L 3 AL 1936/04

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
3
1. Instanz
SG Reutlingen (BWB)
Aktenzeichen
S 5 AL 1485/01
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 3 AL 1936/04
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Sozialgerichts Reutlingen vom 28. November 2003 sowie der Bescheid der Beklagten vom 23. November 1995 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14. Mai 1996 und der Bescheid vom 29. Mai 1996 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11. August 2000 aufgehoben.

Die Beklagte trägt die außergerichtlichen Kosten des Klägers in sämtlichen Rechtszügen.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist die Aufhebung der Bewilligung und die Erstattung der dem Kläger für die Zeit vom 08.10.1993 bis 31.05.1994 gewährten Arbeitslosenhilfe (Alhi) streitig.

Der 1952 geborene italienische Kläger stand ab 1983 mit Unterbrechungen im Leistungsbezug der Beklagten. Vor dem streitigen Zeitraum bezog er bis zur Erschöpfung des Anspruchs am 07.10.1993 Arbeitslosengeld (Alg) in Höhe von wöchentlich 234,60 DM (Bemessungsentgelt 490,00 DM wöchentlich/Leistungsgruppe C/1, Leistungssatz 68 vom Hundert - Bescheid vom 14.01.1994).

Am 08.09.1993 teilte die vom Kläger seit September 1992 getrennt lebende Ehefrau mit, dieser habe ein Nebeneinkommen aus einer Tätigkeit in der Gaststätte "K." in der M.-Straße in Reutlingen. Auf die an den K., M.-Straße 82 gerichtete Anfrage bezüglich des Nebenverdienstes des Klägers teilte dieser mit, er halte sich dort öfter auf, arbeite jedoch nicht. Die Pächterin sei seine Verlobte.

Nachdem der Kläger am 16.09.1993 Antrag auf Bewilligung von Alhi gestellt hatte, wurde er aufgefordert, Angaben zu seiner Tätigkeit zu machen und Verdienstbescheinigungen seiner Verlobten für die Monate Juli 1993 bis September 1993 vorzulegen. Er teilte hierzu mit, diese sei selbstständig, er wohne nicht mit ihr zusammen und werde deren Einkommen nicht angeben.

Das Einwohnermeldeamt Reutlingen teilte der Beklagten mit, der Kläger wohne seit 01.10.1993 nicht mehr in der K.-Straße 17, sondern in der M.-Straße 82 in Reutlingen. Die getrennt lebende Ehefrau und der Sohn wohnten weiterhin in der K.-Straße 17. Ob außer dem Kläger noch weitere Personen in der M.-Straße gemeldet seien, könne aus dem Datenbestand nicht festgestellt werden. Bei der Adresse "M.-Straße 82" handle es sich auch um die Adresse des K ...

Mit Schreiben vom 02.12.2993 teilte die Beklagte dem Kläger mit, über den Antrag könne noch nicht entschieden werden. Nach den vorliegenden Auskünften lebe er mit seiner Verlobten zusammen unter der Adresse des K ... Zudem sei die geänderte Lohnsteuerkarte noch nicht vorgelegt worden.

Der Kläger legte daraufhin die Lohnsteuerkarte 1994 vor, auf welcher die Anschrift K.-Straße 17 handschriftlich durch die Anschrift M.-Straße 82 ersetzt worden war. Weiter legte er die Anmeldebestätigung über den Umzug am 01.10.1993 vor. Darauf ist die neue Anschrift handschriftlich abgeändert von M.-Straße 82 in M.-Straße 67 mit dem Vermerk "laut Aussage Frau K. vom 09.12.1993". Schließlich wurde die Aufenthaltsbescheinigung des Einwohnermeldeamtes Reutlingen vom 09.12.1993 vorgelegt, in der angegeben wird, der Kläger sei zur Zeit mit alleiniger Wohnung in der M.-Straße 82 gemeldet.

