L 19 AS 2202/10

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
19
1. Instanz
SG Aachen (NRW)
Aktenzeichen
S 5 AS 362/10
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 19 AS 2202/10
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 4 AS 109/11 R
Datum
Kategorie
Urteil
Bemerkung
Auf die Revision d. Bekl. wird das Urteil des LSG aufgehoben und d. Rechtsstreit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das LSG zurückverwiesen.
Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Aachen vom 17.11.2010 wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass der Beklagte unter Abänderung des Bescheides vom 13.01.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 01.03.2010 verurteilt wird, dem Kläger weitere Kosten der Unterkunft in Höhe von 33,75 EUR monatlich für die Zeit vom 01.02. bis 31.07.2010 zu bewilligen. Der Beklagte trägt die Kosten des Klägers des Berufungsverfahrens. Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Die Beklagte wendet sich im Berufungsverfahren gegen die Verurteilung zur Gewährung von höheren Kosten der Unterkunft und Heizung für den Zeitraum vom 01.02. bis 31.07.2010.

Der am 00.00.1970 geborene Kläger bewohnt eine 55 qm große Wohnung, L-Straße 00, I. Ab dem 01.08.2009 betrug die Grundmiete 270,00 EUR. Die Betriebskostenvorauszahlung belief sich auf 100,00 EUR mtl. sowie die Heizkostenvorauszahlung auf 53,00 EUR mtl ... Das Warmwasser wird zentral über die Heizung erzeugt.

Die Rechtsvorgängerin des Beklagten (nachfolgend: Beklagter) gewährte dem Kläger für die Zeit vom 01.08.2009 bis zum 31.01.2010 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II), u.a. Kosten für Unterkunft und Heizung in Höhe von 416,21 EUR (370,00 EUR Bruttokaltmiete + 53,00 EUR Heizkostenvorauszahlung abzüglich eines Warmwasserabschlags von 6,79 EUR). Mit Schreiben vom 22.07.2009 forderte der Beklagte den Kläger auf, die Kosten der Unterkunft zu senken. Die Kaltmiete von 270,00 EUR sowie die kalten Nebenkosten von 100,00 EUR überstiegen den angemessenen Umfang. Der angemessene Höchstbetrag für die Kaltmiete belaufe sich auf 213,75 EUR (45 qm x 4,75 EUR/qm) sowie für die angemessenen kalten Nebenkosten auf 90,00 EUR (45 qm x 2,00 EUR/qm). Er beabsichtige, ab dem 01.02.2010 nur noch die angemessenen Unterkunftskosten zur berücksichtigen.

Durch Bescheid vom 13.01.2010 bewilligte der Beklagte dem Kläger Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II in Höhe von insgesamt 708,96 EUR. Er übernahm Kosten für Unterkunft und Heizung in Höhe von 349,96 EUR, die sich aus einer Bruttokaltmiete von 303,75 EUR mtl. und Heizkosten von 46,21 EUR mtl. zusammensetzten.

Gegen die Höhe der bewilligten Kosten für Unterkunft und Heizung legte der Kläger Widerspruch ein. Er machte geltend, dass die tatsächlichen Kosten für die Wohnung nicht unangemessen seien. Durch Widerspruchsbescheid vom 01.03.2010 bewilligte der Beklagte dem Kläger für die Zeit vom 01.02.2010 bis zum 31.07.2010 Unterkunfts- und Heizkosten in Höhe von 350,28 EUR (für Unterkunft 303,75 EUR und Heizung 46,53 EUR) mtl. und wies im übrigen den Widerspruch als unbegründet zurück.

Mit der am 01.04.2010 erhobenen Klage hat der Kläger die Übernahme der Kosten für Unterkunft und Heizung in Höhe von 416,53 EUR mtl. begehrt.

