Land
Niedersachsen-Bremen
Sozialgericht
SG Bremen (NSB)
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
23
1. Instanz
SG Bremen (NSB)
Aktenzeichen
S 23 AS 497/11 ER
Datum
2. Instanz
LSG Niedersachsen-Bremen
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Der Antragsgegner wird im Wege des einstweiligen Rechts-schutzes verpflichtet, dem Antragsteller ein Darlehen über 1077,12 Euro zur Tilgung der bei der AVJ. A-Stadt GmbH ent-standenen Zahlungsrückstände zu gewähren. Dem Antrags-gegner wird nachgelassen, den Betrag direkt an die AVJ. A-Stadt GmbH zu leisten. Die Zahlung erfolgt darlehensweise und unter dem Vorbehalt der Rückforderung. Der Antragsgegner trägt die notwendigen außergerichtlichen Kosten des Antragstellers.
Gründe:
I.
Der Antragssteller (Ast.) begehrt im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes die Gewährung eines Darlehens, um damit Stromschulden beim Energieversorger begleichen zu können.
Der 1981 geborene Ast. erhält laufende Leistungen nach dem SGB II vom Antragsgegner. Nachdem er von der AVJ. eine sog. letzte Zahlungsaufforderung erhalten hatte, beantragte er die Übernahme des Betrages bei dem Antragsgegner. Dieser lehnte den Antrag mit Schreiben vom 22.03.2011 ab. Zur Begründung erklärte er, ein Darlehen komme nicht in Betracht, "da diese nur bei Familien mit jungen Kindern bewilligt werden". Mit Schreiben vom 29.03.2011 erhob der Ast. Widerspruch (Bl. 8 der Gerichtsakte), über den noch nicht entschieden ist. Ebenfalls am 29.03.2011 unterbrach die AVJ. die Stromversorgung (Bl. 9 d. A.).
Am 29. März 2009 hat d. Ast. beim Sozialgericht die Gewährung einstweiligen Rechtsschut-zes beantragt. Zur Begründung erklärt er, die Stromkosten würden direkt an die AVJ. über-wiesen. Die entstandenen Stromrückstände könne er sich nicht erklären. Sein Bewährungs-helfer habe bei der AVJ. niemanden erreichen können. Durch die Einstellung der Stromver-sorgung seien ihm notwendige Dinge des Lebens verwehrt.
Der Antragsgegner (Ag.) ist dem Antrag entgegengetreten. Er meint, auch er könne sich den Stromrückstand (gemeint wohl: Zahlungsrückstand) nicht erklären. Er gehe davon aus, dass ein Abrechnungsfehler seitens der AVJ. vorliege. Bereits 2007 seien Stromrückstände über-nommen worden.
Bezüglich der Einzelheiten wird auf die Gerichtsakte verwiesen. Die Verwaltungsakte ist dem Gericht durch den Ag. nicht innerhalb der gesetzten Wochenfrist übersandt worden.
II.
Der gem. § 86b Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthafte Antrag auf Erlass einer einstwei-ligen Anordnung ist zulässig und begründet.
Nach § 86b Abs. 2 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag eine einstweilige Anordnung auch zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis treffen, wenn eine solche Regelung zur Abwendung we-sentlicher Nachteile nötig erscheint (Regelungsanordnung). Die Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes setzt einen Anordnungsanspruch und einen Anordnungsgrund voraus (vgl. Meyer-Ladewig, SGG, 7. Auflage 2002, § 86b Rn. 27, 29). Ein materieller Anspruch ist im einstweiligen Rechtsschutzverfahren nur einer summarischen Überprüfung zu unterziehen; hierbei muss der Antragsteller glaubhaft machen, dass ihm aus dem Rechtsverhältnis ein Recht zusteht, für das wesentliche Gefahren drohen (Meyer-Ladewig, aaO, Rn. 29, 36). Der Anordnungsgrund setzt Eilbedürftigkeit voraus, dass heißt, es müssen erhebliche belastende Auswirkungen des Verwaltungshandelns schlüssig dargelegt und glaubhaft gemacht werden. Dabei muss die Anordnung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheinen, § 86 b Abs. 2 Satz 2 SGG. Dies bedeutet zugleich, dass nicht alle Nachteile zur Geltendmachung vorläufigen Rechtsschutzes berechtigen. Bestimmte Nachteile müssen hingenommen werden (Binder in Hk-SGG, 2003, § 86 b Rn. 33). Es kommt damit darauf an, ob ein Abwarten bis zu einer Entscheidung in der Hauptsache hingenommen werden kann. Ob dies der Fall ist, be-misst sich an den Interessen der Antragssteller und der öffentlichen sowie gegebenenfalls weiterer beteiligter Dritter. Dabei reichen auch wirtschaftliche Interessen aus (vgl. Binder, a.a.O.).
