L 4 R 5309/07

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
4
1. Instanz
SG Freiburg (BWB)
Aktenzeichen
S 2 KNR 62/06
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 4 R 5309/07
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Freiburg vom 22. August 2007 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Streitig ist zwischen den Beteiligten, ob dem Kläger am 01. Februar 2005 weiterhin Rente wegen voller Erwerbsminderung zusteht.

Der am 1965 in K. (Polen) geborene verheiratete Kläger siedelte am 10. Dezember 1989 in die Bundesrepublik über. Er ist Inhaber des Ausweises für Vertriebene und Flüchtlinge B. Vom 01. September 1980 bis 31. Januar 1984 (Abschlusszeugnis der Berufsschule vom 20. Februar 1984) hatte der Kläger in Polen eine Ausbildung als Mechaniker für Büromaschinen durchlaufen. In Polen arbeitete er vom 01. Februar 1984 bis 09. Dezember 1989 als Schlosser im Kohlebergbau unter Tage, zuletzt über Tage. Vom 30. Juli 1990 bis 08. März 1996 übte er in der Bundesrepublik, unterbrochen durch Zeiten der Arbeitslosigkeit, Tätigkeiten als Aushilfe, als Maschinenführer und in der Autopflege aus. Seit 01. Juni 1996 war der Kläger arbeitslos und bezog Leistungen der Arbeitsverwaltung. Ab 01. Mai 1999 war der Kläger schließlich als Altenpflegehelfer tätig, und zwar zuletzt seit 12. Februar 2001 beim Haus der Betreuung und Pflege am M. (A. Alten- und Pflegeheime) in R ... Seit 25. April 2002 war der Kläger wegen eines im April 2002 erlittenen Bandscheibenvorfalls arbeitsunfähig krank und bezog vom 06. Juni 2002 bis zum 23. Oktober 2003 Krankengeld oder Übergangsgeld, nach Erschöpfung des Anspruchs auf Krankengeld ab 24. Oktober 2003 Arbeitslosengeld. Vom 20. November bis 11. Dezember 2002 hatte beim Kläger eine stationäre Rehabilitationsbehandlung in der Reha-Klinik Haus B. (Fachklinik für Orthopädische und Rheumatische Erkrankungen) in B. stattgefunden. In dem Entlassungsbericht des Dr. F. vom 16. Dezember 2002 wurden folgende Diagnosen genannt: chronische Lumboischialgie links, Musculus piriformis-Syndrom links, muskuläre Haltungsinsuffizienz, Bandscheibenvorfall L5/S1 (aktuell ohne klinische Relevanz), gemischte Hyperlipidämie, Hyperuricämie, Fettleber und Leberwerterhöhungen. Danach erschienen zumutbar körperlich mittelschwere Tätigkeiten im Wechselrhythmus ohne permanent einzunehmende wirbelsäulenbelastende Zwangshaltungen. Die Tätigkeit als ein Pfleger sowie Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt könnten sechs Stunden und mehr verrichtet werden. Vom 24. Februar bis 04. März 2003 erfolgte eine stationäre Behandlung in der Klinik für Neurochirurgie des Bezirkskrankenhauses G., wo mikroneurochirurgisch eine Exstirpation einer Bandscheibenprotrusion L5/S1 links durchgeführt wurde (Arztbrief des Prof. Dr. R., Direktor der Neurochirurgischen Klinik, vom 04. März 2003, in dem als Diagnose auch der Verdacht auf einen kleinen Blasentumor genannt wurde). Im Anschluss daran fand die weitere stationäre medizinische Heilbehandlung vom 12. März bis 02. April 2003 in der A.-klinik (Fachklinik für konservative Orthopädie und Rheumatologie) in I.-N. statt. Im Entlassungsbericht des Dr. Z., Orthopäde-Rheumatologe, vom 03. April 2003 wurden als Diagnosen chronische Lumboischialgie links bei Bandscheiben-Protrusio L5/S1 mit Wurzelkompressionssyndrom S1 links (Bandscheibenoperation L 5/S1 25. Februar 2003) und arterielle Hypertonie genannt. In seiner letzten Tätigkeit als Altenpflegehelfer wurde der Kläger als nur unter drei Stunden täglich einsetzbar angesehen. Auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt sei unter Berücksichtigung des negativen Leistungsbilds (Vermeidung von Heben und Tragen schwerer Lasten, häufiges Bücken, Arbeiten in ständiger Wirbelsäulenzwangshaltung sowie Tätigkeiten, die mit regelmäßigen Überkopfarbeiten verbunden seien) nach drei Monaten postoperativ eine leichte körperliche Tätigkeit vollschichtig zumutbar ...

