L 5 B 325/08 AS ER

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
5
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 126 AS 31748/07 ER
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 5 B 325/08 AS ER
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Beschwerden der Antragstellerinnen gegen den Beschluss des Sozialgerichts Berlin vom 21. Dezember 2007 werden zurückgewiesen. Die Gewährung von Prozesskostenhilfe für die Beschwerdeverfahren unter Beiordnung von Rechtsanwältin G wird abgelehnt. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Gründe:

I.

Die Antragstellerinnen erstreben im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes die teilweise Übernahme von Stromkosten als Kosten der Unterkunft sowie die Gewährung eines Darlehens für Stromschulden. Für die Verfolgung dieses Begehrens beantragen sie darüber hinaus die Gewährung von Prozesskostenhilfe für das erstinstanzliche sowie das Beschwerdeverfahren.

Die Antragstellerin zu 1) steht seit März 2007 im Leistungsbezug des Antragstellers. Ihre im Mai 1989 geborene Tochter, die Antragstellerin zu 2), wurde bis zum Sommer 2007 durch die Jugendhilfe betreut. Seit dem 01. August 2007 bewohnen die Antragstellerinnen gemeinsam die sich aus dem Rubrum ergebende Wohnung. Der Antragsgegner gewährte ihnen zuletzt mit Bescheid vom 22. November 2007 für die Zeit vom 01. Dezember 2007 bis zum 31. Mai 2008 monatliche Leistungen in Höhe von insgesamt 602,12 EUR. Dieser Betrag setzte sich aus Kosten für Unterkunft und Heizung für beide Antragstellerinnen in Höhe von je 71,81 EUR sowie Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts für die Antragstellerin zu 1) in Höhe von 256,28 EUR und die Antragstellerin zu 2) in Höhe von 202,22 EUR zusammen. Bei der Bedarfsberechnung setzte der Antragsgegner neben den jeweils hälftigen Kosten für die Unterkunft für die Antragstellerin zu 1) den Regelsatz in Höhe von 347,00 EUR an, für die Antragstellerin zu 2) 278,00 EUR. Diesem Bedarf stellte er das von der Antragstellerin zu 1) bezogene Arbeitslosengeld I gegenüber, von dem er nach Abzug der Versicherungspauschale 90,72 EUR bei ihr und 75,78 EUR bei der Antragstellerin zu 2) als Einkommen anrechnete.

Unter dem 12. Juni 2007 berechnete die V E B AG & Co. KG für den Stromverbrauch in der Zeit vom 01. Juni 2006 bis zum 01. Juni 2007 einen Betrag in Höhe von 242,09 EUR. Weiter forderte sie von der Antragstellerin zu 1) ab Juli 2007 monatliche Abschläge in Höhe von 43,00 EUR. Mit Schreiben vom 03. Juli 2007 gewährte sie der Antragstellerin zu 1) wunschgemäß einen Zahlungsaufschub, machte nunmehr unter Berücksichtigung von Bearbeitungskosten insgesamt 259,29 EUR geltend und bot eine Ratenzahlung verteilt auf fünf Monate beginnend mit dem 01. August 2007 an. Am 02. August 2007 beantragte die Antragstellerin zu 1) bei dem Antragsgegner die Übernahme der Stromschulden. Dies lehnte dieser mit Bescheid vom 07. August 2007 mit der Begründung ab, dass Kosten für Haushaltsenergie zum Leistungsbereich der Hilfen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach den §§ 20, 28 des Zweiten Buches des Sozialgesetzbuches (SGB II) gehörten und aus der Regelleistung zu bestreiten seien. Die Antragstellerin hätte mit dem Bezug von Leistungen nach dem SGB II die laufenden Abschlagsraten für ihren Stromverbrauch selbst zu zahlen gehabt. Weil sie dies nicht getan habe, seien die genannten Schulden entstanden. Es sei nicht Aufgabe der Grundsicherung für Arbeitsuchende, private Schulden zu übernehmen. Den hiergegen gerichteten Widerspruch der Antragstellerin zu 1) wies der Antragsgegner mit Widerspruchsbescheid vom 12. November 2007 als unzulässig, da angeblich verspätet zurück, nachdem er noch mit Schreiben vom 13. September 2007 den – dann fristgerechten – Eingang am 10. September 2007 bestätigt hatte. Mit Bescheid vom 10. Dezember 2007 wies der Antragsgegner, der das Widerspruchsschreiben offenbar zugleich als Überprüfungsantrag wertete, den Antrag auf Überprüfung seines Bescheides vom 07. August 2007 gemäß § 44 des Zehnten Buches des Sozialgesetzbuches (SGB X) zurück. Der Bescheid sei nicht zu beanstanden.

