Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
18
1. Instanz
SG Duisburg (NRW)
Aktenzeichen
S 14 KN 85/07
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 18 KN 25/11
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Sozialgerichts Duisburg vom 19.11.2010 insoweit aufgehoben, als die Klägerin Kosten "wegen Mißbräuchlichkeit der Rechtsverfolgung" in Höhe von 150 Euro auferlegt worden sind. Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen. Kosten sind auch im zweiten Rechtszug nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Streitig ist die Höhe einer großen Witwenrente.
Die 1943 geborene Klägerin war seit dem 1.2.1974 als Verwaltungsangestellte zunächst beim Versorgungsamt E und später beim Landesamt für C (C) in E beschäftigt. Zum 30.11.2005 schied sie aus dem Erwerbsleben aus. Ab dem 1.12.2005 bewilligte die Deutsche Rentenversicherung (DRV) Bund ihr antragsgemäß Altersrente für schwerbehinderte Menschen in Höhe von zunächst EUR 862,61 monatlich (Bescheid vom 3.11.2005).
Die Klägerin war seit dem 00.00.1985 mit dem 1938 geborenen und am 00.00.1986 verstorbenen K T (im Folgenden: Versicherter) verheiratet. Nach dem Tod des Versicherten bewilligt ihr die Beklagte große Witwenrente (Bescheid vom 16.9.1986), auf die sie (zeitweise) Erwerbseinkommen der Klägerin anrechnete. Zuletzt stellte sie ab dem 1.7.2005 unter Anrechnung von Erwerbseinkommen in Höhe von EUR 29,09 einen monatlichen Rentenzahlbetrag von netto EUR 635,74 fest (Bescheid vom 29.5.2005). Die Klägerin widersprach dieser Anrechnung. Der Widerspruch ist - soweit ersichtlich - noch nicht beschieden.
Anlässlich der Mitteilung der DRV Bund über die bewilligte Altersrente prüfte die Beklagte von Amts wegen die Höhe der großen Witwenrente. Das C bescheinigte ihr auf Anfrage, dass die Klägerin vom 1.1.2005 bis 31.10.2005 ein Arbeitsentgelt von EUR 15.251 und für den Monat November ein Arbeitsentgelt von EUR 2.046 erzielt habe.
Danach "hob" die Beklagte "den Bescheid vom 29.5.2005 ab dem 1.12.2005 auf und berechnete die Rente neu": Sie betrage monatlich weiter EUR 635,74 netto. An den Berechnungsgrundlagen ändere sich nichts (Bescheid vom 18.11.2005). Die Beklagte entschied in der Folgezeit, dass sich der Zahlbetrag der großen Witwenrente ab dem 1.7.2006 auf monatlich EUR 599,52 verringere. Das seit dem 1.1.2005 anzurechnende Einkommen (= Altersrente für schwerbehinderte Menschen) übersteige den Freibetrag um EUR 172,78. Davon seien 40 % (= EUR 69,11) anzurechnen (Bescheid vom 22.5.2006).
Die Klägerin widersprach beiden Bescheiden. Durch den Wegfall von Urlaubs- und Weihnachtsgeld habe sich ihr Gesamteinkommen seit dem 1.12.2005 wesentlich verringert. Deshalb könne eine monatliche Kürzung von EUR 29,09 nicht richtig sein. Auch mit der Kürzung "um weitere EUR 36,22" sei sie nicht einverstanden. Bei ihr liege eine Schwerbehinderung mit einem Grad der Behinderung von 80 vor. Wegen der dadurch ohnehin schon eingeschränkten Lebensqualität könne sie sich nicht auch noch finanziell weiter einschränken. Ihr Ehemann habe die Rente hart erarbeitet. Mit der Höhe der Einkommenseinrechnung sei sie weiterhin nicht einverstanden.
Die Beklagte wies beide Widersprüche zurück: Das monatliche Einkommen habe sich durch den Rentenbezug von EUR 762,55 auf EUR 862,61 erhöht. Da eine Einkommenserhöhung gem. § 18 d Abs 1 Satz 1 Viertes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IV) erst mit der nächsten Rentenanpassung zu berücksichtigen sei, sei die erhöhte Anrechnung erst zum 1.7.2006 umgesetzt worden. Fraglich sei bei dem Bescheid vom 18.11.2005 schon das Vorliegen einer Beschwer, da der monatliche Zahlbetrag der Rente sich nicht geändert habe (Widerspruchsbescheid vom 14.2.2007, zur Post gegeben am 15.2.2007).
Mit ihrer Klage vom 16.3.2007 hat die Klägerin vorgetragen, eine wesentliche Änderung ihrer Einkommensverhältnisse sei nicht eingetreten. Bei der vorgenommenen Vergleichsberechnung habe man außer Acht gelassen, dass sie jetzt kein Weihnachts- und Urlaubsgeld mehr erhalte.
Die Klägerin hat beantragt,
die Änderungsbescheide vom 18.11.2005 und 22.5.2006 in der Fassung des Widerspruchsbescheids vom 17.2.2007 aufzuheben.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat auf ihre Ausführungen im Verwaltungsverfahren Bezug genommen. Einem unter dem 1.7.2010 erlassenen Rentenanpassungsbescheid habe die Klägerin ebenfalls widersprochen.
Das Sozialgericht (SG) hat die Klage abgewiesen und der Klägerin "wegen Mißbräuchlichkeit der Rechtsverfolgung" Kosten in Höhe von EUR 150 auferlegt: Die Beklagte habe das nach § 97 Abs 1 S 1 Nr 1 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch - Gesetzliche Rentenversicherung – SGB VI anzurechnende Einkommen richtig ermittelt und die zum 1.12.2005 eingetretene Änderung zutreffend (erst) ab dem 1.7.2006 berücksichtigt. Der Klägerin sei dies in der mündlichen Verhandlung ausführlich dargelegt worden. Sie habe dazu erklärt, die Ausführungen nachvollziehen zu können und des Rechts kundig zu sein (Urteil vom 19.11.2010, zugestellt am 23.12.2010).
Mit ihrer Berufung vom 21.1.2011 zweifelt die Klägerin die rechnerische und sachliche Richtigkeit der Einkommensanrechnung an. Sie sei in der mündlichen Verhandlung vor dem SG herablassend behandelt und in ihrem Recht auf rechtliches Gehör verletzt worden. Daher sei sie mit dem Ordnungsgeld nicht einverstanden. Da ihr Ehemann im April 1986 verstorben sei, sei die Anwendung des § 314 Abs 1 SGB VI zu prüfen. Eine Erklärung im Sinne des § 314 Abs. 1 SGB VI habe sie allerdings nicht zusammen mit ihrem Ehemann, sondern erst am 10.5.2011 abgegeben.
