B 14 AS 65/09 R

Land
Bundesrepublik Deutschland
Sozialgericht
Bundessozialgericht
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
14
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 157 AS 14249/08
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 28 AS 2189/08
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 14 AS 65/09 R
Datum
Kategorie
Urteil
Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg vom 10. September 2009 aufgehoben und der Rechtsstreit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht zurückverwiesen.

Gründe:

I

1

Die im August 1948 geborene Klägerin begehrt im Rahmen der Grundsicherung für Arbeitsuchende für die Zeit vom 1.12.2007 bis zum 30.4.2008 höhere Leistungen für die Kosten der Unterkunft (KdU) und Heizung.

2

Die Klägerin erhält seit Ende Mai 2006 Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II). Seit Januar 2005 bewohnt sie eine Zwei-Zimmer-Wohnung in Berlin-Spandau mit einer Wohnfläche von 59,50 qm. Die Wohnung wird zentral mit Warmwasser versorgt. Die Nettokaltmiete schwankte in der hier streitigen Zeit zwischen 283 Euro und 290,05 Euro, hinzu kamen Vorauszahlungen für die "kalten Betriebskosten" von 133 Euro und für die Heizkosten einschließlich Warmwasser von 44 Euro. Die Gesamtaufwendungen für die Unterkunft betrugen von Dezember 2007 bis Februar 2008 460 Euro, für März 2008 467,05 Euro und für April 2008 464,63 Euro.

3

Die Klägerin erzielte in dem hier streitigen Zeitraum von Dezember 2007 bis April 2008 ein Erwerbseinkommen von 100 Euro monatlich brutto. Über Vermögen verfügte sie nicht, sie hatte Verbindlichkeiten im Umfang von rund 200 000 Euro.

4

Der Beklagte bewilligte der Klägerin zunächst bis November 2007 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts sowie die tatsächlichen KdU einschließlich Heizung, teilweise mit Abzug für die Warmwasseraufbereitung. Es folgten mehrfache Neuberechnungen; mit Änderungsbescheid vom 12.2.2008 legte der Beklagte die Leistungen für die KdU einschließlich Heizung für den Zeitraum von August 2006 bis November 2007 endgültig fest und gewährte zuletzt 485,37 Euro.

5

Bereits mit Schreiben vom 14.5.2007 teilte der Beklagte der Klägerin mit, die KdU seien nicht angemessen. Für einen Ein-Personen-Haushalt gelte ein Richtwert von 360 Euro. Die gegenwärtige tatsächliche Bruttowarmmiete übersteige diesen geltenden Richtwert. Mit Schreiben vom 13.7.2007 forderte der Beklagte die Klägerin auf, ihre KdU und Heizung bis zum 31.10.2007 zu reduzieren und kündigte eine Senkung der zu gewährenden Unterkunftskosten auf den als angemessen angesehenen Richtwert von 360 Euro ab dem 1.11.2007 an.

6

Mit vorläufigem Bescheid vom 23.11.2007 bewilligte der Beklagte für die Zeit vom 1.12.2007 bis zum 30.4.2008 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts unter Einkommensanrechnung in Höhe von 267 Euro und Leistungen für die KdU und Heizung in Höhe von nur noch 360 Euro.

7

Aufgrund des dagegen von der Klägerin eingelegten Widerspruchs berechnete der Beklagte nun mit endgültigem Änderungsbescheid vom 12.2.2008 die Leistungen ohne Einkommensanrechnung neu und gewährte die volle Regelleistung zuzüglich KdU in Höhe von 360 Euro für den gesamten Zeitraum von Dezember 2007 bis April 2008. Mit Widerspruchsbescheid vom 26.3.2008 wurde der Widerspruch gegen den Bescheid vom 23.11.2007 zurückgewiesen, soweit der Bescheid nicht durch den Bescheid vom 12.2.2008 geändert worden war. In Streit standen jetzt nur noch die KdU; der Beklagte wies darauf hin, die Kosten seien gegenwärtig mit 460 Euro für die Wohnung bei einem Ein-Personen-Haushalt zu hoch. Die Voraussetzungen für eine Überschreitung des Richtwertes um 10 % nach den Regelungen der Senatsverwaltung für Gesundheit, Soziales und Verbraucherschutz in der Fassung vom 30.5.2006 ("AV-Wohnen") wegen wesentlicher sozialer Bezüge oder fortgeschrittenen Alters erfülle die Klägerin nicht.

8

Auf die von der Klägerin erhobene Klage hat das Sozialgericht (SG) mit Urteil vom 29.8.2008 den Beklagten unter Änderung der angefochtenen Bescheide und unter Klageabweisung im Übrigen verurteilt, der Klägerin Leistungen für die KdU in Höhe von 374,14 Euro monatlich zu gewähren und die Berufung zugelassen. Zur Begründung nimmt das SG auf den Berliner Mietspiegel von 2007 Bezug und geht von einem Mittelwert aller Wohnungen zwischen 40 und 60 qm für einfache Wohnlagen und für Wohnungen aller Altersgruppen mit Sammelheizung und Bad aus. Daraus errechne sich eine angemessene Nettomiete in Höhe von 4,88 Euro pro qm. Hinzu kämen warme Betriebskosten ohne Kosten für die Warmwasseraufbereitung von durchschnittlich 2,60 Euro pro qm auf der Grundlage der Erhebung des Deutschen Mieterbundes. Daraus resultiere bei einer in Berlin maßgeblichen Wohnungsgröße für eine Person von 50 qm eine Angemessenheitsgrenze für Bruttowarmmieten von 374 Euro. Weitergehende Ansprüche bestünden nicht; es gäbe auch keine Umstände, die gegen die Zumutbarkeit einer Kostensenkung sprächen.

9

Mit Änderungsbescheid vom 25.11.2008 hat der Beklagte aufgrund der Entscheidung des SG Leistungen für den hier streitigen Zeitraum in Höhe von 721,14 Euro monatlich bewilligt, worin KdU in Höhe von nunmehr 374,14 Euro enthalten waren.

10

Mit der eingelegten Berufung hat die Klägerin ihr Begehren weiterverfolgt, Leistungen für die KdU in tatsächlicher Höhe, mindestens aber in Höhe von 396 Euro zu erhalten. Dieser Wert ergebe sich aus der AV-Wohnen, die eine normkonkretisierende Verwaltungsvorschrift darstelle. Danach könne der Richtwert für Ein-Personen-Haushalte von 360 Euro Bruttowarmmiete bei über 60-jährigen Hilfeempfängern um 10 % überschritten werden. Sie, die Klägerin, werde zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung das 60. Lebensjahr vollendet haben und sie betreue im Übrigen ihre 85-jährige Tante in der Nachbarschaft. Diese sei zum maßgeblichen Zeitpunkt in Pflegestufe 2 eingestuft worden. Es kümmerten sich auch noch andere Personen um die Tante, vorrangig jedoch sie, die Klägerin.

