Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
6
1. Instanz
SG Regensburg (FSB)
Aktenzeichen
S 15 R 567/08
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 6 R 120/09
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Durch Art. 6 § 4 c Abs. 2 FANG hat der Gesetzgeber in umfassungsrechtlich unbedenklicher Weise die Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts umgesetzt, die ihm mit den Beschlüssen vom 13. Juni 2006 (Az.: 1 BvL 9/00, 1 BvL 11/00, 1 BvL 12/00, 1 BvL 5/01) gemacht worden sind.
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Regensburg vom 21. Januar 2009 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
T a t b e s t a n d:
Die Beteiligten streiten, ob die Beklagte bei der Berechnung der Altersrente der Klägerin die nach § 22 Abs. 1 und 3 Fremdrentengesetz (FRG) ermittelten Entgeltpunkte zurecht mit dem Faktor 0,6 multipliziert hat.
Die 1945 in der ehemaligen UdSSR geborene Klägerin, deutsche Staatsangehörige, ist als Vertriebene anerkannt (Ausweis A). Sie hat ihren ständigen Aufenthalt im Bundesgebiet seit 8. Dezember 1984.
Die Klägerin hat in Rumänien vom 2. Mai 1960 bis 19. April 1967 und vom 6. Januar 1972 bis 7. Dezember 1984 Pflichtbeitragszeiten als landwirtschaftliche Arbeiterin, Bauhilfsarbeiterin und Textilarbeiterin und vom 1. Juli 1967 bis 31. August 1972 Pflichtbeitragszeiten aufgrund Kindererziehung zurückgelegt.
Mit bestandskräftig gewordenen Bescheiden vom 21. Januar 1998, 24. Juli 2001 und 15. März 2005 stellte die Beklagte für die Klägerin den Versicherungsverlauf gemäß § 149 Abs. 5 SGB VI fest. Erstmals im Bescheid vom 24. Juli 2001 ist der Hinweis enthalten, dass für die nach dem FRG anerkannten Zeiten Entgeltpunkte nur zu 60 % berücksichtigt werden (Faktor 0,6). Davon ausgenommen seien Ausbildungszeiten, freiwillige Beiträge und Zeiten nach dem deutsch-polnischen Rentenabkommen vom 9. Oktober 1975. Die Versicherungszeiten vom 2. Mai 1960 bis 19. April 1967 und vom 6. Januar 1972 bis 7. Dezember 1984 wurden nur zu 5/6 angerechnet.
Am 11. August 2005 erging ein weiterer Feststellungsbescheid, aus dem - wie bereits aus dem Bescheid vom 15. März 2005 - die Kürzung der Entgeltpunkte für die von der Klägerin zurückgelegten Pflichtbeitragszeiten um den Faktor 0,6 dargestellt ist. Hiergegen erhob die Klägerin mit Schreiben vom 7. Juli 2006 Widerspruch mit der Begründung, die Entgeltpunkte nach dem FRG seien zu Unrecht nur zu 60 % berücksichtigt worden. Nach Hinweis der Beklagten auf die Verfristung des Widerspruchs, nahm die Klägerin nach aufklärendem Schreiben der Deutschen Rentenversicherung Unterfranken vom 2. Februar 2007 den Widerspruch gegen den Bescheid vom 11. August 2005 zurück.
Am 18. September 2006 bat die Klägerin unter Vorlage des Arbeitsbuchs und diverser Adeverinta um Überprüfung, ob die rumänischen Arbeitszeiten in vollem Umfang (100 % anstatt 60 %) anerkannt werden können.
Daraufhin stellte die Beklagte mit Bescheid vom 16. November 2006 den Versicherungsverlauf für die Klägerin erneut neu fest. Nunmehr berücksichtigte sie die Zeiten vom 29. April 1964 bis 19. August 1966 und vom 6. Januar 1972 bis 7. Dezember 1984 ungekürzt zu 6/6. In Bezug auf die Multiplikation der Entgeltpunkte nach dem FRG mit dem Faktor 0,6 ergab sich keine Änderung. Ein hiergegen erhobener Widerspruch vom 4. Dezember 2006 wurde von der Klägerin am 13. Februar 2007 zurückgenommen.