Für die Klägerin ist im Termin zur mündlichen Verhandlung niemand erschienen. Sie ist vom Termin ausweislich der bei den Akten befindlichen Zustellungsurkunde am 28.1.2012 mit dem Hinweis benachrichtigt worden, dass auch im Falle ihres Ausbleibens verhandelt und erschienen werden könne. Die Zustellung ist durch Einlegung der Ladung in den zur Wohnung der Klägerin gehörenden Briefkasten erfolgt. Die Klägerin hat auf telefonische Nachfrage erklärt, sie wisse nichts von dem Termin und werde nicht kommen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie verweist auf das erstinstanzliche Urteil. Über den Widerspruch der Klägerin gegen den Bescheid vom 29.5.2005 werde sie noch entscheiden.
Das C hat auf Anfrage des Senats für das Kalenderjahr 2004 ein Bruttoarbeitsentgelt von EUR 15.058,21 und für den Zeitraum vom 1.1. bis 30.11.2005 ein Bruttoarbeitsentgelt von EUR 13.833,48 bescheinigt (Auskunft vom 22.2.2012).
Für die weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die Gerichtsakten und Verwaltungsakten der Beklagten Bezug genommen; sämtliche Akten waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung.
Entscheidungsgründe:
Der Senat kann trotz Ausbleibens der Klägerin in der mündlichen Verhandlung verhandeln und entscheiden, § 62 Sozialgerichtsgesetz (SGG). Denn er hat die Klägerin in der Ladung auf diese Möglichkeit hingewiesen. Die Ladung ist der Klägerin auch wirksam durch Einlegung in ihren Briefkasten zugestellt worden, §§ 63 Abs 2 S 1 SGG, 180 S 1 Zivilprozessordnung (ZPO). Dies ergibt sich aus der auf der Zustellungsurkunde vermerkten Bestätigung des Postbediensteten vom 28.1.2012, § 180 S 2 ZPO. Der sich aus der Zustellungsurkunde als öffentlicher Urkunde (§ 415 Abs 1 ZPO) ergebende Beweis der Zustellung kann nicht durch die bloße Behauptung entkräftet werden, die Ladung nicht erhalten zu haben (BFH, Beschluss vom 18.1.2011, Aktenzeichen (Az) IV B 53/09; BFH-PR 2004, 113f). Die mit der wirksamen Zustellung verbundene Möglichkeit der Kenntnisnahme ist für die Gewährung rechtlichen Gehörs ausreichend; ohne Belang ist, ob die Klägerin tatsächlich Kenntnis genommen hat. Deshalb kann offen bleiben, ob ihre Behauptung zutrifft, sie wisse vom Termin nichts. Bei dieser Sachlage liegt eine Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör jedenfalls dann nicht vor, wenn die Klägerin auch bei telefonischer Nachfrage nicht ausdrücklich erklärt, sie wolle am Termin teilnehmen.
Die zulässige Berufung ist in der Sache unbegründet.
Der Senat geht ausweislich des Klage- und Berufungsvorbringens davon aus, dass die Klägerin die Bescheide vom 18.11.2005 und 22.5.2006 insoweit angreift, als darin die Anrechnung von Einkommen auf die Witwenrente geregelt ist. Soweit sie früher der "Nichtanpassung zum 1.7.2005" und der "Erhebung eines Zusatzbeitrags zur Krankenversicherung" im Bescheid vom 29.5.2005 widersprochen hat und dies später aufgreift, ist darüber in den - soweit ersichtlich - noch anhängigen Widerspruchsverfahren zu entscheiden. Deshalb ist das SG implizit auch zu Recht davon ausgegangen, dass der Bescheid über die "(Nicht-)"Anpassung der Witwenrente zum 1.7.2010 entgegen der Auffassung der Beteiligten nicht Gegenstand des Verfahrens geworden ist, § 96 Abs 1 SGG. Denn die Anpassungsentscheidung ändert die angefochtenen Bescheide nicht, sondern setzt lediglich die Rentenanpassung nach § 65 SGB VI um.
Die Klage ist als kombinierte Anfechtungs-, Verpflichtungs- und Leistungsklage (und nicht als reine Anfechtungsklage) statthaft, weil die Klägerin nach ihrem Gesamtvorbringen höhere Witwenrente begehrt. Dies entnimmt der Senat ihrer Bitte um Klärung, ob die Kürzungen seitens der Beklagten sachlich begründet seien. Bereits in ihren Widersprüchen vom 25.11.2005 und 23.6.2006 hatte sie sich gegen jedwede Kürzungen gewandt. Der Sachantrag erster Instanz greift vor diesem Hintergrund zu kurz und ist dem wahren Begehren der Klägerin entsprechend auszulegen.
Vor diesem Hintergrund fehlt es der Klage gegen den Bescheid vom 18.11.2005 nicht an der Klagebefugnis, weil die Klägerin behaupten kann, durch diesen Bescheid beschwert zu sein, § 54 Abs 1 S 2 SGG. Dabei ist ohne Belang, dass der Rentenzahlbetrag (im Vergleich zum letzten Bescheid vom 29.5.2005) gleich geblieben ist. Denn die Klägerin kann behaupten, der Zahlbetrag der Witwenrente hätte sich zum 1.12.2005 erhöhen müssen, weil sich ihr Einkommen mit diesem Zeitpunkt verringert hat. Daneben ist im Bescheid vom 18.11.2005 (erneut; weiter) die bisherige Anrechnung von EUR 29,09 auf die große Witwenrente enthalten, durch die die Klägerin sich ersichtlich weiter beschwert fühlt.
Die Klage ist unbegründet. Die Bescheide vom 18.11.2005 und 22.5.2006 (in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 17.2.2007, § 95 SGG) sind rechtmäßig und beschweren die Klägerin nicht, § 54 Abs 2 S 1 SGG.
Der Bescheid vom 18.11.2005 ist nicht rechtswidrig. Zu Recht hat die Beklagte entschieden, dass sich der Rentenzahlbetrag durch den Bezug der Altersrente ab dem 1.12.2005 nicht erhöht. Soweit der Bescheid die frühere Anrechnung von EUR 29,09 fortschreibt, ist er schon deshalb nicht rechtswidrig, weil er insoweit keine (erneute) eigenständige Regelung (sog. Zweitbescheid) enthält, sondern nur die im Bescheid vom 29.5.2005 getroffene Regelung fortschreibt (sog. wiederholende Verfügung). Die Frage, ob diese Regelung rechtmäßig ist oder der Klägerin ab dem 1.7.2005 ein höherer Rentenzahlbetrag zusteht, ist Gegenstand des gegen den Bescheid vom 29.5.2005 anhängigen Widerspruchsverfahrens. Mit dem Bescheid vom 18.11.2005 ("Neuberechnung der Rente ab 1.12.2005") hat die Beklagte erkennbar nur geprüft und entschieden, ob sich durch die Verringerung des Einkommens der Klägerin zum 1.12.2005 eine höhere große Witwenrente ergibt. Bei dieser Vorgehensweise der Beklagten kommt eine Anwendung von § 86 SGG nicht in Betracht, obwohl beide Entscheidungen die Höhe des Zahlbetrags der Witwenrente betreffen.
