L 7 AS 425/11 B ER

Land
Freistaat Sachsen
Sozialgericht
Sächsisches LSG
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
7
1. Instanz
SG Leipzig (FSS)
Aktenzeichen
S 26 AS 993/11 ER
Datum
2. Instanz
Sächsisches LSG
Aktenzeichen
L 7 AS 425/11 B ER
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Leitsätze
1. Das Erfordernis, die vorherige Zusicherung des kommunalen Trägers gem. § 22 Abs. 4 Satz 1 SGB II
einzuholen, ist lediglich eine Obliegenheit des Leistungsempfängers, stellt also keine
Anspruchsvoraussetzung dar. § 22 Abs. 4 Satz 1 SGB II kommt jedoch die Funktion zu, vor einem Umzug zu klären, ob die höheren Kosten der Unterkunft und Heizung übernommen werden. Die Regelung dient dem Schutz der Hilfebedürftigen vor den weitreichenden Konsequenzen des § 22 Abs. 1 Satz 2 SGB II, die in der nur gekürzten Übernahme der tatsächlichen angemessenen Kosten der Unterkunft und Heizung ohne Übergangsfrist bestehen.

2. Zur Erteilung der Zusicherung ist der kommunale Träger verpflichtet, wenn die Kosten der neuen Unterkunft angemessen sind und der Umzug erforderlich ist. Der Umzug ist erforderlich, wenn er der Reduzierung der Kosten der Unterkunft dient.

3. Wenn ein schlüssiges Konzept des kommunalen Trägers zur Angemessenheit der Kosten der Unterkunft nach dessen Bekundung nicht vorliegt, kann im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes auf die
Angemessenheitsobergrenze nach dem Tabellenwert der §§ 8 bzw. 12 WoGG - jeweils rechte Spalte - zuzüglich Sicherheitszuschlages abgestellt werden.
I. Die Beschwerde des Antragsgegners gegen den Beschluss des Sozialgerichts Leipzig vom 20. April 2011 wird zurückgewiesen.

II. Der Antragsgegner trägt auch die notwendigen außergerichtlichen Kosten der Antragsteller für das Beschwerdeverfahren.

Gründe:

I.

Die Beteiligten streiten im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes über die vorläufige Verpflichtung des Antragsgegners zur Erteilung einer Zusicherung zum Umzug in die Wohnung ... xx,. D ...

Die 1974 geborene Antragstellerin zu 1) ist die Mutter der 2001 geborenen Antragstellerin zu 2), des 2007 geborenen Antragstellers zu 3) und des im Mai 2011 geborenen Antragstellers zu 4). Die Antragsteller zu 1) bis 3) bewohnten zunächst eine 80,6 m² große Vier-Zimmerwohnung, für die eine monatliche Grundmiete in Höhe von zuletzt 620,00 EUR und monatliche Vorauszahlungen für Nebenkosten und Heizkosten in Höhe von insgesamt 140,00 EUR anfielen. Der Antragsgegner bewilligte jedoch lediglich die aus seiner Sicht angemessenen Kosten der Unterkunft und Heizung in Höhe von zuletzt 464,70 EUR/Monat.

Mit Schreiben vom 31.01.2011 beantragte die Antragstellerin zu 1) die Erteilung der Zustimmung zum Umzug in die 90 m² große Vier-Zimmerwohnung ... xx in D. , für die eine Grundmiete in Höhe von 460,00 EUR, kalte Betriebskosten in Höhe von 124,00 EUR und eine Heizkostenvorauszahlung in Höhe von 100,00 EUR/Monat zu zahlen sind. Sie lebe in einer zu teuren Wohnung und könne die Differenz zwischen der monatlichen Miete einschließlich Nebenkosten und den vom Antragsgegner gewährten Kosten der Unterkunft und Heizung kaum noch aufwenden.

Der Antragsgegner lehnte den Antrag mit Bescheid vom 23.02.2011 ab. Der Umzug sei zwar notwendig, die neue Wohnung entspreche jedoch nicht seinen Angemessenheitskriterien. Dagegen richtete sich der Widerspruch der Antragsteller vom 23.03.2011.