11

Mit Urteil vom 10.9.2009 hat das Landessozialgericht (LSG) Berlin-Brandenburg die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des SG zurückgewiesen. Zur Begründung hat das LSG bei Bejahung der Hilfebedürftigkeit und Begrenzung des Streitgegenstandes auf die Unterkunftskosten in dem Zeitraum vom 1.12.2007 bis zum 30.4.2008 festgestellt, dass die Klägerin im streitgegenständlichen Zeitraum jedenfalls keine höheren KdU beanspruchen könne, als die Summe, die ihr bereits zugesprochen worden sei. Die tatsächlichen KdU seien nicht angemessen. Dies gelte allerdings nicht für die anzusetzenden Heizkosten, die in Höhe von 44 Euro abzüglich der Warmwasserpauschale offensichtlich angemessen seien. Im Übrigen seien die KdU nach der Produkttheorie zu prüfen und dabei zunächst die maßgebliche Wohnungsgröße zu bestimmen. Da in Berlin keine Richtlinien nach § 10 des Gesetzes über die soziale Wohnraumförderung (WoFG) ergangen seien, werde davon ausgegangen, dass die Richtlinien für den öffentlich geförderten sozialen Wohnungsbau in Berlin (Wohnbauförderungsbestimmungen 1990 (WFB 1990)) heranzuziehen seien, und zwar in der Fassung der Änderung der WFB vom 13.12.1992. Danach sei grundsätzlich bei einem Ein-Personen-Haushalt eine angemessene Wohnungsgröße von 45 qm anzusetzen. In einem weiteren Schritt sei der räumliche Vergleichsmaßstab zu ermitteln. Abzustellen sei dabei aufgrund der verkehrstechnischen Verbundenheit und der einheitlichen Infrastruktur auf das gesamte Land Berlin, für das auch ein einheitlicher und nicht nach Bezirken getrennter Mietspiegel existiere. Es handele sich hier um einen qualifizierten Mietspiegel im Sinne des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB), sodass die gesetzliche Vermutung gelte, dass die angegebenen Entgelte die ortsübliche Vergleichsmiete wiedergäben. Dabei könne nur ein bereits veröffentlichter Mietspiegel herangezogen werden; dies sei für den hier streitgegenständlichen Zeitraum der Mietspiegel 2007 vom 11.7.2007 (Amtsblatt für Berlin 2007, 1797 ff). Bei der Ermittlung des Quadratmeterpreises für die Gesamtwohnfläche für Ein-Personen-Haushalte sei auf die Zeile D des Mietspiegels zurückzugreifen, in der Wohnungen in einfacher Wohnlage mit einer Wohnfläche von 40 bis 60 qm erfasst seien. Zur Festsetzung des maßgeblichen Quadratmeterpreises sei - anders als es das SG getan habe - ein Gesamtmittelwert aus sämtlichen der in der Zeile D enthaltenen Mittelwerte zu bilden. Dadurch werde ein objektiver Durchschnittswert gebildet, weil zwar auch Wohnungen mit unzureichender Ausstattung, also zB ohne Bad, miteinbezogen seien, andererseits aber auch Neubauten berücksichtigt würden. Auf dieser Grundlage errechne sich Quadratmeterpreis von 4,54 Euro. Daraus ergebe sich eine angemessene Nettokaltmiete in Höhe von 204,30 Euro (45 qm bei 4,54 Euro pro qm).

12

Hinzu kämen die kalten Betriebskosten, zu deren Bestimmung das SG zu Recht auf den vom Deutschen Mieterbund für die gesamte Bundesrepublik Deutschland ermittelten Betriebskostenspiegel zurückgegriffen habe. Für die Bestimmung der abstrakten Angemessenheit einer Miete im Zeitraum von Dezember 2007 bis April 2008 sei dabei auf das Abrechnungsjahr 2006 zurückzugreifen, da die Höhe der künftigen Vorauszahlungen sich nach den Kosten für die abgelaufene Abrechnungsperiode richte. Bei der Berechnung seien sämtliche Betriebskosten anzusetzen, die in den jeweiligen Betriebskostenspiegel Eingang gefunden hätten, da nur durch eine weite Streuung letztlich ein realistischer Durchschnittswert zu ermitteln sei.

13

Unter Ansetzung einer Nettokaltmiete von 4,54 Euro pro qm und kalter Betriebskosten von 1,75 Euro pro qm ergebe sich eine angemessene Bruttokaltmiete von 283,05 Euro, während der Beklagte monatlich 322,26 Euro zuerkannt habe und das SG den Beklagten sogar verpflichtet habe, eine Bruttokaltmiete von 336,40 Euro zu übernehmen. Dass die Klägerin nicht die Möglichkeit gehabt habe, der Kostensenkungsaufforderung der Beklagten nachzukommen und im streitigen Zeitraum Wohnraum zu den genannten Preisen anzumieten, habe sie weder selbst vorgetragen, noch sei dies sonst ersichtlich. Die Klägerin habe vielmehr deutlich gemacht, dass sie in ihrer bisherigen Wohnung bleiben wolle und keine preisgünstigere Wohnung gesucht habe. Besondere Gründe, die 130 Euro über den angemessenen Kosten für die KdU liegenden tatsächlichen Mietkosten weiterhin zu erbringen, bestünden nicht. Insbesondere scheide bei der im genannten Zeitraum 59 Jahre alten Klägerin die Annahme einer Unzumutbarkeit des Umzugs wegen des Lebensalters aus. Auch die unentgeltliche Pflege der in der Nähe wohnenden Tante bedeute nicht, dass keinerlei Veränderungen der Wohnraumsituation stattfinden dürften.

14

Hiergegen wendet sich die Klägerin mit ihrer vom LSG zugelassenen Revision. Sie rügt, das LSG habe den unbestimmten Rechtsbegriff der Angemessenheit der Aufwendungen für eine Unterkunft fehlerhaft konkretisiert. Ein Anspruch auf KdU in tatsächlicher Höhe, wenigstens aber in Höhe von 396 Euro ergebe sich unmittelbar aus der AV-Wohnen, da diese Vorschrift eine normkonkretisierende Verwaltungsvorschrift mit unmittelbarer Außenwirkung gegenüber Dritten darstelle. Bei der danach für einen Ein-Personen-Haushalt ermittelten Bruttowarmmiete in Höhe von 360 Euro seien hier Zuschläge zu machen, da auch das Lebensalter der Klägerin von jetzt über 60 Jahren mitberücksichtigt werden müsse.