Am 01. September 2003 beantragte der Kläger bei der damaligen Bundesversicherungsanstalt für Angestellte (BfA) Rente wegen Erwerbsminderung, die den Antrag wegen eines zur Knappschaftsversicherung entrichteten Beitrages an die Beklagte abgab. Die BfA erhob zunächst das Gutachten des Arztes für Neurologie und Psychiatrie, Psychotherapie Dr. Wi. vom 05. November 2003. Der Arzt nannte folgende Diagnosen: linksseitige Lumboischialgie bei Zustand nach Operation einer Bandscheibenprotrusion in Höhe L5/S1 und Rezidiv-Bandscheibenvorfall sowie arterielle Hypertonie. Der Arzt hielt den Kläger für fähig, mehr als sechs Stunden leichte Arbeiten überwiegend im Stehen, Gehen und Sitzen zu verrichten. Zu vermeiden seien schweres Heben oder Tragen, häufiges Bücken, längere Wirbelsäulenzwangshaltungen und häufige Überkopfarbeiten. Ferner erstattete im Auftrag der BfA Dr. Wir., Orthopäde und Chefarzt der Kurparkklinik in B. S., am 07. November 2003 ein Gutachten. Er nannte als Diagnosen: primäres Postdiscektomie-Syndrom mit persistierender Lumboischialgie links und sequestriertem Rezidiv-Prolaps L5/S1, sekundäre muskuläre Dysbalance bei Fehlhaltung der Brustwirbelsäule, Protrusion L4/L5. Der Arzt hielt den Kläger für leichte, zeitweise im Stehen und Gehen, überwiegend im Sitzen zu verrichtende Tätigkeit in Tagesschicht drei bis unter sechs Stunden leistungsfähig. Zu vermeiden seien regelmäßiges Heben und Tragen von Lasten über fünf kg, einseitige Körperhaltung, häufige Rumpfdrehbewegungen sowie längeres Gehen und Stehen in unebenem Gelände. Es könnten keine erhöhten Anforderungen an orthographische Kenntnisse und Sprache in Deutsch gestellt werden. Mit Bescheid vom 29. April 2004 hatte die Beklagte zunächst die Rentengewährung abgelehnt. Dagegen hatte der Kläger Widerspruch eingelegt. Dabei wurden Arztbriefe des Dr. St., Chefarzt der Abteilung Neurochirurgie des Krankenhauses St. E. in R., vom 10. März und 21. Mai 2004 vorgelegt. Nachdem die Beklagte festgestellt hatte, dass bei Erteilung des Ablehnungsbescheids vom 29. April 2004 das Gutachten des Dr. Wir. nicht berücksichtigt worden war, hob sie im Widerspruchsverfahren den Bescheid vom 29. April 2004 auf und bewilligte dem Kläger mit Widerspruchsbescheid vom 19. Oktober 2004 aufgrund eines am 25. April 2002 eingetretenen Leistungsfalls Rente wegen voller Erwerbsminderung vom 01. Februar 2003 bis 31. Januar 2005.