Am 24.03.2011 haben die Antragsteller einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung beim Sozialgericht Leipzig (SG) gestellt. Die neue Wohnung sei im Sinne der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) angemessen, zumal die Bedarfsgemeinschaft ab Mai 2011 aus insgesamt vier Personen bestehen werde. Die bislang bewohnte Wohnung sei zum 30.04.2011 gekündigt worden. Die Antragstellerin zu 1) habe mit der künftigen Vermieterin einen Entwurf des Mietvertrages aufgesetzt und benötige - insbesondere im Hinblick auf die bevorstehende Geburt - Rechtssicherheit.

Der Antragsgegner ist dem Antrag entgegengetreten. Die neue Wohnung sei unangemessen. Die künftige Bruttokaltmiete würde den aus der Tabelle zu § 12 Wohngeldgesetz (WoGG) für einen Vier-Personen-Haushalt in der Mietstufe III ermittelten Höchstwert von 556,00 EUR/Monat übersteigen. Die Wohnung sei daher nicht angemessen. Ferner fehle es an einem Anordnungsgrund. Die Antragsteller hätten den Mietvertrag für die neue Wohnung bereits verbindlich unterzeichnet. Damit drohe keine Obdachlosigkeit, weil als Mietbeginn der 01.05.2011 vereinbart sei.

Das SG hat den Antragsgegner mit Beschluss vom 20.04.2011 im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, den Antragstellern die Zusicherung zu den Aufwendungen für die Wohnung. xx, 1. Stock, D (Grundmiete: 460,00 EUR, Nebenkosten 110,00 EUR, Heizkosten 115,00 EUR/Monat) zu erteilen. Nach § 22 Abs. 4 Satz 1 SGB II sollen erwerbsfähige leistungsberechtigte Personen vor Abschluss eines Vertrages über eine neue Wohnung die Zusicherung des für die Leistungserbringung bisher örtlich zuständigen kommunalen Trägers zur Berücksichtigung der Aufwendungen für die neue Unterkunft einholen. Nach Satz 2 der Vorschrift sei der kommunale Träger zur Zusicherung verpflichtet, wenn der Umzug erforderlich sei und die Aufwendungen für die neue Unterkunft angemessen seien. Die Zusicherung sei aber (anders als die Zusicherung, die nach § 22 Abs. 5 SGB II eingeholt werden müsse) keine Voraussetzung für einen Anspruch auf die Übernahme höherer Kosten der Unterkunft und Heizung. Sie habe grundsätzlich lediglich den Zweck, über die Angemessenheit der Unterkunftskosten vor deren Erteilung eine Entscheidung herbeizuführen und so für den Leistungsberechtigten das Entstehen einer erneuten Notlage in Folge der nur teilweisen Übernahme der Kosten zu vermeiden. Zwischenzeitlich sei zwischen den Beteiligten unstreitig, dass der Umzug erforderlich sei. Die Antragsteller könnten auf Dauer die erhebliche Differenz zwischen dem Mietpreis ihrer derzeitigen Wohnung. yy in D und den bewilligten Kosten der Unterkunft und Heizung nicht aus ihrer Regelleistung ausgleichen. Die avisierte Wohnung sei 10 m² größer und wesentlich kostengünstiger. Die Wohnung xx sei im Hinblick auf die Bruttokaltmiete auch angemessen. Der Antragsgegner gehe selbst davon aus, dass mangels Vorliegens eines schlüssigen Konzeptes nach der Rechtsprechung des BSG auf die Tabellenwerte des § 12 WoGG zurückgegriffen werden könne. Gemäß § 12 WoGG liege der Höchstbetrag für die Bruttokaltmiete bei Vier-Haushalts-Mitgliedern und Mietenstufe III für die Stadt D. bei 556,00 EUR (ohne Heizkosten). Die Bruttokaltmiete der neuen Wohnung liege mit 14,00 EUR über diesem Grenzwert. Nach der Rechtsprechung des BSG sei der Tabellenwert nach § 12 WoGG jedoch um einen Sicherheitszuschlag maßvoll zu erhöhen. So heiße es im Urteil des BSG vom 17.12.2009 - B 4 AS 50/09 (zitiert nach Juris, RdNr. 27): "Allerdings kann die Übernahme der tatsächlichen Kosten nicht unbegrenzt erfolgen. Es gibt eine einfache ‚Angemessenheitsgrenze’ nach ‚oben’. Durch sie soll verhindert werden, dass extrem hohe und damit nicht nur nach Auffassung des Grundsicherungsträgers, sondern per se unangemessene Mieten durch den Steuerzahler zu finanzieren sind. Die Heranziehung der Tabellenwerte ersetzt mithin die für den Vergleichsraum und den konkreten Zeitraum festzustellende Referenzmiete nicht. Sie dient lediglich dazu, die zu übernehmenden tatsächlichen Aufwendungen zu begrenzen. Die Grenze findet sich insoweit in den Tabellenwerten zu § 8 WoGG bzw nunmehr § 12 WoGG. Da insoweit eine abstrakte, vom Einzelfall und den konkreten Umständen im Vergleichsraum unabhängige Begrenzung vorgenommen wird, ist - anders als im vorliegenden Fall geschehen - auf den jeweiligen Höchstbetrag der Tabelle, also die rechte Spalte, zurückzugreifen. Ferner wird ein ‚Sicherheitszuschlag’ zum jeweiligen Tabellenwert im Interesse des Schutzes des elementaren Bedürfnisses des Hilfebedürftigen auf Sicherung des Wohnraums als erforderlich angesehen. Denn es kann beim Fehlen eines schlüssigen Konzepts nicht mit Sicherheit beurteilt werden, wie hoch tatsächlich die angemessene Referenzmiete war."

