S 18 (23) AS 107/08

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
SG Detmold (NRW)
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
18
1. Instanz
SG Detmold (NRW)
Aktenzeichen
S 18 (23) AS 107/08
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 19 (20) AS 45/09
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Klage wird abgewiesen. Außergerichtliche Kosten haben die Beteiligten einander nicht zu erstatten. Die Berufung wird zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten über die Rechtmäßigkeit einer teilweisen Aufhebung der Bewilligung von Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II) und einer Erstattungsforderung in Höhe von 510 EURO.

Der 1972 geborene Kläger bezog ab Januar 2005 Leistungen nach dem SGB II von der Beklagten. Er lebt mietfrei im Haus seiner Eltern. Mit Bescheid vom 04.01.2006 bewilligte ihm die Beklagte Leistungen nach dem SGB II für den Bewilligungszeitraum Januar 2006 bis Juni 2006 in Höhe von 345 EURO Regelleistung. Kosten der Unterkunft fanden keine Berücksichtigung. Mit Bescheid vom 19.06.2006 bewilligte die Beklagte Leistungen nach dem SGB II für den Bewilligungszeitraum Juli bis Dezember 2006. Für die Monate Juli bis September 2006 berücksichtigte die Beklagte eine Absenkung der Regelleistung von 35 EURO wegen eines Meldeversäumnisses. Ab Oktober 2006 gewährte die Beklagte dem Kläger ungeminderte Leistungen ausgehend von der Regelleistung von 345 EURO. Ein gegen die Absenkung gerichteter Widerspruch wurde mit Widerspruchsbescheid vom 30.08.2006 als unbegründet zurückgewiesen. Klage wurde hiergegen nicht erhoben.

Am 14.12.2006 beantragte der Kläger die Weitergewährung von Leistungen ab Januar 2007. In diesem Zusammenhang legte er eine ausgedruckte Umsatzübersicht seines Girokontos für die Zeit vom 01.06.2006 bis 14.12.2006 vor. Aus dieser Übersicht ergab sich, dass dem Konto des Klägers an 4 Tagen Einzahlungen in unterschiedlicher Höhe gutgeschrieben worden waren. Im Einzelnen erfolgten folgende Einzahlungen: Am 14.06.2006 200 EURO, am 17.08.2006 100 EURO, am 26.09.2006 120 EURO und am 07.11.2006 210 EURO. Gegenüber der Beklagten gab der Kläger an, dass es sich bei den Einzahlungen um Unterstützungszahlungen seiner Eltern handele. Die Beklagte hörte den Kläger zu einer beabsichtigen Aufhebung und Geltendmachung einer Erstattungsforderung an. Im Rahmen der Anhörung teilte der Kläger über seinen Prozessbevollmächtigten am 17.01.2007 mit, dass es sich bei den eingezahlten Beträgen um darlehensweise gewährte Mittel handele, die einer Rückzahlungspflicht unterliegen würden. Auf weitere Nachfrage der Beklagten teilte der Kläger weiter mit, dass die Darlehen zinsfrei gewährt worden wären. Die darlehensweise Zahlung der Beträge sei jeweils mündlich vor der Einzahlung der Gelder vereinbart worden. Grund für die Darlehen sei der Ausgleich von Negativsalden auf dem Girokonto gewesen. Er sei verpflichtet, die Beträge nach Kräften zurückzuzahlen.

Mit Bescheid vom 02.01.2008 hob die Beklagte den Bescheid vom 04.01.2006 für den Monat Juni 2006 und den Bescheid vom 19.06.2006 für die Monate August, September und November 2006 auf und forderte die Erstattung von insgesamt 510 EURO. Dem Bescheid waren 4 Berechnungsbögen für die einzelnen Monate beigefügt, auf die im Bescheid ausdrücklich Bezug genommen wurde. Aus ihnen ergibt sich, in welcher Höhe die Beklagte Einkommen im jeweiligen Monat angerechnet hat und welchen verbleibenden Bedarf sie beim Kläger annimmt. Für die weiteren Einzelheiten wird auf den Bescheid vom 02.01.2008 nebst Anlagen (Blatt 9-15 der Gerichtsakte) Bezug genommen.

