S 115 AS 30405/08

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
SG Berlin (BRB)
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
115
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 115 AS 30405/08
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Beklagte wird unter Aufhebung des Bescheides vom 23. November 2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21. Dezember 2007 verurteilt, der Klägerin Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II für die Zeit vom 01. November 2007 bis 30. April 2008 zu gewähren. Außergerichtliche Kosten der Klägerin sind erstattungsfähig.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten um die Gewährung von Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch – Grundsicherung für Arbeitsuchende (SGB II).

Die 1949 geborene Klägerin beantragte bei der Beklagten am 5. November 2007 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem SGB II. Ihr 1945 geborener Ehemann bezog eine Rente der gesetzlichen Rentenversicherung sowie eine Betriebsrente in Höhe von zusammen 1.439,08 EUR monatlich. Die Eheleute lebten jedenfalls bis zum 13. April 2007 gemeinsam in dem Haus H Weg , welches der Klägerin und ihrem Sohn jeweils zur Hälfte gehört. Die Klägerin hatte ihrem Sohn im Jahr 2004 seine Hälfte geschenkt. Das Grundstück ist mit einem lebenslänglichen dinglich gesicherten Wohnrecht zu Gunsten der Eheleute belastet. Am 13. April 2007 erlitt der Ehemann einen Herzinfarkt. Er befindet sich seither im Wachkoma. Er wurde zunächst im Krankenhaus betreut und wird seit dem 17. Juli 2007 im Pflegeheim Haus K in R /Kreis M O versorgt. Der Betreuungsrichter des Amtsgerichts Köpenick stellte im Rahmen des Betreuungsverfahrens im Juni 2007 fest, dass eine Kommunikation mit dem Ehemann nicht möglich sei und der Arzt erklärt habe, dass dieser keine Reaktion auf Ansprache oder optische Annäherung zeige. Der Ehemann erhielt im streitgegenständlichen Zeitraum Renten in Höhe von zusammen 1.466,08 EUR monatlich sowie Pflegegeld in Höhe von 1.432,- EUR monatlich. Die Klägerin gab in ihrem Antrag bei der Beklagten für sich und ihren Ehemann vom 05. November 2007 an, mit ihrem nicht dauernd getrennt lebenden Ehegatten zusammenzuleben. Der Heimvertrag zwischen dem Pflegeheim Haus K und dem Ehemann der Klägerin sieht ein Gesamtentgelt vor, welches sich im streitgegenständlichen Zeitraum aus dem Einzelentgelt für Unterkunft und Verpflegung (täglich 15,68 EUR), einem für Pflege (allgemeine Pflege, soziale Betreuung und medizinische Behandlungspflege 63,71 EUR) und einem für die nicht geförderten Investitionskosten von täglich 5,53 EUR + 4,97 EUR zusammensetzte, also insgesamt 89,89 EUR pro Tag (bei 30 Tagen 2.697,70 EUR). Leistungen des Sozialhilfeträgers hat der Ehemann bislang nicht erhalten. Die Pflegekasse zahlte monatlich 1.432,- EUR, sodass das Pflegeheim vom Ehemann selbst 1.310,08 EUR monatlich verlangte. Die Beklagte lehnte den Antrag der Klägerin mit Bescheid vom 23. November 2007 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 21. Dezember 2007 ab. Zur Begründung wurde ausgeführt, die Klägerin und ihr Ehemann bildeten eine Bedarfsgemeinschaft nach § 7 Abs. 3 Nr. 1 SGB II. Sie lebten zwar in unterschiedlichen Unterkünften, jedoch seien sie nicht dauerhaft getrennt, da eine lediglich krankheitsbedingte räumliche Trennung für die Feststellung eines dauernden Getrenntlebens nicht ausreiche. Dem Ehemann stünden gemäß § 7 Abs. 4 SGB II als Bezieher einer Altersrente Leistungen nach dem SGB II nicht zu. Der Bedarf der Bedarfsgemeinschaft betrage zwei mal 90 % des Regelsatzes gemäß § 20 Abs. 3 SGB II bzw. gemäß § 28 Abs. 1 Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch (SGB XII) i. V. m. der Regelsatzverordnung, also 2 x 312,- EUR = 624,- EUR. Als Kosten der Unterkunft seien 399,34 EUR zu berücksichtigen (Schuldzinsen von 130,26 EUR zzgl. 137,52 EUR Nebenkosten und 142,- EUR Heizkosten abzüglich im Regelsatz enthaltene Warmwasserkosten pro Monat). Des Weiteren entstünden für die Unterbringung des Ehemannes im Pflegeheim Kosten in Höhe von 300,- EUR monatlich. Ob und in wie weit es sich dabei um im Rahmen des SGB II zu berücksichtigende Kosten handele, sei fraglich. Doch selbst bei voller Berücksichtigung ergebe sich hier kein Anspruch auf Leistungen nach dem SGB II. Das sich so ergebende anrechenbare Einkommen von 1.436,08 EUR übersteige den Gesamtbedarf.