Das BSG habe als Gründe für die maßvolle Erhöhung durch einen "Sicherheitszuschlag" zum Einen das Interesse des Schutzes des elementaren Bedürfnisses des Leistungsberechtigten auf Sicherung des Wohnraums und zum Anderen angeführt, dass bei Fehlen eines schlüssigen Konzepts nicht mit Sicherheit beurteilt werden könne, wie hoch tatsächlich die angemessene Referenzmiete sei. Somit sollten nicht nur Bestandsmieter in den Genuss eines Sicherheitszuschlags kommen. Dafür spreche ferner, dass die Tabellenwerte des § 12 WoGG seit dem 01.01.2009 unverändert gälten und auf Bestandsmieten gründeten, während die bei Wohnungsmieten bedeutsamen Zugangsmieten genauso wenig Berücksichtigung fänden (vgl. OVG Niedersachsen, Urteil vom 28.07.2004 - 4 LC 286/03, zitiert nach Juris, RdNr. 19) wie die Erhöhung des Preisniveaus der Kaltmietnebenkosten im Laufe der Jahre. Im vorliegenden Falle liege die Bruttokaltmiete mit 570,00 EUR erheblich unter dem um einen Sicherheitszuschlag von 10 % erhöhten Tabellenwert nach § 12 WoGG von 611,60 EUR. Die Antragsteller hätten auch einen Anordnungsgrund glaubhaft gemacht. Das Zustimmungsbegehren der Antragsteller sei eilbedürftig. Die Vermieterin der neuen Wohnung habe mit Schreiben vom 17.04.2011 bestätigt, der mit der Antragstellerin zu 1) aufgesetzte Mietvertrag habe lediglich Entwurfscharakter. Es bestehe grundsätzlich die Gefahr, dass die Wohnung. xx in D ... bei Abwarten des Hauptsacheverfahrens anderweitig vergeben werde. Das alte Mietverhältnis habe zum 30.04.2011 geendet.

