S 128 AS 11433/09

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
SG Berlin (BRB)
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
128
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 128 AS 11433/09
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Der Antrag der Kläger auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwalt M, K Damm , B, wird abgelehnt.

Gründe:

Nach § 73a Abs. 1 Satz 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) gelten für die Gewährung von Prozesskostenhilfe im sozialgerichtlichen Verfahren die Vorschriften der Zivilprozessordnung (ZPO) entsprechend. Danach ist einem Beteiligten, der nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder in Raten aufbringen kann, auf seinen Antrag Prozesskostenhilfe zu gewähren, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint (vgl. § 114 ZPO).

Durch die Bewilligung von Prozesskostenhilfe soll ein Unbemittelter hinsichtlich der Verwirklichung des Rechtsschutzes weitgehend einem Bemittelten gleichgestellt werden. Die Gewährung der staatlichen Hilfe soll aber nicht dazu führen, dass ein Unbemittelter Rechtsschutz in einer Form oder einem Umfang in Anspruch nimmt, die der Bemittelte sich bei Abwägung von Kosten und Nutzen versagen müsste oder würde. Zu berücksichtigen ist daher auch, ob ein Bemittelter in der Lage des Unbemittelten vernünftigerweise einen Rechtsanwalt mit der Wahrnehmung seiner Interessen beauftragt hätte (vgl. Bundesverfassungsgericht, Beschluss vom 17. Februar 1997 - 1 BvR 1440/96 - NJW 1997, 2103).

Nach Maßgabe dieser Grundsätze ist die Bewilligung von Prozesskostenhilfe unter Beiordnung eines Rechtsanwalts - im Übrigen bedarf es der Hilfe angesichts der Kostenfreiheit des sozialgerichtlichen Verfahrens nicht - im vorliegenden Fall nicht gerechtfertigt.

Die Kammer teilt die Auffassung mehrerer Senate des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg (LSG), nach der unabhängig von der Beurteilung der Erfolgsaussicht der Rechtsverfolgung eine Bewilligung von Prozesskostenhilfe dann nicht in Betracht kommt, wenn die wirtschaftliche Bedeutung des Rechtsstreits im Bagatellbereich liegt.

Dabei gibt es keine einheitliche Rechtsprechung dazu, bei welchem streitigen Betrag von einem Bagatellbetrag gesprochen werden kann (vgl. LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 10. Juni 2010 - L 5 AS 610/10 B ER - (Bagatelle bei einem streitigen Betrag von 42,- EUR); Beschluss vom 30. März 2009 - L 25 B 2135/08 AS PKH – (keine Bagatelle bei einem streitigen Betrag von mehr als 50,- EUR); Beschluss vom 10. Februar 2009 - L 5 B 1956/08 AS PKH - (Bagatelle bei einem streitigen Betrag von 85,44 EUR); Beschluss vom 6. November 2008 - L 29 B 1644/08 AS PKH - (Bagatelle bei einem streitigen Betrag von 27,- EUR); Beschluss vom 10. Oktober 2008 - L 29 B 1244/08 AS PKH - (Bagatelle bei einem streitigen Betrag von 37,50 EUR); Beschluss vom 14. Mai 2007 - L 10 B 217/07 AS PKH - (zweifelnd für einen Betrag von 67,50 EUR); alle Entscheidungen zitiert nach juris). Hier geht es um einen Betrag von insgesamt 54,87 EUR. Die Kläger wenden sich mit ihrer Anfechtungsklage nur gegen den Bescheid vom 4. Dezember 2008, mit dem der Beklagte deren Leistungen für Unterkunft und Heizung für den Zeitraum vom 1. April bis zum 30. September 2008 rückwirkend entsprechend teilweise aufgehoben hat.

Die Kammer nimmt an, dass jedenfalls grundsätzlich bei einem streitigen Betrag, der geringer ist als das bei einem "normalen" Verfahren niedrigst denkbare Kostenrisiko, ein bemittelter Kläger im Regelfall bei vernunftgeleiteter Abwägung des Streitwerts der durchzusetzenden Rechtsposition mit dem Kostenrisiko von der Beauftragung eines Rechtsanwalts Abstand nehmen würde. Diese Kosten betragen unter Berücksichtigung der Anlage 1 zum Rechtsanwaltsvergütungsgesetz (RVG), dem Vergütungsverzeichnis (VV), für die erste Instanz hier wenigstens 74,26 EUR (26,- EUR (Mindest)Verfahrensgebühr (VV 3103) + 26,- EUR (Mindest)Terminsgebühr (VV 3106), jeweils unter Berücksichtigung von VV 1008, + 10,40 EUR Postpauschale (VV 7002) + 19 Prozent Umsatzsteuer).

Liegt – wie hier – der streitige Betrag noch unter dem Mindestkostenrisiko, ist die Annahme berechtigt, dass durch die Gewährung von Prozesskostenhilfe ein Unbemittelter zu Unrecht in den Stand versetzt würde, einen Rechtsanwalt unter Außerachtlassung naheliegendster wirtschaftlicher Erwägungen zu beauftragen, und damit gegenüber einem Bemittelten deutlich bevorzugt würde (vgl. LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 10. Februar 2009 - L 5 B 1956/08 AS PKH).

Offen bleiben kann, ob etwas Anderes dann gelten muss, wenn die Sache schwierige Rechtsfragen aufweist und die entscheidungserhebliche materiellrechtliche Frage eine über den materiellen Wert hinausgehende Bedeutung haben kann (vgl. LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 16. April 2009 - L 15 SO 52/09 B PKH). Denn beides ist hier nicht der Fall. Streitig ist, ob der Beklagte berechtigt war, im Rahmen eines Widerspruchs gegen einen Änderungsbescheid rückwirkend Leistungen für Unterkunft und Heizung aufgrund eines höheren Abzugs für Warmwasserbereitung im Sinne einer Verböserung durch weiteren Änderungsbescheid aufzuheben. Hier werden Fragen den § 45 des Zehnten Buches Sozialgesetzbuch (SGB X) betreffend – insbesondere die der groben Fahrlässigkeit nach § 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 3 SGB X – zu erörtern sein, die keine besonderen Schwierigkeiten aufweisen. Die Frage, ob und in welchem Umfang der Beklagte nach Maßgabe des Leistungsrechts des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch überhaupt zu einem höheren Abzug für die Warmwasserbereitung berechtigt war, wird hier keine Rolle spielen. Infolgedessen hat die materiellrechtliche Frage auch keinen über den hier streitigen Bewilligungsabschnitt hinausgehende Bedeutung.

Dass ein Bemittelter hier keinen Rechtsanwalt beauftragt hätte, dürfte sich im Übrigen auch daraus ergeben, dass der Beklagte zwar Leistungen teilweise aufgehoben, aber bis heute keine Erstattung des aus seiner Sicht überzahlten Betrages verlangt hat und dies ausweislich seines Schriftsatzes vom 6. August 2009 auch nicht beabsichtigt.

Gegen diesen Beschluss ist die Beschwerde zulässig, obgleich in der Hauptsache die Berufung nicht zulässig wäre (vgl. § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG; ständige Rechtsprechung der Kammer, vgl. nur Beschluss vom 5. Januar 2010 - S 128 AS 18211/09).
Rechtskraft
Aus
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