15

Die Klägerin beantragt, den Beklagten unter Aufhebung des Urteils des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg vom 10. September 2009 und Änderung des Urteils des Sozialgerichts Berlin vom 29. August 2008 sowie der Bescheide des Beklagten vom 23. November 2007 und vom 12. Februar 2008 sowie des Widerspruchsbescheids vom 26. März 2008 sowie des Bescheids vom 25. November 2008 dazu zu verpflichten, ihr Leistungen für Unterkunft und Heizung für den Zeitraum 1. Dezember 2007 bis 28. Februar 2008 in Höhe von monatlich weiteren 85,86 Euro sowie für den Zeitraum 1. März bis 31. März 2008 in Höhe von weiteren 92,91 Euro sowie für den Zeitraum 1. April 2008 bis 30. April 2008 in Höhe von weiteren 90,49 Euro zu bewilligen.

16

Der Beklagte beantragt, die Revision zurückzuweisen.

17

Der Beklagte ist der Meinung, die AV-Wohnen sei zwar zutreffend als Grundlage der Entscheidung über die Angemessenheit der Unterkunftskosten heranzuziehen, die Voraussetzungen für eine Erhöhung im Einzelfall seien bei der Klägerin jedoch nicht gegeben.

II

18

Die Revision der Klägerin ist im Sinne der Aufhebung des Berufungsurteils und der Zurückverweisung der Sache an das LSG begründet (§ 170 Abs 2 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG)). Auf der Grundlage der tatsächlichen Feststellungen des LSG kann nicht beurteilt werden, ob die Klägerin höhere Leistungen für Unterkunft und Heizung nach § 22 Abs 1 Satz 1 SGB II beanspruchen kann, als sie der Beklagte zuletzt aufgrund des Urteils des SG bewilligt hat und ob die bewilligte Summe angemessen ist.

19

1. Gegenstand des Verfahrens sind die Bescheide des Beklagten vom 23.11.2007 und 12.2.2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 26.3.2008 sowie des Bescheids des Beklagten vom 25.11.2008, gegen die sich die Anfechtungs- und Leistungsklage der Klägerin richtet (§ 54 Abs 4 SGG). Dabei ist Streitgegenstand allein der geltend gemachte Anspruch der Klägerin auf höhere Leistungen für Unterkunft und Heizung in der Zeit von Dezember 2007 bis April 2008. Zulässigerweise hat die Klägerin den Streitstoff in der Sache schon mit Klageerhebung auf die KdU beschränkt (vgl zur Zulässigkeit einer solchen Beschränkung BSGE 97, 217 = SozR 4-4200 § 22 Nr 1, jeweils RdNr 18).

20

2. Nach den bindenden Feststellungen des LSG (§ 163 SGG) gehört die erwerbsfähige und hilfebedürftige Klägerin dem Grunde nach zum leistungsberechtigten Personenkreis nach dem SGB II (§ 7 Abs 1 Satz 1 SGB II). Neben der Regelleistung hat sie damit Anspruch auf Leistungen für Unterkunft und Heizung.

21

3. KdU werden in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen erbracht, soweit sie angemessen sind (§ 22 Abs 1 Satz 1 SGB II). Die Angemessenheit von KdU ist (getrennt von den Kosten der Heizung, vgl insoweit BSGE 104, 41 = SozR 4-4200 § 22 Nr 23) unter Zugrundelegung der sog Produkttheorie in einem mehrstufigen Verfahren zu konkretisieren. Zunächst ist die angemessene Wohnungsgröße zu ermitteln (dazu unter a). Alsdann ist festzustellen, ob die angemietete Wohnung dem Produkt aus angemessener Wohnfläche und Standard entspricht, der sich in der Wohnungsmiete niederschlägt. Vergleichsmaßstab sind insoweit die räumlichen Gegebenheiten am Wohnort des Hilfebedürftigen (vgl dazu unter b), wobei die örtlichen Gegebenheiten auf dem Wohnungsmarkt zu ermitteln und zu berücksichtigen sind (dazu unter c). Der Begriff der "Angemessenheit" unterliegt als unbestimmter Rechtsbegriff der uneingeschränkten richterlichen Kontrolle. Im Streitfall ist das der Bestimmung der Kosten zugrunde liegende Konzept somit von den Gerichten in vollem Umfang zu überprüfen und ggf ein solches Konzept durch eigene Ermittlungen zu ergänzen. Diese Prüfung haben weder der Beklagte noch das LSG rechtsfehlerfrei vorgenommen.

22

a) Entgegen der Auffassung des LSG ergibt sich für einen Ein-Personen-Haushalt in Berlin eine maßgebliche Wohnfläche von 50 qm. Bei der Bestimmung der angemessenen Wohnfläche ist auf die anerkannte Wohnraumgröße für Wohnberechtigte im sozialen Mietwohnungsbau abzustellen (stRspr seit BSGE 97, 254 = SozR 4-4200 § 22 Nr 3, jeweils RdNr 19). Hinsichtlich der Überlassung von gefördertem Mietwohnungsraum gilt § 27 Abs 1 bis 5 WoFG vom 13.9.2001 (BGBl I 2376) iVm § 5 des Gesetzes zur Sicherstellung der Zweckbestimmung von Sozialwohnungen (WoBindG) in der im streitigen Zeitraum geltenden Fassung (nF) der Bekanntmachung vom 13.9.2001 (BGBl I 2404). Wegen der maßgeblichen Wohnungsgröße verweist § 27 Abs 4 WoFG (als Nachfolgeregelung zu § 5 Abs 2 WoBindG in der bis zum 31.12.2001 geltenden Fassung) auf die nach § 10 WoFG von den Ländern festgelegten Wohnungsgrößen. Das Land Berlin hat allerdings zu § 10 WoFG keine Ausführungsvorschriften erlassen. Zu § 5 WoBindG nF und § 27 WoFG liegen nur (unveröffentlichte) Arbeitshinweise der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung vom 15.12.2004 vor, die wegen der maßgeblichen Wohnungsgröße an die zuvor ergangenen Bekanntmachungen anknüpfen (vgl Hinweis 8). Danach darf entsprechend der Bekanntmachung der Senatsverwaltung für Bau- und Wohnungswesen vom 20.10.1995 (Amtsblatt für Berlin 1995, 4462) an eine Einzelperson Wohnraum von bis zu 50 qm überlassen werden. An diese Regelungen auf Grundlage des § 5 Abs 2 WoBindG aF, die auch nach Inkrafttreten von § 27 WoFG und § 5 WoBindG nF Grundlage für die Belegung von gefördertem Wohnraum sind, ist auch für die Bestimmung der Angemessenheitsgrenze nach § 22 Abs 1 SGB II anzuknüpfen (vgl BSG SozR 4-4200 § 22 Nr 26 RdNr 14 (Zweibrücken)).

