S 205 AS 11266/12 ER

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
SG Berlin (BRB)
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
205
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 205 AS 11266/12 ER
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung wird abgelehnt. Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.

Gründe:

Der am 2. Mai beim angerufenen Gericht eingegangene Antrag der Antragsteller vom gleichen Tage,

den Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, umgehend Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes sowie Unterkunfts- und Heizkosten fortlaufend ab 1. Mai 2012 weiter zu gewähren,

hat keinen Erfolg.

Eine einstweilige Anordnung zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis (Regelungsanordnung) ist zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint (§ 86b Abs. 2 Satz 2 SGG). Das ist dann der Fall, wenn dem Antragsteller ohne eine solche Anordnung schwere oder unzumutbare, nicht anders abwendbare Nachteile entstehen, zu deren Beseitigung eine Entscheidung in der Hauptsache nicht mehr in der Lage wäre (vgl. BVerfGE 79, 69 ff.). Eine solche Regelungsanordnung setzt voraus, dass der Antragsteller einen Anordnungsgrund, das ist in der Regel die Eilbedürftigkeit, und einen Anordnungsanspruch, das ist der materiell-rechtliche Anspruch, auf den sich ihr Begehren stützt, glaubhaft gemacht hat (§ 86 b Abs. 2 Satz 2 und 4 SGG iVm §§ 920 Abs. 2, 294 Abs. 1 ZPO). Bei der erforderlichen Überprüfung der Sach- und Rechtslage ist im Bereich der Leistungen nach des SGB II die Erfolgsaussicht der Hauptsache nicht nur summarisch, sondern abschließend zu prüfen (vgl. BVerfG, Beschluss vom 12. Mai 2005 - 1 BvR 569/05). Ist dem Gericht allerdings im Eilverfahren trotz Amtsermittlungsgrundsatz eine vollständige Aufklärung der Sach- und Rechtslage nicht möglich, so muss anhand der Folgenabwägung entschieden werden. Hierbei sind die grundrechtlichen Belange des Antragstellers einzubeziehen.

Der Antrag ist unbegründet. Es besteht kein Anordnungsanspruch (1.). Die Antragsteller sind zwar Leistungsberechtigte nach § 7 Abs. 1 Satz 1 SGB II (a), indes sind sie als Ausländer, deren Aufenthaltsrecht sich allein aus dem Zweck der Arbeitssuche ergibt, nach § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II von Grundsicherungsleistungen ausgeschlossen (b). Dieser Leistungsausschluss ist bei europarechtskonformer Auslegung anwendbar (c). Die Antragsteller haben auch keinen Anspruch auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem SGB XII (d). Eine Folgenabwägung, die eine andere, für die Antragsteller günstigere Entscheidung ermöglichen könnte, ist nicht vorzunehmen (2.).

1.) a) Leistungen nach dem SGB II erhalten nur erwerbsfähige Leistungsberechtigte (§ 7 Abs. 1 Satz 1 SGB II). Dies sind nach der Legaldefinition des § 7 Abs. 1 Satz 1 SGB II Personen, die 1. das 15. Lebensjahr vollendet und die Altersgrenze nach § 7a noch nicht erreicht haben, 2. erwerbsfähig sind, 3. hilfebedürftig sind und 4. ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland haben (erwerbsfähige Leistungsberechtigte).

Das Vorliegen dieser Voraussetzungen haben die Antragsteller glaubhaft gemacht.

Die Antragstellerin zu 1.) ist am 1967 geboren. Der Antragsteller zu 2.) ist am 1959 geboren.

Zweifel an der Erwerbsfähigkeit sind nicht ersichtlich. § 8 Abs. 2 Satz 1 SGB II steht dem nicht entgegen, denn die Antragsteller sind Staatsangehörige des Vereinigten Königreichs und genießen als Unionsbürger uneingeschränkte Freizügigkeit als Arbeitnehmer oder Arbeitssuchende (Wolff-Dellen, in: Löns/Herold-Tews, SGB II, 3. Aufl., § 8 Rn. 14; Hackethal, in: jurisPK-SGB II, 3. Aufl., § 8 Rn. 34; Armborst, in: LPK-SGB II, 4. Aufl., § 8 Rn. 25; Fahlbusch, in: Beck’scher Online-Kommentar Sozialrecht, Stand: 01.03.2012, § 8 SGB II Rn. 12).

Ausweislich der eingereichten Kontoauszüge und der glaubhaften Angaben zum fehlenden Einkommen der Antragstellerin zu 1.) und des sehr geringen Einkommens des Antragstellers zu 2.) sind die Antragsteller hilfebedürftig im Sinne von § 9 Abs. 1 SGB II.