Die Beklagte hat sowohl den Bescheid vom 18.11.2005 als auch den Bescheid vom 22.5.2006 zu Recht auf § 48 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) gestützt. Sie hat es zutreffend abgelehnt, ab dem 1.12.2005 höhere Witwenrente zu zahlen, und den Rentenzahlbetrag zu Recht auf EUR 599,52 reduziert. Soweit die Klägerin vor Erlass des Bescheides vom 22.5.2006 nicht angehört wurde, ist dieser formelle Mangel im Folgenden durch die ergangenen Bescheide, spätestens aber in der mündlichen Verhandlung vor dem SG geheilt worden, §§ 42 Satz 1, Satz 2 iVm 41 Abs 1 Nr 3, Abs 2 SGB X.
Nach § 48 Abs 1 S 1 SGB X ist ein Verwaltungsakt mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben, wenn in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die beim Erlass eines Verwaltungsakts mit Dauerwirkung vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt. Zu Recht hat die Beklagte entschieden, dass zum 1.12.2005 eine wesentliche Änderung zugunsten der Klägerin nicht eingetreten ist. Zwar ist durch die Beendigung ihres Dienstverhältnisses zum 30.11.2005 und die Bewilligung der Altersrente für Schwerbehinderte durch die Deutsche Rentenversicherung Bund ab dem 1.12.2005 eine Änderung der Verhältnisse eingetreten. Diese Änderung ist aber nicht wesentlich, da sie (zunächst) keinen Einfluss auf die Höhe der der Klägerin zustehenden Hinterbliebenenrente hat. Der monatliche Anrechnungsbetrag (EUR 29,09) und damit auch der Rentenzahlbetrag bleiben von ihr unberührt, § 18 d Abs 1, 1 Hs, Abs 2 SGB IV. Nach dieser Vorschrift sind nämlich Einkommensänderungen generell erst vom nächstfolgenden 1. Juli an zu berücksichtigen, es sei denn, das nunmehr zu berücksichtigende Einkommen ist um wenigstens 10% geringer als das zuvor berücksichtigte Einkommen. Dieser Sonderfall liegt nach den zutreffenden Berechnungen der Beklagten nicht vor. Vielmehr hat sich der Betrag des anzurechnenden Einkommens erhöht.
Einkommen (§§ 18a bis 18e SGB IV) von Berechtigten, das mit einer (1) Witwenrente oder Witwerrente, (2) Erziehungsrente oder (3) Waisenrente an ein über 18 Jahre altes Kind zusammentrifft, wird hierauf angerechnet, § 97 Abs 1 Satz 1 SGB VI in der vom 1.1.2002 bis 28.6.2011 gültigen Fassung (im Folgenden: aF). Dies gilt nicht bei Witwenrenten oder Witwerrenten, solange deren Rentenartfaktor mindestens 1,0 beträgt, § 97 Abs 1 S 2 SGB VI aF. Bei Witwenrenten ist Einkommen anrechenbar, soweit es monatlich das 26,4fache des aktuellen Rentenwerts übersteigt, § 97 Abs 2 S 1 SGB VI. Das nicht anrechenbare Einkommen erhöht sich um das 5,6fache des aktuellen Rentenwerts für jedes Kind des Berechtigten, das Anspruch auf Waisenrente hat oder nur deshalb nicht hat, weil es nicht ein Kind des Verstorbenen ist, § 97 Abs 2 S 2 SGB VI. Von dem danach verbleibenden anrechenbaren Einkommen werden 40 vom Hundert angerechnet, § 97 Abs 2 S 3 SGB VI.
Nach § 18 a SGB IV wird u.a. zwischen Erwerbseinkommen (Abs 1 Nr 1 und Abs 2) und Erwerbsersatzeinkommen (Abs 1 Nr 2 und Abs 3 Nr 2) unterschieden. Diese Unterscheidung spielt bei der Höhe des bei der Einkommensanrechnung zu berücksichtigenden Einkommens eine Rolle, die nach § 18 b SGB IV ermittelt wird. Erwerbseinkommen im Sinne von § 18a Abs 1 Nr 1 ist nach Abs 2 Arbeitsentgelt, Arbeitseinkommen und vergleichbares Einkommen. Bei Arbeitsentgelt ist das zu berücksichtigende monatliche Einkommen in der Regel (pauschal) um 40 vom Hundert zu kürzen, § 18 b Abs 5 Nr 1a) SGB IV. Renten der Rentenversicherung wegen Alters gehören nach § 18 a Abs 3 Nr 2 SGB IV zum Erwerbsersatzeinkommen. Bei Erwerbsersatzeinkommen gilt als monatliches Einkommen im Sinne von § 18b Abs 1 Satz 1 das laufende Einkommen; jährliche Sonderzuwendungen sind beim laufenden Einkommen mit einem Zwölftel zu berücksichtigen, § 18 b Abs 4 SGB VI. Das zu berücksichtigende Einkommen wird hier nur um den Anteil der tatsächlich getragenen Beiträge zur Sozialversicherung gekürzt, § 18b Abs 5 S 2 SGB VI in der hier maßgeblichen, vom 1.1.1992 bis 30.6.2007 geltenden Fassung.