Daraufhin bewilligte die Beklagte dem Kläger Alhi ab dem 08.10.1993 in Höhe von 200,40 DM wöchentlich (Bemessungsentgelt 490,00 DM wöchentlich/Leistungsgruppe A 1/Leistungssatz 58 v. H. - Bescheid vom 18.01.1994) und vom 01.01. bis 31.05.1994 in Höhe von 193,80 DM wöchentlich (Bemessungsentgelt 490,00 DM wöchentlich/Leistungsgruppe A1/Leistungssatz 57 v. H. - Bescheid vom 18.01.1994).

Nachdem am 24.01.1994 ein Postrücklauf mit dem Vermerk "unbekannt verzogen" erfolgt war, stellte die Beklagte die Bewilligung von Alhi zunächst ein. Nachdem der Kläger am 02.02.1994 persönlich zur Meldekontrolle erschienen war und mitgeteilt hatte, dass er in der M.-Straße 82 wohne und normalerweise die Post erhalte, wurden die Leistungen weitergewährt.

Im Mai 2004 stellte der Kläger den Antrag auf Fortzahlung der Alhi.

Nachdem am 04.07.1994 ein Außendienstauftrag zur Überprüfung des Klägers bezüglich einer Tätigkeit im K. erteilt worden war, erfolgten Außendienstprüfungen am 08.12.1994 und 19.01.1995. Am 08.12.1994 erklärte ein Bewohner des Hauses Metzgergasse 82, der Kläger wohne nicht hier, sondern zusammen mit Frau K. in der M.-Straße 67. Bei der Kontrolle in der Gaststätte K. am 19.01.1995 wurde der Kläger hinter der Theke angetroffen. Im Erfassungsbogen gab der Kläger an, er arbeite seit eineinhalb Jahren bei seiner Verlobten, wenn er da sei. Entgelt erhalte er nicht.

Mit Bescheid vom 21.03.1995 lehnte die Beklagte den Antrag auf Fortzahlung der Alhi ab dem 01.06.1994 ab mit der Begründung, der Kläger könne seinen Lebensunterhalt auf andere Weise als durch Alhi bestreiten. Dieser Bescheid wurde bestandskräftig.

Nachdem die Beklagte mit Bescheid vom 17.05.1995 den am 28.04.1995 gestellten Antrag auf Weiterbewilligung von Alhi abgelehnt hatte, legte der Kläger, der nach Auskunft des Einwohnermeldeamtes Reutlingen weiterhin in der M.-Straße 67 gemeldet war, Widerspruch ein mit der Begründung, er lebe zwar mit Frau K. zusammen, erhalte von dieser jedoch keine Unterstützung. Er helfe ab und zu in der Taverne, wenn er gerade anwesend sei, jedoch ohne eine Verpflichtung hierzu und ohne hierfür ein Entgelt zu erhalten. Mit Widerspruchsbescheid vom 30.06.1995 wies die Beklagte den Widerspruch zurück.

Nach Vorlage der Einnahme-Überschussrechnungen von Frau K. hörte die Beklagte den Kläger hinsichtlich einer Aufhebung der Bewilligung von Alhi ab 08.10.1993 gemäß § 24 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) an mit dem Vortrag, er habe keine Angaben zu seiner Partnerin gemacht, mit der er seit 01.10.1993 zusammenlebe. Da diese über entsprechende Einkünfte verfüge, habe bei ihm keine Bedürftigkeit vorgelegen. Der Kläger trug hierzu vor, er sei in der M.-Straße 82 gemeldet gewesen und habe dort ein Zimmer im Obergeschoss des Hauses bewohnt. Frau K. wohne in der M.-Straße 67. Er sei erst im April 1995 in die Wohnung von Frau K. gezogen.

Mit Bescheid vom 23.11.1995 nahm die Beklagte die Entscheidung über die Bewilligung von Alhi mit Wirkung vom 08.10.1993 wegen mangelnder Bedürftigkeit ganz zurück und forderte die Erstattung überzahlter Leistungen in Höhe von 6.604,90 DM.