Durch Urteil vom 17.11.2010 hat das Sozialgericht den Beklagten unter Abänderung des Bescheides vom 13.01.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 01.03.2010 verurteilt, dem Kläger im Zeitraum von Februar bis Juli 2010 Leistungen nach dem SGB II nach Maßgabe des Gesetzes unter Zugrundelegung einer angemessenen Nettokaltmiete in Höhe von 237,50 EUR und angemessene Betriebskosten in Höhe von 100,00 EUR zuzüglich angemessener Heizkosten zu bewilligen. Es hat dem Beklagten die Hälfte der außergerichtlichen Kosten des Klägers dem Grunde nach auferlegt und die Berufung zugelassen. Zur Bestimmung der angemessenen Wohnungsgröße sei ab dem 01.01.2010 nicht mehr auf den Runderlass des Ministeriums für Städtebau und Wohnen "Verwaltungsvorschriften des Landes Nordrhein-Westfalen zum WoBindG (VV-WoBindG)" vom 08.03.2002 in der geänderten Fassung vom 21.09.2006, sondern auf den Runderlass des Ministeriums für Bauen und Verkehr des Landes Nordrhein-Westfalen "Wohnraumnutzungsbestimmungen (WNB)" vom 12.12.2009 abzustellen. Die Bestimmungen der WNB hätten die Regelungen der VV-WoBindG abgelöst (Nr. 19 Satz 2 der WNB). Nr. 8.2 der WNB sehe für eine alleinstehende Person als angemessene Wohnungsgröße anstelle von 45 qm nunmehr eine Wohnfläche von 50 qm vor. Es fänden weder die Regelungen des Runderlasses des Ministeriums für Bauen und Verkehr "Wohnraumförderungsbestimmungen (WFB)" vom 26.01.2006 in der geänderten Fassung vom 28.01.2010 noch die der außer kraft getretenen der VV-WoBindG Anwendung. Insoweit folge es nicht der Entscheidung des 9. Senats des Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen vom 29.04.2010 - L 19 AS 58/08 -. Unter Zugrundelegung einer angemessenen Wohnfläche von 50 qm betrage die angemessene Nettokaltmiete 237,50 EUR mtl. (50 x 4,75 EUR) und die angemessenen kalten Betriebskosten100,00 EUR mtl. (50 x 2,00 EUR). Auf die weiteren Gründe wird Bezug genommen.

Gegen das am 29.11.2010 zugestellte Urteil hat der Beklagte am 22.12.2010 Berufung eingelegt.

Er vertritt unter Berufung auf die Entscheidung des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 29.04.2010 - L 9 AS 58/08 - die Auffassung, dass auch für die Zeit nach dem Inkrafttreten der WNB zum 01.01.2010 weiter auf die Verwaltungsvorschriften zum Wohnungsbindungsgesetz (WoBindG) für die Ermittlung der angemessenen Wohnfläche abzustellen sei und deshalb bei einem Alleinstehenden im Land Nordrhein-Westfalen als angemessene Wohnfläche 45 qm anzusetzen seien. Für eine Dynamisierung der Wohnflächengröße bestehe kein Anlass. Im Rahmen der Sozialhilfe werde seit Jahrzehnten eine Fläche von 45 qm für einen Alleinstehenden als ausreichend erachtet. Es könne kaum jemand behaupten wollen, dass im Gegensatz dazu heute ein Mehr an Wohnfläche benötigt werde. Wie den Wohnraumförderungsbestimmungen zu entnehmen sei, wären auch deutlich weniger Quadratmeter noch angemessen. Die Untergrenze liege bei 35 qm. Es sei ohnehin schon fraglich, wieso zur Bestimmung der angemessenen Wohnfläche an die Kriterien zur Wohnraumförderung angeknüpft werde. Nach § 13 Abs. 1 des Gesetzes zur Förderung und Nutzung von Wohnraum für das Land Nordrhein-Westfalen (WFNG NRW) vom 08.12.2009 betrage die für die Wohnberechtigung maßgebliche Einkommensgrenze für einen Einpersonenhaushalt 17.000,00 EUR sowie für einen Zweipersonenhaushalt 20.000,00 EUR. Anspruch auf einen Wohnberechtigungsschein nach § 18 WFNG NRW hätten danach auch Personen, die nicht hilfebedürftig im Sinne von § 9 Abs. 1 SGB II seien, denen im Einzelfall weit mehr Geld zur Verfügung stehe. Es sei weder vom Gesetzgeber gewollt noch nach den tatsächlichen Verhältnissen am Wohnungsmarkt notwendig, dass eine größere Wohnfläche als 45 qm zur Ermittlung der angemessenen Kosten der Unterkunft angesetzt werde.