Die Beklagte hat das anzurechnende Erwerbsersatzeinkommens der Klägerin zutreffend neu berechnet. Sie hat vom monatlichen Zahlbetrag der Rente von EUR 862,61 (also nachdem die Sozialversicherungsbeiträge bereits abgezogen waren) den Freibetrag von EUR 689,83 (das 26,4fache des für 2005 und auch für 2006 maßgeblichen aktuellen Rentenwerts von EUR 26,13) subtrahiert. Von dem verbleibenden Einkommen in Höhe von EUR 172,78 hat sie 40 % (= EUR 69,11) angerechnet. Danach trifft zu, dass sich der Anrechnungsbetrag durch den Übergang in die Altersrente (von EUR 29,09 auf EUR 69,11, also um EUR 40,02) erhöht hat, obwohl sich das monatliche (Netto-)Einkommen der Klägerin verringert hat. Dies beruht vor allem darauf, dass der Gesetzgeber bei Arbeitsentgelt nach § 18 b Abs 4 SGB VI zur Ermittlung des anzurechnenden Nettoeinkommens eine pauschalierte Kürzung des Bruttoentgelts um 40 Prozent (für die vom Versicherten zu zahlenden Steuern und Sozialversicherungsbeiträge für die gesetzliche Renten-, Arbeitslosen-, Kranken- und Pflegeversicherung) vorsieht. Demgegenüber wurden bei Erwerbsersatzeinkommen bis zum 30.6.2007 nur die tatsächlich vom Rentner geleisteten Anteile zur Kranken- und Pflegeversicherung in Abzug gebracht. Eine von der Klägerin gewünschte Berücksichtigung ihrer Schwerbehinderung (zB durch einen Pauschalabzug) sieht das Gesetz nicht vor.
Daraus folgt gleichzeitig, dass der (die höhere Anrechnung umsetzende) Bescheid vom 22.5.2006 nicht rechtswidrig ist, weil die Beklagte darin den neuen Einkommensverhältnissen zutreffend zum 1.7.2006 Rechnung getragen hat, § 18d Abs 1 SGB IV. Mit diesem Zeitpunkt wird die Änderung im Sinne des § 48 Abs 1 S 1 SGB X wesentlich, weil sie sich auf den Rentenzahlbetrag auswirkt.
Entgegen der Auffassung der Klägerin ist die Einkommensanrechnung nicht nach § 314 Abs 1 SGB VI ausgeschlossen. Denn die Voraussetzungen des § 314 Abs 1 SGB VI liegen ersichtlich nicht vor. Danach werden die Vorschriften über die Einkommensanrechnung auf Renten wegen Todes nicht angewendet, wenn der Versicherte vor dem 1.1.1986 verstorben ist oder die Ehegatten bis zum 31.12.1988 eine wirksame Erklärung über die weitere Anwendung des bis zum 31.12.1985 geltenden Hinterbliebenenrechts abgegeben haben. Der Versicherte ist nicht vor dem 1.1.1986, sondern im Mai dieses Jahres verstorben. Die Eheleute haben auch keine wirksame Erklärung zur Weitergeltung des bis zum 31.12.1985 geltenden Hinterbliebenenrentenrechts abgegeben. Eine solche Erklärung konnten nach Art 2 § 18a Abs 2 ArVNG (Gesetz zur Neuregelung des Rechts der Rentenversicherung der Arbeiter - Arbeiterrentenversicherungs-Neuregelungsgesetz) Ehegatten u.a. nur dann abgeben, wenn beide vor dem 1.1.1936 geboren (also bei Inkrafttreten der Regelung beide mindestens 50 Jahre alt) waren. Die Klägerin und der Versicherte sind indes beide nach dem 1.1.1936 geboren. Auch haben sie tatsächlich eine solche Erklärung nicht bis zum 31.12.1988 gemeinsam abgegeben.
Die Berufung ist begründet, soweit der Klägerin Kosten "wegen Mißbräuchlichkeit der Rechtsverfolgung" auferlegt worden sind. Ein Sachverhalt, der die Auferlegung von Gerichtskosten rechtfertigt, liegt nicht vor.
Der Senat ist trotz § 144 Abs 4 SGG befugt, (allein) die Kostenentscheidung zu ändern. Diese Vorschrift erfasst nur Fälle, in denen die Berufung auf die Kostenentscheidung beschränkt wird. Eine - nicht nur pro forma eingelegte - Berufung in der Hauptsache erfasst aber immer auch die Kostenentscheidung, die in solchen Fällen auch dann geändert werden kann, wenn die Berufung in der Hauptsache zurückgewiesen wird (vgl dazu Leitherer in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer. SGG. Kommentar. 10.Aufl.2012, § 144 Rdnrn 48ff).
Nach § 192 Abs 1 Nr 2 SGG kann das Gericht im Urteil einem Beteiligten ganz oder teilweise die Kosten auferlegen, die dadurch verursacht worden sind, dass der Beteiligte den Rechtsstreit fortführt, obwohl ihm vom Vorsitzenden die Missbräuchlichkeit der Rechtsverfolgung oder -verteidigung dargelegt worden und er auf die Möglichkeit der Kostenauferlegung bei Fortführung des Rechtsstreits hingewiesen worden ist. Die Rechtsverfolgung ist missbräuchlich, wenn die Klage "von jedem Einsichtigen als völlig aussichtslos angesehen werden musste" (LSG NRW, Urteil vom 16.6.2004, L 12 AL 59/03). Zwar geht auch der Senat davon aus, dass die Klägerin die Anrechnung des Erwerbsersatzeinkommens im Bescheid vom 22.5.2006 nachvollzogen und verstanden hat. Nach dem Akteninhalt war für die Klägerin bis zur mündlichen Verhandlung vor dem SG jedoch nicht ohne Weiteres erkennbar, dass die Berechnung des Zahlbetrags für 2005 (mit einer Einkommensanrechnung von EUR 29,09 monatlich) nicht Gegenstand des vorliegenden Verfahrens ist. Im Gegenteil ist in der mündlichen Verhandlung sogar der Hinweis erfolgt, die Einkommensanrechnung im Bescheid vom 18.11.2005 sei zutreffend. Ob diese zutrifft, begegnet indes Bedenken. Nach § 18 b Abs 2 S 1 SGB IV bemisst sich nämlich das zu berücksichtigende Einkommen nach dem im letzten (abgeschlossenen) Kalenderjahr (hier: 2004) erzielten Einkommen. Eine Verdienstbescheinigung für 2004 lag aber zum damaligen Zeitpunkt nicht vor; lediglich für den Monat Mai 2004 wurde einmalig ein Bruttoentgelt von EUR 1.159,79 bescheinigt (Mitteilung des C über das Einkommen der Jahre 2002 und 2003 vom 30.6.2004). Erst im laufenden Klageverfahren hat das C für 2004 das Jahresbruttoarbeitsentgelt (und daneben für 2005 ein von der früheren Auskunft abweichendes) mitgeteilt. Bei dieser Sachlage kann offen bleiben, ob die Beklagte (und das SG) das vom C für Januar bis Oktober 2005 angegebene Einkommen von EUR 15.251,- durch 12 (anstatt durch 10) dividieren durften (vgl zu dieser Problematik BSG SozR 3-2400 § 18b Nr 1).
Die Kostenentscheidung im Übrigen beruht auf §§ 183 S 1, 193 Abs 1 S 1 SGG.