Am 22. Januar 2008 hat die Klägerin hiergegen Klage zum Sozialgericht (SG) Berlin erhoben. Sie lebe von ihrem Ehemann seit 17. Juli 2007 getrennt. Eine häusliche Gemeinschaft liege ebenso nicht vor wie der Wille der Klägerin, diese wiederherzustellen. Bestehe gleichwohl eine Bedarfsgemeinschaft, müssten Heimkosten in Höhe von monatlich 2.734,15 EUR Berücksichtigung finden. Anrechnungsfähiges Einkommen sei daher auch für die Klägerin nicht vorhanden.

Die Klägerin beantragt, die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 23. November 2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21. Dezember 2007 zu verurteilen, der Klägerin Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II für die Zeit vom 01. November 2007 bis 30. April 2008 zu gewähren.

Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Es sei nicht von einem Getrenntleben, vielmehr von einer Bedarfsgemeinschaft auszugehen. Der Ehemann der Klägerin sei nach § 7 Abs. 4 Satz 1 SGB II wegen Unterbringung in einer stationären Einrichtung vom Leistungsbezug ausgeschlossen. Daher könnten Kosten der Pflegeeinrichtung keine Kosten der Unterkunft im Sinne des § 22 SGB II sein. Die Klägerin habe einen Anspruch auf Unterhaltsleistungen aus den beiden Renten des Ehemannes. Da der Ehemann für voraussichtlich längere Zeit der Leistungen in einer stationären Einrichtung bedürfe, sei die Aufbringung der Mittel in angemessenem Umfang unterhalb der Einkommensgrenze sehr wahrscheinlich (§ 88 Abs. 1 Satz 2 SGB XII). In diesem Zusammenhang sei allerdings insbesondere § 92 a SGB XII zu berücksichtigen, wonach neben der häuslichen Ersparnis (Abs. 1) auch auf die bisherige Lebenssituation der im Haushalt verbliebenen Ehefrau Rücksicht zu nehmen sei (Abs. 3). Dadurch solle sichergestellt werden, dass deren wirtschaftliche Situation zum Zeitpunkt der Aufnahme in die stationäre Einrichtung nicht unangemessen verschlechtert werden. Den Eheleuten bliebe von den Renten ein Garantiebetrag in Höhe von 1.066,12 EUR, sodass eine Hilfebedürftigkeit bei der Klägerin nicht bestehe.