Der Beklagte beantragt schriftsätzlich,

das Urteil des Sozialgerichts Aachen vom 17.11.2010 zu ändern und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er hält das erstinstanzliche Urteil für zutreffend. Er hält den angesetzten Betrag einer Kaltmiete von 4,75 EUR/qm und für kalte Betriebskosten von 2,00 EUR/qm für angemessen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf dem Inhalt der Gerichte und der Verwaltungsakte Bezug genommen, deren wesentlicher Inhalt Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist.

Entscheidungsgründe:

Der Senat konnte in Abwesenheit des Beklagten verhandeln und entscheiden (§ 110 Abs. 1 Satz 2, 126, 153 Abs. 1 Sozialgerichtgesetz - SGG), da er mit der ordnungsgemäßen Ladung auf diese Möglichkeit hingewiesen worden ist. Die Ladung wurde ihm laut Empfangsbekenntnis am 20.04.2011 zugestellt.

Die Berufung des Beklagten ist unbegründet.

Sie ist statthaft. Der Senat ist an die Zulassung der Berufung durch das Sozialgericht gebunden (§ 144 Abs. 3 SGG).

Der Beklagte ist nach § 70 Nr 1 SGG beteiligtenfähig, da er einer juristischen Person des öffentlichen Rechts gleichgestellt ist. Als Jobcenter (§ 6d SGB II i.d.F. des Gesetzes vom 03.08.2010, BGBl I 1112) handelt es sich bei ihm um eine gemeinsame Einrichtung (§ 44b Abs 1 Satz 1 SGB II i.d.F des Gesetzes vom 3.8.2010, BGBl I 1112), die mit Wirkung vom 01.01.2011 kraft Gesetzes als (teil-)rechtsfähige öffentlich-rechtliche Gesellschaft sui generis entstanden ist. Nach § 76 Abs 3 Satz 1 SGB II tritt die gemeinsame Einrichtung als Rechtsnachfolger an die Stelle der bisherigen beklagten Arbeitsgemeinschaft. Nach dieser Vorschrift tritt bei einem Wechsel der Trägerschaft oder der Organisationsform der zuständige Träger oder die zuständige Organisationsform an die Stelle des bisherigen Trägers oder der bisherigen Organisationsform; dies gilt insbesondere für laufende Verwaltungs- und Gerichtsverfahren. Dieser kraft Gesetzes eintretende Beteiligtenwechsel wegen der Weiterentwicklung der Organisation des SGB II stellt keine unzulässige Klageänderung iS von §§ 99, 168 Satz 1 SGG dar (vgl. hierzu BSG Urteil vom 18.01.2011 - B 4 AS 108/10 R = juris Rn 9). Das Passivrubrum ist entsprechend von Amts wegen zu berichtigen gewesen.

Gegenstand des Berufungsverfahren ist der Bescheid vom 13.01.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 01.03.2010, gegen den sich die vom Kläger zulässigerweise erhobene kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage (§ 54 Abs. 4 SGG) richtet. Streitgegenstand ist allein der Anspruch des Klägers auf höhere Leistungen für Unterkunft und Heizung nach § 22 Abs. 1 SGB II für die Zeit vom 01.02. bis 31.07.2010, die dieser Bescheid u. a. regelt. Der Kläger hat schon im erstinstanzlichen Verfahren den Streitstoff auf die Kosten der Unterkunft und Heizung begrenzt (vgl. zur Zulässigkeit einer solchen Beschränkung BSG Urteil vom 24.02.2011 - B 14 AS 61/10 R = juris 10 m.w.N.). Die Beteiligten streiten im Berufungsverfahren nur noch um die Gewährung weiterer Kosten für Unterkunft und Heizung in Höhe von 33,75 EUR mtl., da der Kläger keine Berufung gegen die Abweisung seines Begehrens auf Gewährung von Kosten für Unterkunft und Heizung von mehr als 384,03 EUR mtl. durch das Sozialgericht eingelegt hat und mithin das Urteil insoweit rechtskräftig geworden ist.

