L 5 AS 2157/11 B ER

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
5
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 109 AS 29036/11 ER
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 5 AS 2157/11 B ER
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Leitsätze
Gegen den Leistungsausschluss nach § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II bestehen keine europarechtlichen Bedenken, soweit Regelbedarfe betroffen sind.
Die Beschwerden der Antragsteller gegen die Ablehnung ihrer Anträge auf einstweiligen Rechtsschutz und auf Prozesskostenhilfe durch den Beschluss des Sozialgerichts Berlin vom 22. November 2011 werden zurückgewiesen. Die Kosten der Beschwerdeverfahren werden nicht erstattet.

Gründe:

Die am 5. Dezember 2011 eingegangenen Beschwerden der Antragsteller gegen die Ablehnung ihrer Anträge auf einstweiligen Rechtsschutz und auf Prozesskostenhilfe durch den Beschluss des Sozialgerichts Berlin vom 22. November 2011 haben keinen Erfolg.

Zu Recht hat das Sozialgericht das Begehren der Antragsteller abgelehnt, ihnen für die Zeit vom 3. November 2011 bis zum 31. Dezember 2011 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buch des Sozialgesetzbuches (SGB II) in Höhe der Regelbedarfe zu gewähren. Die polnischen Antragsteller, eine alleinerziehende Mutter und ihre beiden minder-jährigen Kinder, denen für ihre Unterkunft nach eigenen Angaben keine Kosten entstehen, ha-ben weder einen Anordnungsanspruch noch einen Anordnungsgrund mit der für eine Vorwegnahme der Hauptsache erforderlichen hohen Wahrscheinlichkeit glaubhaft gemacht (§§ 86b Abs. 2 des Sozialgerichtsgesetzes [SGG], 920 Abs. 2 der Zivilprozessordnung [ZPO]).

Ein Anordnungsanspruch aus den §§ 7 Abs. 1 Satz 1, 19 Abs. 1, 20 Abs. 2, 77 Abs. 4 SGB II in der seit dem 1. Januar 2011 geltenden Fassung des Gesetzes zur Ermittlung von Regelbedar-fen und zur Änderung des Zweiten und Zwölften Buches des Sozialgesetzbuches vom 24. März 2011 (BGBl. I S. 453) scheitert bereits daran, dass die Antragsteller dem Leistungsausschluss nach § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II unterliegen. Danach sind Ausländerinnen und Ausländer, deren Aufenthaltsrecht sich allein aus dem Zweck der Arbeitsuche ergibt, und ihre Familienan-gehörigen ausgenommen. Diese Voraussetzungen sind erfüllt. Als Unionsbürgerin darf sich die erwerbsfähige Antragstellerin zu 1) gemäß § 2 Abs. 2 Nr. 1 des Gesetzes über die allgemeine Freizügigkeit von Unionsbürgern (FreizügG/EU) zum Zwecke der Arbeitsuche in Deutschland aufhalten. Es bestehen keine Anhaltspunkte dafür, dass sie über ein anderes Aufenthaltsrecht verfügt. Weder geht sie einer selbständigen oder unselbständigen Erwerbstätigkeit nach, noch nimmt sie an einer Berufausbildung teil (§ 2 Abs. 2 Nr. 1 und Nr. 2 FreizügG/EU). Ebenso wenig bestehen Hinweise darauf, dass sie als Empfängerin oder Erbringerin von Dienstleistungen aufenthaltsberechtigt ist (§ 2 Abs. 2 Nr. 3 und Nr. 4 FreizügG/EU). Sie hat auch kein fort-wirkendes Aufenthaltsrecht wegen einer früheren Erwerbstätigkeit (§ 2 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 FreizügG/EU). Die Antragsteller sind nach eigenen Angaben erst im April 2011 nach Deutsch-land gekommen, ohne dass die Antragstellerin zu 1) seither einer Erwerbstätigkeit nachgegangen ist. Wegen des erst kurzzeitigen Aufenthalts in Deutschland besteht auch kein Dauerauf-enthaltsrecht (§ 2 Abs. 2 Nr. 7, 4a FreizügG/EU). Ist somit die Antragstellerin zu 1) von den Leistungen ausgeschlossen, so gilt das gemäß § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II auch für ihre Kinder.