Hiergegen legte der Kläger Widerspruch ein mit der Begründung, er lebe erst seit März 1995 mit seiner Partnerin in der M.-Straße 67 zusammen. Zuvor habe er ab Oktober 1993 in einem angemieteten Zimmer in der M.-Straße 82 gewohnt. Mit Widerspruchsbescheid vom 14.05.1996 wies die Beklagte den Widerspruch zurück mit der Begründung, der Kläger sei ab Oktober 1993 nicht bedürftig, da er seit diesem Zeitpunkt mit Frau K. zusammenlebe. Dies ergebe sich u.a. aus den Feststellungen des Außendienstmitarbeiters, wonach der Kläger bereits im Dezember 1994 bei Frau K. in der M.-Straße 67 gewohnt habe. Auch habe der Kläger Frau K. im Jahr 1993 als seine Verlobte bezeichnet und angegeben, dass er sich öfters bei ihr aufhalte.

Die hiergegen am 20.05.1996 erhobene Klage (S 5 AL 1038/96) hat das Sozialgericht Reutlingen (SG) mit Gerichtsbescheid vom 21.07.2000 ohne weitere Ermittlungen und unter Bezugnahme auf die Gründe der angegriffenen Widerspruchsentscheidung abgewiesen.

Auf die Berufung des Klägers hat das Landessozialgericht Baden-Württemberg (L 5 AL 3311/00) mit Urteil vom 14.02.2001 den Gerichtsbescheid vom 21.07.2000 aufgehoben und die Sache zur Verhandlung und erneuten Entscheidung an das SG zurückverwiesen.

Bereits zuvor hatte die Beklagte mit Bescheid vom 29.05.1996 und Widerspruchsbescheid vom 11.08.2000 die Erstattung der auf die Alhi-Leistungen entfallenden Beiträge zur Krankenversicherung in Höhe von 1.359,02 DM festgesetzt.

Mit Urteil vom 28.11.2003 hat das SG die Klage ohne weitere Ermittlungen abgewiesen mit der Begründung, der Kläger sei im streitigen Zeitraum nicht arbeitslos gewesen, da er seiner Lebensgefährtin beim Betrieb der Gaststätte geholfen habe. Auch nach den Bekundungen der geschiedenen Ehefrau des Klägers habe dieser Nebeneinkommen aus seiner Tätigkeit in der Gaststätte erzielt. Danach sei davon auszugehen, dass der Kläger in der Gaststätte seiner Lebensgefährtin auf jeden Fall in einem zeitlichen Umfang von deutlich mehr als 18 Stunden tätig gewesen sei.

Gegen das am 21.04.2004 zugestellte Urteil hat der Kläger am 19.05.2004 Berufung eingelegt. Er hat weiter mitgeteilt, im Jahr 1993 geschieden worden zu sein. Seit Sommer 2002 lebe er nicht mehr mit Frau K. zusammen. Das Einwohnermeldeamt der Stadt Reutlingen hat mitgeteilt, Frau K. sei seit dem 15.08.1992 unter der Anschrift M.-Straße 67 gemeldet. Nachdem diese als Zeugin geladen worden war, teilte ihre Tochter fernmündlich mit, diese lebe seit ca. zwei Jahren in Griechenland. Die deutsche Adresse werde lediglich als Postadresse noch aufrechterhalten. Im Erörterungstermin am 30.03.2007 hat der Kläger angegeben, nach seiner Scheidung im Jahr 1993 sei er in die Metzgergasse 82 in eine Einzimmerwohnung mit Küche und Etagendusche eingezogen. In dem Haus hätten sich zehn bis zwölf Zimmer befunden, die alle von Frau K. vermietet worden seien. Diese habe er kennen gelernt, als er in Scheidung gelebt habe. Ein schriftlicher Mietvertrag über die Wohnung in der M.-Straße 82 sei nicht abgeschlossen worden, er habe monatlich 400,00 DM hierfür bezahlt. Da er zum damaligen Zeitpunkt keine Alhi erhalten habe, habe die Stadt Reutlingen die Miete direkt an Frau K. gezahlt. Wann er danach zu dieser in die M.-Straße 67 gezogen sei, wisse er nicht mehr genau. Seine frühere Ehefrau sei 1999 verstorben. Solange er in der M.-Straße 82 gewohnt habe, habe er von der Stadt Reutlingen Sozialhilfe bezogen. Nach seinem Umzug in die M.-Straße 67 habe er keine Sozialhilfe mehr erhalten. Hierzu hat der Kläger den Bescheid des Sozialamtes der Stadt Reutlingen vom 31.05.1995 vorgelegt, wonach die Hilfe zum Lebensunterhalt zum 01.04.1995 eingestellt wurde.