Anfang Dezember 2007 haben die Antragstellerinnen gegen den Widerspruchsbescheid Klage beim Sozialgericht Berlin erhoben. Weiter haben sie am 05. Dezember 2007 beantragt, den Antragsgegner vorläufig zu verpflichten, ihnen zum einen die nicht im Regelsatz enthaltenen Stromkosten als Kosten der Unterkunft zu gewähren und zum anderen die rückständigen Stromkosten darlehensweise zu übernehmen. Schließlich haben sie die Gewährung von Prozesskostenhilfe beantragt. Der Antragsgegner habe ihren Widerspruch zu Unrecht als verspätet zurückgewiesen. In der Sache stünden ihnen die geltend gemachten Ansprüche nach § 22 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 5 SGB II zu. Im Regelsatz sei lediglich ein Betrag in Höhe von 20,74 EUR für Haushaltsenergie enthalten. Der darüber hinausgehende Betrag gehöre zu den Kosten der Unterkunft. Auch bestehe ein Anordnungsgrund. Sie müssten häufig bei Bekannten Geld leihen, da andernfalls die Gefahr drohe, dass die Stromversorgung eingestellt werde. Sie hätten zwar die von der V E B AG & Co. KG angebotenen Raten beglichen, dafür aber die Abschläge nicht in voller Höhe zahlen können, sodass noch immer eine Unterbrechung der Stromversorgung drohe.

Das Sozialgericht Berlin hat mit Beschluss vom 21. Dezember 2007 sowohl den Erlass der begehrten einstweiligen Anordnung als auch die Gewährung von Prozesskostenhilfe abgelehnt. Für die Übernahme der Stromabschlagszahlungen über die Regelleistung hinaus bestehe kein Anordnungsanspruch. Stromkosten zählten nicht zu den Kosten der Unterkunft und Heizung im Sinne des § 22 Abs. 1 SGB II, da die Kosten für Haushaltsenergie nach § 20 Abs. 1 SGB II ausdrücklich der Regelleistung zugeordnet würden. Die Regelleistung werde als Pauschale gezahlt. Ein individueller Mehrbedarf sei nicht zu berücksichtigen, sofern nicht die Voraussetzungen des § 23 Abs. 1 SGB II vorlägen. Dies sei jedoch nicht erkennbar. Auch soweit die Antragstellerinnen die Übernahme der Schulden im Wege eines Darlehens begehrten, liege kein Anordnungsanspruch vor. Die Voraussetzungen des § 22 Abs. 5 SGB II seien nicht erfüllt. Es sei weder vorgetragen noch belegt, dass konkret eine Unterbrechung der Stromversorgung aufgrund bestehender Schulden drohe. Schließlich komme eine Übernahme der Schulden als unabweisbarer Bedarf nach § 23 Abs. 1 SGB II nicht in Betracht, da ein Bedarf für Schuldentilgung nicht unter die Regelleistung falle. § 23 Abs. 1 SGB II setze jedoch voraus, dass ein unter die Regelleistung fallender Bedarf vorliege. Die Gewährung von Prozesskostenhilfe sei wegen fehlender Erfolgsaussicht der Rechtsverfolgung abzulehnen gewesen.

Gegen diesen ihnen am 02. Januar 2008 zugestellten Beschluss richten sich die Beschwerden der Antragstellerinnen vom 04. Februar 2008 (Montag), mit denen sie ihr Begehren weiter verfolgen und auch für die Beschwerdeverfahren die Gewährung von Prozesskostenhilfe beantragen. Entgegen der Auffassung des Sozialgerichts unterfalle Haushaltsenergie nur in Höhe der Energiepauschale den Regelleistungen. Der diesen Betrag übersteigende Betrag sei jedoch im Rahmen der Kosten für Unterkunft und Heizung nach § 22 Abs. 1 SGB II zu gewähren. Der über der Energiepauschale in Höhe von 12,90 EUR für zwei Personen (vgl. Rundschreiben I Nr. 7/2003 vom 03.06.2003 der Senatsverwaltung für Gesundheit, Soziales und Verbraucherschutz) liegende Bedarf in Höhe von monatlich 30,10 EUR sei ihnen daher zu gewähren. Durch die aufgelaufenen Rückstände und die laufenden Abschlagszahlungen seien sie finanziell überlastet. Konkret drohe ihnen zwar keine Stromsperre, dies sei aber nur eine Frage der Zeit, da immer mehr Rückstände aufliefen.

Nach telefonischer Auskunft der V E B AG & Co. KG belaufen sich die dortigen Außenstände der Antragstellerinnen am 28. Februar 2008 auf 93,36 EUR.

II.

Die Beschwerden der Antragstellerinnen gegen den Beschluss des Sozialgerichts Berlin vom 21. Dezember 2007 sind gemäß §§ 172 Abs. 1 und 173 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) zulässig, jedoch nicht begründet.

1.) Zu Recht hat das Sozialgericht ihre am 05. Dezember 2007 bei Gericht gestellten Anträge, den Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, ihnen als Kosten für Unterkunft und Heizung Stromkosten zu gewähren, soweit diese nicht im Regelsatz enthalten sind, und ihnen ein Darlehen für die rückständigen Stromkosten zu bewilligen, zurückgewiesen.

Nach § 86b Abs. 2 SGG sind einstweilige Anordnungen zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint. Dies setzt voraus, dass sowohl ein Anordnungsanspruch als auch ein Anordnungsgrund glaubhaft gemacht werden. Beides ist hier nicht der Fall.