1. Der Anordnungsanspruch ergibt sich aus § 22 Abs. 8 SGB II n.F ... Danach können auch Schulden übernommen werden, sofern Leistungen für Unterkunft und Heizung erbracht wer-den und soweit die Schuldenübernahme zur Sicherung der Unterkunft oder zur Behebung einer vergleichbaren Notlage gerechtfertigt ist. Sie sollen übernommen werden, wenn dies gerechtfertigt und notwendig ist und sonst Wohnungslosigkeit einzutreten droht. Hierunter fällt auch eine Übernahme von Kosten, die in der Regelleistung enthalten sind, insbesondere Stromschulden. Dies gilt vor allem dann, wenn eine andere Entscheidung dazu führen würde, dass die Wohnung unbewohnbar würde (so zu § 22 Abs. 5 a.F.: Lang/Link, in: Ei-cher/Spellbrink, SGB II Kommentar, 2. Aufl., 2008, § 22 Rdnr. 106). Nach diesen Vorgaben besteht im vorliegenden Fall für die Antragsgegnerin die Verpflichtung, die Stromschulden d. Ast. zu übernehmen.
Zwar stellt § 22 Abs. 8 Satz 1 SGB II n.F. die Entscheidung über die Übernahme von Schul-den zur Sicherung der Unterkunft grundsätzlich in das Ermessen des Leistungsträgers ("kön-nen"). Bei der Ermessensentscheidung über die Übernahme von Energiekostenrückständen hat dieser dann im Rahmen einer umfassenden Gesamtschau alle Umstände des Einzelfalles zu be-rücksichtigen, so etwa die Höhe der Rückstände, die Ursachen, die zu dem Energiekos-tenrückstand geführt haben, die Zusammensetzung des von einer eventuellen Energiesperre bedrohten Personenkreises (insbesondere Mitbetroffenheit von Kleinkindern), Möglichkeiten und Zumutbarkeit anderweitiger Energieversorgung, das in der Vergangenheit gezeigte Ver-halten, etwa ob es sich um einen erstmaligen oder einen wiederholten Rückstand handelt, Bemühungen, das Verbrauchsverhalten anzupassen sowie einen erkennbaren Selbsthilfewil-len (so zu § 22 Abs. 5 a.F.: Berlit, in: LPK-SGB II, 2. Aufl., 2007, § 22 Rdnr. 118 m.w.N.). Eine solch umfassende Gesamtabwägung kann in dem vorliegenden Eilverfahren nicht erfolgen, da dieses nur eine summarische Prüfung vorsieht. Allerdings hat d. Ast. bislang weder eine gesundheitliche Härte noch eine Mitbetroffenheit von Kindern glaubhaft gemacht hat, was zunächst gegen eine Reduzierung des Ermessens des Ag. spricht. Gleichwohl liegen die Voraussetzung für die darlehensweise Übernahme von Energieschul-den nach § 22 Abs. 8 Zweites Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) hier vor. Denn das Ermessen des Antragsgegners ist vorliegend gemäß § 22 Abs. 8 Satz 2 SGB II eingeschränkt. Nach dieser Vorschrift sollen Schulden übernommen werden, wenn ansonsten Wohnungslosigkeit droht. Wie der Wortlaut "sollen" anzeigt, ist das Ermessen des Leistungsträgers in diesen Fäl-len im Sinne einer positiven Übernahmeentscheidung gebunden (so zu § 22 Abs. 5 a.F.: Lang/Link, in: Eicher/Spellbrink, SGB II, 2. Aufl., 2008, § 22 Rdnr. 108). Das bedeutet, dass der Leistungsträger in der Regel entsprechende Schulden zu übernehmen hat und lediglich in atypischen Fällen nach seinem Ermessen hiervon abweichen kann. Diese Voraussetzungen sind hier erfüllt. Zwar ist d. Ast. nicht im engeren Sinne vom Verlust seiner Wohnung bedroht. Allerdings wird die Wohnung d. Ast. bereits