Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
SG Duisburg (NRW)
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
32
1. Instanz
SG Duisburg (NRW)
Aktenzeichen
S 32 AS 31/08 ER
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Antragsgegnerin wird im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, dem Antragsteller vorläufig Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes unter Berücksichtigung seiner tatsächlichen Kosten für Unterkunft und Heizung ab 28.01.2008 zu zahlen. Diese Verpflichtung gilt bis zum 30.06.2008, längstens jedoch bis zur endgültigen Entscheidung über den Widerspruch des Antragstellers gegen den Bescheid vom 21.12.2007. Die Antragsgegnerin trägt die außergerichtlichen Kosten des Antragstellers. Dem Antragsteller wird für diesen Rechtszug ratenfreie Prozesskostenhilfe ab Antragstellung bewilligt und Rechtsanwalt U. K., E., beigeordnet.
Gründe:
I.
Der Antragsteller (im Folgenden: Ast) begehrt im Wege der einstweiligen Anordnung die Übernahme seiner tatsächlichen Unterkunftskosten im Rahmen seiner Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch – Grundsicherung für Arbeitsuchende – (SGB II).
Der am 27.05.1952 geborene Ast bezieht Leistungen nach dem SGB II seit 01.01.2005. Mit Schreiben vom 29.06.06 wies die Antragsgegnerin (im Folgenden: Ag) darauf hin, dass die Unterkunftskosten des Ast unangemessen hoch seien. Für den Ein-Personen-Haushalt des Ast gelten Unterkunftskosten (ohne Betriebs-, Neben- und Heizkosten) in Höhe von 217,50 Euro als angemessen. Die Unterkunftskosten des Ast betragen dagegen monatlich 394,20 Euro. Damit überstiegen die tatsächlichen Kosten die angemessenen Kosten um 176,70 Euro. Die Ag empfahl dem Ast, seine Aufwendungen unverzüglich durch einen Wohnungswechsel, durch Vermieten oder auf andere Weise zu senken. Falls Gründe vorlägen, die einen höheren Unterkunftsbedarf rechtfertigten, bat die Ag um Vorlage entsprechender Nachweise. Die tatsächlichen Unterkunftskosten des Ast könnten nur noch längstens bis zum 31.01.2007 übernommen werden. Danach seien nur noch die angemessenen Kosten zu berücksichtigen. Mit Schreiben vom 28.07.2006 beantragte der Ast die fortgesetzte Übernahme seiner tatsächlichen Unterkunftskosten unter Vorlage eines Attestes von Dr. R. vom 18.07.2006. Mit diesem Attest teilte Dr. R. mit, dass der Ast unter Rhythmusstörungen und einer Koronarerkrankung mit den Risikofaktoren Bluthochdruck, Diabetes und Übergewicht leide. Die Herzerweiterung sei trotz Therapie nicht rückläufig, habe eher zugenommen. Aus diesen Gründen werde dem Ast geraten, jede schwere körperliche und seelische Belastung auf ein Minimum zu reduzieren bzw. zu meiden. Diese sei sicherlich für den Fall eines Wohnungswechsels (Umzug) gegeben, weswegen aus ärztlicher Sicht davon dringend abzuraten sei.
Auf den Fortzahlungsantrag des Ast vom 08.12.2006 bewillilgte die Ag mit Bescheid vom 13.12.2006 für den Bewilligungsabschnitt vom 01.01.2007 bis zum 30.06.2007 Leistungen weiterhin unter Berücksichtigung der tatsächlichen Unterkunftskosten des Ast. Am gleichen Tage bat die Ag den ärztlichen Dienst der Agentur für Arbeit Essen um eine Stellungnahme zu der Frage, ob der Ast in der Lage sei, umzuziehen. Eine entsprechende Stellungnahme ging am 11.01.2007 bei der Ag ein. Darin stellte Herr Dr. E. fest, dass dem Ast ein Umzug aus ärztlicher Sicht nur dann zugestimmt werden könne, wenn die neue Wohnung im Erdgeschoss läge oder über einen Aufzug erreichbar sei. Außerdem müssten dem Ast für die Wohungsrenovierung und den Umzug Fachkräfte zur Verfügung gestellt werden, da er selbst körperlich zu den erforderlichen Aktivitäten nicht bzw. nicht in nennenswertem Umfang in der Lage sei.