Die Regelung des § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II ist nicht wegen des Gleichbehandlungsgebots aus Art. 1 des Europäischen Fürsorgeabkommens (EFA) vom 11. Dezember 1953 (BGBl II 1956, S. 564) unanwendbar (vgl. hierzu Bundessozialgericht, Urteil vom 19. Oktober 2010, B 14 AS 23/10 R). Abgesehen davon, dass dieses Abkommen von Polen nicht ratifiziert worden ist, findet § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II weiterhin Anwendung, nachdem die Bundesregierung gemäß Art. 16 Buchst. b) EFA mit Wirkung ab dem 19. Dezember 2011 einen entsprechenden Vorbehalt notifiziert hat (vgl. Bundesagentur für Arbeit, Geschäftsanweisung SGB II Nr. 8 vom 23. Februar 2012, www.arbeitsagentur.de).

Der Leistungsausschluss des § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II verstößt auch nicht gegen das Recht der Europäischen Union. Vielmehr beruht er, soweit im vorliegenden Verfahren Regel-bedarfe zur Sicherung des Lebensunterhalts begehrt werden (ebenso zu den Regelleistungen: Landessozialgericht Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 8. Juni 2009, L 34 AS 790/09 B ER; zum Arbeitslosengeld II: Oberverwaltungsgericht Bremen, Beschluss vom 15. November 2007, S 2 B 426/07) auf Art. 24 Abs. 2 der Richtlinie 2004/38/EG vom 29. April 2004 über das Recht der Unionsbürger und ihrer Familienangehörigen, sich im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten frei zu bewegen und aufzuhalten (ABl. L 158 S. 77, 112). Auf diese europarechtliche Bestimmung hat der Bundesgesetzgeber die Ausschlussregelung des § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II ausdrücklich gestützt (BT-Drucksache 16/688, S. 13). Nach Art. 24 Abs. 2 Richtlinie 2004/38/EG ist der Aufnahmemitgliedstaat nicht verpflichtet, anderen Personen als Arbeit-nehmern oder Selbständigen, Personen, denen dieser Status erhalten bleibt, und ihren Familienangehörigen während der ersten drei Monate des Aufenthalts oder gegebenenfalls während des längeren Zeitraums nach Artikel 14 Absatz 4 Buchstabe b) Richtlinie 2004/38/EG einen Anspruch auf Sozialhilfe oder vor Erwerb des Rechts auf Daueraufenthalt Studienbeihilfen, einschließlich Beihilfen zur Berufsausbildung, in Form eines Stipendiums oder Studiendarle-hens zu gewähren. Art. 14 Abs. 4 Buchstabe b) der Richtlinie bestimmt, dass auf keinen Fall eine Ausweisung verfügt werden darf, wenn die Unionsbürger in das Hoheitsgebiet des Auf-nahmemitgliedstaats eingereist sind, um Arbeit zu suchen. In diesem Fall dürfen die Unions-bürger und ihre Familienangehörigen nicht ausgewiesen werden, solange die Unionsbürger nachweisen können, dass sie weiterhin Arbeit suchen und dass sie eine begründete Aussicht haben, eingestellt zu werden. Damit dürfen die Mitgliedstaaten einem Unionsbürger die Sozialhilfe versagen, wenn er zum Zwecke der Arbeitsuche eingereist ist. Die Frage, welche Leistungen unter den Begriff der Sozialhilfe im Sinne des Art. 24 Abs. 2 Richtlinie 2004/38/EG fallen, ist nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes, der in einem Vorabentscheidungsverfahren über die Vereinbarkeit von § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II mit dem Recht der Europäischen Union zu entscheiden hatte, im Einklang mit dem Gleichbehandlungsanspruch im Rahmen der Arbeitnehmerfreizügigkeit aus Art. 39 Abs. 2 des Vertrages zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft (EGV) zu beantworten. Dieser umfasst die Abschaffung jeder auf der Staatsangehörigkeit beruhenden unterschiedlichen Behandlung der Arbeitnehmer der Mitgliedstaaten in Bezug auf Beschäftigung, Entlohnung und sons-tige Arbeitsbedingungen. Vor dem Hintergrund dieses Gleichbehandlungsgrundsatzes ist es nicht möglich, Staatsangehörige eines Mitgliedstaates, die in einem anderen Mitgliedstaat eine Beschäftigung suchen, von finanziellen Leistungen auszunehmen, sofern diese den Zugang zum Arbeitsmarkt des Mitgliedstaates erleichtern sollen. Jedoch ist es legitim, dass ein Mitgliedstaat solche Leistungen erst gewährt, nachdem das Bestehen einer tatsächlichen Verbindung des Arbeitsuchenden mit dem Arbeitsmarkt dieses Staates festgestellt wurde. Es ist Sache der zuständigen nationalen Behörden und gegebenenfalls der innerstaatlichen Gerichte, nicht nur das Vorliegen einer tatsächlichen Verbindung mit dem Arbeitsmarkt festzustellen, sondern auch die grundlegenden Merkmale dieser Leistung zu prüfen, insbesondere ihren Zweck und die Voraussetzungen ihrer Gewährung. Der Zweck der Leistung ist nach Maßgabe ihrer Ergebnisse und nicht anhand ihrer formalen Struktur zu untersuchen. Finanzielle Leistungen, die unabhängig von ihrer Einstufung nach nationalem Recht den Zugang zum Arbeitsmarkt erleichtern sollen, können somit nicht als Sozialhilfeleistungen angesehen werden (Urteil vom 4. Juni 2009, C 22/08, C 23/08, Vatsouras, Koupatantze).