Gegen diesen Bescheid erhob der Kläger am 07.01.2008 Widerspruch, der mit Widerspruchsbescheid vom 17.06.2008 als unbegründet zurückgewiesen wurde. Zur Begründung führte der Widerspruchsbescheid aus, dass es sich bei den Zahlungen um anzurechnendes Einkommen handele. Ob es sich um Darlehen gehandelt habe, sei zweifelhaft, da die Tilgung vollkommen offen sei.

Am 16.07.2008 hat der Kläger Klage erhoben.

Er ist der Ansicht, dass die Zahlungen der Eltern kein anrechenbares Einkommen darstellten. Da eine Rückzahlungsverpflichtung bestehe, seien die darlehensweisen Mittel, die durch die Eltern gewährt wurden, nicht als Einkommen anzurechnen. Eine Rückzahlung "nach Kräften" sei vereinbart worden, keinesfalls sei die Rückzahlung des Darlehens durch die Eltern erlassen worden. Nachdem der Kläger sich im Januar und Juni 2007 bereits gegenüber der Beklagten zu den Einzahlungen eingelassen habe, sei er davon ausgegangen, dass sich die Sache erledigt habe. Insofern bestünde ein Vertrauenstatbestand bei Kläger. Jedenfalls sei inzwischen auch die Jahresfrist für die Aufhebung abgelaufen.

Der Kläger beantragt schriftsätzlich,

den Bescheid vom 02.01.2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17.06.2008 aufzuheben.

Die Beklagte beantragt schriftsätzlich,

die Klage abzuweisen.

Sie ist der Auffassung, der angefochtene Bescheid sei zu Recht ergangen. Hierzu verweist sie insbesondere auf die Begründung des Widerspruchsbescheides vom 17.06.2008. Die Jahresfrist sei eingehalten, da diese regelmäßig erst nach der erfolgten Anhörung beginne.

Im Erörterungstermin hat das Gericht den Kläger persönlich gehört. Dieser hat erklärt, dass es sich bei den Zahlungen um Darlehen seiner Eltern handele, die er zurückzuzahlen habe, wenn er wieder Einkommen erziele. Einen konkreten Rückzahlungstermin gebe es jedoch nicht.

Weiterhin hat das Gericht im Rahmen des Erörterungstermins Beweis erhoben durch die uneidliche Zeugenvernehmung der Eltern des Klägers, Herrn H S und Frau F S. Der Zeuge H S hat bekundet, es habe sich bei den Zahlungen um Gelder gehandelt, die im Zusammenhang mit dem vom Kläger genutzten, im Eigentum seiner Ehefrau stehenden PKW standen. Vereinbart worden sei eine Rückzahlung, wenn der Kläger wieder Arbeit hat. Dass der Kläger die für den PKW verwendeten Zahlungen erstatten müsste, sei darin begründet, dass er den PKW hauptsächlich nutze, auch wenn er nicht in seinem Eigentum steht. Die Zeugin F S hat bekundet, dass sie von einer Rückzahlung durch den Kläger ausgehe. Es sei abgesprochen, dass er zurückzahlt, wenn er wieder Arbeit hat. Für das weitere Ergebnis der Beweisaufnahme wird die Sitzungsniederschrift vom 17.06.2009 Bezug genommen.

Die Beteiligten haben im Erörterungstermin übereinstimmend ihr Einverständnis zur Entscheidung durch Urteil ohne mündliche Verhandlung erklärt.

Für den weiteren Sach- und Streitstand wird ergänzend Bezug genommen auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Verwaltungsakte der Beklagten. Diese lagen vor und waren Gegenstand der gerichtlichen Entscheidungsfindung.

Entscheidungsgründe:

Die Kammer konnte gemäß § 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) aufgrund des im Erörterungstermin erklärten Einverständnisses der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entscheiden.