Mit Antrag vom 20. Mai 2008 begehrte die Klägerin Altersrente wegen Vollendung des 60. Lebensjahres für schwerbehinderte Menschen, hilfsweise Altersrente für langjährig Versicherte wegen Vollendung des 63. Lebensjahres. Zugleich bat sie um nochmalige Überprüfung der Kürzung der FRG - Zeiten unter Berücksichtigung des Revisionsverfahrens zum Bundessozialgericht (BSG) mit dem Az. B 4 R 92/07 R.
Mit Bescheid vom 8. Juli 2008 gewährte die Beklagte der Klägerin Altersrente für langjährig Versicherte ab 1. August 2008. Hierbei wurden die Entgeltpunkte für die Pflichtbeitragszeiten vom 2. Mai 1960 bis 7. Dezember 1984 mit dem Faktor 0,6 multipliziert.
Mit angefochtenem Bescheid vom 14. Juli 2008 wurde der Antrag auf Neufeststellung der Rente abgelehnt. Die Vertrauensschutzvorschrift des Art. 6 § 4c Abs. 2 des Fremdrenten- und Auslandsrenten-Neuregelungsgesetzes (FANG) finde auf die Klägerin keine Anwendung, da die Rente erst nach dem 30. Juni 2000 begonnen habe und der Antrag auf Rücknahme des Bescheides erst am 20. Mai 2008 und damit erst nach dem 31. Dezember 2004 gestellt worden sei.
Hiergegen legte die Klägerin mit Schreiben vom 31. Juli 2008 Widerspruch ein. Am 18. April 2007 habe der Vorsitzende Richter beim Bayerischen Landessozialgericht zu ihr gesagt, dass sie Anspruch auf die fehlenden 40 % habe, da sie eine Vertriebene sei und auch in Deutschland gearbeitet habe.
Der Widerspruch wurde mit Widerspruchsbescheid vom 28. August 2008 zurückgewiesen.
Hiergegen hat die Klägerin Klage zum Sozialgericht Regensburg (SG) erhoben, mit der sie ohne nähere Begründung begehrte, den Bescheid vom 14. Juli 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 28. August 2008 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, Rente nach dem FRG ohne Kürzung nach § 20 Abs. 4 FRG zu bewilligen.
Das SG hat die Klage mit Urteil vom 21. Januar 2009 abgewiesen. Die Klägerin habe keinen Anspruch gemäß Art. 6 § 4c Abs. 2 FANG in der ab 1. Oktober 1946 geltenden Fassung vom 20. April 2007, da ihre Altersrente erst am 1. August 2008 und damit nach dem 1. Juli 2000 beginne.
Hiergegen hat die Klägerin Berufung eingelegt und auf ihren bisherigen Vortrag verwiesen (Bl. 3 LSG Akte).
Mit Schreiben vom 30. März 2009 übersandte die Klägerin eine Adeverinta der Firma S. vom 20. März 1995 für den Zeitraum 6. Januar 1972 bis 14. Februar 1985 sowie eine weitere Bescheinigung vom 19. April 1995 der R. für den Zeitraum 29. April 1964 bis 19. August 1966. Hierin wird bescheinigt, dass die Klägerin während dieser Zeiten keine Fehlzeiten aufgrund unbezahlten Urlaub, Arbeitsunfähigkeit aufgrund Krankheit aufzuweisen hat.
In einem Erörterungstermin am 19. Mai 2009 hat die Klägerin beantragt,
die Beklagte unter Aufhebung des Urteils des Sozialgerichts Regensburg vom 21.
Januar 2009 und des Bescheids vom 14. Juli 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 28. August 2008 zu verurteilen, die Bescheide vom 16. November 2006 und vom 8. Juli 2008 zurückzunehmen und der Klägerin Altersrente für langjährig Versicherte ohne Multiplikation der nach § 22 Abs. 1 und 3 FRG ermittelten Entgeltpunkte mit dem Faktor 0,6 entsprechend den gesetzlichen Bestimmungen zu gewähren.
Die Beklagte hat beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Gerichtsakte, der beigezogenen Akten des SG und der Beklagten verwiesen, die sämtlich Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren.
Gründe:
Die zulässige Berufung ist unbegründet. Das SG hat zu Recht die Klage gegen den angefochtenen Bescheid vom 8. Juli 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 28. August 2008 zurückgewiesen.
Soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei Erlass eines Verwaltungsaktes das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist, und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht oder Beiträge zu Unrecht erhoben worden sind, ist gemäß § 44 Abs. 1 S. 1 SGB X der Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen.
Bei Erlass des bestandskräftig gewordenen Vormerkungsbescheids vom 16. November 2006 sowie des Rentenbescheids vom 8. Juli 2008 hat die Beklagte weder das Recht unrichtig angewandt noch ist sie von einem unrichtigen Sachverhalt ausgegangen. Der Klägerin wurden deshalb auch keine Sozialleistungen zu Unrecht vorenthalten.
Gemäß § 22 Abs. 4 FRG in der ab dem 7. Mai 1996 geltenden Fassung sind die nach § 22 Abs. 1 und 3 FRG maßgeblichen Entgeltpunkte mit dem Faktor 0,6 zu multiplizieren. Die Bestimmung in dieser Fassung ist auch auf die Klägerin anzuwenden, da für die Klägerin kein Rentenanspruch vor dem 1. Januar 1990 (Art. 6 § 4 Abs. 2 FANG) bzw. 1. Oktober 1996 (Art. 6 § 4c Abs. 1 FANG) besteht und sie auch keinen Rentenanspruch auf der Grundlage der deutsch-polnischen Sozialversicherungsabkommen von 1990 bzw. 1975 hat (Art. 6 § 4 Abs. 5 FANG).
Die Beklagte hat unstrittig nur die Entgeltpunkte, die sie für Beitragszeiten gemäß § 22 Abs. 1 und 3 FRG ermittelt hat, mit dem Faktor 0,6 multipliziert.
Ein Anspruch auf ungekürzte Anrechnung der Entgeltpunkte für Beitragszeiten nach dem FRG ergibt sich auch nicht aus einer Bindungswirkung des Vormerkungsbescheids vom
21. Januar 1998. In diesem Bescheid wurde noch nicht darauf hingewiesen, dass die Entgeltpunkte für Beitragszeiten im Sinne des § 22 Abs. 1 und 3 FRG mit dem Faktor 0,6 zu multiplizieren sind. Verbindlich festgestellt wird im Vormerkungsbescheid sowohl der Rechtscharakter der vorgemerkten Zeit als auch deren zeitlicher Umfang, nicht hingegen die abschließende Entscheidung über die Anrechnung und Bewertung dieser Zeiten (BSG, Urteil vom 30. März 2004, Az. B 4 RA 36/02 R, in Juris). In Bezug auf den zeitlichen Umfang der von der Klägerin in Rumänien zurückgelegten Beitragszeiten hat sich durch die dem Bescheid vom 21. Januar 1998 nachfolgenden Bescheide keine Veränderung im Sinne einer Verschlechterung ergeben; insoweit sind nur bestimmte Zeiträume hinzugetreten. Die Multiplikation der Entgeltpunkte mit dem Faktor 0,6 betrifft jedoch weder Rechtscharakter noch zeitlichen Umfang der strittigen Zeiten, sondern einen reinen Bewertungsfaktor, über dessen Anwendung erst bei der Entscheidung über die Rentengewährung zu befinden ist. In den Bescheid vom 21. Januar 1998 wurden noch keine Entgeltpunkte ermittelt. Eine einer Bindungswirkung zugängliche Feststellung von Entgeltpunkten ist in diesem Bescheid ebenso wenig enthalten wie eine Festlegung der Beklagten, dass keine Multiplikation der Entgeltpunkte für Beitragszeiten nach dem FRG mit dem Faktor 0,6 erfolgt oder eine Multiplikation mit dem höheren Faktor 0,7 zu erfolgen hat.