Schließlich sind die Antragsteller ausweislich der Freizügigkeitsbescheinigungen des Landesamtes für Bürger- und Ordnungsangelegenheiten – Ausländerbehörde – vom 5. Mai 2011 zum Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland berechtigt.

b) Ausgenommen von Leistungen nach dem SGB II sind jedoch Ausländerinnen und Ausländer, deren Aufenthaltsrecht sich allein aus dem Zweck der Arbeitsuche ergibt (§ 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II).

Dies ist bei den Antragstellern der Fall. Das Aufenthaltsrecht der Antragsteller folgt allein aus dem Zweck der Arbeitssuche (§ 2 Abs. 2 Nr. 1 Alt. 2 FreizügG/EU).

Die Antragstellerin zu 1.) hat kein Aufenthaltsrecht als Arbeitnehmerin (§ 2 Abs. 2 Nr. 1 Alt. 1 FreizügG/EU). Ihre Tätigkeit als "Kindertheater-Projektentwicklerin" endete am 30. April 2011. Danach war sie lediglich an einzelnen Tagen, am 11. Mai 2011, 18. Mai 2011, 17. Oktober 2011 und 28. Oktober 2011 für die M M C Ltd. als Komparsin beim Film beschäftigt.

Ihre Eigenschaft als Erwerbstätige wird nicht nach § 2 Abs. 3 FreizügG/EU fingiert, da ihre letzte Tätigkeit zumindest ein halbes Jahr her ist und sie nicht mehr als ein Jahr tätig gewesen ist. Die Tätigkeit als "Kindertheater-Projektentwicklerin" dauerte lediglich vier Monate.

Entgegen seiner Auffassung ist der Antragsteller zu 2.) nicht als selbständig Erwerbstätiger nach § 2 Abs. 2 Nr. 2 FreizügG/EU aufenthaltsberechtigt.

Dies setzt nämlich voraus, dass eine Tätigkeit als Selbstständiger im Aufnahmemitgliedstaat tatsächlich ausgeübt wird (BSG, Urt. v. 19.10.2010 - B 14 AS 23/10 R, Rn. 19). Zwar ist nicht erforderlich, dass der Gewinn aus der selbstständigen Tätigkeit das notwendige Existenzminimum deckt (OVG Bremen, B. v. 21.6.2010 - 1 B 137/10). Voraussetzung ist indes, dass eine wirtschaftliche Tätigkeit auf unbestimmte Zeit mittels einer festen Einrichtung in einem anderen Mitgliedstaat tatsächlich ausgeübt wird (EuGH, Urt. v. 25.07.1991 – Rs. C-221/89 – Factortame, Rn. 20).

Wie bei Arbeitnehmern ist im Hinblick auf die Qualität der selbständigen Tätigkeit zu fordern, dass diese nicht völlig untergeordnet und unwesentlich ist (Hessisches LSG, B. v. 14.07.2011 - L 7 AS 107/11 B ER, Rn. 14, juris; LSG Berlin-Brandenburg, B. v. 22.07.2010 - L 14 AS 763/10 B ER; OVG Nordrhein-Westfalen, NVwZ-RR 1996, 708, 709; OVG Bremen, B. v. 21.06.2010 - 1 B 137/10, Rn. 10, juris; Hailbronner, Ausländerrecht, 54. EL Oktober 2007, § 2 FreizügG/EU Rn. 44; LSG Berlin-Brandenburg, B. v. 09.09.2010 - L 10 AS 1023/10 B ER, L 10 AS 1028/10 B PKH, Rn. 13, juris; wohl auch LSG Niedersachsen-Bremen, B. v. 23.05.2012 – L 9 AS 47/12 B ER, Rn. 53, juris; für Arbeitnehmer vgl. BSG, Urt. v. 19.10.2010, - B 14 AS 23/10 R, Rn. 18, mwN).

Die Tätigkeit muss entsprechend dem Sinn und Zweck, der Verwirklichung des Binnenmarktes, eine Beteiligung am wirtschaftlichen Leben darstellen, sodass das Entgelt dementsprechend nicht völlig unerheblich sein darf (Kotzur, in: Geiger/Khan/Kotzur, EUV/AUEV, 5. Aufl., Art. 49 AEUV Rn. 5, a. A. Hessisches LSG; aaO).