Am 03. Januar 2005 beantragte der Kläger die Weitergewährung der Rente. Die Beklagte erhob das Gutachten des Internisten Dr. Br. vom 20. Januar 2005, der als Diagnosen chronische Lumboischialgie links bei Zustand nach Operation einer Bandscheibenprotrusion bei L5/S1 und unbefriedigt eingestellten Bluthochdruck ohne Nachweis auf kardiovaskuläre Folgeerkrankungen erhob. Der Arzt hielt den Kläger leistungsfähig für sechs Stunden und mehr für leichte bis mittelschwere Tätigkeiten im Stehen, Gehen und im Sitzen sowie ohne Heben, Tragen, Bewegen von schweren Lasten, ohne einseitige Körperhaltung und ohne häufiges Bücken. Mit Bescheid vom 10. März 2005 lehnte danach die Beklagte die Rentengewährung ab. Für die Zeit ab 01. Februar 2005 bestehe kein Anspruch wegen teilweiser oder voller Erwerbsminderung. Der Kläger könne Tätigkeiten vollschichtig verrichten wie beispielsweise Tätigkeiten als Hilfsarbeiter im Büro, als Telefonist, als Wächter im Streifendienst, als Pförtner, als Musterprüfer im Wareneingang, als Werkzeugausgeber, als Prüf- und Qualitätskontrolleur in der Metallindustrie und als Kassierer in Selbstbedienungstankstellen. Mit dem dagegen eingelegten Widerspruch machte der Kläger geltend, eine Besserung seines Gesundheitszustands sei nicht eingetreten. Eine weitere Operation sei nicht indiziert bzw. von dieser sei ebenfalls keine Besserung zu erwarten. Er (der Kläger) sei nach wie vor auf die Verabreichung von Schmerztabletten, Infusionen und Spritzen durch den behandelnden Orthopäden Z. in unregelmäßigen Abständen angewiesen. Es müsse erneut eine fachärztliche Untersuchung durchgeführt werden. Die Beklagte erhob daraufhin das Gutachten des Arztes für Orthopädie Dr. H. vom 12. Juli 2005. Der Arzt stellte folgende Diagnosen: Postnukleotomiesyndrom bei Zustand nach Bandscheibenoperation L5/S1 links (ohne motorische Ausfälle, diskrete Hypästhesie diastales Dermatom S1 links), Chondropathia patellae beidseits, derzeit stiller nachgewiesener Rezidivprolaps. Schwere körperliche Tätigkeiten seien nicht mehr vollschichtig möglich. Dies gelte auch für die Tätigkeiten als Bergmann und Altenpflegehelfer. Leichte körperliche Tätigkeiten bei wechselnder Körperhaltung, ohne nennenswerte Belastung der Wirbelsäule, also ohne Tragen und Manipulieren von Gegenständen von fünf bis zehn kg, könnten vollschichtig durchgeführt werden. Dies gelte auch mit der genannten Einschränkung beim Heben und der Vermeidung einseitiger Körperhaltung für mittelschwere körperliche Tätigkeiten. Daraufhin wurde der Widerspruch des Klägers mit Widerspruchsbescheid des bei der Beklagten bestehenden Widerspruchsausschusses vom 05. Dezember 2005 zurückgewiesen.

Am 05. Januar 2006 erhob der Kläger deswegen Klage beim Sozialgericht Freiburg (SG). Er benannte die behandelnden Ärzte und trug vor, sein Beschwerdebild, das bei der früheren Rentengewährung vorgelegen habe, habe sich nicht geändert, jedenfalls nicht gebessert. Er (der Kläger) könne maximal zehn bis 20 m am Stück gehen. Beim Sitzen müsse er sich ebenfalls ständig bewegen, d.h. immer wieder eine andere Position einnehmen. Wegen Schmerzempfindung komme es in der Nacht mehrfach zu Aufwachphasen. Bei falscher Lage träten nachts Krämpfe im Unter- und Oberschenkel auf. Ein schmerzfreies Schlafen sei nur in Rückenlage möglich; beim Treppensteigen beginne das linke Bein zu zittern. Er werde ständig medikamentös mit Schmerzmitteln behandelt. Im April 2006 sei eine Operation wegen eines bösartigen Blasentumors durchgeführt worden. Die Folge davon sei eine Einschränkung der Kontinenz sowie der Zwang, vermehrt in kurzen Abständen die Toilette aufsuchen zu müssen, verbunden mit mehrfachem nächtlichen Aufstehen. Es sei auch wieder Blut im Urin festgestellt worden. Der behandelnde Urologe habe eine Blasenentzündung diagnostiziert. Ohne Erfolg habe er Anstrengungen wegen Erlangung eines neuen Arbeitsplatzes, insbesondere als Altenpfleger, unternommen. Im Hinblick auf sein Krankheitsbild und sein Leistungsvermögen habe er jedoch ausschließlich Absagen erhalten, auch für eine Teilzeitbeschäftigung.