Anfragen an Frau K. unter der Anschrift Metzgergasse 62 in Reutlingen bezüglich des Zusammenlebens mit dem Kläger, der Höhe der Miete, finanzieller Unterstützung des Klägers und dessen Mitarbeit im K. sind nicht beantwortet worden. Unter der von der Tochter der Klägerin im Jahr 2007 angegebenen Telefonnummer konnte kein Teilnehmer gefunden werden. Das Bürgermeisteramt der Stadt Reutlingen hat mitgeteilt, Frau K. sei rückwirkend zum Jahr 2004 nach Griechenland abgemeldet worden. Ihre dortige Adresse sei nicht bekannt und dürfe auch nicht gespeichert werden. Den Beteiligten sind die vom Gericht veranlassten Versuche der Ermittlung des Aufenthalts von Frau K. mitgeteilt worden.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Reutlingen vom 28. November 2003 sowie den Bescheid der Beklagten vom 23. November 1995 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14. Mai 1996 und den Bescheid vom 29. Mai 1996 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 11. August 2000 aufzuheben.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen, hilfsweise, den Termin zur Vernehmung der Zeugin Drossia K. in Griechenland zu vertagen.

Sie hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend. Bereits im September 1993 habe der Kläger angegeben, er sei der Verlobte von Frau K. und halte sich öfters im K. auf. Er sei dort auch arbeitend hinter der Theke angetroffen worden und habe angegeben, sich oft in der Gaststätte aufgehalten zu haben. Bei Einnahmen von 170.000,00 DM und Lohnkosten von 1% der Einnahmen spreche eine überwiegende Wahrscheinlichkeit dafür, dass der Kläger in der Gaststätte K. mitgeholfen habe. Der Kläger habe zudem im Erfassungsbogen am 19.01.1995 angegeben, seit eineinhalb Jahren freiwillig bei seiner Verlobten tätig zu sein. Der Postrücklauf im Januar 1994 lege nahe, dass der Kläger bereits zu diesem Zeitpunkt nicht mehr in der M.-Straße 82 gewohnt habe.

Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Beklagtenakten sowie der Gerichtsakten beider Rechtszüge ergänzend Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung des Klägers ist zulässig. Berufungsausschließungsgründe nach § 144 Sozialgerichtsgesetz (SGG) liegen nicht vor.

Gegenstand des Verfahrens ist gem. § 96 SGG auch der Bescheid über die Erstattung der Beiträge zur Krankenversicherung vom 29.05.1996 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11.08.2000.

Die Berufung ist auch begründet.

Die Beklagte hat keinen Anspruch auf Erstattung der Alhi nach § 45 SGB X i.V.m. § 152 Abs. 2 Arbeitsförderungsgesetz (AFG) bzw. § 330 Abs. 2 Drittes Buch Sozialgesetzbuch (SGB III).

Nach § 45 Abs. 1 SGB X darf ein Verwaltungsakt, der ein Recht oder einen rechtlich erheblichen Vorteil begründet oder bestätigt hat (begünstigender Verwaltungsakt), soweit er rechtswidrig ist, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, nur unter den Einschränkungen der Abs. 2 bis 4 ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft oder für die Vergangenheit zurückgenommen werden.

Nach § 330 Abs. 2 SGB III ist ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt auch mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen, wenn die in § 45 Abs. 2 Satz 3 SGB X genannten Voraussetzungen vorliegen.

Die Bewilligung von Alhi für den streitigen Zeitraum war nicht rechtswidrig.