Das SG Berlin hat mit Beschluss vom 7. August 2008 (Az.: S 108 AS /08 ER) die Beklagte im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, der Klägerin vom 29. Januar 2008 (= Eingang des Antrages bei Gericht) bis zum 31. Dezember 2008 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes in Höhe von monatlich 721,78 EUR zu gewähren. Zwar dürfte der Ehemann wohl hinsichtlich der Kosten für die Unterbringung im Pflegeheim Ansprüche aus SGB XII gegen den zuständigen Sozialhilfeträger nach § 61 Abs. 1 Satz 1 SGB XII haben. Auch verweise die Beklagte zutreffend darauf, dass der Ehemann sein eigenes Einkommen über die Bedarfsgrenze hinaus nach § 87 SGB XII einzusetzen habe. Die vom Beklagte zutreffend ermittelte Einkommensgrenze liege hier gemäß § 85 SGB XII bei ca. 1.346,- EUR, so dass gemäß § 87 Abs. 1 Satz 3 SGB XII der Ehemann selbst aus seinem eigenen Einkommen lediglich 37,- EUR einzusetzen hätte. So betrachtet könne der Bedarf der Klägerin aus dem Einkommen des Ehemanns gedeckt werden. Allerdings verkenne die Beklagte dabei, dass gemäß § 88 Abs. 1 Satz 1 SGB XII die Aufbringung der Mittel auch unterhalb der Einkommensgrenze verlangt werden könne (§ 88 Abs. 1 SGB XII). Die Voraussetzungen seien hier erfüllt, da der Ehemann aufgrund des Pflegevertrages Kost und Logis erhalte und somit ansonsten zur Deckung seines Bedarfes nur geringfügige Mittel erforderlich seien. Es liege auch ein Anordnungsgrund vor. Die Leistungsgewährung sei rückwirkend für die Zeit ab Antragseingang bei Gericht auszusprechen. Grundsätzlich sei dies zwar nicht möglich, weil die einstweilige Anordnung der Abwendung gegenwärtiger Nachteile diene. Hier jedoch drohe dem Ehemann aufgrund der gegenüber dem Pflegeheim aufgelaufenen Schulden der erhebliche Nachteil des Verlusts des Heimplatzes. Mit Beschluss vom 13. Oktober 2008 (Az.: L 32 B /08 AS ER) hat das Landessozialgericht (LSG) Berlin-Brandenburg die hiergegen gerichtete Beschwerde der Beklagten zurückgewiesen. Es hat offen gelassen, ob zwischen der Klägerin und ihrem Ehemann noch eine Bedarfsgemeinschaft, wofür das Merkmal der Trennungsabsicht maßgeblich sei, besteht.

Entscheidungsgründe:

Die kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage ist zulässig und begründet. Die angefochtenen Bescheide der Beklagten sind rechtswidrig und verletzen die Klägerin in ihren Rechten, weil sie gegen die Beklagte für den streitgegenständlichen Zeitraum Anspruch auf die Gewährung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II hat. Die Klägerin ist hilfebedürftig im Sinne des § 9 Abs. 1 SGB II. Hilfebedürftig ist danach u. a., wer seinen Lebensunterhalt nicht oder nicht ausreichend aus eigenen Kräften und Mitteln, vor allem nicht durch Aufnahme einer zumutbaren Arbeit oder aus dem zu berücksichtigenden Einkommen oder Vermögen sichern kann und die erforderliche Hilfe nicht von anderen, insbesondere von Angehörigen oder von Trägern anderer Sozialleistungen erhält. Nach Abs. 2 Satz 1 der Vorschrift sind bei Personen, die in einer Bedarfsgemeinschaft leben, auch das Einkommen und Vermögen des Partners zu berücksichtigen. Zur Bedarfsgemeinschaft gehören nach § 7 Abs. 3 Nr. 3 lit. a) SGB II als Partner der erwerbsfähigen Hilfebedürftigen der nicht dauernd getrennt lebende Ehegatte. Von einer Bedarfsgemeinschaft zwischen der Klägerin und ihrem im Pflegeheim lebenden Ehegatten nach § 9 Abs. 2 