23

Entgegen der Auffassung des LSG sind die weitergehenden Differenzierungen nach der Raumzahl (sofern sie überhaupt im Regel-Ausnahmeverhältnis zu verstehen wären, wie das LSG meint) für die Auslegung des § 22 Abs 1 SGB II unbeachtlich. Dies haben die für die Grundsicherung zuständigen Senate bereits für andere Bundesländer entschieden, in denen neben der Wohnungsgröße auch die Raumzahl entscheidend ist (vgl für Bayern BSGE 97, 231 = SozR 4-4200 § 22 Nr 2, jeweils RdNr 24; BSGE 102, 263 = SozR 4-4200 § 22 Nr 19, jeweils RdNr 15 ff; BSG Urteil vom 20.8.2009 - B 14 AS 41/08 R, juris RdNr 15; für Rheinland-Pfalz BSG SozR 4-4200 § 22 Nr 26 RdNr 14 und BSG SozR 4-4200 § 22 Nr 34; für Nordrhein-Westfalen BSG SozR 4-4200 § 22 Nr 27 RdNr 16). Es sind keine Gründe ersichtlich, weshalb für das Land Berlin anderes gelten sollte. Auch auf die (unterschiedlichen) Wohnungsgrößen in den (zum 31.12.1999 außer Kraft getretenen) Richtlinien der Senatsverwaltung für Bau- und Wohnungswesen für die Förderung der Neuschaffung von Wohnraum im sozialen Wohnungsbau (Wohnungsbauförderungsbestimmungen 1990 vom 16.7.1990 in der Fassung der Änderungsvorschriften vom 13.12.1992) und den Richtlinien über die Förderung von eigengenutztem Wohneigentum (Eigentumsförderungssätze 1999 vom 25.5.1999) kommt es nicht an. Diese mögen Auswirkungen auf die üblichen Wohnungsgrößen im geförderten Wohnungsbau nach 1992 haben (und damit ohnehin nur für ein Teilsegment des in Bezug zu nehmenden Wohnungsmarktes), es handelt sich aber nicht um Bestimmungen auf Grundlage des § 5 Abs 2 WoBindG aF.

24

b) Zutreffend hat das LSG bei der Bestimmung der angemessenen KdU als maßgeblichen Vergleichsraum das gesamte Stadtgebiet von Berlin herangezogen. Ausgangspunkt für die Bestimmung des Vergleichsraumes ist zunächst der Wohnort des Hilfebedürftigen. Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) muss es sich bei dem Vergleichsraum im Übrigen um einen ausreichend großen Raum der Wohnbebauung handeln, der aufgrund seiner räumlichen Nähe, seiner Infrastruktur und insbesondere seiner verkehrstechnischen Verbundenheit einen insgesamt betrachtet homogenen Lebens- und Wohnbereich bildet. Es sind keine Gesichtspunkte erkennbar, die gegen die Annahme des LSG sprechen, dass es sich bei der Stadt Berlin insgesamt um einen solchen Vergleichsraum handelt. Die Stadt Berlin ist mit einer Einwohnerzahl von rund 3,4 Millionen (Stand 2006; Quelle: Amt für Statistik Berlin-Brandenburg) und einer Fläche von rund 891 qkm zwar nahezu dreimal so groß wie die Stadt München (rund 1,36 Millionen Einwohner bei einer Fläche von rund 310 qkm; Quelle: Statistisches Amt München), für die der 4. Senat des BSG einen homogenen Lebens- und Wohnbereich angenommen hat (vgl BSGE 102, 263 = SozR 4-4200 § 22 Nr 19). Die einen Vergleichsraum prägenden Merkmale liegen aber - trotz dieser Größe - auch bezogen auf das Stadtgebiet von Berlin vor. Der öffentliche Nahverkehr ist auf die Erreichbarkeit des Stadtkerns von allen Stadtteilen her ausgerichtet. Von den Randlagen aus ergeben sich in die innerstädtischen Bezirke insoweit lediglich Fahrzeiten, wie sie auch erwerbstätigen Pendlern zugemutet werden (vgl § 121 Abs 4 Satz 2 Sozialgesetzbuch Drittes Buch (SGB III)). Eine Beschränkung auf bestimmte Bezirke (oder Ortsteile) mit besonders verdichteter Bebauung und damit vorwiegend günstigem Wohnraum birgt zudem das Risiko einer Ghettoisierung. Außerdem zeigt die Wohnlagenkarte als Anlage zu dem vom LSG in Bezug genommenen Berliner Mietspiegel, dass ohnehin in allen Bezirken auch einfache Wohnlagen, an deren Mietniveau sich die Referenzmieten orientieren (dazu sogleich), vorhanden sind, sodass auch von daher die Bildung eines engeren Vergleichsraums nicht erforderlich erscheint. Es steht nicht zu befürchten, dass mit einem ggf zur Kostensenkung erforderlichen Umzug regelmäßig das nähere soziale Umfeld verlassen werden muss. Soweit ein solcher Umzug über die Orts- oder auch Bezirksgrenzen hinweg im Einzelfall gleichwohl notwendig wird, ist dies im Interesse einer gleichmäßigen Behandlung aller Hilfebedürftigen hinzunehmen (vgl bereits BSG SozR 4-4200 § 22 Nr 27 RdNr 18).

25

c) Ausgehend von dem gesamten Stadtgebiet Berlin als räumlichem Vergleichsmaßstab lässt sich der den Wohnungsstandard widerspiegelnde angemessene Quadratmeterpreis (die Angemessenheitsgrenze) im streitgegenständlichen Zeitraum mangels ausreichender Feststellungen revisionsgerichtlich nicht abschließend bestimmen. Zu Grunde zu legen ist ein einfacher, im unteren Marktsegment liegender Standard (BSGE 97, 231 = SozR 4-4200 § 22 Nr 2, jeweils RdNr 24); die Wohnung muss hinsichtlich ihrer Ausstattung, Lage und Bausubstanz einfachen und grundlegenden Bedürfnissen genügen (BSGE 97, 254 = SozR 4-4200 § 22 Nr 3, jeweils RdNr 20). Die festgestellte angemessene Referenzmiete oder die Mietobergrenze muss mithin so gewählt werden, dass es dem Hilfebedürftigen möglich ist, im konkreten Vergleichsraum eine "angemessene" Wohnung anzumieten. Die Mietobergrenze ist nach der Rechtsprechung des BSG auf Grundlage eines diese Vorgaben beachtenden schlüssigen Konzepts zu ermitteln (vgl BSG Urteil vom 18.6.2008 - B 14/7b AS 44/06 R).

