S 14 AS 667/10

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
SG Aachen (NRW)
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
14
1. Instanz
SG Aachen (NRW)
Aktenzeichen
S 14 AS 667/10
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Klage wird abgewiesen. Kosten sind nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten um die Höhe der Grundsicherungsleistungen im Zeitraum vom 22.12.2009 bis 31.05.2010.

Der 61-jährige Kläger ist seit Juni 2009 verheiratet. Seine Ehefrau lebte bei ihren Eltern in H und befand sich im Studium, dabei hatte sie keine eigenen Einkünfte. Im November 2009 beantragte der Kläger beim Beklagten erstmals Leistungen der Grundsicherung nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch – Grundsicherung für Arbeitsuchende (SGB II). Er bewohnte alleine ein ca. 21 qm großes Appartement in B zu einer Grundmiete von 240,00 Euro zzgl. 40,00 Euro für Strom. Außerdem verfügte er über ein Sparbuch mit einer Einlage von 9.000,00 Euro, was er bei Antragstellung so angab.

Mit Bescheid vom 25.01.2010 bewilligte der Beklagte dem Kläger Leistungen für den Zeitraum vom 22.12.2009 bis 31.05.2010, dies vorläufig wegen noch nicht bekannter Einnahmen aus Zinsen auf die Spareinlage. Dabei wurde die Regelleistung in Höhe von 323,00 Euro gewährt, außerdem Unterkunftskosten in Höhe von 100,00 Euro. Der andere Anteil der Unterkunftskosten entfalle auf die Ehefrau, die aber dem Grunde nach nicht leistungsberechtigt sei, weil sie studiere. Hiergegen legte der Kläger am 24.02.2010 Widerspruch ein. Der Beklagte erließ am 23.03.2009 einen Änderungsbescheid, in dem die Leistungen für den Zeitraum 22.12.2009 bis 31.05.2010 ebenfalls vorläufig neu festgesetzt wurden, dabei wurden die Unterkunftskosten mit 120,00 Euro berücksichtigt.

Ende März 2010 teilte der Kläger dem Beklagten das zum 31.12.2009 gutgeschriebene Zinseinkommen aus der Spareinlage mit, das 273,47 Euro für das Jahr 2009 betrug.

Mit Widerspruchsbescheid vom 18.05.2010 wurde der Widerspruch gegen den Bescheid vom 25.01.2010 unter Einbeziehung des Bescheids vom 23.03.2010 zurückgewiesen.

Mit Bescheid vom 28.05.2010 setzte der Beklagte die Leistungen für den Zeitraum 22.12.2009 bis 31.05.2010 endgültig fest, dabei wurden die Zinseinkünfte auf den Monat Januar unter Abzug der Versicherungspauschale von 30,00 Euro und der KfZ-Versicherung angerechnet, ansonsten verblieb es bei den bisherigen Festsetzungen. Hiergegen legte der Kläger am 04.06.2010 Widerspruch ein, der mit Widerspruchsbescheid vom 17.06.2010 zurückgewiesen wurde.

Ebenfalls am 17.06.2010 hat der Kläger Klage gegen den Widerspruchsbescheid vom 18.05.2010 erhoben.

Der Kläger ist der Auffassung, ihm seien die vollen Regelleistungen für einen Alleinstehenden in Höhe von 359,00 Euro zu gewähren ebenso wie die vollen Kosten der allein genutzten Unterkunft. Außerdem seien von den Zinseinnahmen die Krankenversicherungsbeiträge seiner Ehefrau abzuziehen, die er getragen habe, im Übrigen seien die Zinseinnahmen auf einen angemessenen Zeitraum von mindestens sechs Monaten zu verteilen.

Das Schreiben des Klägers vom 18.07.2010, eingegangen bei Gericht am 19.07.2010, hat das Gericht als Klage gegen den Widerspruchsbescheid vom 17.06.2010 ausgelegt und als Verfahren S 14 AS 878/10 eingetragen. Die Klage in diesem Verfahren hat der Kläger im Termin zur mündlichen Verhandlung zurückgenommen.

Ebenfalls im Termin zur mündlichen Verhandlung hat der Beklagte ein Teilanerkenntnis abgegeben und insoweit Kosten der Unterkunft in Höhe von monatlich 240,00 Euro für den Zeitraum vom 22.12.2009 bis 31.05.2010 anerkannt. Dieses Teilanerkenntnis hat der Kläger angenommen.