Der Tenor des erstinstanzlichen Urteils ist zu korrigieren, da er keinen vollstreckbaren Inhalt hat. Vorliegend handelt es sich um einen Höhenstreit, so dass vorbehaltlich einer Entscheidung nach § 130 SGG (vgl. zur Zulässigkeit eines Grundurteils in einem Höhenstreit: BSG Urteile vom 21.07.2009 - B 7AL 23/08 R = juris Rn 17 m.w.N. und vom 16.05.2007 - B 11b AS 37/06 R = juris Rn 18) ein konkreter Zahlbetrag im Tenor auszuweisen ist. Das Sozialgericht hat im Tenor eine reine Elementenfeststellung hinsichtlich der Höhe der angemessenen Grundmiete und der kalten Heizkosten getroffen und hinsichtlich der Heizkosten eine Bezifferung unterlassen, vielmehr auf den unbestimmten Rechtsbegriff "angemessen" abgestellt. Es hat den Beklagten nicht (ausdrücklich) zur Gewährung höherer Leistungen verurteilt hat. Dies genügt nicht den Anforderungen an einen Tenor mit vollstreckbarem Inhalt im Fall einer Leistungsklage (vgl. hierzu BSG Urteile vom 18.05.2010 - B 7 AL 49/08 R = juris Rn 9 und vom 27.01.2009 - B 7 AL 46/07 R = juris Rn 12 m.w.N.). Aus den Entscheidungsgründen, die zur Auslegung eines Tenors herangezogen werden können (vgl. BSG Urteil vom 30.09.2010 - B 10 EG 11/09 R = juris Rn 19), ergibt sich allerdings mit hinreichender Deutlichkeit, dass das Sozialgericht den Beklagten zur Gewährung von weiteren Kosten für Unterkunft und Heizung in Höhe von 33,75 EUR mtl. (der Differenz zwischen der vom Beklagten angesetzten Bruttokaltmiete von 303,75 EUR und der vom Sozialgericht als angemessen angesehenen Bruttokaltmiete von 337,50 EUR) im streitigen Zeitraum verurteilt hat.

Das Sozialgericht hat den Beklagten zu Recht zur Gewährung von weiteren Kosten für Unterkunft und Heizung nach § 22 SGB II in Höhe von 33,75 EUR mtl. für die Zeit vom 01.02. bis 30.07.2010 verurteilt.

Nach § 22 Abs. 1 Satz1 SGB II werden die Leistungen für Unterkunft und Heizung in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen erbracht, soweit diese angemessen sind.

Der Kläger hat dem Grunde nach einen Anspruch auf Übernahme der Kosten für Unterkunft und Heizung nach § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II. In dem streitigen Zeitraum hat er die Leistungsvoraussetzungen des § 7 Abs. 1 Satz 1 SGB II erfüllt. Der Kläger hat seinen gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik gehabt (Nr. 4) sowie das 15. Lebensjahr vollendet und die Altersgrenze des § 7a SGB II noch nicht erreicht gehabt (Nr. 1). Er ist erwerbsfähig i.S.v. § 8 Abs. 1 SGB II gewesen (Nr. 2). Es sind keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass er nicht in der Lage gewesen ist, eine Erwerbstätigkeit mit einer Dauer von mindestens 3 Stunden täglich unter den üblichen Bedingungen des Arbeitsmarktes zu verrichten. Ebenso ist er hilfebedürftig gewesen (Nr. 3), da er über kein zu berücksichtigendes Einkommen oder Vermögen i.S.v. §§ 9, 11, 12 SGB II verfügt hat.

Der Beklagte hat nach § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II Kosten für Unterkunft und Heizung in Höhe von insgesamt 384,03 EUR mtl. zu tragen, die sich aus einer Grundmiete in Höhe von 237,50 EUR mtl. (I), der Vorauszahlung für die kalten Betriebskosten in Höhe von 100,00 EUR mtl. (II) und der Heizkostenvorauszahlung in Höhe von 46,57 EUR mtl. (III) zusammensetzen.

I. Das Sozialgericht hat zutreffend eine Grundmiete in Höhe von 237,50 EUR als angemessen i.S.v. § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II angesehen. Nach gefestigter Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) ist der unbestimmte Rechtsbegriff der Angemessenheit unter Zugrundelegung der sog. Produkttheorie in einem mehrstufigen Verfahren zu konkretisieren. Zunächst ist die angemessene Wohnungsgröße zu ermitteln (1). Alsdann ist festzustellen, ob die angemietete Wohnung dem Produkt aus angemessener Wohnfläche und Standard entspricht, der sich in der Wohnungsmiete niederschlägt. Vergleichsmaßstab sind insoweit die räumlichen Gegebenheiten am Wohnort des Hilfebedürftigen (2), wobei die örtlichen Gegebenheiten auf dem Wohnungsmarkt zu ermitteln und zu berücksichtigen sind (vgl. BSG Urteil vom19.10.2010 - B 14 AS 65/09 R = juris Rn 21 m.w.N.). Der Begriff der "Angemessenheit" unterliegt als unbestimmter Rechtsbegriff der uneingeschränkten richterlichen Kontrolle.