Anspruch auf Alhi hat gemäß § 134 Abs. 1 Arbeitsförderungsgesetz (AFG) in der bis zum 31.12.1997 geltenden Fassung, wer 1. arbeitslos ist, der Arbeitsvermittlung zur Verfügung steht, sich beim Arbeitsamt arbeitslos gemeldet und Arbeitslosenhilfe beantragt hat, 2. keinen Anspruch auf Arbeitslosengeld hat, weil er die Anwartschaftszeit (§ 104) nicht erfüllt, 3. bedürftig ist und 4. innerhalb eines Jahres vor dem Tag, an dem die sonstigen Voraussetzungen für den Anspruch auf Arbeitslosenhilfe erfüllt sind (Vorfrist), a) Arbeitslosengeld bezogen hat, ohne dass der Anspruch nach § 119 Abs. 3 erloschen ist, oder b) mindestens 150 Kalendertage, sofern der letzte Anspruch auf Arbeitslosengeld oder Arbeitslosenhilfe nach § 119 Abs. 3 erloschen ist, danach mindestens zweihundertvierzig Kalendertage in einer Beschäftigung gestanden oder eine Zeit zurückgelegt hat, die zur Erfüllung der Anwartschaftszeit dienen können.

Diese Voraussetzungen sind vorliegend erfüllt. Insbesondere konnte nicht nachgewiesen werden, dass der Kläger im streitigen Zeitraum nicht arbeitslos (I) und nicht bedürftig (II) war.

I.

Der Kläger war im streitigen Zeitraum arbeitslos. Nach § 101 Abs. 1 Satz 1 AFG ist ein Arbeitnehmer arbeitslos im Sinne dieses Gesetzes, der vorübergehend nicht in einem Beschäftigungsverhältnis steht oder nur eine kurzzeitige Beschäftigung ausübt. Kurzzeitig in diesem Sinne ist gemäß § 102 Abs. 1 AFG eine Beschäftigung, die auf weniger als 18 Stunden wöchentlich der Natur der Sache nach beschränkt zu sein pflegt oder im Voraus durch einen Arbeitsvertrag beschränkt ist, wobei gelegentliche Abweichungen von geringer Dauer unberücksichtigt bleiben.

Unbeachtlich ist, dass die Beklagte den Aufhebungsbescheid nicht auf die Begründung der fehlenden Arbeitslosigkeit des Klägers gestützt hat. Da die Beklagte eine gebundene Entscheidung zu treffen hatte, ist allein entscheidungserheblich, ob die Bewilligungsbescheide rechtswidrig waren.

Zur Überzeugung des Senats ist nicht nachgewiesen, dass der Kläger im streitigen Zeitraum 18 Stunden oder mehr eine Tätigkeit oder Beschäftigung ausgeübt hat.

Der Kläger hat zwar angegeben, gelegentlich in der Gaststätte K. ausgeholfen zu haben. So hatte er bei der Befragung am 19.01.1995 angegeben, seit eineinhalb Jahren freiwillig tätig zu sein, wenn er da sei. Hieraus kann jedoch nicht auf eine Tätigkeit im Umfang von 18 und mehr Stunden wöchentlich geschlossen werden. Auch durch den Umstand, dass der Kläger am 19.01.2005 und damit mehr als ein halbes Jahr nach Ablauf des streitigen Zeitraums hinter der Theke arbeitend angetroffen wurde, kann nicht auf eine entsprechende Arbeitstätigkeit im streitigen Zeitraum geschlossen werden.

Weitere Ermittlungen zur Aufklärung des Sachverhalts waren nicht möglich. Insbesondere konnte eine Zeugenvernehmung der früheren Pächterin und Lebensgefährtin des Klägers, Frau K. , mangels Kenntnis ihres Aufenthalts bzw. einer ladungsfähigen Anschrift nicht mehr erfolgen. Das Beweismittel war deshalb nicht erreichbar (BSG, Urteil vom 06.02.2007 - B 8 KN 16/05 B - SozR 4-1500 § 160 Nr. 12; Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 8.Aufl. § 103 Rn. 8). Dem hilfsweise gestellten Antrag der Beklagten auf Vertagung der mündlichen Verhandlung war deshalb nicht stattzugeben.