Die zulässige Klage ist unbegründet. Der angefochtene Bescheid vom 02.01.2008 in der Gestalt des Widerspruchbescheides vom 17.06.2008 erweist sich als rechtmäßig und der Kläger ist durch ihn nicht beschwert im Sinn von § 54 Abs. 2 Satz 1 SGG.

Die Entscheidung der Beklagten, die Bewilligungen vom 04.01.2006 für den Monat Juni 2006 und vom 19.06.2006 für die Monate August, September und November 2006 teilweise aufzuheben und in Höhe der Aufhebung die Erstattung von zu viel gezahlten Leistungen zu verlangen, erfolgte zu Recht.

Rechtsgrundlage für die teilweise Aufhebung der Leistungsbewilligung ist § 40 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB II i.V.m. § 48 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) und § 330 Sozialgesetzbuch Drittes Buch (SGB III). Gemäß § 48 Abs. 1 Satz 1 SGB X ist ein Verwaltungsakt mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben, soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die beim Erlass eines Verwaltungsaktes mit Dauerwirkung vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt. Gemäß § 48 Abs. 1 Satz 2 SGB X soll der Verwaltungsakt mit Wirkung vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse aufgehoben werden, soweit die Änderung zugunsten des Betroffenen erfolgt (Nr. 1), der Betroffene einer durch Rechtsvorschrift vorgeschriebenen Pflicht zur Mitteilung wesentlicher für ihn nachteiliger Änderungen der Verhältnisse vorsätzlich oder grob fahrlässig nicht nachgekommen ist (Nr. 2), nach Antragstellung oder Erlass des Verwaltungsaktes Einkommen oder Vermögen erzielt worden ist, das zum Wegfall oder zur Minderung des Anspruchs geführt haben würde (Nr. 3), oder der Betroffene wusste oder nicht wusste, weil er die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt hat, dass der sich aus dem Verwaltungsakt ergebende Anspruch kraft Gesetzes zum Ruhen gekommen oder ganz oder teilweise weggefallen ist. Diese Vorschrift wird durch § 40 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB II i. V. m. § 330 Abs. 2 SGB III dahingehend modifiziert, dass auch in atypischen Fallkonstellationen die Leistung für die Vergangenheit ohne Ausübung von Ermessen zurückzufordern ist. Gemäß § 48 Abs. 4 SGB X gelten die §§ 44 Abs. 3 und 4, § 45 Abs. 3 Sätze 3 bis 5 und Abs. 4 Satz 2 SGB X entsprechend.

Die Voraussetzungen dieser Vorschriften liegen für die teilweise Aufhebung der Bescheide vom 04.01.2006 und 19.06.2006 für die Monate Juni, August, September und November 2006 vor. Bei beiden Bewilligungsbescheiden handelt es sich um Verwaltungsakte mit Dauerwirkung, da sich deren rechtliche Wirkungen über eine einmalige Gestaltung der Rechtslage hinaus auf eine gewisse zeitliche Dauer erstrecken, nämlich jeweils auf die Dauer eines Bewilligungszeitraumes von 6 Monaten entsprechend § 41 Abs. 1 Satz 2 SGB II.