Die Beklagte trat der Klage entgegen.

Das SG erhob die schriftliche Auskunft als sachverständiger Zeuge des Facharztes für Orthopädie Z. vom 28. März 2006, der weitere Behandlungsberichte vorlegte und ausführte, im Hinblick auf den zuletzt am 17. Januar 2005 erhobenen Befund sei vorstellbar, dass der Kläger leichte körperliche Tätigkeiten ohne nennenswerte Belastung der Wirbelsäule vollschichtig verrichten könne. Arzt für Allgemeinmedizin Dr. D. berichtete in der Auskunft vom 24. April 2006 über die Behandlungen in der Zeit vom 24. Mai 2004 bis 23. März 2005 und verneinte eine Abweichung hinsichtlich der Befunde und Schlussfolgerungen im Gutachten des Dr. H. vom 12. Juli 2005. Ferner erhob das SG das Sachverständigengutachten des Facharztes für Chirurgie/Unfallchirurgie und Orthopädie Dr. Br. vom 07. Juni 2006 (mit radiologischem Zusatzgutachten des Prof. Dr. Ste. vom 08. Juni 2006). Auf orthopädischem Gebiet nannte der Sachverständige folgende Diagnosen: Postnukleotomiesyndrom bei Zustand nach Bandscheibenoperation L5/S1 (ohne motorische Ausfälle, diskrete Hypästhesie Dermatom S1 links), zur Zeit stiller nachgewiesener Rezidivprolaps, Chondropathia patellae beidseits. Dadurch würden die körperlichen Funktionen insofern beeinträchtigt, als schwere körperliche Arbeiten, schweres Heben und Tragen sowie Arbeiten auf Leitern und Gerüsten oder Untertage nicht mehr zumutbar seien. Der Kläger könne leichte Tätigkeiten in wechselnder Körperhaltung ohne nennenswerte Belastung für die Wirbelsäule vollschichtig verrichten. Auch mittelschwere körperliche Tätigkeiten seien vollschichtig möglich, sofern diese Tätigkeiten ohne einseitige körperliche Belastung sowie ohne Heben und Tragen von Lasten von mehr als fünf bis zehn kg verbunden seien. Der Kläger sei in der Lage, zu Fuß einen Weg von drei km zurückzulegen.

Mit Urteil vom 22. August 2007 wies das SG die Klage ab. Es führte aus, ab 01. Februar 2005 liege beim Kläger keine Erwerbsminderung vor, denn er sei gesundheitlich in der Lage, eine leichte körperliche Tätigkeit mehr als sechs Stunden täglich zu verrichten. Das Gericht schließe sich der nachvollziehbaren Einschätzung des Sachverständigen Dr. Br. an. Bei der Prüfung einer Weiterbewilligung einer befristeten Rente bedürfe es keines Nachweises einer Besserung des Gesundheitszustands. Auch aus der beim Kläger im Verlaufe des Klageverfahrens aufgezeigten urologischen Erkrankung könne noch keine rentenrechtlich relevante Gesundheitsstörung abgeleitet werden. Es sei derzeit lediglich von einem akuten Krankheitsbild auszugehen, das behandlungsbedürftig sei. Das Urteil wurde dem Prozessbevollmächtigten des Klägers gegen Empfangsbekenntnis am 12. Oktober 2007 zugestellt.