Nach Aufforderung durch die Ag stellte der Ast am 26.03.2007 bei der Deutschen Rentenversicherung Rheinland einen Antrag auf Rente wegen Erwerbsminderung. Am gleichen Tage forderte die Ag den Ast auf, ihr Nachweise über die Bemühungen des Ast zur Senkung der Unterkunftskosten vorzulegen. Daraufhin trug der Ast mit Schreiben vom 02.03.2007 nochmals vor, dass es seinem Gesundheitszustand und der Aussage seines Facharztes widerspreche, wenn er sich um die Verringerung seiner Unterkunftskosten durch einen Umzug bemühen würde. Mit Schreiben vom 23.05.2007 teilte die Ag dem Ast daraufhin mit, dass sie sich nach Prüfung der Angelegenheit bereit erkläre, die Frist zur Senkung der unangemessen hohen Unterkunftskosten um 6 Monate bis zum 31.10.2007 zu verlängern. Dies entbinde den Ast jedoch nicht von der Pflicht, eine Wohnung mit angemessener Miete im Parterre oder einem Haus mit Aufzug zu suchen bzw. die Kosten auf andere Art zu senken. Sie bat darum, die Bemühungen um die Senkung der Kosten zu dokumentieren und ihr nachzuweisen.
Auf den Fortzahlungsantrag des Ast bewilligte die Ag dem Ast Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes für die Zeit vom 01.07.2007 bis zum 31.12.2007. Dabei berücksichtigte sie für die Monate Juli, August, September und Oktober 2007 Kosten der Unterkunft in Höhe von 577,20 Euro (dies entspricht der tatsächlichen Höhe der Unterkunftskosten) und für die Monate November und Dezember 2007 Kosten der Unterkunft in Höhe von 400,50 Euro (217,50 Euro Grundmiete zuzüglich 91,00 Euro Heizkosten und 92,00 Euro Betriebskosten). Gegen diesen Bescheid erhob der Ast am 24.08.2007 Widerspruch. Diesen begründete er damit, dass er seit 19.08.2005 durchgehend arbeitsunfähig sei. Sein Rentenantrag sei gestellt.
Auch für den folgenden Bewilligungsbaschnitt ab 01.01.2008 bewilligte die Ag Leistungen für Unterkunft und Heizung in Höhe von 400,50 Euro (Bescheid vom 21.12.2007). Dagegen erhob der Ast am 05.01.2008 Widerspruch.
Am 29.01.2008 hat der Ast einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung gestellt. Zur Begründung trägt er vor, dass eine Wohnung zu einer Kaltmiete von 217,50 Euro weder angemessen sei, noch sei ein Wohnungswechsel zumutbar. Infolge seiner Erkrankungen sei er auf Wohnungen im Erdgeschoss und in Häusern mit Fahrstühlen angewiesen. Es werde bezweifelt, dass für diesen eingeschränkten Wohnungsmarkt die angemessene Miete bei 217,50 Euro liege. Zudem habe die Ag darzulegen, dass genügend freier Wohnraum existiere und für dieses Wohnsegment nicht übermäßig viele Interessenten vorlägen. Dies habe die Ag dadurch zu belegen, dass sie die Zahlen der alleinstehenden erwerbsfähigen Hilfebedürftigen und der alleinstehenden Empfänger von Leistungen nach dem SGB XII nennt, die durch die Leistungsträger zur Senkung ihrer unangemessen Unterkunftskosten aufgefordert worden sind und die deshalb Wohnraum für eine Kaltmiete bis 217,50 Euro suchen. Vor allem sei der Ast jedoch aufgrund seiner Erkrankungen nicht in der Lage, sich in zureichendem Maße um eine Wohnung zu bemühen. Er habe kein Telefon und verfüge über keine Tageszeitung. Deshalb könne er Wohnungsangebote nicht sichten und sich nicht auf Wohnungsangebote melden. Ein Umzug sei darüber hinaus ausgeschlossen, weil sich der Ast durch die Wohnungssuche und einen den Umzug so sehr belasten würde, dass seine Gesundheit ernsthaft gefährdet werde. Dies habe auch der behandelnde Arzt Dr. R.bestätigt. Auch ein Anordnungsgrund liege vor. Das Mietverhältnis sei wegen Zahlungsverzugs gekündigt worden. Von seinem Vermieter der Allbau AG erhalte der Ast solange keine Wohnungsangebote, wie er dort Schulden habe.