Der Aufhebungsbescheid vom 02.01.2008 ist zunächst hinreichend bestimmt im Sinne von § 33 Abs. 1 SGB X. Dieses Formerfordernis dient der Klarstellungsfunktion des Verwaltungsaktes. Der Verfügungssatz, also die beabsichtigte Regelung, muss eindeutig sein. Es muss für den Adressaten vollständig, klar und unzweideutig erkennbar sein, was geregelt werden sollte. Erforderlich ist, dass der durch die Aufhebung betroffene Bewilligungsbescheid hinreichend konkret benannt wird. Dies erfordert die Nennung des Datums des aufzuhebenden Bescheides, den Zeitraum, für den Leistungen aufgehoben werden, sowie den Umfang der Aufhebung (LSG NRW, Beschluss vom 01.07.2009, L 7 B 91/09 AS NZB; LSG NRW, Urteil vom 18.12.2006, L 20 SO 20/06). Soweit Leistungen für einzelne Monate nur teilweise aufgehoben werden, ist erforderlich, dass sich aus dem Aufhebungsbescheid klar ergibt, in welcher Höhe für den einzelnen Monat die Bewilligung aufgehoben wird (vgl. zum Arbeitslosengeld nach dem SGB III: BSG, Urteil vom 02.06.2004, B 7 AL 58/03 R). Zur Auslegung des Verfügungssatzes kann allerdings die Begründung des Bescheides herangezogen werden. Zudem kann auf ihm beigefügte Unterlagen und auch auf früher zwischen den Beteiligten ergangene Bescheide zurückgegriffen werden (BSG, Urteil vom 06.02.2007, B 8 KN 3/06 R; BSG, Urteil vom 02.06.2004, B 7 AL 58/03 R). Der Bescheid der Beklagten vom 02.01.2008 nennt in seinem Verfügungssatz konkret die Bewilligungsbescheide vom 04.01.2006 und 19.06.2006 sowie die Monate (Juni, August, September und November 2006), die von der Aufhebung betroffen sind. Unschädlich ist, dass sich aus dem Verfügungssatz und der unmittelbar folgenden Begründung nicht ergibt, in welchem Umfang für die einzelnen Monate die ursprüngliche Bewilligung aufgehoben wird. Denn aus den beigefügten Berechnungen für die jeweiligen Monate lässt sich erkennen, in welchem Umfang die Beklagte Einkommen in den einzelnen Monaten angerechnet hat und welcher verbleibende Bedarf sich hieraus ergibt. Aus der Zusammenschau mit den ursprünglichen Bewilligungsbescheiden, in denen der Bewilligung kein anrechenbares Einkommen zugrunde gelegt wurde, ergibt sich somit problemlos der Umfang der teilweisen Aufhebung für die einzelnen Monate. Insbesondere muss der Adressat des Aufhebungsbescheides hier selbst keine aufwändigen Rechenschritte unternehmen, um zu wissen, in welchem Umfang eine Aufhebung erfolgt ist (vgl. Bayerisches LSG, Urteil vom 14.08.2008, L 7 AS 304/07).

Weiter lagen die Voraussetzungen von § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 SGB X vor. Jeweils nach Erlass des bewilligenden Bescheides vom 04.01.2006 war im Juni 2006 und nach Erlass des Bescheides vom 19.06.2006 im August, September und November 2006 insoweit eine wesentliche Änderung in den tatsächlichen Verhältnissen eingetreten (§ 48 Abs. 1 Satz 1 SGB X), als dem Kläger in diesen Monaten jeweils eine einmalige Einnahme in unterschiedlicher Höhe zugeflossen war. Aufgrund der Einnahme in diesen Monaten war er nicht mehr im ursprünglichen Umfang hilfebedürftig und hatte folglich einen geringeren Anspruch auf Leistungen nach dem SGB II. Am 14.06.2006 floss dem Kläger eine einmalige Einnahme in Höhe von 200 EURO durch Einzahlung auf sein Konto zu, am 17.08.2006 eine einmalige Einnahme von 100 EURO, am 26.09.2006 eine einmalige Einnahme in Höhe von 120 EURO und am 07.11.2006 eine einmalige Einnahme in Höhe von 210 EURO. Nach § 9 Abs. 1 Nr. 2 SGB II ist hilfebedürftig, wer seinen Lebensunterhalt nicht oder nicht ausreichend aus eigenen Kräften und Mitteln, vor allem aus dem zu berücksichtigenden Einkommen sichern kann. Die dem Kläger auf sein Konto zugeflossenen Einnahmen sind zu berücksichtigendes Einkommen im Sinn von § 11 SGB II, welches die Beklagte zu Recht unter Abzug der sogenannten Versicherungspauschale von 30 EURO nach § 3 Abs. 1 Nr. 1 Arbeitslosengeld II/Sozialgeld-Verordnung (ALG II-VO) a.F. bedarfsmindernd berücksichtigt hat.

