L 7 AS 916/12 B ER

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
7
1. Instanz
SG Aachen (NRW)
Aktenzeichen
S 8 AS 339/12 ER
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 7 AS 916/12 B ER
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Beschwerde des Antragsgegners gegen den Beschluss des Sozialgerichts Aachen vom 07.05.2012 wird zurückgewiesen. Der Antragsgegner trägt auch die notwendigen außergerichtlichen Kosten des Antragstellers im Beschwerdeverfahren.

Gründe:

Die zulässige Beschwerde des Antragsgegners ist unbegründet.

Das Sozialgericht (SG) Aachen hat im Beschluss vom 07.05.2012 zu Recht die aufschiebende Wirkung der Klage des Antragstellers vom 27.04.2012 gegen den Bescheid vom 28.02.2012 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 12.04.2012 angeordnet. Denn das SG ist zutreffend davon ausgegangen, dass gemäß § 86b Abs. 1 S. 1 Nr. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) die Klage des Antragstellers gegen den Bescheid vom 28.02.2012 nach summarischer Prüfung hinreichende Aussicht auf Erfolg hat.

Nach § 86b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGG kann das Gericht in der Hauptsache auf Antrag in den Fällen, in denen Widerspruch oder Anfechtungsklage keine aufschiebende Wirkung haben, die aufschiebende Wirkung ganz oder teilweise anordnen. Sofern zwischen den Beteiligten streitig ist, ob ein Rechtsbehelf aufschiebende Wirkung hat, kann das Gericht auf Antrag durch Beschluss aussprechen, dass die Rechtsbehelfe aufschiebende Wirkung haben (deklaratorischer Beschluss; vgl. Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 10. Aufl. 2012, § 86 b Rn. 15 m.N. zur Rechtsprechung des Bundessozialgerichts [BSG]).

Gemäß § 86a Abs. 1 SGG haben Widerspruch und Anfechtungsklage grundsätzlich aufschiebende Wirkung; nach § 86a Abs. 2 Nr. 4 SGG entfällt die aufschiebende Wirkung in anderen durch Bundesgesetz vorgeschriebenen Fällen. Gemäß § 39 Nr. 3 SGB II haben Widerspruch und Anfechtungsklage gegen einen Verwaltungsakt, mit dem zur Beantragung einer vorrangigen Leistung aufgefordert wird, keine aufschiebende Wirkung.

Die Erfolgsaussicht des Antrages beurteilt sich nach dem Ergebnis einer Interessenabwägung zwischen dem privaten Interesse des Antragstellers an der Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung und dem Interesse der Allgemeinheit an der sofortigen Vollziehung. Hierbei sind neben einer allgemeinen Abwägung der Folgen bei Gewährung bzw. Nichtgewährung des vorläufigen Rechtsschutzes auch die Erfolgsaussichten des Rechtsbehelfes in der Hauptsache von Bedeutung (Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, Kommentar zum SGG, 9. Auflage, § 86b Rn. 12c ff.). Dabei kann nicht außer Acht gelassen werden, dass das Gesetz mit dem Ausschluss der aufschiebenden Wirkung in § 39 SGB II dem öffentlichen Interesse an der sofortigen Vollziehung des angefochtenen Bescheides grundsätzlich Vorrang vor dem Interesse des Betroffenen an einem Aufschub der Vollziehung einräumt (vgl. LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 26.07.2006 - L 20 B 144/06 AS ER).

Die hiernach anzustellende Interessenabwägung geht zu Gunsten des Antragstellers aus. Es bestehen ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der angefochtenen Verwaltungsentscheidung, d.h. der an den Antragsteller gerichteten Aufforderung des Antragsgegners vom 28.02.2012, einen Antrag auf Gewährung von Altersrente bei der Deutschen Rentenversicherung Rheinland auf Gewährung einer Altersrente mit Abschlägen nach Vollendung des 63. Lebensjahres zu stellen. Nach § 5 Abs. 3 S. 1 SGB II können die Leistungsträger, sofern Leistungsberechtigte trotz Aufforderung einen erforderlichen Antrag auf Leistungen eines anderen Trägers nicht stellen, nach diesem Buch den Antrag stellen sowie Rechtsbehelfe und Rechtsmittel einlegen. Daraus folgt aber, dass nicht nur die Stellung des Antrags an Stelle des Leistungsempfängers im Ermessen des Leistungsträgers steht ("können stellen"), sondern schon die Aufforderung einer Ermessensentscheidung bedarf (LSG NRW, Beschluss vom 01.02.2010 - L 19 AS 371/09 AS ER Rn. 9 juris; LSG Hessen, Beschluss vom 24.05.2011 - L 7 AS 88/11 B ER Rn. 21 juris; Knickrehm in Eicher/Spellbrink, SGB II, 2. Aufl., § 5 Rn. 32; Luthe in Hauck/Noftz, SGB II, § 5 Rn. 119; Armborst in LPK-SGB II, 4. Aufl. 2012, § 5 Rn. 49). Von diesem Ermessen hat der Antragsgegner im Bescheid vom 28.02.2012 keinen Gebrauch gemacht. Zur Begründung verweist der Senat auf die zutreffenden Gründe der angefochtenen Entscheidung, die sich der Senat nach Prüfung zu eigen macht (§ 142 Abs. 2 S. 3 SGG). Ob die Ausführungen des Antragsgegners im Widerspruchsbescheid als ausreichende Ausübung des Ermessens zu qualifizieren ist, kann dahin stehen. Denn die Ausübung des Ermessens muss im Zusammenhang, d.h. vor Erlass des die Aufforderung beinhaltenden Verwaltungsaktes (hierzu BSG, Beschluss vom 16.12.2011 - B 14 AS 138/11 B Rn. 5) juris) erfolgen. Denn andernfalls wäre der Leistungsempfänger, der den Antrag aufforderungsgemäß stellt, benachteiligt, weil in seinem Fall die Ermessensentscheidung vor Vollziehung des Antrags nicht mehr stattfände (LSG NRW, a.a.O.).

Die Kostenentscheidung folgt aus einer entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.

Dieser Beschluss ist mit der Beschwerde nicht anfechtbar (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
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