Die Klägerin hat auch keinen Anspruch auf Zuschlag an Entgeltpunkten gemäß Art. 6 § 4c Abs. 2 FANG. Für Berechtigte, die vor dem 1.1.1991 ihren gewöhnlichen Aufenthalt im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland genommen haben, deren Rente nach dem 30.9.1996 beginnt und über deren Rentenantrag oder über deren bis 31.12.2004 gestellten Antrag auf Rücknahme des Rentenbescheids am 30.6.2006 noch nicht rechtskräftig entschieden worden ist, wird nach dieser Bestimmung für diese Rente einmalig zum Rentenbeginn ein Zuschlag an persönlichen Entgeltpunkten ermittelt. Der Zuschlag an persönlichen Entgeltpunkten ergibt sich aus der Differenz zwischen der mit und ohne Anwendung von § 22 Abs. 4 des Fremdrentengesetzes ermittelten Summe aller persönlichen Entgeltpunkte. Dieser Zuschlag wird monatlich für die Zeit des Rentenbezugs
vom 1.10.1996 bis 30.6.1997 voll
vom 1.7.1997 bis 30.6.1998 zu drei Vierteln,
vom 1.7.1998 bis 30.6.1999 zur Hälfte und
vom 1.7.1999 bis 30.6.2000 zu einem Viertel
gezahlt. Für die Zeit des Rentenbezugs ab 1.7.2000 wird der Zuschlag nicht gezahlt. § 88 des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch findet keine Anwendung. § 44 Abs. 4 des 10. Buches Sozialgesetzbuch findet Anwendung.
Ein Anspruch auf einen Zuschlag nach dieser Bestimmung scheitert schon daran, dass ein Zuschlag an Entgeltpunkten für Zeiten des Rentenbezugs ab 1. Juli 2000 nicht mehr bezahlt wird (Art. 6 § 4c Abs. 2 S. 4 FANG), die Klägerin jedoch erst ab 1. August 2008 Altersrente bezieht. Darüber hinaus lag kein Rentenantrag und kein bis 31. Dezember 2004 gestellter Antrag auf Rücknahme des Rentenbescheides vor, über den am 30. Juni 2006 noch nicht rechtskräftig entschieden worden war. Die Klägerin hat erst am 20. Mai 2008 einem Rentenantrag gestellt.
Verfassungsrechtliche Bedenken gegen die zeitliche Begrenzung des Anspruchs auf einen Zuschlag an Entgeltpunkten für Rentenbezugszeiten bis Juni 2000 wurden nicht vorgetragen. Derartige Bedenken bestehen auch nicht einmal ansatzweise beim Senat, so dass eine Aussetzung des Verfahrens und Vorlage an das Bundesverfassungsgericht nicht in Betracht kommt (Art. 100 Abs. 1 S. 1 Grundgesetz). Durch die Regelung des Art. 6 § 4c Abs. 2 FANG hat der Gesetzgeber in verfassungsrechtlich unbedenklicher Weise die Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) umgesetzt, die ihm mit den Beschlüssen vom 13. Juni 2006 (Az. 1 BvL 9/00, 1 BvL 11/00, 1 BvL 12/00, 1 BvL 5/01) gemacht worden sind. Das BVerfG hatte mit diesen Beschlüssen festgestellt, dass die Absenkung der Entgeltpunkte auf 60% durch § 22 Abs. 4 FRG verfassungsrechtlich grundsätzlich nicht zu beanstanden sei. Der Gesetzgeber sei jedoch unter dem Gesichtspunkt des Vertrauensschutzprinzips gehalten, auf die Interessen der zum damaligen Zeitpunkt rentennahe Jahrgänge durch Erlass einer Übergangsregelung Rücksicht zu nehmen, die eine auf Rentenzugänge ab dem 1. Oktober 1996 ohne Einschränkung sofort wirksame Anwendung des § 22 Abs. 4 FRG verhindere. Das BVerfG hat dabei ausdrücklich die nähere Ausgestaltung der übergangsrechtlichen Regelungen in das Ermessen des Gesetzgebers gestellt. Dieser könne rentennahe Jahrgänge in größerem Umfang als bisher aus Gründen der Verwaltungsvereinfachung von der Anwendung des § 22 Abs. 4 FRG 1996 ausnehmen. Entschließe er sich zu einer gestuften Übergangsregelung, sei es seine Sache zu regeln, in welchem Zeitraum und in welchen Zeitstufen die Anpassung erfolgen solle. Die Entscheidung des Gesetzgebers, Versicherte mit einem Rentenbeginn 1. August 2008 nicht mehr in den Genuss der Übergangsregelung kommen zu lassen, ist bei Berücksichtigung dieses weiten Ermessensspielraums des Gesetzgebers und der verfassungsrechtlichen Zulässigkeit von Stichtagsregelungen (vgl. hierzu BVerfG, Beschluss vom 11. November 2008, Az. u.a. 1 BvL 3/05) nicht zu beanstanden. Die am 17. Juli 1945 geborene Klägerin war zum Zeitpunkt des Inkrafttretens des § 22 Abs. 4 FRG 1996 (1. Oktober 1996) nicht als ein rentennaher Jahrgang anzusehen.