Nach § 11 Abs. 1 SGB II sind als Einkommen zu berücksichtigen alle Einnahmen in Geld oder Geldeswert mit Ausnahme von in § 11 Abs. 1 Satz 1 SGB II selbst sowie in § 11 Abs. 3 und 4 SGB II und § 1 ALG II-VO genannten Leistungen und Zuwendungen.

Einkommen im Sinn dieser Norm ist alles, was jemand nach Antragstellung wertmäßig dazu erhält (BSG, Urteil vom 30.09.2008, B 4 AS 29/07 R). Einkommen sind somit solche Einnahmen, die den Vermögensstand der Person vermehren, die solche Einnahmen hat. Es kommt nicht auf die Herkunft und Rechtsgrundlage der Einnahmen an. Ohne Bedeutung ist auch, ob die Einnahmen zur Deckung des Lebensunterhaltes bestimmt sind, ob sie steuerpflichtig sind oder ob sie einmalig oder wiederholt anfallen. Umfasst werden also sämtliche Geldzahlungen (Söhngen in: juris-PK-SGB II, § 11 Rn. 36). Entscheidend ist der tatsächliche Zufluss und ob die Mittel tatsächlich zum Bestreiten des Lebensunterhaltes eingesetzt werden können (LSG Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 14.07.2008, L 13 AS 97/08 ER; Gagel, SGB III, § 11 SGB II, Rn. 17).

Unter Berücksichtigung dieses Verständnisses des Einkommensbegriffes aus dem SGB II sind die dem Kläger zugeflossenen Einnahmen zutreffend als bedarfsminderndes Einkommen bewertet worden.

Das Gericht kann nach den Ausführungen des Klägers sowie der uneidlichen Vernehmung der Eltern des Klägers als Zeugen im Erörterungstermin davon ausgehen, dass es sich bei den einmaligen Einnahmen jeweils um Zahlungen der Eltern an ihren Sohn, den Kläger, handelte, die in Form eines Privatdarlehens gewährt wurden. Ebenfalls ist die Kammer davon überzeugt, dass keine konkreten Rückzahlungsmodalitäten vereinbart wurden, sondern eine Rückzahlung vereinbart wurde, die von der finanziellen Situation des Klägers abhängen soll. Dies ergibt sich aus der Schilderung des Klägers, die durch die übereinstimmenden Bekundungen der Zeugen, Herrn H S und Frau F S, bestätigt wird. Der Kläger hat für die Kammer nachvollziehbar erläutert, dass zwischen ihm und seinen Eltern die Absprache getroffen wurde, dass er die erhaltenen Zahlungen dann wieder zurückzuzahlen habe, wenn er Arbeitseinkommen erzielt. Dass eine Absprache dergestalt getroffen wird, dass die Rückzahlungsmodalitäten nicht konkret geregelt werden, erscheint gerade bei Privatdarlehen innerhalb der Familie in nicht allzu großer Höhe aus Sicht der Kammer lebensnah. Dies wird auch durch die Zeugenaussagen bestätigt. Die Zeugin F S hat bekundet, dass sie von einer Rückzahlung des Geldes ausgehe. Abgesprochen sei, dass der Kläger die Gelder zurückzahle, sobald er wieder Arbeit gefunden habe. Da dies bisher nicht der Fall sei, seien noch keine Rückzahlungen erfolgt. Der Zeuge H S hat ebenfalls bekundet, dass der Kläger die Gelder zurückzahlen soll. Jedoch seien keine schriftlichen Vereinbarungen hierüber getroffen worden, sondern es sei vereinbart, dass der Kläger, wenn er wieder Arbeit gefunden habe, das Darlehen zurückzahlen müsse. Ebenfalls ist für die Kammer nachvollziehbar, dass die Zahlungen, auch wenn sie für Aufwendungen erfolgten, die den PKW betrafen, der im Eigentum der Mutter des Klägers, der Zeugin F S, stand, darlehensweise gewährt werden sollten. Für eine entsprechende Gestaltung sprechen die Bekundungen des Zeugen H S, wonach der Kläger selbst der Hauptnutzer des PKW sei und er entsprechend auch für die Aufwendungen wie Tanken aufkommen müsste. Entsprechend seien ihm Auslagen für die Reparaturen vorgestreckt worden, die er aber zurückzuzahlen habe.