Am 09. November 2007 hat der Kläger deswegen schriftlich Berufung beim Landessozialgericht (LSG) eingelegt. Er trägt vor, zu den Beschwerden und Beeinträchtigungen im orthopädischem Bereich bestehe bei ihm seit dem Frühjahr 2006 eine Blasenerkrankung, die ihm physisch und psychisch erheblich beeinträchtige. Im April 2006 sei zunächst ein bösartiger Blasentumor operativ entfernt worden. Im November 2006 und dann im August 2007 sei wiederrum Blut im Urin festgestellt worden. Bei einer notfallmäßigen stationären Aufnahme vom 14. bis 18. August 2007 habe sich ein Rezidiv ergeben, das erneut abgetragen worden sei. Eine weitere stationäre Behandlung habe vom 23. bis 29. Oktober 2007 stattgefunden, wobei eine transurethrale Nachresektion der Blase durchgeführt worden sei. Seit Entlassung aus der stationären Behandlung, wobei die stationären Behandlungen in der Abteilung für Urologie des Krankenhauses St. E. in R. durchgeführt worden seien, erfolge eine Instillationstherapie, eine Art Chemotherapie, die ambulant durch Facharzt für Urologie Dr. Wö. durchgeführt werde. Diese Behandlung sei äußerst schmerzhaft und habe Nachwirkungen in Form von starken Blutungen und Übelkeit. Es entstehe das Gefühl des "Brennens". Weitere stationäre Behandlungen im Krankenhaus St. E. seien vom 21. bis 25. Oktober 2008 (Abteilung für Urologie), vom 04. bis 19. August 2009 (Abteilung für Neurochirurgie) und vom 05. bis 19. Oktober 2009 (Klinik für Anästhesie, Intensiv- und Notfallmedizin, Schmerztherapie) durchgeführt worden. Wegen der bei ihm im Hinblick auf die orthopädischen Beschwerden bestehende Schmerzsymptomatik liege weiterhin Behandlungsbedürftigkeit vor. Der Kläger hat folgende Unterlagen eingereicht: Klinikberichte des Krankenhauses St. E. in R. vom 30. Oktober 2007 (Dr. Kr.), vom 12. November 2008 (Dr. Kr.), vom 19. August 2009 (Dr. St.) und vom 19. Oktober 2009 (Prof. Dr. El.), Schreiben bzw. Arztbriefe des Dr. Wö. vom 21. September und 14. November 2007, vom 24. September 2008 sowie vom 11. Januar 2009, Arztbrief der Neurologin Dr. B.-L. vom 14. Juli 2009 und Attest des Orthopäden Z. vom 07. Januar 2010.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Freiburg vom 22. August 2007 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids vom 10. März 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 05. Dezember 2005 zu verurteilen, ihm ab 01. Februar 2005 weiterhin Rente wegen voller Erwerbsminderung zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält das angegriffene Urteil und die streitbefangenen Bescheide für zutreffend. Sie hat den Versicherungsverlauf vom 28. August 2008 vorgelegt.

Der Berichterstatter des Senats hat vom Krankenhaus St. E. (Abteilung für Urologie) die Klinikberichte des Dr. Kr. vom 20. August und 30. Oktober 2007 beigezogen sowie die Auskünfte des Dr. Wö. vom 22. August 2008, in der der Arzt über die Behandlungen im Jahr 2007 berichtet und seinen Arztbrief vom 15. Januar 2008 eingereicht hat, und des Orthopäden Z. vom 14. Oktober 2009 eingeholt, der über die Behandlung des Klägers am 15. September und 01. Oktober 2009 berichtet und den Arztbrief des Dr. Wö. vom 08. September 2009 eingereicht hat. Prof. Dr. Ha., Ärztlicher Direktor der Urologischen Universitätsklinik des Universitätsklinikums U., hat das Sachverständigengutachten nach Aktenlage vom 19. Juni 2009 erstattet, nachdem mitgeteilt worden ist, eine ambulante Untersuchung zur Beantwortung der Beweisfragen sei nicht erforderlich. Der Sachverständige hat folgende Diagnosen genannt: rezidivierendes Urothelkarzinom der Harnblase (mit maximalem Tumorstadium pT1 GI-II) und Zustand bei Mitomycin-Instillationstherapie. Eine generelle Einschränkung der beruflichen Leistungsfähigkeit mit dem Karzinom bestehe nicht. Zum gegenwärtigen Zeitpunkt sei es wichtig, die regelmäßige Tumornachsorge durchzuführen, wozu eine Harnblasenspiegelung aller drei Monate gehöre. Weiterhin müsse die regelmäßige intravesikale Mitomycin-Therapie durchgeführt werden. Anhand der vorliegenden Berichte des Dr. Wö. sei davon auszugehen, dass keine wesentliche Beeinträchtigung der beruflichen Leistungsfähigkeit über den Tag der Instillationsbehandlung hinaus bestehe. Eine Tätigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt, egal welchen Schwierigkeitsgrads, sei nicht geeignet, den urologischen Befund unmittelbar zu gefährden. Zu dem Sachverständigengutachten des Prof. Dr. Ha. hat der Kläger vorgetragen, mit dessen Einschätzung, dass die regelmäßig durchzuführende Blasenspiegelung sowie die Instillationstherapie keine Auswirkungen auf sein Leistungsvermögen hätten, sei er nicht einverstanden.