26

aa) Ein solches schlüssiges Konzept ist allerdings nicht in den von der Senatsverwaltung für Gesundheit, Soziales und Verbraucherschutz des Landes Berlin erlassenen Ausführungsvorschriften vom 7.6.2005 (Amtsblatt für Berlin 2005, 3743), für den streitigen Zeitraum geändert mit Verwaltungsvorschriften vom 30.5.2006 (Amtsblatt für Berlin 2006, 2062; im Folgenden AV-Wohnen) zu sehen, die der Beklagte zur Ermittlung angemessener KdU gemäß § 22 SGB II heranzieht und auf die sich auch die Klägerin zur Begründung der von ihr verlangten Mindestsumme der Kosten für Unterkunft beruft. Es handelt sich bei der AV-Wohnen um bloße Verwaltungsvorschriften, die keine unmittelbare Rechtswirkung für die Betroffenen entfalten. Weder aus den AV-Wohnen selbst noch aus dem Vortrag des Beklagten wird erkennbar, dass den dort genannten Oberwerten (360 Euro für einen Ein-Personen-Haushalt) ein schlüssiges Konzept im Sinne der zitierten Rechtsprechung des BSG zugrunde liegt. Vielmehr ist überhaupt nicht ersichtlich, auf welche Weise die angegebenen Werte ermittelt wurden. Ob zur Ermittlung des Wertes die Produkttheorie unter Zugrundelegung der oben genannten Wohnungsgrößen angewandt und bezogen auf die verschiedenen Wohnungsgrößen Daten gesammelt und ausgewertet worden sind, erschließt sich weder aus den AV-Wohnen selbst, noch gibt der Vortrag des Beklagten dazu etwas her. Im Übrigen ist aber der in den AV-Wohnen genannte Referenzwert schon deshalb zur Bewertung angemessener Wohnkosten ungeeignet, weil er eine Bruttowarmmiete ausweist, obwohl die Beurteilung von Unterkunftskosten unabhängig von den Heizkosten zu erfolgen hat (ausdrücklich bereits BSGE 104, 41 = SozR 4-4200 § 22 Nr 23, jeweils RdNr 19).

27

Die Klägerin kann die AV-Wohnen daher auch nicht unter anderen Gesichtspunkten für sich nutzbar machen. Insbesondere kann sie sich nicht auf Ziff 4 Abs 5 stützen, wonach die Richtwerte für die Angemessenheit in Einzelfällen um bis zu 10 % überschritten werden können. Abgesehen davon, dass die dort genannten Richtwerte aus den dargelegten Gründen nicht als Ausgangspunkt für weitere Berechnungen gewählt werden können, zeigt sich auch an den weitergehenden Vorschriften der AV-Wohnen, dass diese entgegen der Meinung der Klägerin nicht als normkonkretisierende Vorschrift begriffen werden können. § 22 Abs 1 SGB II ist als bundesweite Regelung in den Grundsätzen so einheitlich wie möglich zu handhaben, keinesfalls kann ein einzelner Grundsicherungsträger durch interne Verwaltungsvorschriften die gesetzlichen Bestimmungen in seinem Sinne grundlegend verändern. Dies würde auch gegen den Grundsatz des Vorrangs des Gesetzes verstoßen.

28

bb) Im Ausgangspunkt zutreffend hat das LSG daher in einem dritten Schritt die angemessene Referenzmiete anhand des Berliner Mietspiegels bestimmt, bei dem es sich um einen qualifizierten Mietspiegel iS des § 558d BGB handelt. Als Grundlage für die vorliegende Entscheidung ist dabei richtigerweise der Mietspiegel für das Jahr 2007 herangezogen worden (Amtsblatt für Berlin Nr 30 vom 11.7.2007 S 1797), denn ein "schlüssiges Konzept", das vorrangig der Grundsicherungsträger vorzulegen hat, muss bereits im Zeitpunkt der Verwaltungsentscheidung vorliegen. Da aber ein solches Konzept zur Angemessenheitsprüfung gerichtlich voll überprüfbar ist, sind Ausgangsdaten ggf zu korrigieren, soweit sich in Verwaltungs- und Gerichtsverfahren herausstellt, dass es zu nicht vorhersehbaren Preissprüngen gekommen ist. Diese Prüfung wird das LSG ggf nachzuholen haben.

29

Qualifizierte Mietspiegel können - wie auch einfache Mietspiegel - Grundlage der Bestimmung der Referenzmiete nach § 22 Abs 1 SGB II sein (vgl bereits BSG Urteil vom 18.6.2008 - B 14/7b AS 44/06 R, juris RdNr 16; BSGE 102, 263 = SozR 4-4200 § 22 Nr 19, jeweils RdNr 25 (München) und zuletzt BSG SozR 4-4200 § 22 Nr 27 RdNr 25 (Essen)). Es ergeben sich aus der Funktion von einfachen und qualifizierten Mietspiegeln im Anwendungsbereich des Mieterhöhungsverfahrens nach §§ 558 ff BGB zwar einige Vorgaben, die für die Ermittlung der grundsicherungsrelevanten Vergleichsmiete nicht in gleichem Maße Bedeutung haben (zum Folgenden auch Butzer/Keller, NZS 2009, 65). Vor allem dürfen bei der Ermittlung der ortsüblichen Vergleichsmiete nach § 558 Abs 2 BGB, zu deren Darstellung Mietspiegel dienen, nur diejenigen Wohnungen berücksichtigt werden, bei denen die Miete in den letzten vier Jahren neu vereinbart oder, von Veränderungen der Betriebskosten nach § 560 BGB abgesehen, geändert worden ist. Daran orientiert sollen (wie dies auch bezogen auf den Berliner Mietspiegel der Fall ist) nur solche Wohnungen zur Erstellung eines qualifizierten Mietspiegels herangezogen werden (vgl Hinweise zur Erstellung von Mietspiegeln, herausgegeben vom Bundesministerium für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen, Berlin 2002, S 17). Zudem darf bei der Erstellung eines Mietspiegels Wohnraum nicht berücksichtigt werden, bei dem die Miethöhe durch Gesetz oder im Zusammenhang mit einer Förderzusage festgelegt worden ist, denn §§ 558 ff BGB finden nur auf frei vermieteten Wohnraum Anwendung. Aus diesem Grund kann gegen die Heranziehung einfacher und qualifizierter Mietspiegel im Anwendungsbereich des § 22 SGB II vor allem eingewandt werden, sie bildeten das Mietniveau hinsichtlich der Bestandsmieten im einfachen Marktsegment nur teilweise, nämlich lediglich bezogen auf sog Neuvertragswohnungen und geänderte Bestandswohnungen auf dem freien Wohnungsmarkt ab. Allerdings ist - wie bereits ausgeführt - auch bei der Prüfung nach § 22 Abs 1 SGB II letztlich entscheidend, ob im konkreten Vergleichsraum eine "angemessene" Wohnung anzumieten wäre für den Fall, dass die Bestandswohnung unangemessen teuer ist. Im Hinblick auf das mit dem Mietspiegel nicht erfasste Marktsegment der preisgebundenen Wohnungen bestehen - jedenfalls bezogen auf Berlin - keine weitergehenden Bedenken. Mit dem Wegfall der Anschlussförderung für Objekte des Sozialen Wohnungsbaus, bei denen die 15jährige Grundförderung ab dem 1.1.2003 endet (dazu BVerwGE 126, 33), und dem Verzicht auf die entsprechenden Belegungsbindungen sank der Anteil mietpreisgebundener Sozialwohnungen bis Ende 2006 auf knapp 12 % des Gesamtwohnungsbestandes (vgl Wohnungsmarktbericht der Investitionsbank Berlin 2007, S 30 unter Bezugnahme auf Daten der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung). Hilfebedürftige werden damit in erster Linie auf die Wohnungssuche auf dem freien Wohnungsmarkt angewiesen sein.

