L 7 AS 771/11 B PKH

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
7
1. Instanz
SG Landshut (FSB)
Aktenzeichen
S 13 AS 208/10
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 7 AS 771/11 B PKH
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Leitsätze
Prozesskostenhilfe wegen Verfassungswidrigkeit der Regelleistung bis 2010
Die Erfolgsaussicht nach § 114 ZPO bezieht sich auf die konkrete Rechtsverfolgung.
Wenn in einer Klage höhere Leistungen und eine Fehlerhaftigkeit der Kostenentscheidung im Vorverfahren nach § 63 SGB X geltend gemacht wird, aber keine Erfolgsaussicht für höhere Leistungen besteht, ist zu prüfen, ob allein ein Fehler der Kostenentscheidung im Vorverfahren zu einem Erfolg der Klage führen kann. Dies ist in der Regel zu verneinen, weil für die einheitliche Kostenentscheidung des Gerichts nach § 193 SGG das Vorverfahren nur einen Teil ausmacht, die Regelleistung nur neben anderen Punkten geltend gemacht wurde und die vom BVerfG festgestellte Verfassungswidrigkeit im Verhältnis zu einem Anspruch auf eine höhere Regelleistung ein Weniger ist.
Die Beschwerde gegen den Beschluss des Sozialgerichts München
vom 24. August 2011 wird zurückgewiesen.



Gründe:


I.

Streitig ist, ob Prozesskostenhilfe zu gewähren ist, weil die notwendige Erfolgsaussicht für eine Klage auf höhere Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) bereits deswegen zu bejahen ist, weil das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) die Verfassungswidrigkeit der Regelleistungen festgestellt hat.

Die Kläger und Beschwerdeführer erhoben durch ihren Bevollmächtigten gegen den Änderungsbescheid vom 04.11.2009 (Erhöhung der gewährten laufenden Leistung wegen Wegfall von Einkommen) Widerspruch. Die Kosten der Unterkunft seien nicht vollständig gewährt worden, die Pauschale für Warmwasser dürfe nicht abgezogen werden, die Versicherungspauschale von 30,- Euro sei zu gewähren auch wenn kein Einkommen erzielt werde und die Regelleistung sei verfassungswidrig.

Mit Widerspruchsbescheid vom 08.02.2010 wurde der Widerspruch als unzulässig verworfen, da der Änderungsbescheid zur Regelleistung keine Regelung treffe. Im Übrigen sei der Widerspruch unbegründet. Die Aufwendungen des Widerspruchsverfahrens seien nicht zu erstatten.

Die Kläger erhoben am 09.03.2010 Klage mit der Begründung, es seien höhere Unterkunftskosten zu übernehmen, die Warmwasserpauschale dürfe nicht abgezogen wurden und die Kostenentscheidung im Widerspruchsbescheid sei falsch, da die Regelleistung verfassungswidrig sei. Die Kläger beantragten im März 2010 Prozesskostenhilfe und erklärten im September 2010 Rechtsstreit für erledigt.

Das Sozialgericht lehnte mit Beschluss vom 24.08.2011 die Gewährung von Prozesskostenhilfe ab. Es habe keine Erfolgsaussicht bestanden. Die Warmwasserkosten habe das BSG geklärt, das Bundesverfassungsgericht die Höhe der Regelleistung. Auch die Kostenentscheidung im Widerspruchsbescheid sei deshalb zutreffend.

Am 23.09.2011 haben die Kläger Beschwerde gegen den Beschluss des Sozialgerichts eingelegt. Mit der Klage sei nicht die Höhe der Regelleistung, sondern die Kostentragungspflicht im Vorverfahren gerügt worden. Hierzu habe das Bundesverfassungsgericht am 09.02.2010 (dort Rn. 219) entschieden, dass die Verfassungswidrigkeit bei den Kostenentscheidungen zu Gunsten der Hilfebedürftigen angemessen zu berücksichtigen sei, soweit dies die gesetzlichen Regelungen ermöglichen.

II.

Die Beschwerde ist zulässig, insbesondere form- und fristgerecht erhoben (§ 173 Sozialgerichtsgesetz - SGG). Die Beschwerde ist jedoch unbegründet, weil das Sozialgericht den Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe zu Recht wegen mangelnder Erfolgsaussicht abgelehnt hat.