1. Das Sozialgericht ist bei der Ermittlung der angemessenen Referenzmiete zutreffend von einer angemessenen Wohnungsfläche von 50 qm für einen Alleinstehenden ausgegangen. Zur Überzeugung des Senats ist die angemessene Wohnfläche im Rahmen der Produkttheorie anhand der im streitigen Bewilligungszeitraum aktuell gültigen Verwaltungsvorschriften des Landes Nordrhein-Westfalen zur Belegung von gefördertem Wohnraum zu bestimmen (so anscheinend auch Berlit, info also 2010, 195 (197)). Nach der ständigen Rechtsprechung des BSG, der sich der Senat anschließt, ist für die Bestimmung der Angemessenheitsgrenze nach § 22 Abs 1 Satz 1 SGB II in Ermangelung anderweitiger Erkenntnisquellen grundsätzlich an die anerkannten Wohnraumgrößen für Wohnberechtigte im sozialen Mietwohnungsbau und deshalb an die für die Belegung von gefördertem Wohnraum maßgebenden Vorschriften anzuknüpfen (Urteile vom 19.10.2010 - B 14 AS 65/09 R = nach juris Rn 22 m.w.N.). Die Angemessenheit der Wohnungsgröße richtet sich demnach nach den Werten, welche die Bundesländer aufgrund § 10 des Gesetzes über die soziale Wohnraumförderung (WoFG) vom 13.09.2001 bzw. aufgrund des § 5 Abs. 2 Wohnungsbindungsgesetz (WoBindG) in der bis zum 31. Dezember 2001 geltenden Fassung (Urteil vom 20.08.2009 - B 14 AS 41/08 R = juris Rn 15 m.w.N.) erlassen haben, wobei auf die im jeweiligen streitgegenständlichen Zeitraum gültigen Verwaltungsvorschriften abzustellen ist (vgl. BSG Urteile vom 22.09.2009 - B 4 AS 70/08 R = juris Rn. 15 und vom 02.07.2009 - B 14 AS 33/08 R = juris Rn 15). Die danach maßgeblichen landesrechtlichen Ausführungsbestimmungen zu § 10 WoFG, die zur Bestimmung der Angemessenheitsgrenze nach § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II im Land Nordrhein-Westfalen heranzuziehen sind (vgl. hierzu BSG Urteil vom 17.12.2009 - B 4 AS 27/09 R = juris Rn 16), nämlich Nr. 5.7 der VV-WoBindG, sind nach dem Übergang der Gesetzgebungskompetenz für den sozialen Wohnungsbau vom Bund auf die Bundesländer - wie auch das WoFG - mit Wirkung zum 31.12.2009 außer Kraft getreten. Nr. 19 Satz 2 der WNB (MBl. NRW 2010, 1), die zum Vollzug der Teile 4 bis 6 des am 01.01.2010 in Kraft getretenen WFNG NRW vom 08.12.2009 (GV NRW 2009, 772) erlassen worden sind, ordnet an, dass die VV-WoBindG mit Ausnahme der Nrn. 8 bis 8b.3 und 22 und der Anlage mit Ablauf des 31.12.2009 außer Kraft treten. Für die Belegung von gefördertem Wohnraum (vgl. § 18 WFNG NRW, der Nachfolgevorschrift zu § 27 WoFG ist (vgl. LT-Drs. 14/9394 S. 96)) sind ab dem 01.01.2010 die in Nr. 8. 2 der WNB, welche die Regelung der Nr. 5.7 VV-WoBindG ersetzt, angesetzten Werte der Wohnflächen maßgeblich. Nr. 8.2 der WNB weist im Vergleich zu Werten nach Nr. 5.7 VV-WoBindG höhere Werte aus. Als angemessene Wohnfläche für einen 1-Personen-Haushalt sieht Nr. 8.2 der WNB anstelle von bisher 45 qm eine Wohnfläche von 50 qm vor.

