L 7 B 334/09 AS

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
7
1. Instanz
SG Köln (NRW)
Aktenzeichen
S 24 AS 25/09
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 7 B 334/09 AS
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Auf die Beschwerde des Klägers wird der Beschluss des Sozialgerichtes Köln vom 23.07.2009 geändert. Dem Kläger wird Prozesskostenhilfe für die Durchführung des Klageverfahrens unter Beiordnung von Rechtsanwalt s aus x für die Zeit ab Antragstellung bewilligt. Kosten sind nicht zu erstatten.

Gründe:

Die zulässige Beschwerde des Klägers ist begründet.

1.

Gemäß § 73a des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) in Verbindung mit den §§ 114, 115 der Zivilprozessordnung (ZPO) erhält ein Beteiligter, der nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, auf Antrag Prozesskostenhilfe, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint.

Diese Voraussetzungen liegen vor. Der Kläger kann nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht aufbringen. Die Rechtsverfolgung des Klägers bietet entgegen der Rechtsauffassung des Sozialgerichts (SG) Köln auch hinreichende Aussicht auf Erfolg (und erscheint nicht mutwillig).

Denn mit der Klage hat der Kläger eine Rechtsfrage aufgeworfen, die in der Rechtsprechung noch nicht geklärt, aber klärungsbedürftig ist. Dies rechtfertigt die Gewährung von Prozesskostenhilfe (vgl. Leitherer in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, Kommentar zum SGG, 9. Auflage 2008, § 73a Rn. 7b m.w.N.).

Im Klageverfahren ist vor allem streitig, in welcher Höhe die Beklagte die Beiträge des Klägers zu seiner privaten Krankenversicherung und privaten Pflegeversicherung zu tragen hat. Rechtsgrundlagen hierfür sind die Regelungen des § 26 Abs. 2 und Abs. 3 Zweites Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) in der Fassung ab dem 01.01.2009. Unter den dortigen Voraussetzungen und in der dortigen Höhe muss der Grundsicherungsträger die Beiträge von Hilfebedürftigen, die in der gesetzlichen Kranken- bzw. sozialen Pflegeversicherung nicht versicherungspflichtig (und nicht familienversichert) sind, zu der privaten Kranken- bzw. privaten Pflegeversicherung tragen.

a)
Besteht, wie es bei dem Kläger nach derzeitigem Erkenntnisstand der Fall sein dürfte, unabhängig von der Höhe des zu zahlenden Beitrags Hilfebedürftigkeit nach dem SGB II, zahlt der Grundsicherungsträger (nur) den Beitrag, der auch für einen Bezieher von Arbeitslosengeld II in der gesetzlichen Krankenversicherung zu zahlen ist (§ 26 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 SGB II i.V.m. § 12 Abs. 1 c Satz 6 Halbsatz 2 Versicherungsaufsichtsgesetz (VAG)). Dort ist nur ein ermäßigter Beitragssatz zu tragen (§ 246 i.V.m. § 243 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V); vgl. zur Berechnung im Einzelnen Klerks info also 2009, S. 153, 155 f.). Der Hilfebedürftige muss für eine Differenz zwischen diesem Beitragszuschuss und seinem Beitrag zur privaten Krankenversicherung damit im Ergebnis selbst aufkommen. Er kann sie nur aus der Regelleistung bestreiten, in der Leistungen für den Krankenversicherungsschutz - jedenfalls in dieser Höhe - nicht enthalten sein dürften (vgl. LSG Baden-Württemberg, Beschluss vom 16.09.2009, L 3 AS 3934/09 ER-B, Juris (Rn. 19))

b)
In der sozialgerichtlichen Rechtsprechung ist erörtert worden, ob dieses Ergebnis insbesondere vor dem allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 Grundgesetz (Art. 3 Abs. 1 GG) zu rechtfertigen ist.

Zum Teil wird eine Ungleichbehandlung gegenüber denjenigen Hilfebedürftigen konstatiert, die in der gesetzlichen Krankenversicherung freiwillig krankenversichert ist und auf die deshalb die Regelung des § 26 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 SGB II anzuwenden ist. Dort ist eine betragsmäßge Begrenzung der Beitragsübernahme anders als in § 26 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 SGB II nicht - jedenfalls nicht in der vorgenannten Weise - vorgesehen. Es wird deshalb erwogen, die Regelung des § 26 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 SGB II im vorliegenden Kontext analog anzuwenden (so SG Karlsruhe, Urteil vom 10.08.2009, S 5 AS 2121/09, Juris (Rn. 56); vgl. auch Brünner in: LPK-SGB II, 3. Auflage 2009 § 26 Rn. 23).

Zum Teil wird eine Ungleichbehandlung gegenüber denjenigen Hilfebedürftigen festgestellt, die allein aufgrund ihres privaten Krankenversicherungsbeitrages hilfebedürftig sind (also ohne diesen nicht hilfebedürftig wären). Denn dort sieht das Gesetz eine Beitragsbeteiligung des Grundsicherungsträgers "im erforderlichen Umfang" vor, soweit dadurch Hilfebedürftigkeit vermieden wird (§ 12 Abs. 1 c Satz 5 VAG). Dort ist eine betragsmäßge Begrenzung der Beitragsübernahme wie in § 12 Abs. 1 c Satz 6 VAG also nicht vorgesehen (vgl. LSG Baden-Württemberg, Beschluss vom 16.09.2009, L 3 AS 3934/09 ER-B, Juris (Rn. 24 f.)).

Es ist damit zu klären, ob die Regelung des Gesetzgebers, dass in einer Konstellation wie der vorliegenden der Grundsicherungsträger (nur) den Beitrag zu zahlen hat, der auch für einen Bezieher von Arbeitslosengeld II in der gesetzlichen Krankenversicherung zu zahlen ist (§ 26 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 SGB II i.V.m. § 12 Abs. 1 c Satz 6 Halbsatz 2 VAG), einer Korrektur im Wege der teleologischen oder verfassungsmäßigen Auslegung bedarf (vgl. auch SG Stuttgart, Beschluss vom 13.08.2009, S 9 AS 5003/09 ER, Juris, wonach nach der wortgetreuen Anwendung der gesetzlichen Regelung eine verfassungsrechtlich bedenkliche Bedarfsunterdeckung vorliege, die auf einem Versehen der Gesetzgebung beruhe; anders Brünner in: LPK-SGB II, 3. Auflage 2009 § 26 Rn. 21: "bewusst in Kauf genommen"). Hinsichtlich der Beiträge zur privaten Pflegeversicherung sind gemäß § 26 Abs. 3 Satz 1 SGB II die "Aufwendungen für eine angemessene private Pflegeversicherung im notwendigen Umfang" zu übernehmen.

c)
Abzuwarten bleibt, ob die gesetzliche Regelung des § 26 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 SGB II angesichts der aufgezeigten "Beitragslücke" noch korrigiert oder geändert werden wird; das Problem ist jedenfalls bereits gesehen und angesprochen worden (vgl. BT-Drucksache 16/12355 mit BT-Plenarprotokoll 16/213, ferner BT-Drucksache 16/13965).

2.

Außergerichtliche Kosten sind im Prozesskostenhilfe-Beschwerdeverfahren kraft Gesetzes nicht zu erstatten (§ 127 Abs. 4 ZPO).

3.

Dieser Beschluss ist mit der Beschwerde nicht anfechtbar (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
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