seit dem 29.03.2011 nicht mehr mit Strom versorgt. Die Unterbrechung der Stromversorgung stellt eine der Woh-nungslosigkeit nahe kommende Notlage dar (so zu § 22 Abs. 5 a.F.: Beschluss der 21. Kam-mer des Sozialgerichts vom 10. Februar 2009 – S 21 AS 6/09 ER; LSG Berlin-Brandenburg, Beschl. v. 22.01.2008 - L 28 B 53/08 AS ER, L 28 B 57/08 AS PKH -; Beschl. v. 11.12.2007 - L 28 B 2169/07 AS ER -; Beschl. v. 22.6.2006 - L 25 B 459/06 AS ER -; SG Karlsruhe, Beschl. v. 03.03.2008 - S 14 AS 879/08 ER; VG A-Stadt, Beschl. v. 22.10.2008 - S3 V 3413/08; a.A. OVG A-Stadt, Beschl. v. 21.04.2008 - S2 B 141/08; S2 S 142/08 -). Die 21. Kammer des So-zialgerichts hat hierzu ausgeführt (Beschluss vom 10. Februar 2009 – S 21 AS 6/09 ER -): "Bereits in der Rechtsprechung der Sozialhilfe war anerkannt, dass die regelmäßige Versorgung eines Haushaltes mit (Heiz-)Energie nach den Lebensverhältnissen in Deutschland zum sozialhilferechtlich anerkannten Mindeststandard gehört (vgl. OVG Münster FEVS 35, 24; Streichsbier, in: Grube/Wahrendorf, SGB XII, 2005, § 34 Rdnr. 6). Die faktische Unbewohnbarkeit einer Wohnung infolge (drohender) Sperrung der Energie- und Wasserzufuhr steht daher dem Verlust der Unterkunft gleich (Berlit, in: LPK-SGB II, 2. Aufl., 2007, § 22 Rdnr. 116 m.w.N.; vgl. SG Lüneburg, Beschl. v. 11.05.2007 - S 30 AS 579/07 ER -). Ist - wie hier - eine Stromsperre bereits vollzogen, ist daher grundsätzlich von einer Ermessensreduzierung des Leistungsträgers gemäß § 22 Abs. 5 Satz 2 SGB II zugunsten einer Schuldenübernahme auszugehen, die nur in atypischen Fällen versagt werden kann." Die Kammer schließt sich dieser Auffassung an. Diese Auffassung steht im Übrigen im Ein-klang mit der Auffassung der Senatorin für Arbeit, Frauen, Gesundheit, Jugend und Soziales. Nach deren ergänzenden Hinweisen zur Verwaltungsanweisung gem. § 22 SGB II (http://www.soziales.bremen.de/sixcms/media.php/13/WH%20der%20VAnw%20komplett%20in%20einer%20Fassung Stand%2001.pdf) sind rückständige Stromkosten - unter bestimmten Umständen ("rückständige Stromkosten, soweit vor allem Familien mit Kindern die Einstellung der Lieferung droht") - als vergleichbare Notlage anerkannt (S. 42 der Hinweise).
Anhaltspunkte, die im konkreten Fall ausnahmsweise gegen eine Übernahme der Strom-schulden sprechen würden, sind nicht ersichtlich. Dies gilt insbesondere für die Vermutung des Ag., es handele sich um einen Abrechnungsfehler der AVJ. (Bl. 13 d. A.). Der Vorsitzende hat bei der AVJ. telefonisch erfragt, was Grundlage für den Rückstand sei. Danach hat d. Ast. am 21.12.2010 eine Rechnung erhalten, die einen Verbrauch von 1.318,60 Euro auswies, dem lediglich Zahlungen in Höhe von 555,30 Euro entgegenstehen. Daraus ergab sich eine Nachzahlung von ursprünglich 763,30 Euro. Anhaltspunkte für einen Abrechnungsfehler der AVJ. kann das Gericht daher nicht erkennen. Soweit der Ag. vorträgt, er gehe davon aus, dass ein Abrechnungsfehler vorliege (Bl. 13 d. A.), handelt es sich also um eine Behauptung "ins Blaue". Warum der Ag. solche Behauptungen tätigt, statt seiner Amtsermittlungspflicht (§ 20 SGB X) nachzukommen, muss das Gericht nicht näher prüfen.