Zur Überzeugung des Senats verbleibt es bei dem Grundsatz, dass für die Ermittlung der Angemessenheitsgrenzen i.S.d. § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II jeweils auf die im streitigen Zeitraum maßgebenden Verwaltungsvorschriften des Landes für die Belegung von gefördertem Wohnraum, in Nordrhein-Westfalen Nr. 8.2. der WNB, abzustellen ist. Dem Senat sind keine anderweitigen Erkenntnisquellen zur Bestimmung der angemessenen Wohnraumgröße im unteren Segment des Wohnungsmarktes ersichtlich. Zwar hat der Gesetzgeber im Gesetzgebungsverfahren zum neu eingeführten § 22b SGB II (Gesetz vom 24.03.2011, BGBl. I, 453) ausführt, dass in Ballungsräumen in der Regel davon ausgegangen werden kann, dass die von Personen im Niedrigeinkommensbereich bewohnten Wohnungen durchschnittlich kleiner als die Werte der aktuell maßgebenden Regelung der Wohnungsbauförderung sind (BT-Drs. 17/3404 S. 101). Jedoch sind die Erkenntnisquellen, auf die sich der Bundesgesetzgeber dabei stützt, weder aus der Bundestagsdrucksache noch aus anderen dem Senat zur Verfügung stehenden Unterlagen ersichtlich. Auch handelt es sich beim räumlichen Zuständigkeitsbereich des Beklagen, dem Gebiet des Kreises I bzw. der Stadt I nicht um einen Ballungsraum (siehe hierzu das Kreisportrait in www.kreis-I.de./kreisportrait). Soweit im Kommunalprofil der Stadt I 2010 (www.nrwbank.de./wohnraumportal/service/kommunalprofile/ regierungsbezirk koeln/kreis I/I.pdf) als durchschnittliche Wohnfläche je Einwohner im Jahr 2009 am Wohnort des Klägers, der Stadt I, ein Wert von 45,1 qm angegeben wird, der höher als die durchschnittliche Wohnfläche pro Einwohner im Land Nordrhein-Westfalen (etwas mehr als 40 qm) ist, resultiert dieser aus der Gesamtwohnfläche der Stadt I, geteilt durch deren Einwohnerzahl. Er lässt keinen Rückschluss zu auf die durchschnittliche Größe einer Wohnung, die Einwohner im Niedrigeinkommensbereich, gestaffelt nach Haushaltsgrößen, bewohnen. Auch aus dem Vortrag der Beteiligten ergeben sich keine weiteren Erkenntnisquellen hinsichtlich der angemessenen Wohnraumgröße im unteren Segment des Wohnungsmarktes.

Der Senat folgt nicht der vom 9. Senat des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen in der Entscheidung vom 29.04.2010 - L 9 AS 58/08 - in einem obiter dictum geäußerten Rechtsaufassung, dass auch in der Zeit nach dem 01.01.2010 die (außer Kraft getretenen) Verwaltungsvorschriften zum WoBindG zur Bestimmung der angemessenen Wohnfläche für SGB II-Bezieher weiter heranzuziehen seien, weil der Gesetzgeber zum Zeitpunkt der Einführung des SGB II keine sich am Wohnbauförderungsrecht orientierende Dynamisierung beabsichtigt habe. Denn der Gesetzgeber hat es sowohl bei der Einführung des SGB II als auch später - trotz mehrfachen Forderungen seitens der Gerichte der Sozialgerichtsbarkeit - unterlassen, die angemessene Wohnfläche für Bezieher von SGB II-Leistungen konkret festzulegen, sondern die Ausfüllung des Begriffs "angemessene Kosten der Unterkunft" der Rechtsprechung überlassen.