Die Berufung war daher als unbegründet zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe, die Revision zuzulassen (§ 160 Abs. 2 SGG), liegen nicht vor.
Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
T a t b e s t a n d:
Die Beteiligten streiten, ob die Beklagte bei der Berechnung der Altersrente der Klägerin die nach § 22 Abs. 1 und 3 Fremdrentengesetz (FRG) ermittelten Entgeltpunkte zurecht mit dem Faktor 0,6 multipliziert hat.
Die 1945 in der ehemaligen UdSSR geborene Klägerin, deutsche Staatsangehörige, ist als Vertriebene anerkannt (Ausweis A). Sie hat ihren ständigen Aufenthalt im Bundesgebiet seit 8. Dezember 1984.
Die Klägerin hat in Rumänien vom 2. Mai 1960 bis 19. April 1967 und vom 6. Januar 1972 bis 7. Dezember 1984 Pflichtbeitragszeiten als landwirtschaftliche Arbeiterin, Bauhilfsarbeiterin und Textilarbeiterin und vom 1. Juli 1967 bis 31. August 1972 Pflichtbeitragszeiten aufgrund Kindererziehung zurückgelegt.
Mit bestandskräftig gewordenen Bescheiden vom 21. Januar 1998, 24. Juli 2001 und 15. März 2005 stellte die Beklagte für die Klägerin den Versicherungsverlauf gemäß § 149 Abs. 5 SGB VI fest. Erstmals im Bescheid vom 24. Juli 2001 ist der Hinweis enthalten, dass für die nach dem FRG anerkannten Zeiten Entgeltpunkte nur zu 60 % berücksichtigt werden (Faktor 0,6). Davon ausgenommen seien Ausbildungszeiten, freiwillige Beiträge und Zeiten nach dem deutsch-polnischen Rentenabkommen vom 9. Oktober 1975. Die Versicherungszeiten vom 2. Mai 1960 bis 19. April 1967 und vom 6. Januar 1972 bis 7. Dezember 1984 wurden nur zu 5/6 angerechnet.
Am 11. August 2005 erging ein weiterer Feststellungsbescheid, aus dem - wie bereits aus dem Bescheid vom 15. März 2005 - die Kürzung der Entgeltpunkte für die von der Klägerin zurückgelegten Pflichtbeitragszeiten um den Faktor 0,6 dargestellt ist. Hiergegen erhob die Klägerin mit Schreiben vom 7. Juli 2006 Widerspruch mit der Begründung, die Entgeltpunkte nach dem FRG seien zu Unrecht nur zu 60 % berücksichtigt worden. Nach Hinweis der Beklagten auf die Verfristung des Widerspruchs, nahm die Klägerin nach aufklärendem Schreiben der Deutschen Rentenversicherung Unterfranken vom 2. Februar 2007 den Widerspruch gegen den Bescheid vom 11. August 2005 zurück.
Am 18. September 2006 bat die Klägerin unter Vorlage des Arbeitsbuchs und diverser Adeverinta um Überprüfung, ob die rumänischen Arbeitszeiten in vollem Umfang (100 % anstatt 60 %) anerkannt werden können.
Daraufhin stellte die Beklagte mit Bescheid vom 16. November 2006 den Versicherungsverlauf für die Klägerin erneut neu fest. Nunmehr berücksichtigte sie die Zeiten vom 29. April 1964 bis 19. August 1966 und vom 6. Januar 1972 bis 7. Dezember 1984 ungekürzt zu 6/6. In Bezug auf die Multiplikation der Entgeltpunkte nach dem FRG mit dem Faktor 0,6 ergab sich keine Änderung. Ein hiergegen erhobener Widerspruch vom 4. Dezember 2006 wurde von der Klägerin am 13. Februar 2007 zurückgenommen.
Mit Antrag vom 20. Mai 2008 begehrte die Klägerin Altersrente wegen Vollendung des 60. Lebensjahres für schwerbehinderte Menschen, hilfsweise Altersrente für langjährig Versicherte wegen Vollendung des 63. Lebensjahres. Zugleich bat sie um nochmalige Überprüfung der Kürzung der FRG - Zeiten unter Berücksichtigung des Revisionsverfahrens zum Bundessozialgericht (BSG) mit dem Az. B 4 R 92/07 R.
