungsakt oder durch die Ablehnung oder Unterlassung eines Verwaltungsaktes beschwert zu sein (§ 54 Abs. 1 Satz 2 SGG).

Diese Voraussetzung ist nicht gegeben, denn die Anlage "Informationen zu Ihrem Krankengeldanspruch" zum Schreiben vom 22. September 2004 stellt keinen Verwaltungsakt dar.

Nach § 31 Satz 1 SGB X ist Verwaltungsakt jede Verfügung, Entscheidung oder andere hoheitliche Maßnahme, die eine Behörde zur Regelung eines Einzelfalles auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts trifft und die auf unmittelbare Rechtswirkung nach außen gerichtet ist.

Die Anlage "Informationen zu Ihrem Krankengeldanspruch" zum Schreiben vom 22. September 2004 enthält keine Regelung. Darin wird lediglich über die Rechtsprechung des BSG informiert und dem Kläger die Möglichkeit eingeräumt, darauf sich durch eine eventuelle Änderung des Umfangs seiner freiwilligen Mitgliedschaft einzustellen.

Mit Widerspruchsbescheid vom 28. Oktober 2005 wies die Beklagte damit zu Recht, wenn auch mit falscher Begründung, den Widerspruch zurück. Ein zulässiger Widerspruch kann ausschließlich gegen einen Verwaltungsakt eingelegt werden (§ 78, § 83 SGG).

Eine Regelung - entsprechend der dem Kläger gegebenen Information über die Rechtsprechung des BSG - traf die Beklagte mit dem Bescheid vom 20. Dezember 2004, denn sie verfügte damit (verbindlich), dass dem Kläger wegen der am 15. November 2004 eingetretenen Arbeitsunfähigkeit kein Anspruch auf Krankengeld zusteht.

Dieser Bescheid ist nicht nach § 86 SGG kraft Gesetzes zum Gegenstand des zu diesem Zeitpunkt anhängigen Widerspruchsverfahrens geworden. Nach dieser Vorschrift gilt: Wird während des Vorverfahrens der Verwaltungsakt abgeändert, so wird auch der neue Verwaltungsakt Gegenstand des Vorverfahrens. Da die "Informationen zu Ihrem Krankengeldanspruch" keinen Verwaltungsakt darstellen, ist denknotwendig ausgeschlossen, dass der Bescheid vom 20. Dezember 2004 einen solchen hat abändern können. Sind die Voraussetzungen des § 86 SGG jedoch nicht erfüllt, ist der Bescheid vom 20. Dezember 2004, da der Kläger keinen Widerspruch eingelegt hat, nach § 77 SGG bindend geworden. Bestandskraft bewirkt, dass die dort getroffene Regelung vom Gericht zu beachten ist. Das Gericht ist damit gehindert, dem Kläger wegen der am 15. November 2004 eingetretenen Arbeitsunfähigkeit im anhängigen Rechtsstreit Krankengeld zuzusprechen.

Allerdings haben das Sozialgericht und die Beklagte dem Kläger bereits den Weg aufgezeigt, den er gehen muss, um in einem späteren gerichtlichen Verfahren zu dem Krankengeldanspruch wegen der am 15. November 2004 eingetretenen Arbeitsunfähigkeit eine inhaltliche gerichtliche Entscheidung zu erreichen.

Im hier anhängigen Rechtsstreit ist dies jedenfalls ausgeschlossen, so dass wegen des erhobenen Anspruches auf Krankengeld die Berufung keinen Erfolg haben kann.

2. Die vom Kläger im Wege der Klageänderung (§ 99 Abs. 1, § 153 Abs. 1 SGG) erhobene weitergehende allgemeine Leistungsklage, die darauf gerichtet ist, die Beklagte zu verurteilen, zum einen die ihm entstandenen Kosten zum sozialen Abstieg in voller Höhe zu übernehmen und zum anderen ihm als Summe der Wiedergutmachung einen in das Ermessen des Gerichts gestellten Betrag zu gewähren, ist unzulässig.