Satz 1, 7 Abs. 3, Nr. 3 a) SGB II ist vorliegend auszugehen, und mithin sind als Einkommen der Bedarfsgemeinschaft auch seine Renten nach § 11 Abs. 1 SGB II zu berücksichtigen. Dass sich die Klägerin auch emotional von ihrem Ehemann getrennt hat, ist nicht ersichtlich. Es ist sonach ein Trennungswille der Klägerin nicht erkennbar, wie dies zur Annahme eines Getrenntlebens nach bürgerlich-rechtlichen Maßstäben erforderlich ist. Zu berücksichtigen ist insbesondere, dass sie im Antrag vom 05. November 2007 ein Zusammen- und gerade kein Getrenntleben angegeben hatte; im Widerspruchsschreiben vom 28. November 2007 führte sie aus, das Ehepaar "gelte" "bei den Ämtern" als getrennt lebend, verlieh dagegen einem bei ihr allfällig vorhandenen Trennungswillen gerade keinen Ausdruck. Entsprechendes Vorbringen ist erst im Gerichtsverfahren durch ihre Prozessbevollmächtigte erfolgt. Nach den im Urteil des Bundessozialgerichts (BSG) vom 18. Februar 2010, Az.: B 4 AS 49/09 R, genannten Grundsätzen wird bei der Auslegung des Begriffs des "nicht dauernd getrennt lebenden Ehegatten" im Sinne des § 7 Abs. 3 Nr. 3a SGB II den Grundsätzen gefolgt, die zum familienrechtlichen Begriff des "Getrenntlebens" entwickelt worden sind. Hierzu hat das BSG ausgeführt, gegen ein enges Verständnis dieses Begriffs in dem Sinne, dass Ehegatten nur dann nicht dauernd getrennt leben, wenn sie räumlich zusammen leben, jede räumliche Trennung also bereits ein Getrenntleben beinhaltet, spreche, dass sich das Getrenntleben auf die Ehe im Sonne des § 1353 BGB beziehen müsse. Da § 1353 Abs. 1 BGB mit der Bestimmung einer Verpflichtung zur ehelichen Lebensgemeinschaft nur die Grundstrukturen der Ehe, nicht jedoch die Art und Weise vorgebe, in der sich das Zusammenleben der Ehegatten vollziehe, sei die häusliche Gemeinschaft zwar ein Grundelement der ehelichen Lebensgemeinschaft; jedoch könne bei Vereinbarung einer abweichenden Lebensgestaltung auch eine Ehe ohne räumlichen Lebensmittelpunkt (Ehewohnung) eine solche im Sinne des § 1353 BGB sein. Hätten die Ehegatten wie in dem dort zu entscheidenden Fall bei oder nach der Eheschließung einvernehmlich ein Lebensmodell gewählt, das eine häusliche Gemeinschaft nicht vorsieht, könne allein der Wille, diese auf absehbare Zeit nicht herzustellen, ein Getrenntleben nach familienrechtlichen Grundsätzen nicht begründe. Vielmehr müsse regelmäßig der nach außen erkennbare Wille eines Ehegatten hinzutreten, die häusliche Gemeinschaft nicht herstellen zu wollen, weil er die eheliche Gemeinschaft ablehne (§ 1567 Abs 1 BGB). In der dort vorliegenden Ausgangskonstellation komme es nach familienrechtlichen Maßstäben für eine Trennung entsprechend darauf an, ob einer der Partner die bisherige Form der Lebensgemeinschaft ohne gemeinsamen Lebensmittelpunkt nicht mehr aufrecht erhalten wolle, das Eheband also lösen wolle. Für die Annahme eines Getrenntlebens reiche es dort nicht aus, dass nach den tatsächlichen Verhältnissen eine Lebensgemeinschaft im Sinne einer räumlichen, persönlichen und geistigen Gemeinschaft sowie eine Wirtschaftsgemeinschaft von vornherein nicht bestanden habe. Erforderlich sei vielmehr ein Wille zur Änderung des einvernehmlich gewählten Ehemodells. Entsprechendes muss auch gelten, wenn die räumliche Trennung, wie hier, unfreiwillig erfolgte. Das BSG (a. a. O.) hat dazu weiterhin ausgeführt: "Aus dem systematischen