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Sollen aus Daten eines qualifizierten Mietspiegels grundsicherungsrelevante Schlüsse abgeleitet werden, ist eine Beschränkung auf Daten bestimmter Bauklassen grundsätzlich nicht zulässig, wovon das LSG im Ausgangspunkt zutreffend ausgegangen ist (vgl bereits BSG SozR 4-4200 § 22 Nr 19 RdNr 25 (München)). Über das Baualter können zwar sehr vergröbernd Rückschlüsse auf die Bauweise und den Baustandard gezogen werden. Insbesondere liegt der Ausstattungsgrad von Neubauten im Regelfall über dem Ausstattungsgrad in Gebäuden älterer Bauklassen. Gerade Wohnungen, die in der Nachkriegszeit erbaut worden sind, haben häufig einen wesentlich geringeren Ausstattungsgrad. Aus dem Mietspiegel allein lässt sich jedoch nicht ersehen, inwieweit gerade Wohnungen einer bestimmten Baualtersklasse in einem Umfang zur Verfügung stehen, die den Rückschluss zulassen, im konkreten Vergleichsraum sei eine "angemessene" Wohnung tatsächlich anmietbar. Zudem birgt die Verweisung auf bestimmte Bauklassen verdeckt die Gefahr einer Ghettoisierung. Solange nicht statistisch valides Material vorliegt, das eine Aussage darüber zulässt, welche Bauklassen in welchem Umfang tatsächlich die gesamte Stadt als Vergleichsraum - und nicht lediglich ganz bestimmte, als sozial problematisch einzuschätzende Teile einer Stadt - prägen, erscheint es nicht zulässig, allein bestimmte Bauklassen in Bezug zu nehmen. Dies gilt auch hinsichtlich der Bauklassen, die den Standard von Neubauten abbilden. Zwar werden eine ganze Anzahl von Neubauten einen Ausstattungsgrad haben, der über das in Bezug zu nehmende Segment nach § 22 SGB II hinausgeht. Eine generelle Festlegung, der Hilfeempfänger sei schlechterdings von der Anmietung einer solchen Wohnung ausgeschlossen, lässt sich aber nicht treffen (vgl auch BSG SozR 4-4200 § 22 Nr 19 RdNr 25). Erst wenn weitergehendes Material erkennen lässt, dass Gebäude dieser Bauklassen den Mietmarkt des unteren Marktsegments nicht maßgeblich mitprägen, kommt eine Außerachtlassung der Mietpreise für solche Bauklassen in Betracht.

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Speziell der Berliner Mietspiegel weist allerdings in den Spalten 1 und 3 innerhalb der Bauklassen bis 1918 und bis 1949 Wohnungen mit besonders niedrigem Ausstattungsgrad auf. Dabei handelt es sich einerseits um Wohnungen mit "Ofenheizung" (also ohne Sammelheizung), bei denen der Mieter selbst die Kohlen in die Wohnung tragen und anschließend die Asche entsorgen muss. Andererseits oder auch kumulativ handelt es sich um Wohnungen ohne Bad (mit Innen-WC), in denen sich die Bewohner nur mit fließendem Wasser am Waschbecken (sei es in WC oder Küche) waschen können; es fehlt also an einer Dusche. Die Werte für diese Wohnungen sind zur Bildung eines grundsicherungsrelevanten Mietwertes nicht mit heranzuziehen, denn auf Wohnungen mit diesem untersten Ausstattungsgrad können Hilfebedürftige bei der Wohnungssuche grundsätzlich von vornherein nicht verwiesen werden. Demgegenüber kann die Argumentation des LSG, diese Werte seien einzubeziehen, um eine möglichst breite Datenbasis zu erhalten, nicht durchgreifen. Soweit solche Wohnungen nicht den unteren, sondern den untersten Standard abbilden, können sie von vornherein nicht zu dem Wohnungsbestand gezählt werden, der überhaupt für die Bestimmung einer Vergleichsmiete abzubilden ist. Sie dürfen deshalb in die Auswertung des qualifizierten Mietspiegels unter dem Blickwinkel des § 22 SGB II grundsätzlich nicht einfließen, unabhängig davon, ob sich in diesem Mietsegment (noch) eine nennenswerte Zahl an Wohnungen findet.

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cc) Soweit allerdings das LSG zur Berechnung einer grundsicherungsrelevanten Nettokalt-Vergleichsmiete einen arithmetischen Mittelwert aus den (verbleibenden) Mittelwerten der Bauklassen als abschließenden Schritt vorgenommen hat, erfüllt dies die Anforderungen an ein mathematisch-statistisch nachvollziehbares Konzept nicht. Die Bildung arithmetischer Werte bietet gerade bei einem so weitgehend ausdifferenzierten Tabellen-Mietspiegel wie dem Berliner Mietspiegel nicht die Gewähr dafür, dass der abgebildete Wert als solcher tatsächlich den Schwerpunkt eines Mietpreises im einfachen Segment realistisch abbildet. Die hier zur Erstellung des Berliner Mietspiegels verwandte sog Tabellenmethode stellt die Daten als Mietspannen nach den einzelnen Wohnwertmerkmalen (hier Bauklassen, Größe der Wohnungen und Lage) in Rasterfeldern zusammen. Zwischen den einzelnen (insgesamt 107 besetzten) Rasterfeldern bestehen aber keine Beziehungen. Sie spiegeln allein die Datenerhebung in dem bestimmten, mit den drei Parametern beschriebenen Teilmietmarkt wider. Daraus folgt, dass einzelne Felder, je nach der Anzahl der Wohnungen, die in diesem Segment vertreten sind, eine unterschiedliche Aussagekraft für den Gesamtmarkt besitzen. Weil die Rasterfelder nicht (im Sinne einer gleichmäßigen Verteilung der hier wiedergegebenen Mietpreise) aufeinander aufbauen, bleiben arithmetische Mittelwerte mit einem hohen Grad an Zufälligkeit belastet. Dies gilt besonders, wenn einzelne Werte - wie vorliegend der Wert für Neubauwohnungen der letzten 15 Jahre - stark von den übrigen Werten abweichen.