Der Bewertung als bedarfsminderndes Einkommen steht nicht entgegen, dass die dem Kläger zugeflossenen Einnahmen aufgrund der darlehensweisen Gewährung durch seine Eltern mit einer grundsätzlichen Rückzahlungsverpflichtung belastet sind. Auch ein Einkommenszufluss durch darlehensweise gewährte Mittel stellt eine dem Leistungsempfänger tatsächlich zur Verfügung stehende Einnahme dar. Hierauf hat keinen Einfluss, ob der Leistungsempfänger möglicherweise zur Rückzahlung verpflichtet ist (LSG Niedersachsen-Bremen, a.a.O.). Im Rahmen einer wirtschaftlichen Betrachtung kann sich eine andere Bewertung in solchen Fällen ergeben, in denen sich die Rückzahlungspflicht auch tatsächlich unmittelbar auf die finanzielle Situation des Hilfebedürftigen auswirkt, etwa weil er zur unverzüglichen ratenweisen Tilgung des Darlehens verpflichtet ist und dieser Verpflichtung auch nachkommt (in diesem Sinn SG Freiburg, Urteil vom 30.06.2008, S 2 AS 270/08). Abzustellen ist insofern auf den Aspekt, ob im Zeitpunkt des Geldzuflusses die Rückzahlungsverpflichtung eindeutig festgestellt werden kann (LSG NRW, Urteil vom 11.12.2008, L 7 AS 62/08). Eine solche eindeutige Rückzahlungspflicht, die dazu führt, dass eine Einnahme dergestalt mit einer ihren Wert mindernden Rückzahlungspflicht verbunden ist, dass die Einnahme den aktuellen Vermögensstand nicht vermehrt kann, jedoch nicht allein deshalb angenommen werden, weil eine Rückzahlungspflicht zu einem unbestimmten Zeitpunkt in der Zukunft bestehen soll. Hierbei reicht nicht aus, dass die Rückzahlung zu einem unbestimmten Zeitpunkt nach Aufnahme einer Erwerbstätigkeit erfolgen soll (so aber LSG NRW, a.a.O.). Denn aus einer bloßen Rückzahlungspflicht, die aber aktuell nicht bedient wird, folgt nicht, dass entsprechende Einnahmen nicht zur Sicherung des aktuellen Bedarfes zur Verfügung stünden (SG Reutlingen, Gerichtsbescheid vom 10.06.2009, S 2 AS 1472/08). Hierfür spricht, dass auch bei Einnahmen, welche unstreitig bedarfsminderndes Einkommen darstellen, die nicht für den Lebensunterhalt verwendet werden, sondern für andere Zwecke (beispielsweise zur Schuldentilgung) verbraucht werden, kein Fall der Nichtberücksichtigung der Einnahme vorliegt (BSG, Urteil vom 30.09.2008, B 4 AS 29/07 R; BSG, Urteil vom 14.09.2008, B 14/7b AS 10/07 R). Wenn aber auch der tatsächliche Abfluss von Einnahmen einer Einkommensanrechnung nicht entgegensteht, kann eine bloße Rückzahlungsverpflichtung als solches nicht die Nichtverfügbarkeit der Einnahme fingieren. Vielmehr stehen jemandem, der Gelder aus einem Darlehen erhält, diese zunächst zu seiner freien Verfügung, wenn er den wertmäßig erhaltenen Betrag nur langfristig wieder abzugeben hat, was vor allem bei Darlehen ohne sofortige Rückzahlungsverpflichtung der Fall ist.