Kontext des § 7 Abs 3 Nr 3a SGB II mit den Regelungen zur Bedarfsgemeinschaft folgt nicht, dass dem SGB II ein anderer Begriff des Getrenntlebens zugrunde liegt. Auch das SGB II geht davon aus, dass eine Bedarfsgemeinschaft bei Eheleuten (noch) bestehen kann, wenn diese, zB wegen des pflegebedürftigen Aufenthalts eines Ehegatten in einem Heim, räumlich voneinander getrennt leben (für die Konstellation der vorübergehenden räumlichen Trennung nach bisherigem Zusammenleben so auch: Spellbrink in Eicher/ Spellbrink, SGB II, 2 Aufl 2007, § 7 RdNr 41; bei räumlicher Trennung nicht gemeinsam wirtschaftender Ehegatten: Mrozynski, Grundsicherung und Sozialhilfe, II.7 RdNr 16, Stand August 2006; für die Konstellation einer räumlichen Trennung ohne Trennungswillen: S. Knickrehm in Kreikebohm/Spellbrink/Waltermann, Kommentar zum Sozialrecht, 1. Aufl 2009, § 7 SGB II, RdNr 17). Der Grundgedanke der Bedarfsgemeinschaft beruht auf der Annahme, dass in dieser Gemeinschaft alle Mitglieder füreinander Verantwortung auch im finanziellen Sinne übernehmen. Erst nachrangig, wenn die Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft ihren Bedarf nicht gemeinsam decken können, sind Grundsicherungsleistungen zu gewähren (vgl § 9 Abs 1 Satz 1 SGB I; § 9 Abs 2 Satz 3 SGB II). Die Vermutung einer gegenseitigen Bedarfsdeckung hat der Gesetzgeber des SGB II dabei nicht vorrangig mit dem Vorhandensein von Unterhaltsansprüchen verbunden, sondern an die in § 7 Abs 3 SGB II im Einzelnen aufgeführten tatsächlichen Umstände geknüpft (vgl BSG, Urteil vom 15.4.2008 - B 14/7b AS 58/06 R - SozR 4-4200 § 9 Nr 5 RdNr 39). Bei Eheleuten verlangt er - im Unterschied etwa zur Konstellation der eheähnlichen Lebensgemeinschaft (§ 7 Abs 3 Nr 3c SGB II) - gerade nicht das gemeinsame Leben in einem Haushalt."

Einkommen hatte die Klägerin im streitgegenständlichen Zeitraum nicht. Der Ehemann erhielt Renten in Höhe von zusammen 1.466,08 EUR, wovon die Versicherungspauschale in Höhe von monatlich 30,- EUR abzuziehen ist, sodass der Bedarfsgemeinschaft 1.436,08 EUR monatlich als Einkommen hieraus zur Verfügung standen. Das dem Ehemann gewährte Pflegegeld in Höhe von 1.432,- EUR monatlich ist dabei nicht zu berücksichtigen, weil es sich um eine zweckbestimmte Einnahme im Sinne von § 11 Abs. 3 Nr. 1 lit. a) SGB II handelt. Hinzuzurechnen ist jedoch die Vollverpflegung, die der Ehemann der Klägerin im Heim erhält, und zwar in Höhe von täglich 1% der Regelleistung, d. h. monatlich 93,60 EUR. Das Gesamteinkommen der Bedarfsgemeinschaft beträgt sonach monatlich 1.529,68 EUR. Der Bedarf auch des Ehemannes ist anhand der gesetzlich vorgesehenen Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II zu bestimmen und nicht nach dem SGB XII, auch wenn der Ehemann selbst nicht nach dem SGB II leistungsberechtigt ist (vgl. BSG, Urteil vom 15. April 2008, Az.: B 14/7b AS 58/06). Denn bei der Berechnung des Bedarfes einer Bedarfsgemeinschaft, der ein erwerbsfähiges Mitlied angehört, kommt es sonach nur auf die gesetzlich vorgesehenen Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II an, auch wenn ein anderes Mitglied der Bedarfsgemeinschaft vom Leistungsbezug nach dem SGB II ausgeschlossen ist oder Sozialleistungen von anderen Trägern erhält oder erhalten könnte. Dem Einwand der Beklagten, dass das SGB II die Kosten für das Pflegeheim nicht als beim Bedarf zu