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Das LSG wird daher nach Wiedereröffnung des Berufungsverfahrens zu prüfen haben, ob sich aus den Grundlagendaten des qualifizierten Mietspiegels oder anderen Quellen weitergehende Schlüsse grundsicherungsspezifischer Art ziehen lassen. Solche Rückschlüsse, die sich aus weitergehendem Material - das durchaus auch der Träger der Grundsicherung aufgrund eigener Erhebungen einführen könnte - ergeben, müssen allerdings gerichtlich überprüfbar sein.

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Dies ist - entgegen der Auffassung des LSG - bezüglich der Grundlagendaten für qualifizierte Mietspiegel der Fall. Für einen qualifizierten Mietspiegel müssen immer zunächst Daten erhoben werden, die ausschließlich dem Zweck der Mietspiegelerstellung dienen. Die Daten dieser Primärdatenerhebung müssen repräsentativ sein, die gezogene Stichprobe muss ein getreues Abbild des Wohnungsmarktes abgeben (vgl im Einzelnen Börstinghaus in Blank/Börstinghaus, Miete, 3. Aufl 2008, § 558d RdNr 7). Die Einhaltung der anerkannten wissenschaftlichen Grundsätze muss in einer öffentlich zugänglichen Dokumentation niedergelegt sein (aaO, RdNr 10). Es erscheint daher durchaus nahe liegend, solche Grundlagendaten bei der Erstellung eines grundsicherungsrelevanten Konzepts mit heranzuziehen. Es ist auch nicht erkennbar, dass die Auswertung dieser bereits vorhandenen Daten zu einem erhöhten (über einfache Rechenschritte hinausgehenden) Aufwand bei den Gerichten führen muss. Wie der Senat bereits entschieden hat, ist in erster Linie der kommunale Träger für solche notwendig erscheinenden Auswertungen im Rahmen der Mitwirkungspflichten heranzuziehen (vgl grundlegend dazu BSG SozR 4-4200 § 22 Nr 26). Dies gilt erst recht dann, wenn die vom Grundsicherungsträger bei seiner Entscheidung herangezogenen Daten als Entscheidungsgrundlage ungeeignet sind, wie dies in Berlin mit der AV-Wohnen der Fall ist.

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Es könnten sich im Ergebnis weitergehender Auswertungen durch den Träger der Grundsicherung durchaus Anhaltspunkte ergeben, dass eine bestimmte Baualtersklasse statistisch nachvollziehbar über alle Bezirke hinweg so häufig vorhanden ist und zugleich den einfachen Standard nachvollziehbar abbildet, dass allein auf diesen Wert (ggf um einen Aufschlag erhöht) zurückzugreifen ist. Lassen sich solche weitergehenden Schlüsse aus vorhandenem Datenmaterial nicht ziehen, bietet es sich an, einen gewichteten arithmetischen Mittelwert nach Verteilung der in der Grundgesamtheit abgebildeten Wohnungen in den jeweiligen Bauklassen zu bilden (dazu Schifferdecker/Irgang/Silbermann, Archiv für Wissenschaft und Praxis der sozialen Arbeit 2010, 28; SG Berlin Urteil vom 30.6.2010 - S 174 AS 21949/07 - juris RdNr 46). Ein solcher Mittelwert böte immerhin die Gewähr, dass ein einzelner Wert für eine bestimmte Baualtersklasse entsprechend seiner tatsächlichen Häufigkeit auf dem Markt in einen grundsicherungsrelevanten Mittelwert einfließt. Dabei erscheint es - wovon auch das LSG ausgegangen ist - zulässig, einen Wert auf Grundlage der jeweiligen Mittelwerte der Rasterfelder zu bilden. Er bestimmt eine nach den weiteren Ausstattungsmerkmalen, die im Mietspiegel nicht schon in den Rasterfeldern ihren Niederschlag finden (Bad, Küche, Wohnung, Gebäude, Wohnumfeld), durchschnittliche Wohnung. Also gibt der Mittelwert sowohl die schlecht ausgestatteten Wohnungen in einer bevorzugten, einfachen Wohnlage als auch die gut ausgestatteten Wohnungen in sehr einfachen Wohnlagen (zB an einer Durchgangsstraße) wieder. Mit dem Mittelwert aus der einfachen Wohnlage werden schließlich auch schlechter ausgestattete Wohnungen in mittlerer und guter Wohnlage erfasst.

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d) Zutreffend geht das LSG davon aus, dass neben der Nettokaltmiete auch die angemessenen Betriebskosten iS des § 556 BGB - mit Ausnahme der Heizkosten - abstrakt zu bestimmen und als Faktor in das Produkt mit einzubeziehen sind. Schon der Wortlaut des § 22 Abs 1 SGB II zeigt, dass diese Kosten zu den KdU für einen Hilfebedürftigen gehören und nicht - wie die Heizkosten - getrennt erfasst werden sollen. Zur realistischen Abbildung eines abstrakt angemessenen Mietpreises ist die Einbeziehung des Faktors "kalte Betriebskosten" erforderlich. Dies entspricht den mietrechtlichen Vorgaben im Mietwohnungsbau, an denen sich der Gesetzgeber des SGB II wegen der KdU orientiert. Eine vertragliche Vereinbarung über die Umlage der Betriebskosten auf den Mieter erfolgt bei Abschluss eines Mietvertrages nahezu ausnahmslos, denn ohne eine solche Regelung können die in § 556 BGB genannten Betriebskosten vom Vermieter nicht auf den Mieter umgelegt werden (vgl nur Blank in Blank/Börstinghaus, aaO, § 556 RdNr 1). Auch der Vermieter von preisgebundenem Wohnraum kann Betriebskosten nur als gesondert abzurechnende Kosten auf den Mieter abwälzen (vgl § 20 der Verordnung über die Ermittlung der zulässigen Miete für preisgebundene Wohnungen - Neubaumietenverordnung - BGBl I 1990, 2204 idF BGBl I 2003, 2346).