Unter Berücksichtigung dieser Gesichtspunkte handelt es sich bei den im vorliegenden Verfahren begehrten Regelbedarfen um Sozialhilfeleistungen im Sinne des Art. 24 Abs. 2 Richtlinie 2004/38/EG. Diese Leistungen haben nämlich nicht den Zweck, den Zugang zum Arbeitsmarkt zu erleichtern, sondern die Existenzsicherung zu gewährleisten. Zwar soll die Grundsicherung für Arbeitsuchende nach § 1 Abs. 2 Satz 2 SGB II erwerbsfähige Leistungsberechtigte auch bei der Aufnahme oder Beibehaltung einer Erwerbstätigkeit unterstützen. Dass diese Zielsetzung jedoch nicht für alle Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende zutrifft, zeigt bereits die in § 1 Abs. 3 SGB II vorgenommene Unterscheidung zwischen Leistungen zur Beendigung oder Verringerung der Hilfebedürftigkeit, insbesondere durch Eingliederung in Arbeit (Nr. 1) und solchen zur Sicherung des Lebensunterhalts (Nr. 2). Letztere beinhalten auch die Regelbedarfe zur Sicherung des Lebensunterhalts, die nach dem Wortlaut des § 20 Abs. 1 Satz 1 und Satz 2 SGB II insbesondere Ernährung, Kleidung, Körperpflege, Hausrat, Haushaltsenergie ohne die auf die Heizung und Erzeugung von Warmwasser entfallenden Anteile sowie persönliche Bedürfnisse des täglichen Lebens umfassen, wobei zu den persönlichen Bedürfnissen des täglichen Lebens in vertretbarem Umfang eine Teilhabe am sozialen und kulturellen Leben in der Gemeinschaft gehört. Die Regelbedarfe haben demnach rechtlich keinen Bezug zur Eingliederung in den Arbeitsmarkt. Sie sind auch faktisch grundsätzlich nicht geeignet, einen Beitrag hierzu zu leisten, da sie als Pauschalleistungen gewährt werden und der Hilfebedürftige damit seinen Lebensunterhalt mit Ausnahme der Aufwendungen für Unterkunft und Heizung bestreiten muss. Zur Eingliederung in den Arbeitsmarkt sieht das Recht der Grundsicherung für Arbeitsuchende vielmehr in den §§ 16 ff. SGB II weitere Leistungen vor, die vom Leistungs-träger gesondert gewährt werden.