Der Ast beantragt schriftsätzlich sinngemäß,
die Ag zu verpflichten, dem Ast vom Eingang des Antrages auf Erlass einer einstweiligen Anordnung an vorläufig bis zur Entscheidung in der Hauptsache Leistungen unter Berücksichtigung seiner tatsächlichen Unterkunftskosten zu gewähren.
Die Ag beantragt,
den Antrag zurückzuweisen.
Sie ist weiterhin der Auffassung, dass es dem Ast zuzumuten sei, einen Wohnungswechsel vorzunehmen. Die durchgeführte amtsärztliche Untersuchung vom 04.01.2007 habe ergeben, dass einem Umzug aus gesundheitlicher Sicht grundsätzlich nichts entgegen steht, sofern diese Wohnung im Parterre liege oder ein Aufzug vorhanden sei. Der Wohnungsmarkt in Essen dürfte entsprechende angemessene Objekte hergeben. Darauf weise auch die seitens des Rentenversicherungsträgers durchgeführte ärztliche Untersuchung hin, die ergeben habe, dass ein Leistungsvermögen von mindestens sechs Stunden täglich angenommen werden könne.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Verwaltungsakte der Ag Bezug genommen.
II.
Der zulässige Antrag ist begründet.
Der Ast hat sowohl einen Anordnungsanspruch als auch einen Anordnungsgrund glaubhaft gemacht.
Nach § 86 b Abs. 2 Satz 2 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag eine einstweilige Anordnung zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis treffen, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile notwendig erscheint. Der Erlass einer einstweiligen Anordnung setzt das Bestehen eines Anordnungsanspruchs, d.h. des materiellen Anspruchs, für den vorläufiger Rechtsschutz begehrt wird, sowie das Vorliegen eines Anordnungsgrundes, d.h. die Unzumutbarkeit voraus, bei Abwägung aller betroffenen Interessen die Entscheidung in der Hauptsache abzuwarten. Der geltend gemachte Hilfeanspruch (Anordnungsanspruch) und die besonderen Gründe für die Notwendigkeit der Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes (Anordnungsgrund), die Eilbedürftigkeit, sind glaubhaft zu machen (§ 86 Abs. 2 Satz 4 SGG i.V.m. § 920 Abs. 2 ZPO). Die Glaubhaftmachung bezieht sich auf die reduzierte Prüfungsdichte und die nur eine überwiegende Wahrscheinlichkeit erfordernde Überzeugungsgewissheit für die tatsächlichen Voraussetzungen des Anordnungsanspruchs und des Anordnungsgrundes im summarischen Verfahren (BVerfG v. 29.07.2003 - 2 BvR 311/03 - NVwZ 2004, 95, 96). Können ohne die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes schwere und unzumutbare, anders nicht abwendbare Beeinträchtigungen entstehen, die durch das Hauptsacheverfahren nicht mehr zu beseitigen wären, sind die Erfolgsaussichten der Hauptsache nicht nur summarisch, sondern abschließend zu prüfen. Scheidet eine vollständige Aufklärung der Sach- und Rechtslage im Eilverfahren aus, ist auf der Grundlage einer an der Gewährleistung eines effektiven Rechtsschutzes orientierten Folgenabwägung zu entscheiden. Die grundrechtlichen Belange der Antragsteller sind dabei umfassend in die Abwägung einzustellen (BVerfG, Beschluss vom 12.05.2005 - 1 BvR 569/05 - NVwZ 2005, 927ff).