Grundsätzlich ist derjenige beweisbelastet, der aus einem Umstand für ihn günstige Rechtsfolgen herleitet. Es gilt der Grundsatz der objektiven Beweislast: Kann sich das Gericht nach Abschluss der von Amts wegen erfolgenden Beweiserhebung und -würdigung nicht die erforderliche Überzeugung über beweiserhebliche Tatsachen verschaffen, sind die Folgen der Beweislosigkeit von dem Beteiligten zu tragen, der aus der zu beweisenden Tatsache ein Recht herleiten will. Voraussetzung für die Beweiserleichterung ist sodann, dass weitere Ermittlungen nicht mehr möglich sind. Die Weigerung eines Beteiligten, in zumutbarer Weise am Verfahren mitzuwirken, entbindet das Gericht nicht von der Amtsermittlungspflicht; es muss vielmehr versuchen, die erforderlichen Ermittlungen selbst anzustellen. Erst wenn diese Ermittlungen nicht mehr durchgeführt werden können, greifen die Grundsätze der Beweislast. Beweisbelastet ist vorliegend die Beklagte, da das Vorliegen der Voraussetzungen für die Aufhebung der Leistungsbewilligung nachzuweisen sind.

Es findet auch keine Umkehr der Beweislast dergestalt statt, dass der Kläger den Nachweis zu führen hätte, dass er weniger als 18 Stunden wöchentlich gearbeitet hat. Eine Umkehr der Beweislast kann danach eingreifen, wenn es um in der Sphäre des Arbeitslosen liegende Tatsachen geht, die die Beklagte in Ermangelung entsprechender Angaben des Arbeitslosen nicht kennt und nicht kennen muss (BSG Urteil vom 02.09.2004 - B 7 AL 88/03 R - SozR 4-1500 § 128 Nr. 5). Der Kläger hat zwar im Antrag auf Fortzahlung von Alhi vom 16.09.1993 angegeben, er übe keine Nebenbeschäftigung aus. Schon unter Zugrundelegung dieser Angaben führt die Nichterweislichkeit einer mehr als 18 Stunden wöchentlich umfassenden Tätigkeit zu einer die Beklagte treffenden Beweislast. Diese hatte zudem aufgrund der Mitteilung der Ehefrau des Klägers am 08.09.1993 und damit noch vor Beginn des streitigen Zeitraums den Hinweis erhalten, der Kläger erziele ein Nebeneinkommen aus einer Tätigkeit in K ... Der dadurch gegebenen Möglichkeit zur Aufklärung des Sachverhalts ist sie nicht in ausreichendem Maße und jedenfalls nicht zeitnah, sondern erst weit nach Ablauf des streitigen Zeitraums nachgekommen.

II.

Nach § 137 Abs. 1 AFG ist der Arbeitslose bedürftig im Sinne des § 134 Abs. 1 Nr. 3 AFG, soweit er seinen Lebensunterhalt und den seines Ehegatten sowie seiner Kinder, für die er Anspruch auf Kindergeld nach dem Bundeskindergeldgesetz oder auf eine das Kindergeld ausschließende Leistung für Kinder hat, nicht auf andere Weise als durch Arbeitslosenhilfe bestreitet oder bestreiten kann und das Einkommen, das nach § 138 AFG zu berücksichtigen ist, die Arbeitslosenhilfe nach § 136 nicht erreicht. Hierbei sind nach § 137 Abs. 2a AFG Einkommen und Vermögen einer Person, die mit dem Arbeitslosen in eheähnlicher Gemeinschaft lebt, wie das Einkommen und Vermögen eines nicht dauernd getrennt lebenden Ehegatten zu berücksichtigen.