Anlass, die Revision zuzulassen, besteht nicht, § 160 Abs 2 SGG. Insbesondere hat die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung, weil für die Entscheidung die konkreten Umstände des Einzelfalls ausschlaggebend sind.
Tatbestand:
Streitig ist die Höhe einer großen Witwenrente.
Die 1943 geborene Klägerin war seit dem 1.2.1974 als Verwaltungsangestellte zunächst beim Versorgungsamt E und später beim Landesamt für C (C) in E beschäftigt. Zum 30.11.2005 schied sie aus dem Erwerbsleben aus. Ab dem 1.12.2005 bewilligte die Deutsche Rentenversicherung (DRV) Bund ihr antragsgemäß Altersrente für schwerbehinderte Menschen in Höhe von zunächst EUR 862,61 monatlich (Bescheid vom 3.11.2005).
Die Klägerin war seit dem 00.00.1985 mit dem 1938 geborenen und am 00.00.1986 verstorbenen K T (im Folgenden: Versicherter) verheiratet. Nach dem Tod des Versicherten bewilligt ihr die Beklagte große Witwenrente (Bescheid vom 16.9.1986), auf die sie (zeitweise) Erwerbseinkommen der Klägerin anrechnete. Zuletzt stellte sie ab dem 1.7.2005 unter Anrechnung von Erwerbseinkommen in Höhe von EUR 29,09 einen monatlichen Rentenzahlbetrag von netto EUR 635,74 fest (Bescheid vom 29.5.2005). Die Klägerin widersprach dieser Anrechnung. Der Widerspruch ist - soweit ersichtlich - noch nicht beschieden.
Anlässlich der Mitteilung der DRV Bund über die bewilligte Altersrente prüfte die Beklagte von Amts wegen die Höhe der großen Witwenrente. Das C bescheinigte ihr auf Anfrage, dass die Klägerin vom 1.1.2005 bis 31.10.2005 ein Arbeitsentgelt von EUR 15.251 und für den Monat November ein Arbeitsentgelt von EUR 2.046 erzielt habe.
Danach "hob" die Beklagte "den Bescheid vom 29.5.2005 ab dem 1.12.2005 auf und berechnete die Rente neu": Sie betrage monatlich weiter EUR 635,74 netto. An den Berechnungsgrundlagen ändere sich nichts (Bescheid vom 18.11.2005). Die Beklagte entschied in der Folgezeit, dass sich der Zahlbetrag der großen Witwenrente ab dem 1.7.2006 auf monatlich EUR 599,52 verringere. Das seit dem 1.1.2005 anzurechnende Einkommen (= Altersrente für schwerbehinderte Menschen) übersteige den Freibetrag um EUR 172,78. Davon seien 40 % (= EUR 69,11) anzurechnen (Bescheid vom 22.5.2006).
Die Klägerin widersprach beiden Bescheiden. Durch den Wegfall von Urlaubs- und Weihnachtsgeld habe sich ihr Gesamteinkommen seit dem 1.12.2005 wesentlich verringert. Deshalb könne eine monatliche Kürzung von EUR 29,09 nicht richtig sein. Auch mit der Kürzung "um weitere EUR 36,22" sei sie nicht einverstanden. Bei ihr liege eine Schwerbehinderung mit einem Grad der Behinderung von 80 vor. Wegen der dadurch ohnehin schon eingeschränkten Lebensqualität könne sie sich nicht auch noch finanziell weiter einschränken. Ihr Ehemann habe die Rente hart erarbeitet. Mit der Höhe der Einkommenseinrechnung sei sie weiterhin nicht einverstanden.
Die Beklagte wies beide Widersprüche zurück: Das monatliche Einkommen habe sich durch den Rentenbezug von EUR 762,55 auf EUR 862,61 erhöht. Da eine Einkommenserhöhung gem. § 18 d Abs 1 Satz 1 Viertes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IV) erst mit der nächsten Rentenanpassung zu berücksichtigen sei, sei die erhöhte Anrechnung erst zum 1.7.2006 umgesetzt worden. Fraglich sei bei dem Bescheid vom 18.11.2005 schon das Vorliegen einer Beschwer, da der monatliche Zahlbetrag der Rente sich nicht geändert habe (Widerspruchsbescheid vom 14.2.2007, zur Post gegeben am 15.2.2007).
Mit ihrer Klage vom 16.3.2007 hat die Klägerin vorgetragen, eine wesentliche Änderung ihrer Einkommensverhältnisse sei nicht eingetreten. Bei der vorgenommenen Vergleichsberechnung habe man außer Acht gelassen, dass sie jetzt kein Weihnachts- und Urlaubsgeld mehr erhalte.
Die Klägerin hat beantragt,
die Änderungsbescheide vom 18.11.2005 und 22.5.2006 in der Fassung des Widerspruchsbescheids vom 17.2.2007 aufzuheben.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat auf ihre Ausführungen im Verwaltungsverfahren Bezug genommen. Einem unter dem 1.7.2010 erlassenen Rentenanpassungsbescheid habe die Klägerin ebenfalls widersprochen.
Das Sozialgericht (SG) hat die Klage abgewiesen und der Klägerin "wegen Mißbräuchlichkeit der Rechtsverfolgung" Kosten in Höhe von EUR 150 auferlegt: Die Beklagte habe das nach § 97 Abs 1 S 1 Nr 1 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch - Gesetzliche Rentenversicherung – SGB VI anzurechnende Einkommen richtig ermittelt und die zum 1.12.2005 eingetretene Änderung zutreffend (erst) ab dem 1.7.2006 berücksichtigt. Der Klägerin sei dies in der mündlichen Verhandlung ausführlich dargelegt worden. Sie habe dazu erklärt, die Ausführungen nachvollziehen zu können und des Rechts kundig zu sein (Urteil vom 19.11.2010, zugestellt am 23.12.2010).
Mit ihrer Berufung vom 21.1.2011 zweifelt die Klägerin die rechnerische und sachliche Richtigkeit der Einkommensanrechnung an. Sie sei in der mündlichen Verhandlung vor dem SG herablassend behandelt und in ihrem Recht auf rechtliches Gehör verletzt worden. Daher sei sie mit dem Ordnungsgeld nicht einverstanden. Da ihr Ehemann im April 1986 verstorben sei, sei die Anwendung des § 314 Abs 1 SGB VI zu prüfen. Eine Erklärung im Sinne des § 314 Abs. 1 SGB VI habe sie allerdings nicht zusammen mit ihrem Ehemann, sondern erst am 10.5.2011 abgegeben.