Der vom Antragsteller zu 2.) auf der Basis seiner selbständigen Tätigkeit erzielte Gewinn kann nur als vollkommen untergeordnet, unwesentlich und unerheblich qualifiziert werden. Glaubhaft gemacht hat der Antragsteller zu 2.) im letzten halben Jahr Einnahmen aus Konzerten in Höhe von 100,00 EUR. Es handelte sich um ein Konzert am 6. Mai 2012, für welches die Band des Antragstellers zu 2.) 300,00 EUR Honorar erhalten hat, welches nach seinen Angaben auf drei Bandmitglieder zu verteilen ist. Überdies hat der Antragsteller zu 2.) im Schriftsatz vom 7. Juni 2012 ausgeführt, pro Auftritt ca. 20,00 bis 50,00 EUR an Honorar zu erzielen und im letzten halben Jahr neun Auftritte absolviert zu haben. Selbst diese nicht glaubhaft gemachten Angaben als wahr unterstellt, ergäben sich maximal Einnahmen in Höhe von 150,00 EUR für das letzte halbe Jahr, mithin 25,00 EUR pro Monat. In Anbetracht des Umstandes, dass der Antragsteller zu 2.) ausweislich seiner eingereichten Einschätzung zum voraussichtlichen Einkommen aus selbständiger Tätigkeit Betriebsausgaben in Höhe von 134,00 EUR bis 184,00 EUR aufwendet, ist ein Gewinn nicht ersichtlich. Dies gilt selbst dann, wenn man die Behauptung des Antragstellers zu 2.) als richtig unterstellt, er erhalte inzwischen 80,00 EUR pro Monat aus einem – glaubhaft gemachten – Unterrichtsvertrag.

Dem kann nicht entgegen gehalten werden, dass sich das Unternehmen des Antragstellers zu 2.) noch in der Aufbau- oder Gründungsphase befindet (vgl. hierzu OVG Bremen, B. v. 21.06.2010 - 1 B 137/10, Rn. 11). Der Antragsteller zu 2.) ist bereits seit Juli 2010 in Deutschland versucht, seinen Lebensunterhalt durch seine Tätigkeit als Musiker zu bestreiten, ohne dass sich die Erzielung von Gewinn ersehen ließe. Nach zwei Jahren Tätigkeit dürfte grundsätzlich von einer Gründungsphase nicht mehr gesprochen werden können (vgl. auch § 16b Abs. 2 Satz 1 SGB II). In Anbetracht der verhältnismäßig geringfügig notwendigen Investitions- und Vorhaltekosten dürfte wohl kaum von einem langfristigen Investment die Rede sein können.

Schließlich sind die Antragsteller erst im Juli 2010 nach Deutschland eingereist, sodass sie kein Aufenthaltsrecht aus § 4a FreizügG/EU herleiten können.

c) Der Leistungsausschluss nach § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II ist anwendbar, denn er verstößt weder gegen das Europäische Fürsorgeabkommen noch – bei europarechtskonformer Auslegung – gegen das Recht der Europäischen Union.

aa) Der Leistungsausschluss verstößt nicht gegen das das Gleichbehandlungsgebot des Art. 1 des Europäischen Fürsorgeabkommens (EFA) vom 11. Dezember 1953 (in Verbindung mit dem Zustimmungsgesetz vom 15. Mai 1959 (BGBl. 1956 Teil II, S. 564)), denn aufgrund der Vorbehaltserklärung der Bundesrepublik Deutschland gemäß Art. 16 b) Satz 2 EFA vom 19. Dezember 2011 ist das EFA im Bereich des SGB II nicht mehr anzuwenden.

(1) Das Europäische Fürsorgeabkommen ist in Deutschland weiterhin anwendbar und wird nicht durch Art. 8 Verordnung (EG) Nr. 883/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29. April 2004 zur Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit (im Folgenden: Verordnung (EG) Nr. 883/2004) verdrängt.

Nach Art. 8 Abs. 1 Satz 1 Verordnung (EG) Nr. 883/2044 tritt diese Verordnung im Rahmen ihres Geltungsbereichs an die Stelle aller zwischen den Mitgliedstaaten geltenden Abkommen über soziale Sicherheit. Die Koordinierungsregel gilt nur für Abkommen über soziale Sicherheit.