Das BSG hat bei seiner Rechtsprechung, dass auf die Werte nach § 10 WoFG bei der Bestimmung der angemessenen Wohnfläche abzustellen ist, berücksichtigt, dass nicht feststeht, ob der mit der Angemessenheitsprüfung verfolgte Zweck im Rahmen des § 22 SGB II mit den Zwecken des WoFG nebst Ausführungsbestimmungen der Länder weitgehend übereinstimmt. Gleichwohl hat es aus Gründen der Rechtssicherheit und der Praktikabilität es für vertretbar erachtet, auf die auf der Grundlage des § 10 WoFG von den Ländern festgelegten Werte zurückzugreifen (Urteil vom 22.09.2009 - B 4 AS 70/08 R = juris Rn 14 m.w.N.) und dabei jeweils die im streitigen Zeitraum aktuellen Verwaltungsvorschriften für maßgeblich gehalten. Mithin ist das BSG schon von einer Veränderlichkeit der Werte als Folge von Änderungen der maßgeblichen Verwaltungsvorschriften, also auch von einer möglichen Dynamisierung, ausgegangen. Es hat dem Gesichtspunkt der Rechtssicherheit eine überragende Bedeutung beigemessen und eine Heranziehung anderweitiger Verwaltungsregelungen zur Bestimmung der Wohnflächen nur dann für vertretbar angesehen, wenn aktuelle Verwaltungsvorschriften zu § 10 WoFG nicht existieren (Urteil vom 22.09.2009 - B 4 AS 70/08 R = juris Rn 15). Bei der WNB handelt es sich aber um eine Verwaltungsvorschrift zum WFNG NRW, welches das WoFG ab dem 01.01.2010 ersetzt hat. Das BSG hat an die ständige Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG) angeknüpft.

Das BVerwG hat entschieden (Beschluss vom 22.08.1994 - 5 PKH 32/94; Urteil vom 17.11.1994 - 5 C 11/93), dass die Frage nach der sozialhilferechtlich angemessenen Wohnfläche nach den Kriterien der Förderungswürdigkeit im sozialen Wohnungsbau nach den hierfür geltenden Vorschriften beantwortet werden kann und hierbei an die Verwaltungsvorschriften der Länder zu § 5 Abs. 2 WoBindG anzuknüpfen ist. Dies hat es damit begründet, dass eine der Anforderungen an die im sozialen Wohnungsbau zu fördernden Wohnungen darin bestehe, dass diese u.a. nach ihrer Größe für breite Schichten der Bevölkerung bestimmt und geeignet sind. Diese wohnungsbaurechtliche Zielsetzung erlaube es, die auf die Personenzahl abgestimmten Wohnflächen, die für die Erteilung einer Bescheinigung über die Wohnberechtigung in Sozialwohnungen nach § 5 Abs. 2 Satz 1 WoBindG maßgeblich seien, im Regelfall auch als Anhaltspunkte für die Größe des in § 88 Abs. 2 Nr. 7 Bundessozialhilfegesetz geschützten Wohnungseigentums heranzuziehen (Urteil vom 01.10.1992 - 5 C 28/89 = juris Rn 15). Die Ziele der sozialen Wohnraumförderung sind im WFNG NRW nicht geändert geworden. Nach § 2 Abs. 1 WFNG NRW sind Ziele der sozialen Wohnraumförderung u.a. die Schaffung von Wohnraum für Haushalte die sich am Markt nicht angemessen mit Wohnraum versorgen können und auf Unterstützung angewiesen sind (Satz 1 Nr. 1). Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass zum Zeitpunkt der Einführung des SGB II im Bundesgebiet keine einheitlichen Größen für Wohnflächen im Rahmen der Belegung von gefördertem Wohnraum, sondern in den Bundesländern unterschiedliche Werte gegolten haben und noch gelten. Insoweit nimmt der Senat Bezug auf die den Beteiligten zur Verfügung gestellte Übersicht des Deutschen Vereins für öffentliche und private Fürsorge über die landesrechtlichen Regelungen über die maximalen Wohnungsgrößen nach dem WoFG (S. 45f der Empfehlungen zur Angemessenheit der Leistungen für Unterkunft und Heizung im SGB II 2010; Hrsg. Deutschen Verein für öffentliche und private Fürsorge), deren Korrektheit durch Nachfragen des Senats bei den zuständigen Landesministerien bestätigt wurde. Danach beträgt die Spannbreite der angemessenen Wohnfläche für einen 1-Personen-Haushalt 45 qm bis 50 qm (vgl. auch Becker, Grundsicherung für Arbeitssuchende 2.0, ZFSH 2011, 172). Durch die Anhebung des Wertes von 45 qm auf 50 qm im Land Nordrhein-Westfalen ist lediglich eine Anpassung an die in anderen Bundesländern übliche Praxis erfolgt.