berücksichtigende Kosten vorsehe, wird insoweit Rechnung getragen, als die Kosten für Pflege und Verpflegung soweit wie möglich herausgerechnet werden. Die Verpflegungskosten werden als Einkommen berücksichtigt, für die Kosten der Pflege kommt weitgehend die gesetzliche Pflegeversicherung auf, sodass die verbleibenden Kosten als – hier konkret angemessene – Kosten der Unterkunft i. S. v. § 22 SGB II Berücksichtigung finden müssen. Konkret beträgt der Bedarf des Ehemannes der Klägerin im streitgegenständlichen Zeitraum monatlich grundsätzlich 2.697,70 EUR. Darin sind enthalten die bei der Bedarfsberechnung zu berücksichtigende Regelleistung, etwaige Mehrbedarfe sowie hier konkret angemessene Kosten der Unterkunft. Da die Pflegekasse monatlich 1.432,- EUR zahlt, sind vom Ehemann selbst 1.310,08 EUR monatlich zu leisten. Der Bedarf der Klägerin beträgt monatlich 312,- EUR zuzüglich 133,19 EUR Kosten der Unterkunft und Heizung, mithin 445,19 EUR. Daraus ergibt sich ein monatlicher Gesamtbedarf der Bedarfsgemeinschaft in Höhe von 1.755,27 EUR. Dieser Bedarf wird durch das Gesamteinkommen nicht gedeckt. Ist in einer Bedarfsgemeinschaft nicht der gesamte Bedarf aus eigenen Kräften und Mitteln gedeckt, gilt jede Person der Bedarfsgemeinschaft im Verhältnis des eigenen Bedarfs zum Gesamtbedarf als hilfebedürftig (§ 9 Abs. 2 Satz 3 SGB II). Die Vorschrift des § 9 Abs. 2 Satz 3 SGB II ist einschränkend dahingehend auszulegen, dass der Anspruch der Klägerin sich aus der Differenz zwischen ihrem Bedarf und dem nach Abzug des Bedarfs ihres Ehemannes verbleibenden Einkommens ergibt. Nach dem Wortlaut des § 9 Abs. 2 Satz 3 SGB II müsste die Differenz zwischen Gesamtbedarf und Gesamteinkommen der Bedarfsgemeinschaft entsprechend der Bedarfsanteile auf die Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft verteilt werden und es würde auch ein Anteil auf den Ehemann entfallen. Da er gemäß § 7 Abs. 1 und 4 SGB II aber vom Leistungsbezug nach dem SGB II ausgeschlossen ist, könnte er den auf ihn entfallenden Anteil am Gesamtbedarf nicht geltend machen. Auch Sozialhilfe könnte er nicht beanspruchen, weil sein Einkommen nach § 19 SGB XII zuerst auf seinen eigenen Bedarf angerechnet würde. Damit würde notwendig eine tatsächliche Unterdeckung des Gesamtbedarfs der Bedarfsgemeinschaft eintreten. Diese am Wortlaut orientierte Vorgehensweise ist unter Berücksichtigung des Gleichheitssatzes des Art. 3 Abs. 1 GG weder gewollt noch rechtmäßig (vgl. BSG, Urteil vom 15. April 2008, Az.: B 14/7b AS 58/06). Daher vermag auch der Einwand der Beklagten, die Klägerin habe vor dem Bezug von Arbeitslosengeld II vorrangig privatrechtliche Unterhaltsleistungen aus dem Einkommen ihres Ehemannes in Anspruch zu nehmen, nicht durchzugreifen, da in diesem Falle der Ehemann seinen eigenen Bedarf nicht mehr decken könnte. Zwar wären dann der – erwerbsfähigen – Klägerin keine Leistungen nach dem SGB II zu gewähren, jedoch müsste der Ehemann Leistungen nach dem SGB XII in Anspruch nehmen. Überzeugt eine solche Konstruktion bereits aufgrund der Systematik des Sozialgesetzbuches und insbesondere des Nachranges der Sozialhilfe nicht, so ist im Übrigen der Grundsatz zu beachten, dass eine Unterhaltsverpflichtung nicht besteht, wenn und soweit der in Anspruch Genommene infolge der Unterhaltsleistung selbst sozialhilfebedürftig würde (vgl. OLG Düsseldorf, Urteil vom 17. Juni 