Der Kläger beantragt unbeschadet dieses Teilanerkenntnisses,

den Beklagten unter Abänderung des Bescheids vom 25.01.2010 in Gestalt des Änderungsbescheids vom 23.03.2010, dieser in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 18.05.2010 und des weiteren Bescheids vom 28.05.2010 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 17.06.2010 zu verurteilen, dem Kläger Leistungen der Grundsicherung nach dem SGB II in gesetzlicher Höhe für den Zeitraum vom 22.12.2009 bis 31.05.2010 zu gewähren.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Der Beklagte bezieht sich im Wesentlichen auf die tragenden Gründe der angefochtenen Bewilligungs- und Widerspruchsbescheide.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der zwischen den Beteiligten gewechselten Schriftsätze und den sonstigen Inhalt der Gerichtsakte, den Inhalt der Gerichtsakte zum Verfahren S 14 AS 878/10 sowie auf die beigezogene Verwaltungsakte Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Streitgegenstand ist der Bewilligungsbescheid vom 25.01.2010 in Gestalt des Änderungsbescheids vom 23.03.2010, dieser in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 18.05.2010, sowie gemäß § 86 SGG der weitere Bescheid vom 28.05.2010 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 17.06.2010, denn diese Bescheide verhalten sich durch die endgültige Festsetzung exakt zum selben Zeitraum 22.12.2009 bis 31.05.2010 und ersetzen insoweit den Bescheid vom 23.03.2010.

Die zulässige Klage ist unbegründet. Nachdem der Kläger das Teilanerkenntnis des Beklagten angenommen hat und ihm nunmehr Unterkunftskosten in Höhe von 240,00 Euro monatlich gewährt wurden, ist der Kläger durch die angefochtenen Entscheidungen nicht im Sinne von § 54 Abs. 2 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) beschwert, da diese rechtmäßig sind.

1.

Die Regelleistung ist nach § 20 Abs. 1 bis 3 SGB II der Höhe nach rechtmäßig festgesetzt. Nach § 20 Abs. 3 SGB II beträgt die Regelleistung für zwei Partner der Bedarfsgemeinschaft, die das 18. Lebensjahr vollendet haben, jeweils 90 vom Hundert der Regelleistung nach Absatz 2. Hiernach sind dem Kläger zutreffend Leistungen in Höhe von 90 vom Hundert der (fortgeschriebenen) Regelleistung nach Abs. 1, 2 bewilligt worden.

Der Kläger und seine Ehefrau bildeten nämlich bereits im streitgegenständlichen Zeitraum eine Bedarfsgemeinschaft. Zur Bedarfsgemeinschaft gehört als Partner der erwerbsfähigen Hilfebedürftigen u. a. der nicht dauernd getrennt lebende Ehegatte (§ 7 Abs. 3 Nr. 3a SGB II). Der Kläger und seine Ehefrau haben unstreitig nicht im Sinne des § 7 Abs. 3 Nr. 3a SGB II dauernd getrennt gelebt, denn neben einer räumlichen Trennung setzt dies einen Trennungswillen voraus, insbesondere den nach außen erkennbaren Willen eines Ehegatten, die häusliche Gemeinschaft nicht herstellen zu wollen, weil er die eheliche Gemeinschaft ablehnt (ausführlich: Bundessozialgericht, Urteil vom 18.02.2010, Az. B 4 AS 49/09 R m. w. N.). Dieser Wille lag beim Kläger bzw. seiner Ehefrau unstreitig nicht vor. Die Regelung des § 20 Abs. 3 SGB II ist damit nach dem eindeutigen Wortlaut anwendbar.