In Anbetracht der Tatsache, dass deshalb vieles dafür spricht, dass der Rückstand nur durch erhöhten Verbrauch zu Stande gekommen ist, fällt auch nicht ins Gewicht, dass der Ag. dem Ast. bereits im Jahre 2007 Darlehen für Stromrückstände gewährt hat. Im Übrigen sah sich die Kammer außerstande, dies im Einzelnen zu prüfen, weil der Antragsgegner die Akten nicht übersandt hat.
2. Der Anordnungsgrund folgt daraus, dass die Stromversorgung bereits eingestellt wurde.
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG in entsprechender Anwendung.
Gründe:
I.
Der Antragssteller (Ast.) begehrt im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes die Gewährung eines Darlehens, um damit Stromschulden beim Energieversorger begleichen zu können.
Der 1981 geborene Ast. erhält laufende Leistungen nach dem SGB II vom Antragsgegner. Nachdem er von der AVJ. eine sog. letzte Zahlungsaufforderung erhalten hatte, beantragte er die Übernahme des Betrages bei dem Antragsgegner. Dieser lehnte den Antrag mit Schreiben vom 22.03.2011 ab. Zur Begründung erklärte er, ein Darlehen komme nicht in Betracht, "da diese nur bei Familien mit jungen Kindern bewilligt werden". Mit Schreiben vom 29.03.2011 erhob der Ast. Widerspruch (Bl. 8 der Gerichtsakte), über den noch nicht entschieden ist. Ebenfalls am 29.03.2011 unterbrach die AVJ. die Stromversorgung (Bl. 9 d. A.).
Am 29. März 2009 hat d. Ast. beim Sozialgericht die Gewährung einstweiligen Rechtsschut-zes beantragt. Zur Begründung erklärt er, die Stromkosten würden direkt an die AVJ. über-wiesen. Die entstandenen Stromrückstände könne er sich nicht erklären. Sein Bewährungs-helfer habe bei der AVJ. niemanden erreichen können. Durch die Einstellung der Stromver-sorgung seien ihm notwendige Dinge des Lebens verwehrt.
Der Antragsgegner (Ag.) ist dem Antrag entgegengetreten. Er meint, auch er könne sich den Stromrückstand (gemeint wohl: Zahlungsrückstand) nicht erklären. Er gehe davon aus, dass ein Abrechnungsfehler seitens der AVJ. vorliege. Bereits 2007 seien Stromrückstände über-nommen worden.
Bezüglich der Einzelheiten wird auf die Gerichtsakte verwiesen. Die Verwaltungsakte ist dem Gericht durch den Ag. nicht innerhalb der gesetzten Wochenfrist übersandt worden.
II.
Der gem. § 86b Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthafte Antrag auf Erlass einer einstwei-ligen Anordnung ist zulässig und begründet.
Nach § 86b Abs. 2 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag eine einstweilige Anordnung auch zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis treffen, wenn eine solche Regelung zur Abwendung we-sentlicher Nachteile nötig erscheint (Regelungsanordnung). Die Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes setzt einen Anordnungsanspruch und einen Anordnungsgrund voraus (vgl. Meyer-Ladewig, SGG, 7. Auflage 2002, § 86b Rn. 27, 29). Ein materieller Anspruch ist im einstweiligen Rechtsschutzverfahren nur einer summarischen Überprüfung zu unterziehen; hierbei muss der Antragsteller glaubhaft machen, dass ihm aus dem Rechtsverhältnis ein Recht zusteht, für das wesentliche Gefahren drohen (Meyer-Ladewig, aaO, Rn. 29, 36). Der Anordnungsgrund setzt Eilbedürftigkeit voraus, dass heißt, es müssen erhebliche belastende Auswirkungen des Verwaltungshandelns schlüssig dargelegt und glaubhaft gemacht werden. Dabei muss die Anordnung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheinen, § 86 b Abs. 2 Satz 2 SGG. Dies bedeutet zugleich, dass nicht alle Nachteile zur Geltendmachung vorläufigen Rechtsschutzes berechtigen. Bestimmte Nachteile müssen hingenommen werden (Binder in Hk-SGG, 2003, § 86 b Rn. 33). Es kommt damit darauf an, ob ein Abwarten bis zu einer Entscheidung in der Hauptsache hingenommen werden kann. Ob dies der Fall ist, be-misst sich an den Interessen der Antragssteller und der öffentlichen sowie gegebenenfalls weiterer beteiligter Dritter. Dabei reichen auch wirtschaftliche Interessen aus (vgl. Binder, a.a.O.).