Für die Klägerin ist im Termin zur mündlichen Verhandlung niemand erschienen. Sie ist vom Termin ausweislich der bei den Akten befindlichen Zustellungsurkunde am 28.1.2012 mit dem Hinweis benachrichtigt worden, dass auch im Falle ihres Ausbleibens verhandelt und erschienen werden könne. Die Zustellung ist durch Einlegung der Ladung in den zur Wohnung der Klägerin gehörenden Briefkasten erfolgt. Die Klägerin hat auf telefonische Nachfrage erklärt, sie wisse nichts von dem Termin und werde nicht kommen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie verweist auf das erstinstanzliche Urteil. Über den Widerspruch der Klägerin gegen den Bescheid vom 29.5.2005 werde sie noch entscheiden.
Das C hat auf Anfrage des Senats für das Kalenderjahr 2004 ein Bruttoarbeitsentgelt von EUR 15.058,21 und für den Zeitraum vom 1.1. bis 30.11.2005 ein Bruttoarbeitsentgelt von EUR 13.833,48 bescheinigt (Auskunft vom 22.2.2012).
Für die weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die Gerichtsakten und Verwaltungsakten der Beklagten Bezug genommen; sämtliche Akten waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung.
Entscheidungsgründe:
Der Senat kann trotz Ausbleibens der Klägerin in der mündlichen Verhandlung verhandeln und entscheiden, § 62 Sozialgerichtsgesetz (SGG). Denn er hat die Klägerin in der Ladung auf diese Möglichkeit hingewiesen. Die Ladung ist der Klägerin auch wirksam durch Einlegung in ihren Briefkasten zugestellt worden, §§ 63 Abs 2 S 1 SGG, 180 S 1 Zivilprozessordnung (ZPO). Dies ergibt sich aus der auf der Zustellungsurkunde vermerkten Bestätigung des Postbediensteten vom 28.1.2012, § 180 S 2 ZPO. Der sich aus der Zustellungsurkunde als öffentlicher Urkunde (§ 415 Abs 1 ZPO) ergebende Beweis der Zustellung kann nicht durch die bloße Behauptung entkräftet werden, die Ladung nicht erhalten zu haben (BFH, Beschluss vom 18.1.2011, Aktenzeichen (Az) IV B 53/09; BFH-PR 2004, 113f). Die mit der wirksamen Zustellung verbundene Möglichkeit der Kenntnisnahme ist für die Gewährung rechtlichen Gehörs ausreichend; ohne Belang ist, ob die Klägerin tatsächlich Kenntnis genommen hat. Deshalb kann offen bleiben, ob ihre Behauptung zutrifft, sie wisse vom Termin nichts. Bei dieser Sachlage liegt eine Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör jedenfalls dann nicht vor, wenn die Klägerin auch bei telefonischer Nachfrage nicht ausdrücklich erklärt, sie wolle am Termin teilnehmen.
Die zulässige Berufung ist in der Sache unbegründet.
Der Senat geht ausweislich des Klage- und Berufungsvorbringens davon aus, dass die Klägerin die Bescheide vom 18.11.2005 und 22.5.2006 insoweit angreift, als darin die Anrechnung von Einkommen auf die Witwenrente geregelt ist. Soweit sie früher der "Nichtanpassung zum 1.7.2005" und der "Erhebung eines Zusatzbeitrags zur Krankenversicherung" im Bescheid vom 29.5.2005 widersprochen hat und dies später aufgreift, ist darüber in den - soweit ersichtlich - noch anhängigen Widerspruchsverfahren zu entscheiden. Deshalb ist das SG implizit auch zu Recht davon ausgegangen, dass der Bescheid über die "(Nicht-)"Anpassung der Witwenrente zum 1.7.2010 entgegen der Auffassung der Beteiligten nicht Gegenstand des Verfahrens geworden ist, § 96 Abs 1 SGG. Denn die Anpassungsentscheidung ändert die angefochtenen Bescheide nicht, sondern setzt lediglich die Rentenanpassung nach § 65 SGB VI um.
Die Klage ist als kombinierte Anfechtungs-, Verpflichtungs- und Leistungsklage (und nicht als reine Anfechtungsklage) statthaft, weil die Klägerin nach ihrem Gesamtvorbringen höhere Witwenrente begehrt. Dies entnimmt der Senat ihrer Bitte um Klärung, ob die Kürzungen seitens der Beklagten sachlich begründet seien. Bereits in ihren Widersprüchen vom 25.11.2005 und 23.6.2006 hatte sie sich gegen jedwede Kürzungen gewandt. Der Sachantrag erster Instanz greift vor diesem Hintergrund zu kurz und ist dem wahren Begehren der Klägerin entsprechend auszulegen.
Vor diesem Hintergrund fehlt es der Klage gegen den Bescheid vom 18.11.2005 nicht an der Klagebefugnis, weil die Klägerin behaupten kann, durch diesen Bescheid beschwert zu sein, § 54 Abs 1 S 2 SGG. Dabei ist ohne Belang, dass der Rentenzahlbetrag (im Vergleich zum letzten Bescheid vom 29.5.2005) gleich geblieben ist. Denn die Klägerin kann behaupten, der Zahlbetrag der Witwenrente hätte sich zum 1.12.2005 erhöhen müssen, weil sich ihr Einkommen mit diesem Zeitpunkt verringert hat. Daneben ist im Bescheid vom 18.11.2005 (erneut; weiter) die bisherige Anrechnung von EUR 29,09 auf die große Witwenrente enthalten, durch die die Klägerin sich ersichtlich weiter beschwert fühlt.
Die Klage ist unbegründet. Die Bescheide vom 18.11.2005 und 22.5.2006 (in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 17.2.2007, § 95 SGG) sind rechtmäßig und beschweren die Klägerin nicht, § 54 Abs 2 S 1 SGG.
Der Bescheid vom 18.11.2005 ist nicht rechtswidrig. Zu Recht hat die Beklagte entschieden, dass sich der Rentenzahlbetrag durch den Bezug der Altersrente ab dem 1.12.2005 nicht erhöht. Soweit der Bescheid die frühere Anrechnung von EUR 29,09 fortschreibt, ist er schon deshalb nicht rechtswidrig, weil er insoweit keine (erneute) eigenständige Regelung (sog. Zweitbescheid) enthält, sondern nur die im Bescheid vom 29.5.2005 getroffene Regelung fortschreibt (sog. wiederholende Verfügung). Die Frage, ob diese Regelung rechtmäßig ist oder der Klägerin ab dem 1.7.2005 ein höherer Rentenzahlbetrag zusteht, ist Gegenstand des gegen den Bescheid vom 29.5.2005 anhängigen Widerspruchsverfahrens. Mit dem Bescheid vom 18.11.2005 ("Neuberechnung der Rente ab 1.12.2005") hat die Beklagte erkennbar nur geprüft und entschieden, ob sich durch die Verringerung des Einkommens der Klägerin zum 1.12.2005 eine höhere große Witwenrente ergibt. Bei dieser Vorgehensweise der Beklagten kommt eine Anwendung von § 86 SGG nicht in Betracht, obwohl beide Entscheidungen die Höhe des Zahlbetrags der Witwenrente betreffen.