Dem steht nicht entgegen, dass es der Rechtsprechung des Bundessozialgerichtes zum Recht der Arbeitslosenhilfe entsprach, dass Mittel aus Darlehen grundsätzlich kein Einkommen waren, welches sich auf die Gewährung der Arbeitslosenhilfe auswirkte (BSG, Urteil vom 13.06.1985, 7 RAr 27/84). Hierbei ist nämlich zu berücksichtigen, dass zwischen der Arbeitslosenhilfe und der sie ersetzenden Grundsicherung für Arbeitssuchende nach dem SGB II systematische Unterschiede bestehen. Zwar handelt es sich bei beiden Leistungen um steuerfinanzierte Systeme der sozialen Sicherung. Während die Leistungen der Arbeitslosenhilfe jedoch Lohnersatzfunktion hatten und in der Höhe an die früheren Einkünfte anknüpften, sind die Leistungen nach dem SGB II in der Höhe bedarfsabhängig und knüpfen nicht an das früher erzielte Einkommen, sondern an den Zweck der Existenzsicherung an (hierzu BSG, Urteil vom 06.12.2007, B 14/7b AS 22/06 R). Die Regelungen des SGB II sind insbesondere im Bereich der Berücksichtigung von Einkommen den früheren Regelungen im Recht der Sozialhilfe nach dem Bundessozialhilfegesetz (BSHG) nachgebildet (BSG, Urteil vom 05.09.2007, B 11b AS 15/06 R; Eicher/Spellbrink, SGB II, § 11 Rn. 3; BT-Drs. 15/1516, S. 53). Auch im Rahmen der verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung zur Sozialhilfe war anerkannt, dass darlehensweise erbrachte Hilfen von Dritten Auswirkungen auf den Sozialhilfeanspruch haben können (VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 20.06.1979, VI 3798/78; BVerwG, Urteil vom 10.05.1967, 5 C 150.66). Gleichfalls wird für die dem § 11 SGB II entsprechende Parallelvorschrift in § 82 Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch (SGB XII) davon ausgegangen, dass auch darlehensweise Zuflüsse sozialhilferechtliches Einkommen sind (Grube/Wahrendorf, SGB XII, § 82 Rn. 27). Schließlich spricht auch der Vergleich mit dem familienrechtlichen Unterhaltsrecht dafür, ein Darlehen welches ohne konkret zu erfüllende Rückzahlungsverpflichtung gewährt wird, als Einkommen zu berücksichtigen. Im Rahmen der Rechtsprechung zum Unterhaltsrecht wird davon ausgegangen, dass der Unterhaltsbedarf sich durch als Darlehen erbrachte Leistungen mindern kann. Nämlich in den Fällen, in denen ein Darlehen unter günstigen Bedingungen wie Zinslosigkeit und schonenden Rückzahlungsmodalitäten gewährt wird (BGH NJW 1985, 2231).

Ein Leistungsempfänger wird durch ein entsprechendes Verständnis des Einkommensbegriffes aus § 11 SGB II auch nicht unzumutbar benachteiligt. Die Vereinbarung über ein Darlehen wird vom Betroffenen aus freien Stücken geschlossen, ebenso erfolgt die Entgegennahme des Zuflusses aus einer freien Entscheidung des Leistungsempfängers. Während des Leistungsbezuges steht ihm die Möglichkeit offen möglichen Rückforderungsansprüchen seiner Gläubiger die zivilprozessualen Pfändungsfreigrenzen entgegenzuhalten. In diesem Fall würde sich das Risiko jedes Gläubigers realisieren, der Anspruche gegen Personen innehat, welche über Einkommen und Vermögen unterhalb der Pfändungsfreigrenzen verfügen (LSG Niedersachsen-Bremen, a.a.O.; SG Reutlingen, a.a.O.). Nach dem Grundsatz des Forderns aus § 2 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 SGB II und dem Subsidaritätsprinzip, welches in § 3 Abs. 3 SGB II zum Ausdruck gebracht wird, ist ein Hilfebedürftiger nicht verpflichtet, zur Sicherstellung seines Lebensunterhaltes Darlehensverbindlichkeiten einzugehen. Entschließt sich ein Hilfeempfänger jedoch dazu Darlehen eines Kreditgebers in Anspruch zu nehmen, so kann er der bedarfsmindernden Berücksichtigung der Einnahme nicht entgegenhalten er wäre nicht zur Darlehensaufnahme verpflichtet gewesen.