1. Der Anordnungsanspruch ergibt sich aus § 22 Abs. 8 SGB II n.F ... Danach können auch Schulden übernommen werden, sofern Leistungen für Unterkunft und Heizung erbracht wer-den und soweit die Schuldenübernahme zur Sicherung der Unterkunft oder zur Behebung einer vergleichbaren Notlage gerechtfertigt ist. Sie sollen übernommen werden, wenn dies gerechtfertigt und notwendig ist und sonst Wohnungslosigkeit einzutreten droht. Hierunter fällt auch eine Übernahme von Kosten, die in der Regelleistung enthalten sind, insbesondere Stromschulden. Dies gilt vor allem dann, wenn eine andere Entscheidung dazu führen würde, dass die Wohnung unbewohnbar würde (so zu § 22 Abs. 5 a.F.: Lang/Link, in: Ei-cher/Spellbrink, SGB II Kommentar, 2. Aufl., 2008, § 22 Rdnr. 106). Nach diesen Vorgaben besteht im vorliegenden Fall für die Antragsgegnerin die Verpflichtung, die Stromschulden d. Ast. zu übernehmen.
Zwar stellt § 22 Abs. 8 Satz 1 SGB II n.F. die Entscheidung über die Übernahme von Schul-den zur Sicherung der Unterkunft grundsätzlich in das Ermessen des Leistungsträgers ("kön-nen"). Bei der Ermessensentscheidung über die Übernahme von Energiekostenrückständen hat dieser dann im Rahmen einer umfassenden Gesamtschau alle Umstände des Einzelfalles zu be-rücksichtigen, so etwa die Höhe der Rückstände, die Ursachen, die zu dem Energiekos-tenrückstand geführt haben, die Zusammensetzung des von einer eventuellen Energiesperre bedrohten Personenkreises (insbesondere Mitbetroffenheit von Kleinkindern), Möglichkeiten und Zumutbarkeit anderweitiger Energieversorgung, das in der Vergangenheit gezeigte Ver-halten, etwa ob es sich um einen erstmaligen oder einen wiederholten Rückstand handelt, Bemühungen, das Verbrauchsverhalten anzupassen sowie einen erkennbaren Selbsthilfewil-len (so zu § 22 Abs. 5 a.F.: Berlit, in: LPK-SGB II, 2. Aufl., 2007, § 22 Rdnr. 118 m.w.N.). Eine solch umfassende Gesamtabwägung kann in dem vorliegenden Eilverfahren nicht erfolgen, da dieses nur eine summarische Prüfung vorsieht. Allerdings hat d. Ast. bislang weder eine gesundheitliche Härte noch eine Mitbetroffenheit von Kindern glaubhaft gemacht hat, was zunächst gegen eine Reduzierung des Ermessens des Ag. spricht. Gleichwohl liegen die Voraussetzung für die darlehensweise Übernahme von Energieschul-den nach § 22 Abs. 8 Zweites Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) hier vor. Denn das Ermessen des Antragsgegners ist vorliegend gemäß § 22 Abs. 8 Satz 2 SGB II eingeschränkt. Nach dieser Vorschrift sollen Schulden übernommen werden, wenn ansonsten Wohnungslosigkeit droht. Wie der Wortlaut "sollen" anzeigt, ist das Ermessen des Leistungsträgers in diesen Fäl-len im Sinne einer positiven Übernahmeentscheidung gebunden (so zu § 22 Abs. 5 a.F.: Lang/Link, in: Eicher/Spellbrink, SGB II, 2. Aufl., 2008, § 22 Rdnr. 108). Das bedeutet, dass der Leistungsträger in der Regel entsprechende Schulden zu übernehmen hat und lediglich in atypischen Fällen nach seinem Ermessen hiervon abweichen kann. Diese Voraussetzungen sind hier erfüllt. Zwar ist d. Ast. nicht im engeren Sinne vom Verlust seiner Wohnung bedroht. Allerdings wird die Wohnung d. Ast. bereits seit dem 29.03.2011 nicht mehr mit Strom versorgt. Die Unterbrechung der Stromversorgung stellt eine der Woh-nungslosigkeit nahe kommende Notlage dar (so zu § 22 Abs. 5 a.F.: Beschluss der 21. Kam-mer des Sozialgerichts vom 10. Februar 2009 – S 21 AS 6/09 ER; LSG Berlin-Brandenburg, Beschl. v. 22.01.2008 - L 28 B 53/08 AS ER, L 28 B 57/08 AS PKH -; Beschl. v. 11.12.2007 - L 28 B 2169/07 AS ER -; Beschl. v. 22.6.2006 - L 25 B 459/06 AS ER -; SG Karlsruhe, Beschl. v. 03.03.2008 - S 14 AS 879/08 ER; VG A-Stadt, Beschl. v. 22.10.2008 - S3 V 3413/08; a.A. OVG A-Stadt, Beschl. v. 21.04.2008 - S2 B 141/08; S2 S 142/08 -). Die 21. Kammer des So-zialgerichts hat hierzu ausgeführt (Beschluss vom 10. Februar 2009 – S 21 AS 6/09 ER -): "Bereits in der Rechtsprechung der Sozialhilfe war anerkannt, dass die regelmäßige Versorgung eines Haushaltes mit (Heiz-)Energie nach den Lebensverhältnissen in Deutschland zum sozialhilferechtlich anerkannten Mindeststandard gehört (vgl. OVG Münster FEVS 35, 24; Streichsbier, in: Grube/Wahrendorf, SGB XII, 2005, § 34 Rdnr. 6). Die faktische Unbewohnbarkeit einer Wohnung infolge (drohender) Sperrung der Energie- und Wasserzufuhr steht daher dem Verlust der Unterkunft gleich (Berlit, in: LPK-SGB II, 2. Aufl., 2007, § 22 Rdnr. 116 m.w.N.; vgl. SG Lüneburg, Beschl. v. 11.05.2007 - S 30 AS 579/07 ER -). Ist - wie hier - eine Stromsperre bereits vollzogen, ist daher grundsätzlich von einer Ermessensreduzierung des Leistungsträgers gemäß § 22 Abs. 5 Satz 2 SGB II zugunsten einer Schuldenübernahme auszugehen, die nur in atypischen Fällen versagt werden kann." Die Kammer schließt sich dieser Auffassung an. Diese Auffassung steht im Übrigen im Ein-klang mit der Auffassung der Senatorin für Arbeit, Frauen, Gesundheit, Jugend und Soziales. Nach deren ergänzenden Hinweisen zur Verwaltungsanweisung gem. § 22 SGB II (http://www.soziales.bremen.de/sixcms/media.php/13/WH%20der%20VAnw%20komplett%20in%20einer%20Fassung Stand%2001.pdf) sind rückständige Stromkosten - unter bestimmten Umständen ("rückständige Stromkosten, soweit vor allem Familien mit Kindern die Einstellung der Lieferung droht") - als vergleichbare Notlage anerkannt (S. 42 der Hinweise).
Anhaltspunkte, die im konkreten Fall ausnahmsweise gegen eine Übernahme der Strom-schulden sprechen würden, sind nicht ersichtlich. Dies gilt insbesondere für die Vermutung des Ag., es handele sich um einen Abrechnungsfehler der AVJ. (Bl. 13 d. A.). Der Vorsitzende hat bei der AVJ. telefonisch erfragt, was Grundlage für den Rückstand sei. Danach hat d. Ast. am 21.12.2010 eine Rechnung erhalten, die einen Verbrauch von 1.318,60 Euro auswies, dem lediglich Zahlungen in Höhe von 555,30 Euro entgegenstehen. Daraus ergab sich eine Nachzahlung von ursprünglich 763,30 Euro. Anhaltspunkte für einen Abrechnungsfehler der AVJ. kann das Gericht daher nicht erkennen. Soweit der Ag. vorträgt, er gehe davon aus, dass ein Abrechnungsfehler vorliege (Bl. 13 d. A.), handelt es sich also um eine Behauptung "ins Blaue". Warum der Ag. solche Behauptungen tätigt, statt seiner Amtsermittlungspflicht (§ 20 SGB X) nachzukommen, muss das Gericht nicht näher prüfen.
In Anbetracht der Tatsache, dass deshalb vieles dafür spricht, dass der Rückstand nur durch erhöhten Verbrauch zu Stande gekommen ist, fällt auch nicht ins Gewicht, dass der Ag. dem Ast. bereits im Jahre 2007 Darlehen für Stromrückstände gewährt hat. Im Übrigen sah sich die Kammer außerstande, dies im Einzelnen zu prüfen, weil der Antragsgegner die Akten nicht übersandt hat.
2. Der Anordnungsgrund folgt daraus, dass die Stromversorgung bereits eingestellt wurde.
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG in entsprechender Anwendung.
Rechtskraft
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