1008, Az.: 4 UF 280/97). In seinem Urteil vom 02. Mai 1990, Az.: XII ZR 72/89, hat der Bundesgerichtshof (BGH) ausgeführt: "Im Prozeß hat sich der Beklagte jedenfalls auf den Boden der ihm offenbar im Rahmen des § 8 Abs. 2 BSHG erteilten Rechtsauskunft der Sozialbehörde gestellt, wonach er nicht mehr in der Lage ist, Unterhaltsansprüche der Klägerin zu befriedigen. Dadurch hat er sich auch dafür entschieden, seine Renteneinkünfte voll für die Kosten seiner Heimunterbringung einzusetzen und Rechte aus § 85 Nr. 3 S. 2 BSHG zugunsten der Klägerin nicht (mehr) geltend zu machen. Diese Entscheidung ist nach den hier gegebenen Umständen unterhaltsrechtlich zu respektieren. Würde ihm nämlich der nach der genannten Vorschrift allenfalls durchsetzbare "Freibetrag" von monatlich rund 700 DM gewährt und setzte er ihn zur (teilweisen) Deckung des Unterhalts der Klägerin ein, müßte der Sozialhilfeträger den gleichen Betrag aus öffentlichen Mitteln für die Heimkosten aufbringen. Der Beklagte würde also durch die Unterhaltsleistung an die Klägerin selbst in erhöhtem Maße sozialhilfebedürftig. Ihn dazu zu zwingen wäre aber - insoweit teilt der Senat die Auffassung des Bundessozialgerichts (vgl. FamRZ 1985, 379, 380) - mit dem Grundgesetz nicht vereinbar, da seine Menschenwürde (Art. 1 Abs. 1 GG) und das Sozialstaatsgebot (Art. 20 Abs. 1 GG) angetastet würden. Jede Unterhaltspflicht findet dort ihre Grenze, wo dem Betroffenen nicht die Mittel für den eigenen notwendigen Lebensbedarf verbleiben. Diese Opfergrenze, der sog. Selbstbehalt, wird allgemein etwas über dem Sozialhilfebedarf des in Anspruch Genommenen angesetzt (vgl. Senatsurteil vom 28. März 1984 aaO). Im Falle des Beklagten, der pflegebedürftig und auf Dauer in einem Heim untergebracht ist, liegt der unterhaltsrechtliche Selbstbehalt danach nicht unter den dafür erforderlichen Kosten. Seine Renteneinkünfte erreichen insgesamt nicht einmal diese Kosten. Damit kann die Klägerin keinen Unterhalt von ihm beanspruchen."

Die Bedarfsgemeinschaft verfügt auch über kein den Freibetrag übersteigendes Vermögen im Sinne des § 12 Abs. 1 SGB II. Dies gilt auch im Hinblick auf einen im streitgegenständlichen Zeitraum etwa vorhandenen Vermögensgegenstand einer Schenkungsrückforderung. Grundsätzlich hat nach § 628 Abs. 1 Satz 1 BGB der Schenker Anspruch auf Herausgabe des Geschenkes nach den Vorschriften über die ungerechtfertigte Bereicherung, soweit er außerstande ist, seinen angemessenen Unterhalt zu bestreiten. Dieser Rückforderungsanspruch wurde jedoch tatsächlich nicht realisiert und es ist auch nicht anzunehmen, dass er im streitgegenständlichen Zeitraum sofort realisierbar gewesen ist. Nach alledem sind die angegriffenen Bescheide rechtswidrig und verletzen die Klägerin in ihren Rechten. Sie hat gegen die Beklagte für streitgegenständlichen Zeitraum einen Anspruch auf monatlich 312,- EUR Regelleistung zuzüglich 133,19 EUR Leistungen für Unterkunft und Heizung, woraus sich ein Gesamtanspruch von kalendermonatlich 445,19 EUR ergibt. Sonach hatte die Klage vollumfänglich Erfolg. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG. Gründe für eine anders lautende Kostenentscheidung waren nicht ersichtlich. Die Berufung ist bereits nach §§ 143, 144 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 SGG zulässig.
Rechtskraft
Aus
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