Von dieser eindeutigen Regelung sind auch keine Ausnahmen erkennbar. Dass der Kläger und seine Ehefrau nicht gemeinsam in einer Wohnung wohnten und die Ehefrau zudem mangels Antragstellung keine Leistungen nach dem SGB II erhielt, ist nach Auffassung der Kammer insofern unerheblich. Unerheblich ist auch, ob die Ehefrau von Leistungen nach dem SGB II gemäß § 7 Abs. 5 SGB II ausgeschlossen war. Erfasst sind von § 20 Abs. 3 SGB II nämlich alle Partnerschaften i.S.d. § 7 Abs. 3 Nr. 3 SGB II, bei denen beide Partner volljährig sind (BT-Drucksache 15/1516 S. 56, vgl. Behrend in: jurisPK-SGB II, 2. Auflage 2007, § 20 Rn. 26). So liegt der Fall aber hier. Eine Regelungslücke ist nicht anzunehmen, da der Gesetzgeber in § 20 SGB II zwingende Regelsätze u. a. eben für Mitglieder einer Bedarfsgemeinschaft festgelegt und gleichzeitig mit § 7 Abs. 1 Satz 2, Abs. 4, Abs. 4a und 5 SGB II diverse Leistungsausschlüsse kodifiziert hat, ohne für diese Fälle ausdrücklich eine abweichende Bemessung der Regelsätze vorzusehen (Landessozialgericht Berlin-Brandenburg, Urteil vom 02.12.2010, Az. L 20 AS 2022/09; a. A. für den Fall einer gemischten Bedarfsgemeinschaft aus SGB-II Bezieher und Berechtigtem nach dem Asylbewerberleistungsgesetz: Landessozialgericht Berlin Brandenburg, Urteil vom 14.04.2009, Az. L 10 AS 1228/09). Besteht die Bedarfsgemeinschaft – wie hier - aus mehreren Mitgliedern, richtet sich der Bedarf nach den einschlägigen Regelungen der §§ 19 ff. SGB II, und zwar auch dann, wenn ein Mitglied der Bedarfsgemeinschaft vom Leistungsbezug nach dem SGB II ausgeschlossen ist (vgl. Bundessozialgericht, Urteil vom 23. November 2006, Az. B 11b AS 1/06 R; Urteil vom 29.03.2007, Az. B 7b AS 2/06 R). Die Regelung des § 20 Abs. 3 SGB II ist dann entsprechend des eindeutigen Wortlauts aber anzuwenden mit der Folge, dass nur 90 Prozent der Regelleistung eines Alleinstehenden Hilfebedürftigen anzusetzen sind.

2.

Die Höhe der Unterkunftskosten nach § 22 Abs. 1 SGB II ist mit Abgabe des Teilanerkenntnisses ebenfalls zutreffend festgesetzt worden. Der Kläger hat einen Anspruch auf Unterkunftskosten in Höhe von 240,00 Euro pro Monat. Die Anwendung des zunächst vom Beklagten angewandten Kopfteilprinzips war fehlerhaft, weil hierfür nur dann Raum ist, wenn die Wohnung gemeinsam mit anderen Personen genutzt wird (Bundessozialgericht, Urteil vom 19.10.2010, Az. B 14 AS 50/10 R m. w. N.). Dies war aber vorliegend nicht der Fall, der Kläger hat die Wohnung allein bewohnt. Die weiteren laut Mietvertrag geschuldeten 40,00 Euro für Strom kann der Kläger hingegen nicht aus § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II verlangen, da Haushaltsstrom bereits Bestandteil der Regelleistung gemäß § 20 SGB II ist.

3.

Schließlich ist auch das Einkommen aus Zinsgutschrift in Höhe von 273,47 Euro im Januar 2010 zutreffend auf den Leistungsanspruch angerechnet worden.

Einkommen ist dabei alles das, was jemand nach Antragstellung wertmäßig dazu erhält, und Vermögen das, was er vor Antragstellung bereits hatte. Dabei ist grundsätzlich vom tatsächlichen Zufluss auszugehen. Auch Zinsgutschriften aus einem Sparguthaben sind hiernach Einnahmen in Geld im Sinne von § 11 Abs. 1 Satz 1 SGB II und als Einkommen des Hilfebedürftigen zu berücksichtigen, wenn sie ihm zeitlich nach Stellung seines Antrags auf Grundsicherungsleistungen zugeflossen sind (Bundessozialgericht, Urteil vom 30.09.2008, Az. B 4 AS 57/07 R). Dies ergibt sich auch aus § 4 Nr. 3 der Verordnung zur Berechnung von Einkommen sowie zur Nichtberücksichtigung von Einkommen und Vermögen beim Arbeitslosengeld II/Sozialgeld (ALG-II-VO) in der Fassung vom 01.01.2009. Daran ändert sich auch dann nichts, wenn es sich bei der Spareinlage, aus der die Zinsen erwirtschaftet wurden, gemäß § 12 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 und 4 SGB II unter das so genannte Schonvermögen handelt, denn die Zinsen sind als Einkommen gerade nicht dem Vermögen zuzurechenen (vgl. Bundessozialgericht, a. a. O.). Nach diesen Grundsätzen sind die zum 31.12.2009 gutgeschriebenen Zinsen als Einkommen im Sinne des § 11 SGB II zu bewerten.