Prozesskostenhilfe ist nach § 73 a Abs. 1 SGG i.V.m. § 114 Zivilprozessordnung (ZPO) einem Kläger bzw. Antragsteller zu gewähren, der nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichend Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint.

Die Erfolgsaussicht bezieht sich demnach auf die konkrete Rechtsverfolgung. In der Hauptsache der Klage bestanden keine Erfolgsaussichten. Die von den Klägern in der Sache aufgeworfenen Fragen waren schon vor Klageerhebung abschlägig geklärt. Auch dass im strittigen Zeitraum keine höhere Regelleistung gefordert werden konnte, war bereits vor der Erhebung der Klage mit dem Urteil des BVerfG vom 09.02.2010, 1 BvL 1/09, klargestellt worden. Aus diesem Grund haben die Kläger die Klage dann auch für erledigt erklärt.

Somit beschränkt sich die noch mögliche Erfolgsaussicht der Klage auf eine gerichtliche Kontrolle der Kostenentscheidung zum Vorverfahren wegen der Verfassungswidrigkeit der Regelleistung.

Weil keine Klage vorliegt, die sich isoliert gegen die Kostenentscheidung zum Vorverfahren nach § 63 SGB X richtet, kann diese gerügte Kostenentscheidung nur mehr im Rahmen der Kostenentscheidung des Gerichts nach § 193 SGG eine Rolle spielen. Nach ständiger Rechtsprechung umfasst die gerichtliche Kostenentscheidung auch die Kostenentscheidung für das Vorverfahren (Grundsatz der Einheitlichkeit der Kostenentscheidung, vgl. Meyer-Ladewig, Sozialgerichtsgesetz, 9. Auflage 2008, § 193 Rn. 2).

Die Verfassungswidrigkeit der Regelleistung konnte nur noch als so geringfügiger Bruchteil geltend gemacht werden, dass er in der Kostenentscheidung des Gerichts keine Kostenbelastung des Beklagten rechtfertigen konnte. Deshalb bestand keine Erfolgsaussicht für die Klage. Es kann hier offen bleiben, ob die Erfolgsaussicht der Rechtsverfolgung nach § 114 Satz 1 ZPO sich nicht von vornherein nur auf den Erfolg in der Hauptsache der Klage bezieht.

Die Kostenentscheidung nach § 193 SGG trifft das Gericht nach sachgerechtem Ermessen. Dabei ist vor allem das Erfolgsprinzip (mutmaßlicher Ausgang des Verfahrens in der Hauptsache) heranzuziehen. Daneben sind sonstige kostenrechtliche Aspekte, insbesondere die Veranlassung von Verfahrenskosten (Veranlassungsprinzip) heranzuziehen (vgl. Meyer-Ladewig, Sozialgerichtsgesetz, 9. Auflage 2008, § 193 Rn. 12 ff).

Zum ersten wurde - vom BVerfG - keine höhere Regelleistung zugesprochen. Nach dem Erfolgsprinzip, das auch nach § 63 Abs. 1 Satz 1 SGB X gilt, könnte für die bloße Verfassungswidrigkeit nur ein Bruchteil der Erfolgsquote ausgewiesen werden. Dieser Bruchteil wird zweitens dadurch gemindert, dass die Rechtswidrigkeit der Regelleistung nur einer von mehreren Punkten war, die im Vorverfahren erfolglos geltend gemacht wurden. Der Bruchteil wird drittens weiter gemindert, weil die Kosten des Vorverfahrens in der einheitlichen Kostenentscheidung des Gerichts lediglich einen Anteil ausmachen.

Auch das Veranlassungsprinzip kann dem Beklagten nicht zur Last gelegt werden. Im Vorverfahren wurden neben der Regelleistung weitere Punkte geltend gemacht, so dass ein Ruhen wegen der Regelleistung das Vorverfahren nicht zum Stillstand gebracht hätte. Eine Veranlassung zur Klage bestand wegen der Regelleistung nicht mehr, weil das BVerfG darüber bereits zuvor entschieden hatte.

Eine Kostenentscheidung unterbleibt im Beschwerdeverfahren gemäß § 73a SGG in Verbindung mit § 127 Abs. 4 ZPO.
Rechtskraft
Aus
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