Im Hinblick auf den erforderlichen Anordnungsgrund ist auch nicht ansatzweise erkennbar, geschweige denn glaubhaft gemacht, warum hier ein besonderes Eilbedürfnis vorliegen sollte. Die Behauptung, dass immer mehr Rückstände bei dem Stromversorger aufliefen, ist unter Zugrundelegung der Auskunft der V E B AG & Co. KG vom 28. Februar 2008 offensichtlich falsch. Danach bestehen aktuell nur noch Rückstände in Höhe von 93,36 EUR. Dass eine Unterbrechung der Stromzufuhr drohen könnte, ist nicht ersichtlich. Eine diesbezüglich möglicherweise rein abstrakt bestehende Gefahr rechtfertigt nicht die Inanspruchnahme von Eilrechtsschutz.

Im Übrigen besteht jedoch auch offensichtlich kein Anordnungsanspruch. Zur Begründung nimmt der Senat nach eigener Sachprüfung zur Vermeidung von Wiederholungen auf die überzeugenden Ausführungen in dem angefochtenen Beschluss Bezug (§ 142 Abs. 2 Satz 2 SGG). Das Sozialgericht hat sich in diesem ausführlich, unter Zugrundelegung der einschlägigen Vorschriften und im Ergebnis überzeugend mit der Sach- und Rechtslage auseinandergesetzt. Das Beschwerdevorbringen rechtfertigt keine andere Entscheidung. Dies gilt gleichermaßen, soweit eine Kammer des Sozialgerichts Frankfurt am Main die Auffassung vertreten haben mag, dass Stromkosten, soweit sie nicht im Regelsatz enthalten sind, als Kosten der Unterkunft von den Trägern der Grundsicherung zu übernehmen sind. Eine Fallgestaltung, bei der dies immerhin zu erwägen wäre (z.B. Stromverbrauch in einem Eigenheim zum Betreiben der Heizungsanlage), liegt hier offensichtlich nicht vor. Im Übrigen ist nicht nachvollziehbar, warum die Antragstellerinnen inzwischen davon ausgehen, dass ihnen mit den Regelleistungen eine Energiepauschale in Höhe von zusammen gerade einmal 12,90 EUR gewährt würde. Abgesehen davon, dass das zur Begründung herangezogene Rundschreiben der Senatsverwaltung keine für den verfahrensgegenständlichen Zeitraum aktuellen Zahlen enthält, handelte es sich bei den genannten 12,90 EUR offensichtlich nicht um den im Regelsatz für Energie enthaltenen Anteil, sondern um den im Energieanteil für die Warmwasseraufbereitung (aus Sicht der Senatsverwaltung) enthaltenen Anteil. Der von der Regelleistung umfasste, auf die Haushaltsenergie entfallende Anteil belief sich – bezogen auf den Regelsatz von 345,00 EUR - vielmehr – wie die Antragstellerinnen zunächst selbst angenommen haben - auf 20,74 EUR (vgl. BSG, Urteil vom 27.02.2008 – B 14/11b AS 64/06 R – vgl. Terminbericht Nr. 10/08, abrufbar unter www.bundessozialgericht.de). Für die – wie die Antragstellerin zu 2) - Leistungen in prozentualer Höhe des Regelsatzes (hier 80 %) beziehenden Leistungsempfänger reduzierte sich dieser Betrag entsprechend (vgl. BSG, Urteil vom 27.02.2008 – B 14/11b AS 32/06 R – vgl. Terminbericht Nr. 10/08, abrufbar unter www.bundessozialgericht.de). Insgesamt dürften den Antragstellerinnen damit durch den Antragsgegner bereits mindestens 37,33 EUR für Haushaltsenergie gewährt werden. Soweit ihr monatlicher Bedarf höher ist, haben sie die damit einhergehenden Kosten selbst zu tragen. Bedarf für eine abweichende Leistungserbringung nach § 23 Abs. 1 SGB II vermag der Senat – wie bereits zuvor das Sozialgericht Berlin - nicht zu erkennen.

Auch liegen die Voraussetzungen für eine Übernahme der Stromschulden nach § 22 Abs. 5 SGB II nicht vor. Weder ist dies bei Schulden von weniger als 100,00 EUR zur Sicherung der Unterkunft erforderlich noch zur Behebung einer vergleichbaren Notlage gerechtfertigt.

2.) Da die Sache mithin keine hinreichenden Erfolgsaussichten hatte, hat das Sozialgericht zu Recht auch die Gewährung von Prozesskostenhilfe abgelehnt (§ 73a SGG i.V.m. § 114 Zivilprozessordnung), sodass die diesbezügliche Beschwerde keinen Erfolg haben kann. Aus ebendiesen Gründen kommt schließlich auch für die Beschwerdeverfahren die Gewährung von Prozesskostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwältin G nicht in Betracht.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG analog.

Dieser Beschluss kann nicht mit der Beschwerde an das Bundessozialgericht angefochten werden (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
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