Die Beteiligten haben sich übereinstimmend mit einer Entscheidung des Senats durch Urteil ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.

Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die von der Beklagten vorgelegte Verwaltungsakte sowie auf die Gerichtsakten beider Rechtszüge Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die gemäß § 151 Abs. 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) form- und fristgerecht eingelegte Berufung des Klägers, über die der Senat nach §§ 153 Abs. 1, 124 Abs. 2 SGG mit dem Einverständnis der Beteiligten durch Urteil ohne mündliche Verhandlung entschieden hat, ist zulässig und auch sonst statthaft. Die Berufung ist jedoch nicht begründet, denn dem Kläger steht weder ab 01. Februar 2005 noch ab einem späteren Zeitpunkt Rente wegen voller Erwerbsminderung zu, wie das SG zutreffend entschieden hat, weshalb der Bescheid der Beklagten vom 10. März 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 05. Dezember 2005, mit dem die Beklagte die Rentengewährung abgelehnt hat, nicht rechtswidrig ist und den Kläger nicht in seinen Rechten verletzt.

Streitig ist zwischen den Beteiligten, ob dem Kläger ab 01. Februar 2005 weiterhin (oder ab einem späteren Zeitpunkt) Rente wegen voller Erwerbsminderung zusteht. Nur Rente wegen voller Erwerbsminderung hat der Kläger in der mündlichen Verhandlung des SG begehrt.

Versicherte haben gemäß § 43 Abs. 2 Satz 1 des Sechsten Buches des Sozialgesetzbuchs (SGB VI) Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze (insoweit mit Wirkung zum 01. Januar 2008 geändert durch Art. 1 Nr. 12 des RV-Altersgrenzenanpassungsgesetzes vom 20. April 2007, BGBl. I, S. 554), wenn sie voll erwerbsgemindert sind (Nr. 1), in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit haben (Nr. 2) und vor Eintritt der Erwerbsminderung die allgemeine Wartezeit erfüllt haben (Nr. 3). Voll erwerbsgemindert sind nach § 43 Abs. 2 Satz 2 SGB VI Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarkts mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Voraussetzung ist, dass die Erwerbsfähigkeit durch Krankheit oder Behinderung gemindert sein muss. Entscheidend ist darauf abzustellen, in welchem Umfang ein Versicherter durch Krankheit oder Behinderung in seiner körperlichen und geistigen Leistungsfähigkeit beeinträchtigt wird und in welchem Umfang sich eine Leistungsminderung auf die Fähigkeit, erwerbstätig zu sein, auswirkt. Bei einem Leistungsvermögen, das dauerhaft eine Beschäftigung von mindestens sechs Stunden täglich bezogen auf eine Fünf-Tage-Woche ermöglicht, liegt keine Erwerbsminderung im Sinne des § 43 Abs. 2 SGB VI vor. Wer noch sechs Stunden unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarkts arbeiten kann, ist nicht erwerbsgemindert; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen (§ 43 Abs. 3 SGB VI). Nachdem die frühere Bewilligung von Rente wegen voller Erwerbsminderung vom 01. Februar 2003 bis 31. Januar 2005 befristet war (vgl. § 102 Abs. 2 Satz 1 SGB VI), endete sie kraft Gesetzes nach § 102 Abs. 1 Satz 1 SGB VI am 31. Januar 2005. Im Hinblick auf den Verlängerungsantrag des Klägers ist daher die (streitige) volle Erwerbsminderung ab 01. Februar 2005 originär zu prüfen, ohne dass es des Nachweises einer wesentlichen Besserung des Gesundheitszustands des Klägers und seines Leistungsvermögens im Sinne des § 48 des Zehnten Buches des Sozialgesetzbuchs (SGB X) ab 01. Februar 2005 bedurfte.