Das EFA ist kein Abkommen über die soziale Sicherheit (BSG, Urt. v. 19.10.2010 – B 14 AS 23/10 R, Rn. 30, juris, a. A. Bayerisches LSG, B. v. 12.03.2008 - L 7 B 1104/07 AS ER; Schreiber, in: ders./Wunder/Dern, Verordnung (EG) Nr. 883/2004, Art. 70 Rn. 28). Allein der Umstand, dass die frühere Legaldefinition des Art. 1 lit. k Verordnung (EWG) Nr. 1408/71 des Rates vom 14. Juni 1971 zur Anwendung der Systeme der sozialen Sicherheit auf Arbeitnehmer und deren Familien, die innerhalb der Gemeinschaft zu- und abwandern, wonach unter Abkommen über die soziale Sicherheit jede zwei- oder mehrseitige Vereinbarung, die auf dem Gebiet der sozialen Sicherheit für alle oder einen Teil der in Artikel 4 Absätze 1 und 2 bezeichneten Zweige und Systeme ausschließlich zwischen zwei oder mehr Mitgliedstaaten jetzt oder künftig in Kraft ist, jede mehrseitige Vereinbarung, die für mindestens zwei Mitgliedstaaten und ein oder mehrere Drittländer jetzt oder künftig in Kraft ist und ferner alle im Rahmen dieser Vereinbarungen getroffenen weiteren Vereinbarungen jeder Art, zu verstehen ist, nicht mehr in der Verordnung (EG) Nr. 883/2004 aufgeführt ist, lässt keine Abweichung von der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts zu. Es ist kein Grund ersichtlich, die frühere Legaldefinition nicht auch im zeitlichen Anwendungsbereich der Verordnung (EG) Nr. 883/2004 zu berücksichtigen.

Darüber hinaus sind Leistungen der sozialen Sicherheit nach der Rechtssprechung des EuGH Leistungen, die dem Begünstigten aufgrund eines gesetzlich umschriebenen Tatbestands gewährt wird, ohne dass im Einzelfall eine in das Ermessen gestellte Prüfung des persönlichen Bedarfs erfolgt, und wenn sie sich auf eines der in Art 3 Abs 1 Verordnung (EG) Nr. 883/2004 ausdrücklich aufgezählten Risiken bezieht (Utz, in: Beck’scher Online-Kommentar Sozialrecht, Stand: 01.03.2012, Art. 3 Verordnung (EG) Nr. 883/2004 Rn. 3, mwN). Hierunter fallen Fürsorgeleistungen nach dem EFA nicht. Nach Art. 2 a. i. EFA ist "Fürsorge" jede Fürsorge, die jeder der Vertragschließenden nach den in dem jeweiligen Teile seines Gebietes geltenden Rechtsvorschriften gewährt und wonach Personen ohne ausreichende Mittel die Mittel für ihren Lebensbedarf sowie die Betreuung erhalten, die ihre Lage erfordert. Einen Bezug zu den in Art. 3 Abs. 1 Verordnung (EG) Nr. 883/2004 genannten Risiken weisen Fürsorgeleistungen in diesem Sinne nicht auf. Dieses Ergebnis wird gestützt durch die Überschrift des Artikels 8 Verordnung (EG) Nr. 883/2004, wonach diese Vorschrift das Verhältnis der Verordnung zu anderen "Koordinierungsregelungen" regeln soll. Das EFA bezweckt nicht die Koordinierung unterschiedlicher Systeme der sozialen Sicherheit.

Da es sich beim EFA bereits nicht um ein Abkommen über soziale Sicherheit im Sinne von Art. 8 Abs. 1 Satz 1 Verordnung (EG) Nr. 883/2004 handelt, ist irrelevant, dass es nicht nach Art. 8 Abs. 1 Satz 3 Verordnung (EG) Nr. 883/2004 im Anhang II der Verordnung (EG) Nr. 883/2004 aufgeführt ist.

(2) Danach ist dass EFA weiterhin grundsätzlich anzuwenden, jedoch können Leistungen zur Grundsicherung für Arbeitssuchende nach dem SGB II aufgrund der Vorbehaltserklärung der Bundesrepublik Deutschland gemäß Art. 16 b) Satz 2 EFA vom 19. Dezember 2011 nicht mehr als Fürsorgeleistungen angesehen werden.

An der Wirksamkeit des Vorbehalts bestehen keine durchgreifenden Bedenken. Nach Art. 16 b) Satz 2 EFA kann jeder Vertragsschließende gleichzeitig mit der Mitteilung einer neuen Rechtsvorschrift, die im Anhang I des EFA noch nicht aufgeführt ist, Vorbehalte hinsichtlich der Anwendung dieser neuen Rechtsvorschriften auf die Staatsangehörigen der anderen Vertragschließenden machen.

Die Voraussetzungen sind erfüllt, denn es handelt sich beim SGB II um eine "neue Rechtsvorschrift" im Sinne der Norm. Das EFA ist bereits seit 1956 geltendes Bundesrecht (vgl. BSG, Urt. v. 19.10.2010 - B 14 AS 23/10 R, Rn. 24, juris). Daher ist das am 1. Januar 2005 in Kraft getretene SGB II "neu", denn es ist zu einem Zeitpunkt in Kraft getreten, als das EFA bereits sowohl völkerrechtlich als auch bundesrechtlich wirksam gewesen ist.