2. Als Vergleichsraum ist, wie das Sozialgericht zutreffend festgestellt hat, nicht der räumliche Zuständigkeitsbereich des Beklagten - das Gebiet des Kreises I -, sondern das Stadtgebiet der kreisangehörigen Stadt I heranzuziehen. Ausgangspunkt für die Bestimmung des Vergleichsraumes ist zunächst der Wohnort des Leistungsberechtigten, die Stadt I. Nach der Rechtsprechung des BSG muss es sich bei dem Vergleichsraum im Übrigen um einen ausreichend großen Raum der Wohnbebauung handeln, der auf Grund seiner räumlichen Nähe, seiner Infrastruktur und insbesondere seiner verkehrstechnischen Anbindung einen insgesamt betrachtet homogenen Lebens- und Wohnbereich bildet (vgl. BSG Urteil vom 19.10.2010 - B 14 AS 65/09 R = juris Rn 24 m. w.N.). Es sind hier keine Gesichtspunkte erkennbar, die gegen die Annahme des Sozialgerichts sprechen, dass die Stadt I ein solcher Vergleichsraum ist. Es handelt es um eine kleine Mittelstadt, d.h. um ein Ober- oder Mittelzentrum mit unter 50.000 Einwohner (siehe Kommunalprofil I, Stadt www.it.nrw.de./kommunalprofil/05370016.pdf), mit einer Fläche von 92,18 qkm und 40.722 Einwohnern (siehe www.kreis-I.de./kreisportrait/staedte-und-gemeinden). Für einen homogenen Lebens- und Wohnbereich spricht auch, dass die Stadt I über einen einfachen Mietspiegel nach § 558c BGB verfügt.

Unter Zugrundelegung des Stadtgebietes von I als räumlicher Vergleichsmaßstab kann vorliegend als ein den Wohnungsstandard widerspiegelnder, abstrakt angemessener Quadratmeterpreis ein Betrag von 4,75 EUR/qm angesetzt werden, dessen Angemessenheit zwischen den Beteiligten unstreitig gestellt ist. Der Kläger hat in der mündlichen Verhandlung erklärt, dass er den vom Beklagten angesetzten Quadratmeterpreis als angemessen ansieht.

Mithin ist der Beklagte verpflichtet, von der Grundmiete des Klägers in Höhe von 270,00 EUR einen Betrag von 237,50 EUR zu tragen.

II. Die Betriebskostenvorauszahlung in Höhe von 100,00 EUR mtl. hat der Beklagte in voller Höhe zu übernehmen, da diese angemessen sind. Das Sozialgericht hat vorliegend zutreffend die abstrakt angemessenen Betriebskosten für einen Alleinstehenden mit 100,00 EUR beziffert. Unter Zugrundelegung einer angemessenen Wohnfläche von 50 qm für einen Alleinstehenden und des vom Beklagten angesetzten Wertes von 2,00 EUR/qm, den auch der Kläger als angemessen ansieht, belaufen sich die abstrakt angemessenen Betriebskosten auf 100,00 EUR mtl. (vgl. zum Erfordernis der abstrakten Bestimmung der Betriebskosten: BSG Urteil vom 19.10.2010 - B 14 AS 65/09 R = juris Rn 36). Dies entspricht der Höhe der tatsächlichen Betriebskostenvorauszahlung des Klägers.

III. Der Beklagte hat die Kosten für Heizung zutreffend im Widerspruchsbescheid vom 01.03.201 mit 46,53 EUR mtl. angesetzt. Wegen der zentralen Warmwasserversorgung über die Heizung ist von der Heizkostenvorauszahlung von 53,00 EUR mtl. ein Warmwasserabschlag in Höhe von 6,47 EUR abzuziehen (vgl. zur Berücksichtigung eines Warmwasserabschlags: BSG Urteil vom 19.10.2010 - B 14 AS 65/09 R = juris Rn 38 m.w.N.). Ein Kostensenkungsverfahren hinsichtlich der Heizkosten hat der Beklagte nicht durchgeführt.

Damit belaufen sich die nach § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II übernahmefähigen Kosten für Unterkunft und Heizung auf insgesamt 384,03 EUR mtl. (Grundmiete von 237,50 EUR + Betriebskosten 100,00 EUR + Heizkosten 46,53 EUR). Mithin ist der Beklagte verpflichtet, neben den bewilligten Leistungen nach § 22 SGB II von 350,28 EUR weiter Kosten für Unterkunft und Heizung von 33,75 EUR mtl. zu übernehmen (384,03 EUR - 350,28 EUR).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Die Revision wird nach § 160 Abs. 2 Ziffer 1 SGG zugelassen.
Rechtskraft
Aus
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