Nach den genannten Kriterien ist der Kläger am 01. Februar 2005 nicht voll erwerbsgemindert. Er ist vielmehr noch in der Lage, ohne Gefährdung seiner Gesundheit leichte Arbeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes in wechselnder Körperhaltung ohne nennenswerte Belastung der Wirbelsäule, also ohne Heben und Tragen von Lasten über vier kg, und ohne Arbeiten auf Leitern und Gerüsten sechs Stunden und mehr arbeitstäglich auszuüben. Dies hat das SG zutreffend aufgrund der Gesundheitsstörungen auf orthopädischem und urologischem Fachgebiet entschieden, der Senat verweist insoweit nach § 153 Abs. 2 SGG auf die Entscheidungsgründe des angegriffenen Urteils.

Auch im Hinblick auf die Ermittlungen im Berufungsverfahren stellt der Senat fest, dass eine quantitative Leistungseinschränkung beim Kläger derzeit nicht eingetreten ist.

Eine solche quantitative Leistungseinschränkung für leichte Tätigkeiten ergibt sich insoweit nicht für das urologische Fachgebiet. Zwar war beim Kläger, wie auch vom SG berücksichtigt, ein Urothelkarzinom der Blase im oberflächlichen Tumorstadium festgestellt worden, das im April 2006 abgetragen wurde. Im August und Oktober 2007 erfolgten Nachoperationen, wobei im Oktober 2007 keine Reste des Blasenkarzinoms mehr nachweisbar waren. Nach dem Arztbrief des Dr. Kr. vom 30. Oktober 2007 wurde eine Rezidivprophylaxe mittels Instillationstherapie und eine engmaschige Tumornachsorge empfohlen, die zeitweise durch Dr. Wö. durchgeführt wurde (Schreiben des Dr. Wö. vom 14. November 2007 und Auskunft vom 22. August 2008). Auch nach einer im Oktober 2008 erneut durchgeführten transurethraler Elektroresektion der Harnblase im Hinblick auf zystoskopisch gesicherte Tumore und den Verdacht eines Rezidivs wurde nach dem Arztbrief des Dr. Kr. vom 12. November 2008 regelmäßige fachurologische Tumornachsorge empfohlen. Von Dezember 2008 bis September 2009 wurde die Instillationstherapie durch Dr. Wö. fortgeführt, wobei die Kontrolle durch Dr. Wö. im Januar 2009 keinen Hinweis auf ein Tumorrezidiv ergab (Arztbrief vom 11. Januar 2009). Ferner hat Dr. Wö. im Arztbrief vom 08. September 2009 auf einen rezidivfreien Verlauf seit einem Jahr hingewiesen, weshalb er die Instillationstherapie beendete. Im Hinblick auf diese festgestellten Untersuchungsbefunde überzeugt den Senat die Einschätzung, die Prof. Dr. Ha. im nach Aktenlage erstatteten Sachverständigengutachten vom 19. Juni 2009 getroffen hat, dass das festgestellte rezidivierende Urothelkarzinom der Harnblase (mit dem maximalen Tumorstadium T 1 G I II) und der Zustand nach Mitomycin-Instillationstherapie eine Einschränkung der beruflichen Leistungsfähigkeit nicht begründet, weshalb insoweit eine zeitliche Leistungseinschränkung nicht anzunehmen ist. Dabei hat der gerichtliche Sachverständige die vorliegenden Behandlungsunterlagen des Dr. Kr. und des Dr. Wö. berücksichtigt und insoweit auch dargelegt, dass diese notwendige Behandlung ohne erhebliche Nebenwirkungen verlief. Auch der behandelnde Arzt Dr. Wö., der nach seiner Auskunft vom 22. August 2008 lediglich kurzzeitige operationsbedingte Arbeitsunfähigkeit angenommen hat, hat im Arztbrief vom 19. Januar 2009 den Kläger als beschwerdefrei bezeichnet und im Arztbrief vom 08. September 2009 lediglich von leichten dysurischen Beschwerden und imperativem Harndrang unter laufender Instillationstherapie gesprochen. Im Hinblick darauf war eine Untersuchung durch den gerichtlichen Sachverständigen, die dieser auch nicht für notwendig erachtet hatte, nicht geboten.