Der Anordnungsanspruch ergibt sich aus § 22 Abs. 1 S. 1 und S. 3 SGB II. Nach § 22 Abs. 1 S. 1 SGB II hat die Ag Leistungen für Unterkunft und Heizung in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen zu erbringen, soweit diese angemessen sind. Nach Satz 3 der Vorschrift sind auch unangemessen hohe Unterkunftskosten zu übernehmen, solange es dem Hilfebedürftigen nicht möglich oder nicht zuzumuten ist, durch einen Wohnungswechsel, durch Vermieten oder auf andere Weise die Aufwendungen zu senken, in der Regel jedoch längstens für sechs Monate. Unabhängig von der Frage, ob die Höhe der tatsächlichen Aufwendungen des Ast hier abstrakt oder konkret angemessen sind, war die Ag zur vorläufigen Übernahme der tatsächlichen Unterkunftskosten zu verpflichten. Der Ast hat nach Auffassung des Gerichts hinreichend glaubhaft gemacht, dass ihm die Senkung der Unterkunftskosten z. Z. auf nicht absehbare Dauer nicht zuzumuten ist. Das Gericht hält es jedenfalls für überwiegend wahrscheinlich, dass die mit einem Umzug verbundenen körperlichen und psychischen Belastungen ein zu hohes gesundheitliches Risiko für den Ast darstellen. Hinsichtlich dieser Annahme wird auf das ärztliche Attest des behandelnden Arztes des Klägers Dr. R. Bezug genommen, der ausführt, dass der Ast körperliche und seelische Belastungen auf ein Minimum zu reduzieren hat. Körperliche und seelische Belastungen sind jedoch mit einem Umzug zwangsläufig verbunden, insbesondere dann, wenn ein Hilfebedürftiger – wie der Ast vorträgt – seit 33 Jahren in seiner Wohnung wohnt und er sein soziales und familiäres Umfeld in unmittelbarer Umgebung hat. Zu diesen mit einem Verlassen der jetzigen Wohnung verbundenen seelischen Belastung kommen die Belastungen durch den konkreten Umzugsvorgang hinzu, die sich auch durch die Übernahme der schweren körperlichen Arbeiten durch Fachpersonal nicht gänzlich vermeiden lassen. Letztlich kann nicht einmal ausgeschlossen werden, dass schon die nicht unerheblichen Belastungen, die mit einer Wohnungssuche verbunden sind, eine zu große Anstrengung für den Ast darstellen würden. Die Stellungnahme des ärztlichen Dienstes der Agentur für Arbeit Essen kann das Gericht nicht von der Tauglichkeit des Ast, einen Umzug vorzunehmen, überzeugen. Vielmehr deutet diese Stellungnahme darauf hin, dass ein Umzug für den Ast tatsächlich eine Belastung darstellen würde, die jedenfalls dadurch abgemildert werden muss, dass dem Ast Fachpersonal zur Verrichtung der körperlichen Arbeiten zur Verfügung gestellt werden muss. Ob dies allerdings ausreicht, ist nach derzeitigen Sachlage nicht zweifelsfrei festzustellen. Daher sind hier die tatsächlichen Kosten der Unterkunft ausnahmsweise vorläufig auch weit über die als Regel im Gesetz genannte sechsmonatige Frist hinaus zu übernehmen, zumindest solange, bis im Hauptsacheverfahren die vorgetragenen medizinischen Verhältnisse aufgeklärt sind.
Eine abschließende Beurteilung dieser Fragen bleibt, soweit es dazu kommt, einem gerichtlichen Hauptsacheverfahren vorbehalten.
Der Ast hat auch einen Anordnungsgrund glaubhaft gemacht. Aufgrund der teilweise ausgebliebenen Mietzahlung hat die Vermieterin des Ast (Allbau AG) den Mietvertrag inzwischen gekündigt. Die Suche einer neuen Wohnung bei derselben Vermieterin ist behindert, solange die Mietschulden dort bestehen.
Die Verpflichtung der Ag war für die Zeit ab Antragstellung bei Gericht bis zum Ende des laufenden Bewilligungsverfahrens auszusprechen, längstens jedoch bis zur endgültigen Entscheidung über den Widerspruch gegen den Bewilligungsbescheid vom 21.12.2007. Das Gericht geht davon aus, dass die Ag sich auch im folgenden Bewilligungsabschnitt an diese Verpflichtung halten wird, falls bis dahin keine endgültige Entscheidung über den Widerspruch gegen den Bewilligungsbescheid vom 21.12.2007 gefallen ist.
Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.
Aus den oben genannten Gründen und unter Berücksichtigung der wirtschaftlichen Verhältnisse des Ast war diesem auch Prozesskostenhilfe zu bewilligen.
Gründe:
I.
Der Antragsteller (im Folgenden: Ast) begehrt im Wege der einstweiligen Anordnung die Übernahme seiner tatsächlichen Unterkunftskosten im Rahmen seiner Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch – Grundsicherung für Arbeitsuchende – (SGB II).
Der am 27.05.1952 geborene Ast bezieht Leistungen nach dem SGB II seit 01.01.2005. Mit Schreiben vom 29.06.06 wies die Antragsgegnerin (im Folgenden: Ag) darauf hin, dass die Unterkunftskosten des Ast unangemessen hoch seien. Für den Ein-Personen-Haushalt des Ast gelten Unterkunftskosten (ohne Betriebs-, Neben- und Heizkosten) in Höhe von 217,50 Euro als angemessen. Die Unterkunftskosten des Ast betragen dagegen monatlich 394,20 Euro. Damit überstiegen die tatsächlichen Kosten die angemessenen Kosten um 176,70 Euro. Die Ag empfahl dem Ast, seine Aufwendungen unverzüglich durch einen Wohnungswechsel, durch Vermieten oder auf andere Weise zu senken. Falls Gründe vorlägen, die einen höheren Unterkunftsbedarf rechtfertigten, bat die Ag um Vorlage entsprechender Nachweise. Die tatsächlichen Unterkunftskosten des Ast könnten nur noch längstens bis zum 31.01.2007 übernommen werden. Danach seien nur noch die angemessenen Kosten zu berücksichtigen. Mit Schreiben vom 28.07.2006 beantragte der Ast die fortgesetzte Übernahme seiner tatsächlichen Unterkunftskosten unter Vorlage eines Attestes von Dr. R. vom 18.07.2006. Mit diesem Attest teilte Dr. R. mit, dass der Ast unter Rhythmusstörungen und einer Koronarerkrankung mit den Risikofaktoren Bluthochdruck, Diabetes und Übergewicht leide. Die Herzerweiterung sei trotz Therapie nicht rückläufig, habe eher zugenommen. Aus diesen Gründen werde dem Ast geraten, jede schwere körperliche und seelische Belastung auf ein Minimum zu reduzieren bzw. zu meiden. Diese sei sicherlich für den Fall eines Wohnungswechsels (Umzug) gegeben, weswegen aus ärztlicher Sicht davon dringend abzuraten sei.
Auf den Fortzahlungsantrag des Ast vom 08.12.2006 bewillilgte die Ag mit Bescheid vom 13.12.2006 für den Bewilligungsabschnitt vom 01.01.2007 bis zum 30.06.2007 Leistungen weiterhin unter Berücksichtigung der tatsächlichen Unterkunftskosten des Ast. Am gleichen Tage bat die Ag den ärztlichen Dienst der Agentur für Arbeit Essen um eine Stellungnahme zu der Frage, ob der Ast in der Lage sei, umzuziehen. Eine entsprechende Stellungnahme ging am 11.01.2007 bei der Ag ein. Darin stellte Herr Dr. E. fest, dass dem Ast ein Umzug aus ärztlicher Sicht nur dann zugestimmt werden könne, wenn die neue Wohnung im Erdgeschoss läge oder über einen Aufzug erreichbar sei. Außerdem müssten dem Ast für die Wohungsrenovierung und den Umzug Fachkräfte zur Verfügung gestellt werden, da er selbst körperlich zu den erforderlichen Aktivitäten nicht bzw. nicht in nennenswertem Umfang in der Lage sei.