Mit Bescheid vom 8. Juli 2008 gewährte die Beklagte der Klägerin Altersrente für langjährig Versicherte ab 1. August 2008. Hierbei wurden die Entgeltpunkte für die Pflichtbeitragszeiten vom 2. Mai 1960 bis 7. Dezember 1984 mit dem Faktor 0,6 multipliziert.
Mit angefochtenem Bescheid vom 14. Juli 2008 wurde der Antrag auf Neufeststellung der Rente abgelehnt. Die Vertrauensschutzvorschrift des Art. 6 § 4c Abs. 2 des Fremdrenten- und Auslandsrenten-Neuregelungsgesetzes (FANG) finde auf die Klägerin keine Anwendung, da die Rente erst nach dem 30. Juni 2000 begonnen habe und der Antrag auf Rücknahme des Bescheides erst am 20. Mai 2008 und damit erst nach dem 31. Dezember 2004 gestellt worden sei.
Hiergegen legte die Klägerin mit Schreiben vom 31. Juli 2008 Widerspruch ein. Am 18. April 2007 habe der Vorsitzende Richter beim Bayerischen Landessozialgericht zu ihr gesagt, dass sie Anspruch auf die fehlenden 40 % habe, da sie eine Vertriebene sei und auch in Deutschland gearbeitet habe.
Der Widerspruch wurde mit Widerspruchsbescheid vom 28. August 2008 zurückgewiesen.
Hiergegen hat die Klägerin Klage zum Sozialgericht Regensburg (SG) erhoben, mit der sie ohne nähere Begründung begehrte, den Bescheid vom 14. Juli 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 28. August 2008 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, Rente nach dem FRG ohne Kürzung nach § 20 Abs. 4 FRG zu bewilligen.
Das SG hat die Klage mit Urteil vom 21. Januar 2009 abgewiesen. Die Klägerin habe keinen Anspruch gemäß Art. 6 § 4c Abs. 2 FANG in der ab 1. Oktober 1946 geltenden Fassung vom 20. April 2007, da ihre Altersrente erst am 1. August 2008 und damit nach dem 1. Juli 2000 beginne.
Hiergegen hat die Klägerin Berufung eingelegt und auf ihren bisherigen Vortrag verwiesen (Bl. 3 LSG Akte).
Mit Schreiben vom 30. März 2009 übersandte die Klägerin eine Adeverinta der Firma S. vom 20. März 1995 für den Zeitraum 6. Januar 1972 bis 14. Februar 1985 sowie eine weitere Bescheinigung vom 19. April 1995 der R. für den Zeitraum 29. April 1964 bis 19. August 1966. Hierin wird bescheinigt, dass die Klägerin während dieser Zeiten keine Fehlzeiten aufgrund unbezahlten Urlaub, Arbeitsunfähigkeit aufgrund Krankheit aufzuweisen hat.
In einem Erörterungstermin am 19. Mai 2009 hat die Klägerin beantragt,
die Beklagte unter Aufhebung des Urteils des Sozialgerichts Regensburg vom 21.
Januar 2009 und des Bescheids vom 14. Juli 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 28. August 2008 zu verurteilen, die Bescheide vom 16. November 2006 und vom 8. Juli 2008 zurückzunehmen und der Klägerin Altersrente für langjährig Versicherte ohne Multiplikation der nach § 22 Abs. 1 und 3 FRG ermittelten Entgeltpunkte mit dem Faktor 0,6 entsprechend den gesetzlichen Bestimmungen zu gewähren.
Die Beklagte hat beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Gerichtsakte, der beigezogenen Akten des SG und der Beklagten verwiesen, die sämtlich Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren.
Gründe:
Die zulässige Berufung ist unbegründet. Das SG hat zu Recht die Klage gegen den angefochtenen Bescheid vom 8. Juli 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 28. August 2008 zurückgewiesen.
Soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei Erlass eines Verwaltungsaktes das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist, und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht oder Beiträge zu Unrecht erhoben worden sind, ist gemäß § 44 Abs. 1 S. 1 SGB X der Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen.