Gegen den dem Antragsgegner am 20.04.2011 zugestellten Beschluss hat dieser am 19.05.2011 Beschwerde zum Sächsischen Landessozialgericht (SächsLSG) eingelegt. Den Antragstellern stehe kein Anordnungsanspruch zur Seite. Das LSG für das Land Nordrhein-Westfalen habe im Beschluss vom 17.01.2011 (L 6 AS 1914/10 B) ausgeführt, es sei fraglich, ob die Zusicherung selbst gerichtlich einklagbar sei. Darüber hinaus sei der kommunale Träger zur Erteilung der Zusicherung lediglich verpflichtet wenn der Umzug erforderlich und die Aufwendungen für die neue Unterkunft angemessen seien. Die Erforderlichkeit des Umzugs werde zwar nicht angezweifelt. Die Kosten der neuen Unterkunft seien jedoch nicht angemessen. Es sei auf die Tabelle zu § 12 WoGG abzustellen. Daraus ergebe sich für einen Vier-Personen-Haushalt in der Mietstufe III ein Höchstwert von 556,00 EUR/Monat. Die künftige Kaltmiete in Höhe von 570,00 EUR/Monat übersteige diesen Wert. Ein Sicherheitszuschlag von 10 % sei nach der Rechtsprechung des BSG (Urteil vom 17.12.2009 - B 4 AS 50/09 R) lediglich für Bestandsmieten zu gewähren. Dies ergebe sich aus der Formulierung, der "Sicherheitszuschlag" sei "im Interesse des Schutzes des elementaren Bedürfnisses des Hilfebedürftigen auf Sicherung des Wohnraums als erforderlich" anzusehen. Vorliegend sei kein Wohnraum zu sichern. Zudem habe kein Anordnungsgrund bestanden. Es habe keine Obdachlosigkeit gedroht. Vermieterin der neuen Wohnung sei die Mutter der Antragsteller zu 1). Daher sei davon auszugehen, es habe nie die Gefahr bestanden, die Wohnung könne anderweitig vermietet werden.

Der Antragsgegner beantragt,

den Beschluss des SG Leipzig vom 20.04.2011 aufzuheben und den Antrag abzulehnen.

Die Antragsteller beantragen,

die Beschwerde zurückzuweisen.

Sie sind der Auffassung, der Sicherheitszuschlag sei auch bei Anmietung einer neuen Wohnung zu berücksichtigen.

Am 02.05.2011 haben die Antragsteller die neue Wohnung bezogen. Auf Nachfrage des Senats hat die Vermieterin der neuen Wohnung angegeben, sie sei die Mutter der Antragstellerin zu 1). Sie hätte die Wohnung, falls das SG die einstweilige Anordnung nicht zugunsten der Antragsteller erlassen hätte, auch an andere Mieter vermietet.

Dem Senat liegen die Verfahrensakten des Antrags und des Beschwerdeverfahrens sowie die Verwaltungsakte des Antragsgegners vor.

II.

Die Beschwerde des Antragsgegners ist nicht begründet. Zu Recht hat das SG mit Beschluss vom 20.04.2011 den Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, den Antragstellern die vorläufige Zusicherung zur Übernahme der Kosten der Unterkunft und Heizung für die Wohnung. xx, D., 1. Stock, zu erteilen.

1. Ein Anordnungsanspruch auf Erteilung der vorläufigen Zusicherung zur Übernahme der Unterkunftskosten für die neue Wohnung besteht. Nach § 86 b Abs. 2 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) können die Gerichte auf Antrag, der gemäß § 86 b Abs. 3 SGG bereits vor Klageerhebung zulässig ist, zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis eine einstweilige Anordnung erlassen, wenn die Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint. Dazu ist gemäß § 86 b Abs. 2 Satz 4 SGG i. V. m. § 920 Abs. 2 Zivilprozessordnung (ZPO) sowohl der durch die Anordnung zu sichernde, im Hauptsacheverfahren geltend gemachte Anspruch (Anordnungsanspruch) als auch der Grund, weshalb die Anordnung ergehen und dieser Anspruch vorläufig bis zur Entscheidung der Hauptsache gesichert werden soll (Anordnungsgrund), glaubhaft zu machen. Gem. § 86b Abs. 2 Satz 4 SGG ist § 929 ZPO entsprechend anzuwenden.

Nach § 22 Abs. 4 SGB II soll die erwerbsfähige leistungsberechtigte Person die Zusicherung des für die Leistungserbringung bisher örtlich zuständigen kommunalen Trägers zur Berücksichtigung der Aufwendungen für die neue Unterkunft vor Abschluss eines Vertrages über eine neue Unterkunft einholen. Der kommunale Träger ist zur Zusicherung verpflichtet, wenn der Umzug erforderlich ist und die Aufwendungen für die neue Unterkunft angemessen sind. Nach § 22 Abs. 1 Satz 2 SGB II wird nur der bisherige Bedarf für Unterkunft und Heizung anerkannt, wenn sich nach einem nicht erforderlichen Umzug die angemessenen Aufwendungen für Unterkunft und Heizung erhöhen.