Die Ausschlussregelung des § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II verstößt auch nicht gegen die seit dem 1. Mai 2010 anwendbare Verordnung (EG) Nr. 883/2004 zur Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit (VO 883/2004) vom 29. April 2004 (zweifelnd Landessozialgericht Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 30. September 2011, L 14 AS 1148/11 B ER; Beschluss vom 30. November 2010, L 34 AS 1501/10 B ER; Landessozialgericht Sachsen-Anhalt, Be-schluss vom 14. November 2011, L 5 AS 406/11 B ER; Landessozialgericht Baden-Württemberg, Beschluss vom 24. Oktober 2011, L 12 AS 3938/11 ER-B; Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 11. August 2011, L 15 AS 188/11 B ER; Hessisches Landessozialgericht, Beschluss vom 14. Juli 2011, L 7 AS 107/11 B ER). Nach Art. 4 VO 883/2004 haben Personen, für die diese Verordnung gilt, die gleichen Rechte und Pflichten aufgrund der Rechtsvorschriften eines Mitgliedstaats wie die Staatsangehörigen dieses Staates. Der persönliche Geltungsbereich der Verordnung umfasst gemäß Art. 2 Abs. 1 VO 883/2004 alle Staatsangehörigen eines Mitgliedstaats. Gemäß Art. 3 Abs. 3 VO 883/2004 gilt die Ver-ordnung ausdrücklich auch für die besonderen beitragsunabhängigen Geldleistungen im Sinne des Art. 70 Abs. 1 VO 883/2004, also solche Leistungen, die nach Rechtsvorschriften gewährt werden, die aufgrund ihres persönlichen Geltungsbereiches, ihrer Ziele und/oder ihrer An-spruchsvoraussetzungen sowohl Merkmale der Rechtsvorschriften der sozialen Sicherheit als auch der Sozialhilfe aufweisen. Dazu gehören gemäß Art. 70 Abs. 2 Buchst. c) VO 883/2004 in Verbindung mit Anhang X VO 883/2004 in Deutschland ausdrücklich auch die Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts der Grundsicherung für Arbeitsuchende, soweit für diese Leistungen nicht dem Grunde nach die Voraussetzungen für den befristeten Zuschlag nach Bezug von Arbeitslosengeld (§ 24 Abs. 1 SGB II) erfüllt sind.