Die Beklagte hat sowohl den Bescheid vom 18.11.2005 als auch den Bescheid vom 22.5.2006 zu Recht auf § 48 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) gestützt. Sie hat es zutreffend abgelehnt, ab dem 1.12.2005 höhere Witwenrente zu zahlen, und den Rentenzahlbetrag zu Recht auf EUR 599,52 reduziert. Soweit die Klägerin vor Erlass des Bescheides vom 22.5.2006 nicht angehört wurde, ist dieser formelle Mangel im Folgenden durch die ergangenen Bescheide, spätestens aber in der mündlichen Verhandlung vor dem SG geheilt worden, §§ 42 Satz 1, Satz 2 iVm 41 Abs 1 Nr 3, Abs 2 SGB X.
Nach § 48 Abs 1 S 1 SGB X ist ein Verwaltungsakt mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben, wenn in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die beim Erlass eines Verwaltungsakts mit Dauerwirkung vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt. Zu Recht hat die Beklagte entschieden, dass zum 1.12.2005 eine wesentliche Änderung zugunsten der Klägerin nicht eingetreten ist. Zwar ist durch die Beendigung ihres Dienstverhältnisses zum 30.11.2005 und die Bewilligung der Altersrente für Schwerbehinderte durch die Deutsche Rentenversicherung Bund ab dem 1.12.2005 eine Änderung der Verhältnisse eingetreten. Diese Änderung ist aber nicht wesentlich, da sie (zunächst) keinen Einfluss auf die Höhe der der Klägerin zustehenden Hinterbliebenenrente hat. Der monatliche Anrechnungsbetrag (EUR 29,09) und damit auch der Rentenzahlbetrag bleiben von ihr unberührt, § 18 d Abs 1, 1 Hs, Abs 2 SGB IV. Nach dieser Vorschrift sind nämlich Einkommensänderungen generell erst vom nächstfolgenden 1. Juli an zu berücksichtigen, es sei denn, das nunmehr zu berücksichtigende Einkommen ist um wenigstens 10% geringer als das zuvor berücksichtigte Einkommen. Dieser Sonderfall liegt nach den zutreffenden Berechnungen der Beklagten nicht vor. Vielmehr hat sich der Betrag des anzurechnenden Einkommens erhöht.
Einkommen (§§ 18a bis 18e SGB IV) von Berechtigten, das mit einer (1) Witwenrente oder Witwerrente, (2) Erziehungsrente oder (3) Waisenrente an ein über 18 Jahre altes Kind zusammentrifft, wird hierauf angerechnet, § 97 Abs 1 Satz 1 SGB VI in der vom 1.1.2002 bis 28.6.2011 gültigen Fassung (im Folgenden: aF). Dies gilt nicht bei Witwenrenten oder Witwerrenten, solange deren Rentenartfaktor mindestens 1,0 beträgt, § 97 Abs 1 S 2 SGB VI aF. Bei Witwenrenten ist Einkommen anrechenbar, soweit es monatlich das 26,4fache des aktuellen Rentenwerts übersteigt, § 97 Abs 2 S 1 SGB VI. Das nicht anrechenbare Einkommen erhöht sich um das 5,6fache des aktuellen Rentenwerts für jedes Kind des Berechtigten, das Anspruch auf Waisenrente hat oder nur deshalb nicht hat, weil es nicht ein Kind des Verstorbenen ist, § 97 Abs 2 S 2 SGB VI. Von dem danach verbleibenden anrechenbaren Einkommen werden 40 vom Hundert angerechnet, § 97 Abs 2 S 3 SGB VI.
Nach § 18 a SGB IV wird u.a. zwischen Erwerbseinkommen (Abs 1 Nr 1 und Abs 2) und Erwerbsersatzeinkommen (Abs 1 Nr 2 und Abs 3 Nr 2) unterschieden. Diese Unterscheidung spielt bei der Höhe des bei der Einkommensanrechnung zu berücksichtigenden Einkommens eine Rolle, die nach § 18 b SGB IV ermittelt wird. Erwerbseinkommen im Sinne von § 18a Abs 1 Nr 1 ist nach Abs 2 Arbeitsentgelt, Arbeitseinkommen und vergleichbares Einkommen. Bei Arbeitsentgelt ist das zu berücksichtigende monatliche Einkommen in der Regel (pauschal) um 40 vom Hundert zu kürzen, § 18 b Abs 5 Nr 1a) SGB IV. Renten der Rentenversicherung wegen Alters gehören nach § 18 a Abs 3 Nr 2 SGB IV zum Erwerbsersatzeinkommen. Bei Erwerbsersatzeinkommen gilt als monatliches Einkommen im Sinne von § 18b Abs 1 Satz 1 das laufende Einkommen; jährliche Sonderzuwendungen sind beim laufenden Einkommen mit einem Zwölftel zu berücksichtigen, § 18 b Abs 4 SGB VI. Das zu berücksichtigende Einkommen wird hier nur um den Anteil der tatsächlich getragenen Beiträge zur Sozialversicherung gekürzt, § 18b Abs 5 S 2 SGB VI in der hier maßgeblichen, vom 1.1.1992 bis 30.6.2007 geltenden Fassung.
Die Beklagte hat das anzurechnende Erwerbsersatzeinkommens der Klägerin zutreffend neu berechnet. Sie hat vom monatlichen Zahlbetrag der Rente von EUR 862,61 (also nachdem die Sozialversicherungsbeiträge bereits abgezogen waren) den Freibetrag von EUR 689,83 (das 26,4fache des für 2005 und auch für 2006 maßgeblichen aktuellen Rentenwerts von EUR 26,13) subtrahiert. Von dem verbleibenden Einkommen in Höhe von EUR 172,78 hat sie 40 % (= EUR 69,11) angerechnet. Danach trifft zu, dass sich der Anrechnungsbetrag durch den Übergang in die Altersrente (von EUR 29,09 auf EUR 69,11, also um EUR 40,02) erhöht hat, obwohl sich das monatliche (Netto-)Einkommen der Klägerin verringert hat. Dies beruht vor allem darauf, dass der Gesetzgeber bei Arbeitsentgelt nach § 18 b Abs 4 SGB VI zur Ermittlung des anzurechnenden Nettoeinkommens eine pauschalierte Kürzung des Bruttoentgelts um 40 Prozent (für die vom Versicherten zu zahlenden Steuern und Sozialversicherungsbeiträge für die gesetzliche Renten-, Arbeitslosen-, Kranken- und Pflegeversicherung) vorsieht. Demgegenüber wurden bei Erwerbsersatzeinkommen bis zum 30.6.2007 nur die tatsächlich vom Rentner geleisteten Anteile zur Kranken- und Pflegeversicherung in Abzug gebracht. Eine von der Klägerin gewünschte Berücksichtigung ihrer Schwerbehinderung (zB durch einen Pauschalabzug) sieht das Gesetz nicht vor.