Das Erfordernis, die vorherige Zusicherung des kommunalen Trägers gemäß § 22 Abs. 4 Satz 1 SGB II einzuholen, ist lediglich eine Obliegenheit des Leistungsempfängers, stellt also keine Anspruchsvoraussetzung dar (BSG, Urteil vom 30.08.2010 - B 4 AS 10/10 R, zitiert nach Juris, RdNrn. 17, 18; BSG, Urteil vom 07.11.2006 - B 7b AS 10/06 R, zitiert nach Juris, RdNr. 27; SächsLSG, Beschluss vom 04.03.2011 - L 7 AS 753/10 B ER). § 22 Abs. 4 Satz 1 SGB II kommt nach der Rechtsprechung des BSG jedoch die Funktion zu, vor einem Umzug zu klären, ob die höheren Kosten der Unterkunft und Heizung übernommen werden (BSG, Urteil vom 30.08.2010, a.a.O., RdNr. 17). Die Regelung dient dem Schutz der Hilfebedürftigen vor den weitreichenden Konsequenzen des § 22 Abs. 1 Satz 2 SGB II, die in der nur gekürzten Übernahme der tatsächlichen angemessenen Kosten der Unterkunft und Heizung ohne Übergangsfrist bestehen (BSG, Urteil vom 30.08.2010, a.a.O.). Den Leistungsberechtigten steht jedoch auch bei fehlender Zusicherung nach § 22 Abs. 4 Satz 1 SGB II dem Grunde nach ein Anspruch auf Übernahme der angemessenen tatsächlichen Aufwendungen für Unterkunft und Heizung nach § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II zu (SächsLSG, a.a.O.; SächsLSG, Beschluss vom 12.03.2012 – L 7 AS 985/11 B ER).

Zur Erteilung der Zusicherung im Sinne des § 22 Abs. 4 Satz 1 SGB II ist der kommunale Träger nach Satz 2 der Vorschrift lediglich verpflichtet, wenn die Kosten der neuen Unterkunft ihrerseits angemessen sind und der Umzug erforderlich ist. Umgekehrt bedeutet dies, dass auch nur bei Vorliegen beider Voraussetzungen ein Anspruch auf Erteilung der Zusicherung besteht. Ein Umzug ist erforderlich, wenn ein plausibler, nachvollziehbarer und verständlicher Grund vorliegt, von dem sich auch ein Nichtleistungsempfänger leiten lassen würde (SächsLSG, Beschluss vom 12.03.2012, a.a.O.; LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 08.12.2009 - L 2 AS 4587/09, zitiert nach Juris, RdNr. 43; LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 10.11.2009 - L 29 AS 1196/09 B ER, zitiert nach Juris, RdNr. 29). Hierfür sprechen auch die in der amtlichen Begründung zur Neuregelung des § 22 Abs. 1 Satz 2 SGB II (BT-Drucks. 16/1410 S. 23) genannten Beispiele eines erforderlichen Umzugs: Umzug zur Eingliederung in Arbeit, aus gesundheitlichen oder sozialen Gründen (vgl. SächsLSG, Beschluss vom 12.03.2012, a.a.O.; SG Dortmund, Urteil vom 04.10.2010 - S 31 AS 317/08, zitiert nach Juris, RdNr. 18). Von der Rechtsprechung sind u. a. eine ungünstige Wohnflächenaufteilung bei bevorstehender Geburt eines Kindes, die bevorstehende Geburt eines weiteren Kindes bei Unzumutbarkeit der Wohnungssuche kurz nach der Geburt, eine Summierung unterwertiger Wohnverhältnisse (schlechte sanitäre Verhältnisse und Ofenheizung bei älterem, gesundheitlich angeschlagenen Leistungsbezieher; Zerrüttung des Vertrauensverhältnisses in einer Wohngemeinschaft) und der Rückbau der bisherigen Wohnung als Gründe für die Erforderlichkeit eines Umzugs angesehen worden (vgl. LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 10.09.2009 - L 34 AS 1724/08, zitiert nach Juris; SG Dresden, Urteil vom 08.01.2010 - S 23 AS 1952/09, zitiert nach Juris, RdNr. 24). Mehr oder minder nachvollziehbare Gründe unterhalb der Erforderlichkeitsschwelle rechtfertigen jedoch auch geringfügige Mehrkosten nicht (Berlit in LPK-SGB II, 3. Aufl., § 22 RdNr. 49; z. B. Umzug in eine Wohnung mit Aufzug mit Kleinkind, das noch nicht laufen kann, bei bestehenden Rückenschmerzen der Mutter: LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 08.12.2009 - L 2 AS 4587/09, zitiert nach Juris, RdNrn. 44 ff).