Anhaltspunkte dafür, dass der Kläger im streitigen Zeitraum Einkommen erzielt hat, liegen nicht vor. Die Einkünfte und das Vermögen von Frau K. sind im streitigen Zeitraum nicht zu berücksichtigen, da das Vorliegen einer eheähnlichen Gemeinschaft mit dem Kläger nicht nachgewiesen ist. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts liegt eine eheähnliche Gemeinschaft bei einer Lebensgemeinschaft zwischen einem Mann und einer Frau dann vor, wenn sie auf Dauer angelegt ist, daneben keine weitere Lebensgemeinschaft gleicher Art zulässt und sich durch innere Bindungen auszeichnet, die ein gegenseitiges Einstehen der Partner füreinander begründet, also über die Beziehungen in einer reinen Haushalts- und Wirtschaftsgemeinschaft hinausgeht (BVerfG, SozR 3-4100 § 137 Nr. 3). Hierfür reicht die Tatsache eines bloßen Zusammenlebens nicht aus. Erforderlich ist vielmehr eine Lebens- und Wirtschaftsgemeinschaft in dem Sinne, dass die Partner "aus einem Topf" wirtschaften. Von einem gegenseitigen Füreinandereinstehen kann in der Regel nach einem dreijährigen Zusammenleben ausgegangen werden, sofern keine weiteren Anhaltspunkte vorliegen.

Ein Indiz für das Vorliegen einer eheähnlichen Gemeinschaft ist lediglich, dass der Kläger Frau K. bereits im streitigen Zeitraum als seine Verlobte bezeichnet hat. Das Verlöbnis, das keiner besonderen Form bedarf, ist das ernstlich gemeinte Eheversprechen und begründet eine Verpflichtung zur Eingehung der Ehe, die aber weder eingeklagt oder vollstreckt noch mittelbar erzwungen werden kann. Ein wirksames Verlöbnis verschafft dem Verlobten jedoch keinen Unterhaltsanspruch, wohl aber ein Zeugnisverweigerungsrecht. Weitere Anhaltspunkte für ein gegenseitiges Füreinandereinstehen liegen nicht vor. Insbesondere ist weder nachgewiesen, dass der Kläger und Frau K. im streitigen Zeitraum eine gemeinsame Wohnung bewohnt haben, noch dass der Kläger von ihr finanziell unterstützt wurde. Die Vermutung der Beklagten, aus dem Umstand, dass der Kläger ab September 1993 von seiner Ehefrau dauernd getrennt gelebt habe, müsse geschlossen werden, dass er ab diesem Zeitpunkt mit Frau K. in der M.-Straße 67 zusammengelebt habe, lässt sich aufgrund der vorliegenden Unterlagen nicht verifizieren. In der Meldebestätigung vom 28.10.1993 hat der Kläger vielmehr angegeben, von der Katharinensraße 17, der ehelichen Wohnung, in die M.-Straße 82 verzogen zu sein. Diese Anschrift ist auch auf der Lohnsteuerkarte 1994 und der Anmeldebestätigung vom 28.10.1993 angegeben. Zudem ist in der Aufenthaltsbescheinigung des Einwohnermeldeamtes Reutlingen vom 09.12.1993 als Anschrift des Klägers M.-Straße 82 angegeben.

Eine andere Beurteilung kann auch nicht der Aussage einer vom Außendienst der Beklagten vernommenen, nicht namentlich genannten Person entnommen werden, die erst im Dezember 1994 und damit zu einem nach dem streitigen Zeitraum liegenden Zeitpunkt angegeben hat, der Kläger wohne nicht in der M.-Straße 82. Ermittlungen zu der Frage, ob der Kläger zuvor in der Metzgergasse 67 gewohnt hat, wurden nicht durchgeführt.

Den vom Kläger vorgelegten Unterlagen kann demgegenüber entnommen werden, dass er vom Sozialamt der Stadt Reutlingen für die Wohnung in der M.-Straße 82 einen Mietzuschuss erhalten hat. Ein Umzug von der M.-Straße 82 in die M.-Straße 67 hat der Kläger am 16.02.1995 zum 01.03.1995 der Ortsbehörde mitgeteilt.