Weiterhin steht der bedarfsmindernden Berücksichtigung der Einnahmen auch nicht entgegen, dass nach den Angaben des Klägers im Verwaltungs- und Widerspruchsverfahren die Einnahmen zur Deckung des Kontos verwendet wurden. Das Gericht muss hierbei nicht aufklären, ob das Konto des Klägers jeweils zum Zeitpunkt des Einganges der Zahlungen im Soll stand. Denn selbst wenn dies der Fall gewesen wäre, ändert dies nichts an der Tatsache, dass auch solches Einkommen, das zum Ausgleich eines überzogenen Kontos verwendet wird, bedarfsmindernd zu berücksichtigen ist (BSG, Urteil vom 30.07.2008, B 14 AS 26/07 R). Entsprechend kommt es nicht darauf an, ob die Zahlungen, welche der Kläger nach seinen Angaben im gerichtlichen Verfahren und den Bekundungen seiner Eltern als Zeugen vorrangig zur Deckung von Kosten in Bezug auf das von ihm genutzte Auto erhalten hat, daneben auch Verwendung gefunden haben, um das Konto des Klägers auszugleichen.

Auf ein Verschulden des Klägers kommt es schließlich bei einer auf § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 SGB X gestützten Aufhebung nicht an. Ebenfalls handelt es sich gemäß § 40 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB II i.V.m. § 330 Abs. 3 Satz 1 SGB III um eine gebundene Entscheidung, die keinen Raum für Ermessenserwägungen bietet.

Die Jahresfrist aus § 48 Absatz 4 Satz 1 i.V.m. § 45 Absatz 4 Satz 2 SGB X wurde durch die Beklagte eingehalten. Die den Beginn der Jahresfrist bestimmende Kenntnis ist dann anzunehmen, wenn mangels vernünftiger, objektiv gerechtfertigter Zweifel eine hinreichend sichere Informationsgrundlage bezüglich sämtlicher für die Aufhebungsentscheidung notwendiger Tatsachen besteht. Hinsichtlich der erforderlichen Gewissheit über Art und Umfang der entscheidungserheblichen Tatsachen ist in erster Linie auf den Standpunkt der Behörde abzustellen. Die Jahresfrist des § 45 Abs 4 Satz 2 SGB X kann dabei regelmäßig erst nach erfolgter Anhörung des Betroffenen beginnen (BSG, Urteil vom 06.03.1997, 7 RAr 40/96). Sichere Kenntnis hatte die Beklagte frühestens nach der im Rahmen der Anhörung erfolgten Antwort seitens des Klägers vom 17.01.2007 erlangt. Der Aufhebungsbescheid vom 02.01.2008 erfolgte mithin binnen eines Jahres nach diesem Zeitpunkt und war damit fristgerecht.

Da die Leistungsbewilligungen aus den Bescheiden vom 04.01.2006 und 19.06.2006 demnach für die Monate Juni, August, September und November 2006 zu Recht teilweise aufgehoben worden sind, ist das zu Unrecht erhaltene Arbeitslosengeld II gem. § 50 Abs. 1 SGB X in entsprechender Höhe von 510 EURO durch den Kläger zu erstatten.

Die Entscheidung über die Kosten beruht auf §§ 183, 193 SGG.

Die Berufung wurde wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache gemäß § 144 Abs. 2 Nr. 1 SGG zugelassen. Die Frage der Anrechenbarkeit von einem Leistungsempfänger darlehensweise zur Verfügung stehenden finanziellen Mitteln ist bisher höchstrichterlich nicht geklärt und die Klärung dieser Frage liegt im allgemeinen Interesse, um die Rechtseinheit zu erhalten und die Weiterentwicklung des Rechts zu fördern.
Rechtskraft
Aus
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