Die Anrechnung des Einkommens ist auch zutreffend auf den Leistungsanspruch im Monat Januar 2010 erfolgt. Nach § 2 Abs. 4 Satz 1 ALG-II-VO 2009 sind einmalige Einnahmen von dem Monat an zu berücksichtigen, in dem sie zufließen. Nach Satz 2 ist eine Berücksichtigung der Einnahmen ab dem Monat, der auf den Monat des Zuflusses folgt, zulässig, wenn Leistungen für den Monat des Zuflusses bereits erbracht worden sind. Die Zinsen sind im Dezember 2009 gutgeschrieben worden und demnach zugeflossen. Zu diesem Zeitpunkt waren Leistungen für Dezember bereits bewilligt, so dass die Anrechnung im Januar rechtmäßig war.

Eine Verteilung auf einen längeren Zeitraum von mehreren Monaten ist dabei zu Recht nicht vorgenommen worden. Grundsätzlich sind nach § 2 Abs. 4 Satz 3 ALG-II VO 2009 einmalige Einnahmen auf einen angemessenen Zeitraum aufzuteilen und monatlich mit einem entsprechenden Teilbetrag zu berücksichtigen, soweit nicht im Einzelfall eine andere Regelung angezeigt ist. Dieser Regelung liegt aber die Überlegung zugrunde, dass anderenfalls einmalige Einnahmen den Bedarf im Zuflussmonat übersteigen und die Hilfebedürftigkeit entfallen lassen können. Damit entfiele für den Hilfebedürftigen aber in diesem Monat auch die Versicherungspflicht in der Kranken- und Pflegeversicherung mit der Konsequenz, dass er sich freiwillig krankenversichern müsste. Entfällt durch die Berücksichtigung der einmaligen Einnahme die Hilfebedürftigkeit des Leistungsberechtigten und die Leistungspflicht der Arbeitsgemeinschaft jedoch nicht in vollem Umfang und bleibt die Versicherungspflicht in der Kranken- und Pflegeversicherung bestehen, liegt kein Regelfall des § 2 Abs. 4 Satz 3 ALG-II VO 2009 vor (vgl. Bundesozialgericht, a. a. O.). Die Einnahmen des Klägers in Höhe von 273,47 Euro haben den Leistungsanspruch gerade nicht entfallen lassen, so dass die Sozialversicherung weiter bestand. Damit ist eine Aufteilung des Einkommens auf einen längeren Zeitraum zugunsten des Klägers, jedoch zu Ungunsten des Beklagten, vor dem Hintergrund des Zwecks der Anrechnungsvorschrift nicht gerechtfertigt.

Die Anrechnung berücksichtigt außerdem zutreffend die Bereinigung um die Versicherungspauschale in Höhe von 30,00 Euro, § 11 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 a) SGB II i.V.m. § 6 Abs. 1 Nr. 1 ALG-II VO 2009, zudem auch die Kfz-Versicherung des Klägers, § 11 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 b) SGB II. Die vom Kläger offenbar für seine Ehefrau übernommenen Krankenversicherungsbeiträge können dabei nicht mindernd berücksichtigt werden. Insbesondere ist § 11 Ab. 2 Nr. 7 SGB II nicht einschlägig, wonach Mittel, die aufgrund eines titulierten Unterhaltsanspruches oder einer notariellen Unterhaltsvereinbarung an Dritte gezahlt werden, vom Einkommen des Leistungsberechtigten abzuziehen sind, da sie dem Betroffenen nicht zum Bestreiten seines Lebensunterhalts zur Verfügung stehen. Es besteht nämlich keine titulierte Unterhaltspflicht. Eine freiwillige, nicht titulierte Zahlung von Unterhalt ist nach dem Wortlaut der Norm auch bei bestehender gesetzlicher Pflicht nicht absetzbar (Mecke in: Eicher/Spellbrink, SGB II, 2. Auflage 2008, § 11 Rn. 128). Außerdem würden anderenfalls der Ehefrau des Klägers, die Leistungen weder beantragt, noch erhalten hat, auf mittelbarem Wege doch durch die Allgemeinheit finanzierte Leistungen zugutekommen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Die Berufung ist nicht zulässig, da die Berufungssumme von 750,00 Euro (§ 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG) nicht erreicht wird. Streitig ist die Differenz zwischen der Regelleistung von 359 Euro und 323 Euro für den Zeitraum vom 22.12.2009 bis 31.05.2010 (36: 30 x 8 plus 36 x 5 =) 189,60 und die Anrechnung von Einkommen in Höhe von 273,47 Euro, insgesamt 463,07 Euro.
Rechtskraft
Aus
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