Es bestehen darüber hinaus keinerlei Anhaltspunkte dafür, dass der Kläger - so er denn gearbeitet hat - hierfür ein Entgelt erhalten hat. Nicht nachvollziehbar ist die Erwägung der Beklagten, bei Einnahmen von 170.000,00 DM und Lohnkosten von 1% der Einnahmen dürfte eine überwiegende Wahrscheinlichkeit dafür sprechen, dass der Kläger in der Gaststätte mitgeholfen habe. Soweit die Beklagte damit zum Ausdruck bringen will, dass Einnahmen von jährlich 170.000,00 DM nicht ohne Mitarbeiter erzielt werden können, ist dies nicht zutreffend. Ausweislich des Jahresabschlusses zum 31.12.1993 waren in den Einnahmen von 170.580,22 DM Mieteinnahmen in Höhe von 35.200,00 DM enthalten. Die reinen Umsatzerlöse ohne Provisions- und Tabakprovisionserlöse betrugen 125.856,95 DM, somit monatlich ca. 10.000,00 DM. Es ist nicht begründbar, warum Frau K. diese Einnahmen nicht alleine bzw. mit einer zeitweise Beschäftigten erzielt haben könnte. Die Vermutung der Beklagten, der Kläger habe gearbeitet, um seine Mietschulden zu begleichen, überzeugt den Senat gleichfalls nicht, denn der Kläger hat nachweislich vom Sozialamt der Stadt Reutlingen Leistungen für die Miete erhalten.

Entgegen dem Vortrag der Beklagten ist es für den vorliegenden Rechtsstreit unerheblich, wovon der Kläger im Zeitraum vom 24.11.1994 bis 27.04.1995 gelebt hat. Dieser Vortrag ist auch schon deshalb unbeachtlich, weil der Kläger im vorangegangenen Berufungsverfahren Nachweise über den Bezug von Sozialhilfe für die Zeit vom 01.09.1994 bis 31.01.1995 vorgelegt hat.

Im Übrigen wäre es der Beklagten unbenommen gewesen, durch die Durchführung von Ermittlungen im streitgegenständlichen Zeitraum sowohl das Vorliegen einer eheähnlichen Lebensgemeinschaft als auch eine Tätigkeit des Klägers im K. zu ermitteln. Bereits am 08.09.1993 und damit vor dem streitigen Zeitraum erhielt die Beklagte einen Hinweis, wonach der Kläger aufgrund einer Tätigkeit im K. Nebeneinkommen erziele. Bereits am 16.09.1993 teilte der Kläger mit, die Inhaberin sei seine Verlobte, er halte sich im K. öfter auf, arbeite jedoch nicht dort. Am 13.10.1993 wurde die Prüfung der Verfügbarkeit veranlasst. Daraufhin erfolgte lediglich am 29.10.1993 ein fernmündliches Gespräch mit dem Einwohnermeldeamt Reutlingen. Hierbei wurde u.a. mitgeteilt, die seit 01.10.1993 geltende Wohnanschrift des Klägers M.-Straße 82 sei auch die Adresse des K ... Hierauf wurde mit Schreiben vom 02.12.1993 lediglich eine Selbsteinschätzung sowie der Steuerbescheid von Frau K. angefordert. Obwohl weder das eine noch das andere vorgelegt wurden, bewilligte die Beklagte mit Bescheid vom 12.01.1994 Alhi ab dem 07.10.1993. Erst nachdem am 04.07.1994 ein Außendienstauftrag erteilt worden war, wurde dieser am 08.12.1994 und 19.01.1995 durchgeführt. Die Beklagte hat es damit unterlassen, obwohl ihr entsprechende Hinweise vorlagen, zeitnahe Ermittlungen durchzuführen.

Da somit der Aufhebungs- und Erstattungsbescheid und der Widerspruchsbescheid bezüglich der Alhi rechtswidrig und deshalb aufzuheben sind, sind auch der Bescheid und der Widerspruchsbescheid, mit denen die Erstattung der Beiträge zur Krankenversicherung festgesetzt worden ist, aufzuheben.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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