Nach Aufforderung durch die Ag stellte der Ast am 26.03.2007 bei der Deutschen Rentenversicherung Rheinland einen Antrag auf Rente wegen Erwerbsminderung. Am gleichen Tage forderte die Ag den Ast auf, ihr Nachweise über die Bemühungen des Ast zur Senkung der Unterkunftskosten vorzulegen. Daraufhin trug der Ast mit Schreiben vom 02.03.2007 nochmals vor, dass es seinem Gesundheitszustand und der Aussage seines Facharztes widerspreche, wenn er sich um die Verringerung seiner Unterkunftskosten durch einen Umzug bemühen würde. Mit Schreiben vom 23.05.2007 teilte die Ag dem Ast daraufhin mit, dass sie sich nach Prüfung der Angelegenheit bereit erkläre, die Frist zur Senkung der unangemessen hohen Unterkunftskosten um 6 Monate bis zum 31.10.2007 zu verlängern. Dies entbinde den Ast jedoch nicht von der Pflicht, eine Wohnung mit angemessener Miete im Parterre oder einem Haus mit Aufzug zu suchen bzw. die Kosten auf andere Art zu senken. Sie bat darum, die Bemühungen um die Senkung der Kosten zu dokumentieren und ihr nachzuweisen.
Auf den Fortzahlungsantrag des Ast bewilligte die Ag dem Ast Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes für die Zeit vom 01.07.2007 bis zum 31.12.2007. Dabei berücksichtigte sie für die Monate Juli, August, September und Oktober 2007 Kosten der Unterkunft in Höhe von 577,20 Euro (dies entspricht der tatsächlichen Höhe der Unterkunftskosten) und für die Monate November und Dezember 2007 Kosten der Unterkunft in Höhe von 400,50 Euro (217,50 Euro Grundmiete zuzüglich 91,00 Euro Heizkosten und 92,00 Euro Betriebskosten). Gegen diesen Bescheid erhob der Ast am 24.08.2007 Widerspruch. Diesen begründete er damit, dass er seit 19.08.2005 durchgehend arbeitsunfähig sei. Sein Rentenantrag sei gestellt.
Auch für den folgenden Bewilligungsbaschnitt ab 01.01.2008 bewilligte die Ag Leistungen für Unterkunft und Heizung in Höhe von 400,50 Euro (Bescheid vom 21.12.2007). Dagegen erhob der Ast am 05.01.2008 Widerspruch.
Am 29.01.2008 hat der Ast einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung gestellt. Zur Begründung trägt er vor, dass eine Wohnung zu einer Kaltmiete von 217,50 Euro weder angemessen sei, noch sei ein Wohnungswechsel zumutbar. Infolge seiner Erkrankungen sei er auf Wohnungen im Erdgeschoss und in Häusern mit Fahrstühlen angewiesen. Es werde bezweifelt, dass für diesen eingeschränkten Wohnungsmarkt die angemessene Miete bei 217,50 Euro liege. Zudem habe die Ag darzulegen, dass genügend freier Wohnraum existiere und für dieses Wohnsegment nicht übermäßig viele Interessenten vorlägen. Dies habe die Ag dadurch zu belegen, dass sie die Zahlen der alleinstehenden erwerbsfähigen Hilfebedürftigen und der alleinstehenden Empfänger von Leistungen nach dem SGB XII nennt, die durch die Leistungsträger zur Senkung ihrer unangemessen Unterkunftskosten aufgefordert worden sind und die deshalb Wohnraum für eine Kaltmiete bis 217,50 Euro suchen. Vor allem sei der Ast jedoch aufgrund seiner Erkrankungen nicht in der Lage, sich in zureichendem Maße um eine Wohnung zu bemühen. Er habe kein Telefon und verfüge über keine Tageszeitung. Deshalb könne er Wohnungsangebote nicht sichten und sich nicht auf Wohnungsangebote melden. Ein Umzug sei darüber hinaus ausgeschlossen, weil sich der Ast durch die Wohnungssuche und einen den Umzug so sehr belasten würde, dass seine Gesundheit ernsthaft gefährdet werde. Dies habe auch der behandelnde Arzt Dr. R.bestätigt. Auch ein Anordnungsgrund liege vor. Das Mietverhältnis sei wegen Zahlungsverzugs gekündigt worden. Von seinem Vermieter der Allbau AG erhalte der Ast solange keine Wohnungsangebote, wie er dort Schulden habe.