Daraus folgt gleichzeitig, dass der (die höhere Anrechnung umsetzende) Bescheid vom 22.5.2006 nicht rechtswidrig ist, weil die Beklagte darin den neuen Einkommensverhältnissen zutreffend zum 1.7.2006 Rechnung getragen hat, § 18d Abs 1 SGB IV. Mit diesem Zeitpunkt wird die Änderung im Sinne des § 48 Abs 1 S 1 SGB X wesentlich, weil sie sich auf den Rentenzahlbetrag auswirkt.
Entgegen der Auffassung der Klägerin ist die Einkommensanrechnung nicht nach § 314 Abs 1 SGB VI ausgeschlossen. Denn die Voraussetzungen des § 314 Abs 1 SGB VI liegen ersichtlich nicht vor. Danach werden die Vorschriften über die Einkommensanrechnung auf Renten wegen Todes nicht angewendet, wenn der Versicherte vor dem 1.1.1986 verstorben ist oder die Ehegatten bis zum 31.12.1988 eine wirksame Erklärung über die weitere Anwendung des bis zum 31.12.1985 geltenden Hinterbliebenenrechts abgegeben haben. Der Versicherte ist nicht vor dem 1.1.1986, sondern im Mai dieses Jahres verstorben. Die Eheleute haben auch keine wirksame Erklärung zur Weitergeltung des bis zum 31.12.1985 geltenden Hinterbliebenenrentenrechts abgegeben. Eine solche Erklärung konnten nach Art 2 § 18a Abs 2 ArVNG (Gesetz zur Neuregelung des Rechts der Rentenversicherung der Arbeiter - Arbeiterrentenversicherungs-Neuregelungsgesetz) Ehegatten u.a. nur dann abgeben, wenn beide vor dem 1.1.1936 geboren (also bei Inkrafttreten der Regelung beide mindestens 50 Jahre alt) waren. Die Klägerin und der Versicherte sind indes beide nach dem 1.1.1936 geboren. Auch haben sie tatsächlich eine solche Erklärung nicht bis zum 31.12.1988 gemeinsam abgegeben.
Die Berufung ist begründet, soweit der Klägerin Kosten "wegen Mißbräuchlichkeit der Rechtsverfolgung" auferlegt worden sind. Ein Sachverhalt, der die Auferlegung von Gerichtskosten rechtfertigt, liegt nicht vor.
Der Senat ist trotz § 144 Abs 4 SGG befugt, (allein) die Kostenentscheidung zu ändern. Diese Vorschrift erfasst nur Fälle, in denen die Berufung auf die Kostenentscheidung beschränkt wird. Eine - nicht nur pro forma eingelegte - Berufung in der Hauptsache erfasst aber immer auch die Kostenentscheidung, die in solchen Fällen auch dann geändert werden kann, wenn die Berufung in der Hauptsache zurückgewiesen wird (vgl dazu Leitherer in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer. SGG. Kommentar. 10.Aufl.2012, § 144 Rdnrn 48ff).
Nach § 192 Abs 1 Nr 2 SGG kann das Gericht im Urteil einem Beteiligten ganz oder teilweise die Kosten auferlegen, die dadurch verursacht worden sind, dass der Beteiligte den Rechtsstreit fortführt, obwohl ihm vom Vorsitzenden die Missbräuchlichkeit der Rechtsverfolgung oder -verteidigung dargelegt worden und er auf die Möglichkeit der Kostenauferlegung bei Fortführung des Rechtsstreits hingewiesen worden ist. Die Rechtsverfolgung ist missbräuchlich, wenn die Klage "von jedem Einsichtigen als völlig aussichtslos angesehen werden musste" (LSG NRW, Urteil vom 16.6.2004, L 12 AL 59/03). Zwar geht auch der Senat davon aus, dass die Klägerin die Anrechnung des Erwerbsersatzeinkommens im Bescheid vom 22.5.2006 nachvollzogen und verstanden hat. Nach dem Akteninhalt war für die Klägerin bis zur mündlichen Verhandlung vor dem SG jedoch nicht ohne Weiteres erkennbar, dass die Berechnung des Zahlbetrags für 2005 (mit einer Einkommensanrechnung von EUR 29,09 monatlich) nicht Gegenstand des vorliegenden Verfahrens ist. Im Gegenteil ist in der mündlichen Verhandlung sogar der Hinweis erfolgt, die Einkommensanrechnung im Bescheid vom 18.11.2005 sei zutreffend. Ob diese zutrifft, begegnet indes Bedenken. Nach § 18 b Abs 2 S 1 SGB IV bemisst sich nämlich das zu berücksichtigende Einkommen nach dem im letzten (abgeschlossenen) Kalenderjahr (hier: 2004) erzielten Einkommen. Eine Verdienstbescheinigung für 2004 lag aber zum damaligen Zeitpunkt nicht vor; lediglich für den Monat Mai 2004 wurde einmalig ein Bruttoentgelt von EUR 1.159,79 bescheinigt (Mitteilung des C über das Einkommen der Jahre 2002 und 2003 vom 30.6.2004). Erst im laufenden Klageverfahren hat das C für 2004 das Jahresbruttoarbeitsentgelt (und daneben für 2005 ein von der früheren Auskunft abweichendes) mitgeteilt. Bei dieser Sachlage kann offen bleiben, ob die Beklagte (und das SG) das vom C für Januar bis Oktober 2005 angegebene Einkommen von EUR 15.251,- durch 12 (anstatt durch 10) dividieren durften (vgl zu dieser Problematik BSG SozR 3-2400 § 18b Nr 1).
Die Kostenentscheidung im Übrigen beruht auf §§ 183 S 1, 193 Abs 1 S 1 SGG.
Anlass, die Revision zuzulassen, besteht nicht, § 160 Abs 2 SGG. Insbesondere hat die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung, weil für die Entscheidung die konkreten Umstände des Einzelfalls ausschlaggebend sind.
Rechtskraft
Aus
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NRW
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