Bei Erlass des bestandskräftig gewordenen Vormerkungsbescheids vom 16. November 2006 sowie des Rentenbescheids vom 8. Juli 2008 hat die Beklagte weder das Recht unrichtig angewandt noch ist sie von einem unrichtigen Sachverhalt ausgegangen. Der Klägerin wurden deshalb auch keine Sozialleistungen zu Unrecht vorenthalten.
Gemäß § 22 Abs. 4 FRG in der ab dem 7. Mai 1996 geltenden Fassung sind die nach § 22 Abs. 1 und 3 FRG maßgeblichen Entgeltpunkte mit dem Faktor 0,6 zu multiplizieren. Die Bestimmung in dieser Fassung ist auch auf die Klägerin anzuwenden, da für die Klägerin kein Rentenanspruch vor dem 1. Januar 1990 (Art. 6 § 4 Abs. 2 FANG) bzw. 1. Oktober 1996 (Art. 6 § 4c Abs. 1 FANG) besteht und sie auch keinen Rentenanspruch auf der Grundlage der deutsch-polnischen Sozialversicherungsabkommen von 1990 bzw. 1975 hat (Art. 6 § 4 Abs. 5 FANG).
Die Beklagte hat unstrittig nur die Entgeltpunkte, die sie für Beitragszeiten gemäß § 22 Abs. 1 und 3 FRG ermittelt hat, mit dem Faktor 0,6 multipliziert.
Ein Anspruch auf ungekürzte Anrechnung der Entgeltpunkte für Beitragszeiten nach dem FRG ergibt sich auch nicht aus einer Bindungswirkung des Vormerkungsbescheids vom
21. Januar 1998. In diesem Bescheid wurde noch nicht darauf hingewiesen, dass die Entgeltpunkte für Beitragszeiten im Sinne des § 22 Abs. 1 und 3 FRG mit dem Faktor 0,6 zu multiplizieren sind. Verbindlich festgestellt wird im Vormerkungsbescheid sowohl der Rechtscharakter der vorgemerkten Zeit als auch deren zeitlicher Umfang, nicht hingegen die abschließende Entscheidung über die Anrechnung und Bewertung dieser Zeiten (BSG, Urteil vom 30. März 2004, Az. B 4 RA 36/02 R, in Juris). In Bezug auf den zeitlichen Umfang der von der Klägerin in Rumänien zurückgelegten Beitragszeiten hat sich durch die dem Bescheid vom 21. Januar 1998 nachfolgenden Bescheide keine Veränderung im Sinne einer Verschlechterung ergeben; insoweit sind nur bestimmte Zeiträume hinzugetreten. Die Multiplikation der Entgeltpunkte mit dem Faktor 0,6 betrifft jedoch weder Rechtscharakter noch zeitlichen Umfang der strittigen Zeiten, sondern einen reinen Bewertungsfaktor, über dessen Anwendung erst bei der Entscheidung über die Rentengewährung zu befinden ist. In den Bescheid vom 21. Januar 1998 wurden noch keine Entgeltpunkte ermittelt. Eine einer Bindungswirkung zugängliche Feststellung von Entgeltpunkten ist in diesem Bescheid ebenso wenig enthalten wie eine Festlegung der Beklagten, dass keine Multiplikation der Entgeltpunkte für Beitragszeiten nach dem FRG mit dem Faktor 0,6 erfolgt oder eine Multiplikation mit dem höheren Faktor 0,7 zu erfolgen hat.
Die Klägerin hat auch keinen Anspruch auf Zuschlag an Entgeltpunkten gemäß Art. 6 § 4c Abs. 2 FANG. Für Berechtigte, die vor dem 1.1.1991 ihren gewöhnlichen Aufenthalt im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland genommen haben, deren Rente nach dem 30.9.1996 beginnt und über deren Rentenantrag oder über deren bis 31.12.2004 gestellten Antrag auf Rücknahme des Rentenbescheids am 30.6.2006 noch nicht rechtskräftig entschieden worden ist, wird nach dieser Bestimmung für diese Rente einmalig zum Rentenbeginn ein Zuschlag an persönlichen Entgeltpunkten ermittelt. Der Zuschlag an persönlichen Entgeltpunkten ergibt sich aus der Differenz zwischen der mit und ohne Anwendung von § 22 Abs. 4 des Fremdrentengesetzes ermittelten Summe aller persönlichen Entgeltpunkte. Dieser Zuschlag wird monatlich für die Zeit des Rentenbezugs
vom 1.10.1996 bis 30.6.1997 voll
vom 1.7.1997 bis 30.6.1998 zu drei Vierteln,
vom 1.7.1998 bis 30.6.1999 zur Hälfte und
vom 1.7.1999 bis 30.6.2000 zu einem Viertel
gezahlt. Für die Zeit des Rentenbezugs ab 1.7.2000 wird der Zuschlag nicht gezahlt. § 88 des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch findet keine Anwendung. § 44 Abs. 4 des 10. Buches Sozialgesetzbuch findet Anwendung.