Auch für das orthopädische Fachgebiet vermag der Senat eine zeitliche Leistungseinschränkung derzeit nicht festzustellen. Diese ergibt sich auch nicht aufgrund einer nach dem 06. Juni 2006 (Untersuchung durch den gerichtlichen Sachverständigen Dr. Br.) eingetretene Verschlimmerung des Gesundheitszustands des Klägers auf orthopädischem Fachgebiet. Zwar wurde, nachdem der Sachverständige Dr. Br. lediglich von einem Postnukleotomiesyndrom bei Zustand nach Bandscheibenoperation L 5/S 1 ohne motorische Ausfälle bei diskreter Hypästhesie Dermatom S1 links und von einem zur Zeit stillem nachgewiesenen Rezidivprolaps (nach erneuter neurochirurgischer Kontrolle und Infiltration ohne Operationsindikation) ausgegangen war, beim Kläger im Rahmen einer am 13. Juli 2009 durchgeführten Kernspintomographie ein weiterer Bandscheibenvorfall des Lendenwirbelkörpers L 4/5 medial festgestellt. Insoweit erfolgte nach dem Arztbrief des Dr. St. vom 19. August 2009 in stationärer Behandlung vom 04. bis 19. August 2009 eine erweiterte interlaminäre Fensterung L 4/5 links mit Entfernung eines Bandscheibensequesters, wobei sich bei der Aufnahme in die Klinik ein hinkendes Gangbild und eine schmerzhafte Fußsenkung ergeben hatte. Nach der Operation hatte der Kläger eine Besserung der Schmerzsymptomatik im rechten Bein angegeben, jedoch noch eine Schmerzsymptomatik im linken Bein. Insoweit wurde eine konservative Therapie empfohlen. Der operierte Befund veranlasste dann den Orthopäden Z. zur Verordnung von stabilisierender Krankengymnastik. Auch wurde eine schmerztherapeutische Behandlung eingeleitet, die dann vom 05. bis 19. August 2009 stationär im Krankenhaus St. E. in R. stattfand. Aus dem aktuell behandlungsbedürftigen Befund ergibt sich derzeit keine zeitliche Leistungseinschränkung, zumal nach dem Arztbrief des Prof. Dr. El. vom 19. Oktober 2009 eine multimorbale Schmerztherapie durchgeführt wurde, unter der sich der vom Kläger angegebene Schmerz verbesserte. Insoweit wurde auch bei gebesserten Schmerzsyndrom eine Operationsindikation verneint. Sofern im Hinblick auf die zuletzt vom Orthopäden Z. im Attest vom 07. Januar 2010 aufgrund einer aktuell unbeherrschbaren Schmerzsituation nun doch eine erneute operative Revision zum nächstmöglichen Zeitpunkt vorgesehen ist und der Arzt wegen massiver Schmerzen aktuell eine Transportunfähigkeit des Klägers bescheinigt hat, begründet dieser aktuelle Zustand derzeit keine zeitliche Leistungseinschränkung. Der Senat vermag auch keine rentenberechtigende Einschränkung der Gehfähigkeit des Klägers derzeit festzustellen.

Weitere Ermittlungen von Amts wegen waren nicht durchzuführen. Sofern sich im Hinblick auf künftige Operationsergebnisse eine dauerhafte Änderung des Zustands des Klägers ergeben sollte, bliebe ihm die Möglichkeit einer erneuten Rentenantragstellung überlassen. Insoweit hat auch der gerichtliche Sachverständige Prof. Dr. Ha. beispielsweise für das urologische Fachgebiet darauf hingewiesen, dass durch erneute Rezidive, die derzeit nicht feststellbar sind, insbesondere bei einer weitergehenden operativen Therapie, sich eine Veränderung der Situation ergeben könnte mit einer eventuellen Einschränkung der Leistungsfähigkeit beim Kläger.

Danach war die Berufung zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe, die Revision zuzulassen, liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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