Zwar sprechen diese Regelungen der VO 883/2004 bei isolierter Betrachtung für einen Gleichbehandlungsanspruch aller Unionsbürger auch hinsichtlich der Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts. Jedoch ist § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II in Verbindung mit Art. 24 Abs. 2 Richtlinie 2004/38/EG als speziellere Regelung anwendbar. Im Recht der Europäischen Union sind sekundärrechtliche Normenkollisionen nach den allgemeinen Rechtsgrundsätzen "lex posterior derogat legi priori" und "lex specialis derogat legi generali" zu lösen (Nettesheim, in: Grabitz/Hilf, Das Recht der Europäischen Union, Stand Mai 2008, Art. 249 EGV Rn. 234). Die Anwendung des erstgenannten Rechtsgrundsatzes ist im vorliegenden Fall ausgeschlossen, da von einer früheren und einer späteren Regelung keine Rede sein kann. Die Richtlinie 2004/38/EG und die VO 883/2004 wurden am selben Tag erlassen, nämlich am 29. April 2004. An dieser Ausgangslage hat sich auch durch die Verordnung (EG) Nr. 987/2009 vom 16. September 2009 zur Festlegung der Modalitäten für die Durchführung der Verordnung (EG) 883/2004 (ABl. L 284 S. 1) sowie durch die Verordnung (EG) Nr. 988/2009 vom 16. September 2009 zur Änderung der VO 883/2004 und zur Festlegung des Inhalts ihrer Anhänge (ABl. L 284 S. 43) nichts geändert. Diese Verordnungen waren nach Art. 91 Verordnung (EG) Nr. 988/2009 sowie nach den Anhängen II, X und XI erforderlich, um die Anwendung der VO 883/2004 überhaupt erst zu ermöglichen. Sie enthalten aber keine Regelungen, die der Anwen-dung des Art. 24 Abs. 2 Richtlinie 2004/38/EG entgegenstehen. Auch soweit Art. 70 VO 883/2004 in Verbindung mit Anlage X VO 883/2004 die Leistungen zur Sicherung des Le-bensunterhalts ausdrücklich als besondere beitragsunabhängige Leistungen einstuft, steht das der Anwendung des § 24 Abs. 2 Richtlinie 2004/38/EG nicht entgegen. Diese Einstufung galt bereits nach der Vorgängerregelung des Art. 10a in Verbindung mit Anlage IIA der Verordnung (EWG) Nr. 1408/71 vom 14. Juni 1971 zur Anwendung der Systeme der sozialen Sicher-heit auf Arbeitnehmer und deren Familien, die innerhalb der Gemeinschaft zu- und abwandern (ABl. L 149, S. 2), in der Fassung der Verordnung (EG) Nr. 629/2006 vom 5. April 2006 zur Änderung der Verordnung (EWG) Nr. 1408/71 (ABl. L 114, S. 1). Gleichwohl hat der Europä-ische Gerichtshof in seiner oben erwähnten Entscheidung die Ausschlussregelung des Art. 24 Abs. 2 Richtlinie 2004/38/EG nicht für unanwendbar gehalten. Vor diesem Hintergrund ist sie gegenüber dem Gleichbehandlungsgebot aus Art. 4 VO 883/2004 als speziellere Vorschrift anzusehen. Die Richtlinie 2004/38/EG enthält insoweit ein eigenständiges Regelungswerk. Während die VO 883/2004 allgemeine Vorschriften zur Koordinierung der sozialen Siche-rungssysteme beinhaltet, regelt die Richtlinie 2004/38/EG das Aufenthaltsrecht der Unionsbürger. In Art. 24 Abs. 1 Richtlinie 2004/38/EG ist auch das Gleichbehandlungsgebot gesondert geregelt. Hierzu stellt Art. 24 Abs. 2 Richtlinie 2004/38/EG eine Ausnahmevorschrift dar. Sie ist erforderlich, weil das Aufenthaltsrecht einerseits unter anderem schon tatbestandlich davon abhängt, dass Sozialhilfeleistungen nicht oder nicht unangemessen in Anspruch genommen werden (Art. 7 Abs. 1 Buchst. b und c, 12 Abs. 2, 14 Abs. 1 Richtlinie 2004/38/EG), andererseits aber die Inanspruchnahme von Sozialhilfeleistungen gemäß Art. 14 Abs. 3 Richtlinie 2004/38/EG nicht automatisch zu einer Ausweisung führen darf.

Den Antragstellern, die nach den vorstehenden Ausführungen von den begehrten Leistungen ausgeschlossen sind, fehlt es darüber hinaus an einem Anordnungsgrund, also an einem eiligen Regelungsbedürfnis zur Abwendung wesentlicher Nachteile. Nachdem die Antragsteller im erstinstanzlichen Verfahren noch angegeben haben, dass sie über keine finanziellen Mittel ver-fügten, haben sie im Beschwerdeverfahren auf die gerichtliche Anfrage, wie sie ihren Lebensunterhalt bestritten haben, mitgeteilt, ein guter Bekannter habe ihnen seit dem 20. September 2011 monatlich 250,- EUR geliehen, während der ehemalige Lebensgefährte der Antragstelle-rin zu 1) für sie "ab und zu" Nahrungsmittel eingekauft habe. Abgesehen davon, dass sich an-gesichts dieser widersprüchlichen Angaben ohnehin erhebliche Zweifel an dem Vortrag der Antragsteller ergeben, erschließt sich auch nicht, welche wesentlichen Nachteile im streitigen Zeitraum (vom 3. November 2011 bis zum 31. Dezember 2011) eingetreten sind, die durch eine einstweilige Anordnung beseitigt werden sollen.

Aus den genannten Gründen ist auch die Beschwerde gegen die Ablehnung der Prozesskostenhilfe gemäß § 73a Abs.1 Satz 1 SGG in Verbindung mit § 114 Satz 1 ZPO wegen fehlender hinreichender Erfolgsaussicht zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung des § 193 SGG sowie auf § 73a Abs. 1 Satz 1 SGG in Verbindung mit § 127 Abs. 4 ZPO.

Dieser Beschluss kann gemäß § 177 SGG nicht mit der Beschwerde an das Bundessozialgericht angefochtenen werden.
Rechtskraft
Aus
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