Der Ast beantragt schriftsätzlich sinngemäß,
die Ag zu verpflichten, dem Ast vom Eingang des Antrages auf Erlass einer einstweiligen Anordnung an vorläufig bis zur Entscheidung in der Hauptsache Leistungen unter Berücksichtigung seiner tatsächlichen Unterkunftskosten zu gewähren.
Die Ag beantragt,
den Antrag zurückzuweisen.
Sie ist weiterhin der Auffassung, dass es dem Ast zuzumuten sei, einen Wohnungswechsel vorzunehmen. Die durchgeführte amtsärztliche Untersuchung vom 04.01.2007 habe ergeben, dass einem Umzug aus gesundheitlicher Sicht grundsätzlich nichts entgegen steht, sofern diese Wohnung im Parterre liege oder ein Aufzug vorhanden sei. Der Wohnungsmarkt in Essen dürfte entsprechende angemessene Objekte hergeben. Darauf weise auch die seitens des Rentenversicherungsträgers durchgeführte ärztliche Untersuchung hin, die ergeben habe, dass ein Leistungsvermögen von mindestens sechs Stunden täglich angenommen werden könne.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Verwaltungsakte der Ag Bezug genommen.
II.
Der zulässige Antrag ist begründet.
Der Ast hat sowohl einen Anordnungsanspruch als auch einen Anordnungsgrund glaubhaft gemacht.
Nach § 86 b Abs. 2 Satz 2 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag eine einstweilige Anordnung zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis treffen, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile notwendig erscheint. Der Erlass einer einstweiligen Anordnung setzt das Bestehen eines Anordnungsanspruchs, d.h. des materiellen Anspruchs, für den vorläufiger Rechtsschutz begehrt wird, sowie das Vorliegen eines Anordnungsgrundes, d.h. die Unzumutbarkeit voraus, bei Abwägung aller betroffenen Interessen die Entscheidung in der Hauptsache abzuwarten. Der geltend gemachte Hilfeanspruch (Anordnungsanspruch) und die besonderen Gründe für die Notwendigkeit der Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes (Anordnungsgrund), die Eilbedürftigkeit, sind glaubhaft zu machen (§ 86 Abs. 2 Satz 4 SGG i.V.m. § 920 Abs. 2 ZPO). Die Glaubhaftmachung bezieht sich auf die reduzierte Prüfungsdichte und die nur eine überwiegende Wahrscheinlichkeit erfordernde Überzeugungsgewissheit für die tatsächlichen Voraussetzungen des Anordnungsanspruchs und des Anordnungsgrundes im summarischen Verfahren (BVerfG v. 29.07.2003 - 2 BvR 311/03 - NVwZ 2004, 95, 96). Können ohne die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes schwere und unzumutbare, anders nicht abwendbare Beeinträchtigungen entstehen, die durch das Hauptsacheverfahren nicht mehr zu beseitigen wären, sind die Erfolgsaussichten der Hauptsache nicht nur summarisch, sondern abschließend zu prüfen. Scheidet eine vollständige Aufklärung der Sach- und Rechtslage im Eilverfahren aus, ist auf der Grundlage einer an der Gewährleistung eines effektiven Rechtsschutzes orientierten Folgenabwägung zu entscheiden. Die grundrechtlichen Belange der Antragsteller sind dabei umfassend in die Abwägung einzustellen (BVerfG, Beschluss vom 12.05.2005 - 1 BvR 569/05 - NVwZ 2005, 927ff).