Ein Anspruch auf einen Zuschlag nach dieser Bestimmung scheitert schon daran, dass ein Zuschlag an Entgeltpunkten für Zeiten des Rentenbezugs ab 1. Juli 2000 nicht mehr bezahlt wird (Art. 6 § 4c Abs. 2 S. 4 FANG), die Klägerin jedoch erst ab 1. August 2008 Altersrente bezieht. Darüber hinaus lag kein Rentenantrag und kein bis 31. Dezember 2004 gestellter Antrag auf Rücknahme des Rentenbescheides vor, über den am 30. Juni 2006 noch nicht rechtskräftig entschieden worden war. Die Klägerin hat erst am 20. Mai 2008 einem Rentenantrag gestellt.
Verfassungsrechtliche Bedenken gegen die zeitliche Begrenzung des Anspruchs auf einen Zuschlag an Entgeltpunkten für Rentenbezugszeiten bis Juni 2000 wurden nicht vorgetragen. Derartige Bedenken bestehen auch nicht einmal ansatzweise beim Senat, so dass eine Aussetzung des Verfahrens und Vorlage an das Bundesverfassungsgericht nicht in Betracht kommt (Art. 100 Abs. 1 S. 1 Grundgesetz). Durch die Regelung des Art. 6 § 4c Abs. 2 FANG hat der Gesetzgeber in verfassungsrechtlich unbedenklicher Weise die Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) umgesetzt, die ihm mit den Beschlüssen vom 13. Juni 2006 (Az. 1 BvL 9/00, 1 BvL 11/00, 1 BvL 12/00, 1 BvL 5/01) gemacht worden sind. Das BVerfG hatte mit diesen Beschlüssen festgestellt, dass die Absenkung der Entgeltpunkte auf 60% durch § 22 Abs. 4 FRG verfassungsrechtlich grundsätzlich nicht zu beanstanden sei. Der Gesetzgeber sei jedoch unter dem Gesichtspunkt des Vertrauensschutzprinzips gehalten, auf die Interessen der zum damaligen Zeitpunkt rentennahe Jahrgänge durch Erlass einer Übergangsregelung Rücksicht zu nehmen, die eine auf Rentenzugänge ab dem 1. Oktober 1996 ohne Einschränkung sofort wirksame Anwendung des § 22 Abs. 4 FRG verhindere. Das BVerfG hat dabei ausdrücklich die nähere Ausgestaltung der übergangsrechtlichen Regelungen in das Ermessen des Gesetzgebers gestellt. Dieser könne rentennahe Jahrgänge in größerem Umfang als bisher aus Gründen der Verwaltungsvereinfachung von der Anwendung des § 22 Abs. 4 FRG 1996 ausnehmen. Entschließe er sich zu einer gestuften Übergangsregelung, sei es seine Sache zu regeln, in welchem Zeitraum und in welchen Zeitstufen die Anpassung erfolgen solle. Die Entscheidung des Gesetzgebers, Versicherte mit einem Rentenbeginn 1. August 2008 nicht mehr in den Genuss der Übergangsregelung kommen zu lassen, ist bei Berücksichtigung dieses weiten Ermessensspielraums des Gesetzgebers und der verfassungsrechtlichen Zulässigkeit von Stichtagsregelungen (vgl. hierzu BVerfG, Beschluss vom 11. November 2008, Az. u.a. 1 BvL 3/05) nicht zu beanstanden. Die am 17. Juli 1945 geborene Klägerin war zum Zeitpunkt des Inkrafttretens des § 22 Abs. 4 FRG 1996 (1. Oktober 1996) nicht als ein rentennaher Jahrgang anzusehen.
Die Berufung war daher als unbegründet zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe, die Revision zuzulassen (§ 160 Abs. 2 SGG), liegen nicht vor.
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