Unter Beachtung dieser Maßgaben haben die Antragsteller vorliegend einen Anordnungsanspruch für den Umzug in die neue Wohnung glaubhaft gemacht.

a) Der Umzug ist vorliegend erforderlich, er dient nämlich der Reduzierung der Kosten der Unterkunft. Für die bisherige Wohnung fielen die Grundmiete 620,00 EUR/Monat sowie Vorauszahlungen auf Nebenkosten und Heizkosten in Höhe von 140,00 EUR/Monat, mithin insgesamt Kosten in Höhe von 760,00 EUR/Monat, an. Für die neue Wohnung sind eine Grundmiete in Höhe von 460,00 EUR/Monat, Nebenkosten in Höhe von 124,00 EUR/Monat und Heizkosten in Höhe von 100,00 EUR/Monat, mithin Gesamtkosten in Höhe von 684,00 EUR/Monat, zu zahlen. Von dem Grund des Umzugs, die monatlichen Wohnungskosten - trotz Zuwachses der Bedarfsgemeinschaft durch die Geburt des Antragstellers zu 4) - um 76,00 EUR zu reduzieren, würde sich auch eine Nichtleistungsempfänger leiten lassen.

b) Die Kosten der neuen Wohnung sind nach der im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes vorzunehmenden summarischen Prüfung auch angemessen. Wie bereits vom SG zutreffend ausgeführt, geht selbst der Antragsgegner vom Fehlen eines schlüssigen Konzeptes im Sinne der ständigen Rechtsprechung des BSG zur Angemessenheit der Kosten der Unterkunft (vgl. u.a. BSG, Urteil vom 06.10.2011 - B 14 AS 131/10 R, zitiert nach Juris, RdNr. 21 ff; BSG Urteil vom 23.08.2011 - B 14 AS 91/10 R, zitiert nach Juris, RdNr. 23; BSG, Urteil vom 17.12.2009 - B 4 AS 27/09 R, zitiert nach Juris, RdNrn. 21 ff; vgl. auch zur Tatsache, dass der Richtlinie des Antragsgegners kein schlüssiges Konzept zugrunde liegt: SG Leipzig, Beschluss vom 18.02.2011 - S 19 AS 284/11 ER) aus.

Im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes kommt - bei Nichtvorliegen eines schlüssigen Konzepts - eine Aufforderung des Antragsgegners, dem Gericht im Rahmen seiner prozessualen Mitwirkungspflicht gemäß § 103 Satz 1 2. Halbsatz SGG eine zuverlässige Entscheidungsgrundlage zu verschaffen, und gegebenenfalls eine unterbliebene Datenerhebung und -aufbereitung nachzuholen (BSG, Urteil vom 17.12.2009, a.a.O., RdNr. 22) bzw. - soweit diese erfolglos bleibt - eine Auswertung der vom Antragsgegner übermittelten Daten durch das Gericht sowie, falls diese nicht zum Erfolg führt, eine Ermittlung aufgrund anderer Datengrundlagen, wie z. B. Mietspiegeln, aufgrund der Eilbedürftigkeit eines diesbezüglichen Verfahrens nicht in Betracht.