Der Anordnungsanspruch ergibt sich aus § 22 Abs. 1 S. 1 und S. 3 SGB II. Nach § 22 Abs. 1 S. 1 SGB II hat die Ag Leistungen für Unterkunft und Heizung in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen zu erbringen, soweit diese angemessen sind. Nach Satz 3 der Vorschrift sind auch unangemessen hohe Unterkunftskosten zu übernehmen, solange es dem Hilfebedürftigen nicht möglich oder nicht zuzumuten ist, durch einen Wohnungswechsel, durch Vermieten oder auf andere Weise die Aufwendungen zu senken, in der Regel jedoch längstens für sechs Monate. Unabhängig von der Frage, ob die Höhe der tatsächlichen Aufwendungen des Ast hier abstrakt oder konkret angemessen sind, war die Ag zur vorläufigen Übernahme der tatsächlichen Unterkunftskosten zu verpflichten. Der Ast hat nach Auffassung des Gerichts hinreichend glaubhaft gemacht, dass ihm die Senkung der Unterkunftskosten z. Z. auf nicht absehbare Dauer nicht zuzumuten ist. Das Gericht hält es jedenfalls für überwiegend wahrscheinlich, dass die mit einem Umzug verbundenen körperlichen und psychischen Belastungen ein zu hohes gesundheitliches Risiko für den Ast darstellen. Hinsichtlich dieser Annahme wird auf das ärztliche Attest des behandelnden Arztes des Klägers Dr. R. Bezug genommen, der ausführt, dass der Ast körperliche und seelische Belastungen auf ein Minimum zu reduzieren hat. Körperliche und seelische Belastungen sind jedoch mit einem Umzug zwangsläufig verbunden, insbesondere dann, wenn ein Hilfebedürftiger – wie der Ast vorträgt – seit 33 Jahren in seiner Wohnung wohnt und er sein soziales und familiäres Umfeld in unmittelbarer Umgebung hat. Zu diesen mit einem Verlassen der jetzigen Wohnung verbundenen seelischen Belastung kommen die Belastungen durch den konkreten Umzugsvorgang hinzu, die sich auch durch die Übernahme der schweren körperlichen Arbeiten durch Fachpersonal nicht gänzlich vermeiden lassen. Letztlich kann nicht einmal ausgeschlossen werden, dass schon die nicht unerheblichen Belastungen, die mit einer Wohnungssuche verbunden sind, eine zu große Anstrengung für den Ast darstellen würden. Die Stellungnahme des ärztlichen Dienstes der Agentur für Arbeit Essen kann das Gericht nicht von der Tauglichkeit des Ast, einen Umzug vorzunehmen, überzeugen. Vielmehr deutet diese Stellungnahme darauf hin, dass ein Umzug für den Ast tatsächlich eine Belastung darstellen würde, die jedenfalls dadurch abgemildert werden muss, dass dem Ast Fachpersonal zur Verrichtung der körperlichen Arbeiten zur Verfügung gestellt werden muss. Ob dies allerdings ausreicht, ist nach derzeitigen Sachlage nicht zweifelsfrei festzustellen. Daher sind hier die tatsächlichen Kosten der Unterkunft ausnahmsweise vorläufig auch weit über die als Regel im Gesetz genannte sechsmonatige Frist hinaus zu übernehmen, zumindest solange, bis im Hauptsacheverfahren die vorgetragenen medizinischen Verhältnisse aufgeklärt sind.
Eine abschließende Beurteilung dieser Fragen bleibt, soweit es dazu kommt, einem gerichtlichen Hauptsacheverfahren vorbehalten.
Der Ast hat auch einen Anordnungsgrund glaubhaft gemacht. Aufgrund der teilweise ausgebliebenen Mietzahlung hat die Vermieterin des Ast (Allbau AG) den Mietvertrag inzwischen gekündigt. Die Suche einer neuen Wohnung bei derselben Vermieterin ist behindert, solange die Mietschulden dort bestehen.
Die Verpflichtung der Ag war für die Zeit ab Antragstellung bei Gericht bis zum Ende des laufenden Bewilligungsverfahrens auszusprechen, längstens jedoch bis zur endgültigen Entscheidung über den Widerspruch gegen den Bewilligungsbescheid vom 21.12.2007. Das Gericht geht davon aus, dass die Ag sich auch im folgenden Bewilligungsabschnitt an diese Verpflichtung halten wird, falls bis dahin keine endgültige Entscheidung über den Widerspruch gegen den Bewilligungsbescheid vom 21.12.2007 gefallen ist.
Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.
Aus den oben genannten Gründen und unter Berücksichtigung der wirtschaftlichen Verhältnisse des Ast war diesem auch Prozesskostenhilfe zu bewilligen.
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