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Eine Umlagevereinbarung bei der Miete über Wohnraum muss die in § 556 Abs 1 und 2 BGB iVm der Verordnung zur Berechnung der Wohnfläche, über die Aufstellung von Betriebskosten und zur Änderung anderer Verordnungen (BetrKV; vom 25.11.2003, BGBl I 2346) normierten Vorgaben beachten. Wegen der abstrakt angemessenen Kosten iS des § 22 Abs 1 SGB II sind die dort genannten Betriebskosten maßgebend. Auch insoweit erscheint es zulässig, zur Erstellung eines Konzepts auf bereits vorliegende Daten aus Betriebskostenübersichten zurückzugreifen, im Ausgangspunkt allerdings auf örtliche Übersichten und insoweit auf die sich daraus ergebenden Durchschnittswerte. Insbesondere bei Ver- und Entsorgungsdienstleistungen ergeben sich regional deutliche Unterschiede, auf die Rücksicht genommen werden muss. Eine weitergehende Gewichtung scheint dagegen nicht notwendig, da nicht erkennbar ist, welche zuverlässigen (weitergehenden) Aussagen sich hieraus ableiten lassen sollten. Neben den (nichtamtlichen) Übersichten in Mietspiegeln kommen auch Übersichten der örtlichen Interessenverbände in Betracht, die an der Anerkennung des Mietspiegels beteiligt waren. Zutreffend geht das LSG davon aus, dass solche Werte möglichst aktuell sein müssen, um sichere Rückschlüsse auf das Preisniveau im jeweiligen Vergleichsraum zu geben. Soweit die örtlich erfassten Werte nicht aktuell sind, liegt es nahe, vom Träger der Grundsicherung entsprechende Rückfragen bei den örtlichen Interessenverbänden durchführen zu lassen bzw die Werte an die allgemeine Preisentwicklung anzupassen. Nur wenn sich konkret Anhaltspunkte dafür ergeben, dass vom Deutschen Mieterbund für das gesamte Bundesgebiet aufgestellte Übersichten gerade das örtliche Niveau besser abbilden, kann auf diese zurückgegriffen werden. Solche Gründe, weshalb die Werte des Deutschen Mieterbundes ein realistischeres Bild des örtlichen Preisniveaus von Berlin abgeben sollten, sind bislang nicht ersichtlich.

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4. Zutreffend hat das LSG sodann die Angemessenheit der Heizkosten getrennt von den übrigen Unterkunftskosten geprüft und die tatsächlichen Aufwendungen in Höhe von 44 Euro als angemessen angesehen, was revisionsrechtlich auch nicht angegriffen wird. Soweit das LSG in diesem Rahmen die Frage offengelassen hat, ob von diesem Wert ausgehend von der Einkommens- und Verbrauchsstichprobe (EVS) 1998 ein Wert von 6,26 Euro als Warmwasserpauschale bei einem maßgeblichen Regelsatz von 347 Euro zu berücksichtigen ist (vgl BSG Urteil vom 27.2.2008 - B 14/11b AS 15/07 R - BSGE 100, 94 = SozR 4-4200 § 22 Nr 5) oder - wie das Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) in einem Rundschreiben vom 4.8.2008 (IIb 5-2910/1) es vertritt - ausgehend von der EVS 2003 ein Wert von 6,56 Euro zugrunde zu legen ist, so ist diese Frage in der Rechtsprechung des BSG bereits mit Urteil des 4. Senats vom 22.9.2009 (B 4 AS 8/09 R - BSGE 104, 179 = SozR 4-4200 § 22 Nr 24) für den hier maßgeblichen Zeitraum entschieden; dem schließt sich der erkennende Senat an. Die internen Verschiebungen des prozentualen Anteils der einzelnen Rechnungsposten der EVS haben nicht zu einer Regelleistungserhöhung geführt, diese ist vielmehr erst zum 1.7.2007 durch die Bekanntmachung vom 18.6.2007 auf der Grundlage des § 20 Abs 4 SGB II, also der Anpassung an den aktuellen Rentenwert erfolgt. Die EVS 2003 hatte mithin keine Auswirkungen auf die Höhe der Regelleistung und damit auf die Höhe des Betrags, der den SGB II-Leistungsempfängern tatsächlich zur Verfügung stand. Deshalb war konsequenterweise auch der Anteil der Kosten der Warmwasserbereitung lediglich um den prozentualen Anpassungsbetrag (Dynamisierungsbetrag) der Regelleistung, also um 0,58 % zu erhöhen. Unter Berücksichtigung einer Warmwasserpauschale von richtigerweise 6,26 Euro bei einem Regelsatz von 347 Euro sind vorliegend nach den Feststellungen des LSG also reine Heizkostenvorauszahlungen in Höhe von 37,74 Euro monatlich entstanden, die bei der Berechnung der angemessenen KdU mit einzubeziehen sind.

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5. Sollten sich die tatsächlichen Aufwendungen der Klägerin für Unterkunft und Heizung nach den dargestellten Vorgaben als unangemessen erweisen, kann sie höhere Leistungen insoweit nicht verlangen. Soweit gemäß § 22 Abs 1 Satz 3 SGB II Aufwendungen für die Unterkunft als Bedarf so lange zu berücksichtigen sind, wie es dem alleinstehenden Hilfebedürftigen oder der Bedarfsgemeinschaft nicht möglich oder nicht zuzumuten ist, durch einen Wohnungswechsel, durch Vermieten oder auf andere Weise die Aufwendungen zu senken, wäre eine Übernahme der tatsächlichen (überhöhten) Unterkunftskosten für einen Zeitraum von sechs Monaten möglich. Allerdings hat das LSG hier revisionsrechtlich nicht angegriffen festgestellt, dass vorliegend eine wirksame Kostensenkungsforderung vorlag und die Sechs-Monats-Frist verstrichen ist, ohne dass sich die Klägerin um Kostensenkung bemüht hätte. Zur damit in Zusammenhang stehenden Frage der Zumutbarkeit des Wohnungswechsels hat die Klägerin ebenfalls keine revisionsrechtlich beachtlichen Rügen gegen die Feststellungen des LSG, dass weder das Alter der Klägerin noch die pflegerische Betreuung der Tante einem Umzug entgegenstünden, vorgebracht. Sie setzt vielmehr ihre eigene Bewertung an die Stelle der des LSG, was für eine revisionsrechtliche Überprüfung nicht ausreicht. Die bislang vorgenommenen tatrichterlichen Würdigungen entziehen sich einer eigenständigen Bewertung durch das Revisionsgericht.

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Das LSG wird abschließend noch über die Kosten des Revisionsverfahrens zu entscheiden haben.
Rechtskraft
Aus
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