Im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes ist vielmehr ein Abstellen auf die "Angemessenheitsobergrenze" nach dem Tabellenwert des § 8 WoGG bzw. § 12 WoGG - jeweils rechte Spalte - zuzüglich eines Sicherheitszuschlags gerechtfertigt (BSG, Urteil vom 26.05.2011 - B 14 AS 132/10 R, zitiert nach Juris, RdNr. 29; BSG, Urteil vom 17.12.2009, a.a.O., RdNrn. 23, 27; BSG, Urteil vom 18.02.2010 - B 14 AS 73/08 R, zitiert nach Juris, RdNr. 29; BSG, Urteil vom 17.12.2009, a.a.O., RdNr. 29; LSG Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 12.08.2011 - L 15 AS 173/11 B ER, zitiert nach Juris, RdNr. 17 ff; LSG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 23.03.2010 - L 5 AS 23/09 B ER und L 5 AS 24/09 B, zitiert nach Juris, RdNrn. 41 ff; LSG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 13.10.2008 - S 2 B 153/08 AS-ER, zitiert nach Juris, RdNr. 31 ff; Piepenstock in Schlegel/Voelzke, Juris-Praxiskommentar, 3. Aufl., § 22 RdNr. 84). Nach § 12 Abs. 1 WoGG ergibt sich für einen vierköpfigen Haushalt in der Mietstufe III für die Gemeinde D ... (vgl. Bundesministerium für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen, Mietenstufen der Gemeinden (§ 8 des Wohngeldgesetzes) nach Ländern ab 1. Januar 2009, Seite 63) eine Grundmiete einschließlich Nebenkosten ohne Heizkosten in Höhe von monatlich 556,00 EUR. Diesem Betrag ist ein Sicherheitszuschlag hinzuzurechnen (BSG, Urteil vom 17.12.2009, a.a.O., RdNr. 27). Es kann in diesem Verfahren dahinstehen, ob im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes von einem Sicherheitszuschlag von ca. 5 % oder von einem solchen von 10 % (für 10 %: LSG Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 12.08.2011, a.a.O., zitiert nach Juris, RdNr. 18; LSG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 10.12.2008 – L 8 B 4/08 ER, zitiert nach Juris, RdNr. 29; SG Lüneburg, Beschluss vom 26.07.2011 – S 45 AS 282/11 ER, zitiert nach Juris, RdNr. 27) auszugehen ist. Nimmt man einen Sicherheitszuschlag von ca. 5 % an, ergibt sich eine Grundmiete einschließlich Nebenkosten ohne Heizkosten in Höhe von ca. 584,00 EUR, bei einem Sicherheitszuschlag von 10 % eine solche von 611,60 EUR. In beiden Fällen überschreiten die Grundmiete einschließlich der Nebenkosten ohne Heizkosten der Wohnung der Antragsteller diese Werte nicht.

Von der Hinzurechnung des Sicherheitszuschlages kann nicht deswegen abgesehen werden, weil - wie der Antragsgegner meint - es sich bei der Miete für die neue Wohnung nicht um eine Bestandsmiete, sondern eine Miete für eine neue Wohnung handelt. Eine Beschränkung der Berücksichtigung des Sicherheitszuschlages nur für Bestandsmieten und nicht für Neuanmietungen lässt sich aus der Rechtsprechung des BSG nicht herleiten (so auch SG für das Saarland, Urteil vom 12.01.2011 - S 12 AS 480/09, zitiert nach Juris, RdNr. 39).

Hintergrund der Rechtsprechung des BSG zum Sicherheitszuschlag ist, dass bei Fehlen eines schlüssigen Konzepts nicht mit Sicherheit beurteilt werden kann, wie hoch die angemessene Referenzmiete tatsächlich ist. Sie kann folglich nach dieser Rechtsprechung eben gerade auch höher als der Tabellenwert nach § 12 WoGG sein. In Anbetracht dieses Hintergrunds ist es nicht gerechtfertigt, bei Umzügen in eine neue Wohnung den Sicherheitszuschlag nicht zu berücksichtigen. Zudem ist der Satz des BSG, dass "ein ‚Sicherheitszuschlag’ zum jeweiligen Tabellenwert im Interesse des Schutzes des elementaren Bedürfnisses des Hilfebedürftigen auf Sicherung des Wohnraums" erforderlich ist, gerade auch vor dem Hintergrund des vorliegenden Falls, in dem für die bisherige Wohnung höhere Kosten der Unterkunft und Heizung als für die neue Wohnung anfallen, dahingehend auszulegen, dass es auf die Sicherung des elementaren Bedürfnisses des Hilfebedürftigen auf Wohnen ankommt.

In der Rechtsprechung wird der Sicherheitszuschlag zudem auch für Neuanmietungen berücksichtigt (z. B. SG für das Saarland, Urteil vom 12.01.2011, S 12 AS 480/09, zitiert nach Juris, RdNr. 39, SG Landshut, Urteil vom 07.02.2012 - S 10 AS 294/11, zitiert nach Juris, RdNr. 66; SG Kassel, Beschluss vom 23.06.2010 - S 6 AS 144/10 ER, zitiert nach Juris, RdNr. 33).