Nach § 54 Abs. 5 SGG kann zwar mit der Klage die Verurteilung zu einer Leistung, auf die ein Rechtsanspruch besteht, auch dann begehrt werden, wenn ein Verwaltungsakt nicht zu ergehen hatte.

Ein solcher Sachverhalt liegt nicht vor. Hauptanwendungsfall hierfür ist der so genannte Beteiligtenstreit im Gleichordnungsverhältnis, wenn sich die Beteiligten also nicht im Über-Unterordnungsverhältnis gegenüberstehen und deswegen eine Leistung nicht durch Verwaltungsakt einseitig festgesetzt werden darf. Im Verhältnis zum leistungsbegehrenden Bürger ist die Verwaltung jedoch grundsätzlich befugt, das Rechtsverhältnis einseitig zu regeln. Ausschließlich dann, wenn der Bürger keine verbindliche Regelung begehrt, also der Tatbestand eines Verwaltungsaktes nach § 31 Satz 1 SGB X bereits begrifflich ausgeschlossen ist, kommt eine solche allgemeine Leistungsklage in Betracht. Eine Regelung im Sinne eines Verwaltungsaktes scheidet damit aus, wenn (lediglich) Auskunft und Beratung, Akteneinsicht und die Abgabe einer Willenserklärung geltend gemacht wird (Meyer-Ladewig, a.a.O., § 54 Rdnr. 41).

Über das vom Kläger erhobene Begehren auf Zahlung von Geldbeträgen aus dem Krankenversicherungsverhältnis hätte damit die Beklagte zuvor mittels Verwaltungsaktes entscheiden müssen.

Unabhängig davon ist auch keine Rechtsgrundlage im Krankenversicherungsverhältnis, also nach den Vorschriften des SGB V, ersichtlich, nach denen der Kläger ihm entstandene Kosten zum sozialen Abstieg bzw. eine Summe der Wiedergutmachung verlangen könnte. Damit fehlt es zugleich an der Klagebefugnis, denn der Kläger kann schon nicht geltend machen, in eigenen Rechten, die ihm nach dem SGB V zustünden, verletzt zu sein.

Berufung und weitergehende Klage müssen daher erfolglos bleiben.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 Abs. 1 SGG. Trotz des Unterliegens des Klägers hat es der Senat als sachgerecht angesehen, dass die Beklagte dem Kläger dessen außergerichtliche Kosten der ersten Instanz zu erstatten hat, denn sie hat Veranlassung zur Klage gegeben. Statt den Widerspruch mangels Vorliegens eines Verwaltungsaktes mit Widerspruchsbescheid als unzulässig zurückzuweisen, erweckte sie dadurch, dass sie sich inhaltlich zur Berechnung des Krankengeldes äußerte, den irreführenden Eindruck, die Zahlung von Krankengeld und deren Höhe könnten nach gerichtlicher Anfechtung dieses Widerspruchsbescheides dort inhaltlich geprüft und entschieden werden. Angesichts dessen hält es der Senat auch nicht für angemessen, dem Kläger so genannte Mutwillenskosten aufzuerlegen, wie die Beklagte es beantragt hatte.

Außergerichtliche Kosten des Klägers im Verfahren vor dem Landessozialgericht hat die Beklagte hingegen nicht zu erstatten, denn mit der weitergehenden Klage hat der Kläger einen neuen Streitgegenstand eingeführt, der vom vorangegangenen Widerspruchs- und Klageverfahren unabhängig ist. Gegenüber diesem neuen Streitgegenstand ist das ursprüngliche Begehren wirtschaftlich betrachtet in den Hintergrund getreten, so dass es bei der insoweit zu treffenden Kostenentscheidung nicht wesentlich ins Gewicht fällt.

Die Revision ist nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen hierfür (§ 160 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGG) nicht vorliegen.
Rechtskraft
Aus
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