Die vorläufige Verpflichtung des Antragsgegners, den tatsächlichen Heizkostenvorschuss in Höhe von 100,00 EUR/Monat zu tragen, ist nach der im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes vorzunehmenden summarischen Prüfung unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des BSG (Urteil vom 20.08.2009 - B 14 AS 65/08, zitiert nach Juris, RdNrn. 26 ff) - eine Ermittlung der Heizungsart, der beheizten Fläche des künftigen Wohnhauses und gegebenenfalls besonderer Gründe für ein Überschreiten der nach der Rechtsprechung des BSG ermittelten Richtwerte ist im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes jedenfalls bei Umzügen in eine neue Wohnung regelmäßig nicht möglich - nicht zu bestanden.

2. Zu Recht hat das SG einen Anordnungsgrund bejaht. Ein solcher besteht, wenn der Betroffene bei Abwarten bis zur Entscheidung der Hauptsache Gefahr laufen würde, seine Rechte nicht mehr realisieren zu können, oder gegenwärtige schwere unzumutbare rechtliche oder wirtschaftliche Nachteile erlitte. Die individuelle Interessenslage des Betroffenen - unter Umständen auch unter Berücksichtigung der Interessenslage des Antragsgegners und der Allgemeinheit - muss es unzumutbar erscheinen lassen, den Betroffenen zur Durchsetzung seines Anspruchs auf das Hauptsacheverfahren zu verweisen.

In einem auf Erlass einer einstweiligen Anordnung gerichteten Verfahren beurteilt sich das Vorliegen eines Anordnungsgrundes grundsätzlich nach dem Zeitpunkt, in dem das Gericht über den Antrag entscheidet. Im Beschwerdeverfahren ist dies grundsätzlich der Zeitpunkt der Beschwerdeentscheidung, (vgl. SächsLSG, Beschluss vom 30.06.2008 - L 2 B 331/08 AS-ER m.w.N.).

Von diesem Grundsatz ist dann eine Ausnahme zu machen, wenn sich die Behörde wegen der in Artikel 20 Absatz 3 Grundgesetz verankerten Bindung der Verwaltung an Gesetz und Recht verhält und die einstweilige Anordnung des SG unmittelbar nach ihrem Erlass umsetzt und vorläufig Leistungen gewährt. Es würde in einem solchen Fall gegen Treu und Glauben verstoßen (§ 242 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) analog), keine Ausnahme von dem oben genannten Grundsatz zuzulassen. Vielmehr ist in einem derartigen Fall lediglich die Rechtmäßigkeit der Bejahung des Anordnungsgrundes durch das SG zu prüfen. Im erstinstanzlichen Verfahren beurteilt sich in einem auf Erlass einer einstweiligen Anordnung gerichteten Verfahren das Vorliegen eines Anordnungsgrundes nach dem Zeitpunkt der erstinstanzlichen Entscheidung (SächsLSG, Beschluss vom 30.06.2008, a.a.O.).

Eilbedürftigkeit hat zum Zeitpunkt der erstinstanzlichen Entscheidung vorgelegen, da das offene Wohnungsangebot für die Wohnung. xx in D. unter Berücksichtigung der Stellungnahme der Vermieterin vom 12.03.2012 bei Abwarten des Abschlusses des Hauptsachverfahrens in ein bis zwei Jahren voraussichtlich nicht mehr verfügbar gewesen wäre (vgl. ebenso LSG Baden-Württemberg, Beschluss vom 11.08.2011 - L 12 AS 3144/11 ER-B, zitiert nach Juris, RdNr. 15; SächsLSG, Beschluss vom 22.12.2009 - L 2 AS 711/09 B ER, zitiert nach Juris, RdNr. 23).

Nach alledem war die Beschwerde des Antragsgegners zurückzuweisen.

Die Entscheidung über die Kosten folgt aus § 193 SGG.

Der Beschluss ist gemäß § 177 SGG unanfechtbar.

Weinholtz Reichert Dr. Anders
Rechtskraft
Aus
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