Unerheblich ist insoweit, ob das SGB II Nachfolger des Bundessozialhilfegesetzes (BSHG) ist, denn es könnte allenfalls dann als nicht mehr "neu" bezeichnet werden, wenn das SGB II gleichsam wesensgleich mit dem BSHG wäre und es lediglich um eine reine – möglicherweise missbräuchliche – Neubezeichnung ginge (a. A. SG Düsseldorf, B. v. 26.04.2012 - S 10 AS 1258/12 ER). Dies ist nicht der Fall, denn das SGB II brachte die Zusammenführung von Arbeitslosenhilfe und Sozialhilfe und ist damit keine reine Sozialhilfe, sondern ein "Mischsystem".

Unschädlich ist ferner, dass die Vorbehaltserklärung als Reaktion auf das gerade zitierte Urteil des Bundessozialgerichtes vom 19. Oktober 2010 erfolgte (a. A. LSG Berlin-Brandenburg, B. v. 9.05.2012 – L 19 AS 794/12 B ER). Die Motivation der Bundesregierung hat die Kammer nicht zu hinterfragen. Entscheidend ist allein, ob das SGB II "neu" im Sinne des Art. 16 b) Satz 2 EFA ist. Die Entscheidung des Bundessozialgerichts ist für diese Frage nicht relevant, denn die Vorbehaltserklärung richtet sich nicht gegen das Urteil, sondern gegen die Anwendung des EFA. Eine überzeugende Begründung, weshalb das am 1. Januar 2005 in Kraft getretene SGB II keine "neue" Rechtsvorschrift sein soll, ist bisher nicht ersichtlich. Art. 16 b) Satz 2 EFA enthält keinerlei Frist, bis wann ein Vorbehalt erklärt werden muss (so auch SG Berlin, B. v. 14.05.2012 – S 124 AS 7164/12 ER, Rn. 36, juris.) Auch im Übrigen ist nicht ersichtlich, dass die Rechtsvorschrift dann nicht mehr "neu" ist, wenn sie – wie hier – bereits vor einigen Jahren in Kraft getreten ist. Er erscheint nicht überzeugend, in das EFA ohne jeden konkreten Anhaltspunkt eine Frist für die Erklärung eines Vorbehalts hineinzulesen, ohne den Begriff "neu" anders als "nach dem Inkrafttreten des EFA in Kraft getreten" zu definieren. Es ist nicht erkennbar, ab welcher Frist ein Gesetz seinen Status als "neu" verlieren soll. Ohne entsprechende dem Gesetz entnommene oder jedenfalls entlehnte Definition ist der Kammer eine anderweitige Subsumtion nicht möglich.

Der Vorbehalt ist nicht wegen Verwirkung unwirksam. Verwirkung setzt neben einem – hier wohl erfüllten – Zeitmoment ein Umstandsmoment voraus. Verwirkung erfordert daher, dass der Berechtigte mit der Geltendmachung längere Zeit gewartet hat und "besondere Umstände" hinzugetreten sind, die die nunmehrige Ausübung als unzulässig erscheinen lassen (vgl. BSGE 41, 275, 278; BSGE 47, 194, 197). Es bedarf eines bestimmten Verwirkungsverhalten (BSG, Urt. v. 29.01.1997 - 5 RJ 52/94). Ein solches Umstandsmoment ist weder vorgetragen noch sonst ersichtlich.

Es handelt sich bei der Vorbehaltserklärung nicht um eine verdeckte Teilkündigung des EFA, welche nach Art. 19 lit. c) Wiener Übereinkommen über das Recht der Verträge (WVK) unwirksam ist, da diese mit Ziel und Zweck des EFA nicht vereinbar sei (vgl. hierzu den Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen auf Rücknahme des Vorbehalts, BT-Drs. 17/9036, S. 4). Denn Art. 16 lit. b) Satz 2 EFA ist ersichtlich eine verdrängende Spezialvorschrift (LSG Berlin-Brandenburg, B. v. 9.05.2012 – L 19 AS 794/12 B ER; SG Berlin, B. v. 14.05.2012 – S 124 AS 7164/12 ER, Rn. 32, juris). Dies folgt bereits daraus, dass Art. 16 lit. b) Satz 2 EFA im Gegensatz zu Art. 19 WVK Vorbehalte nach Unterzeichnung, Ratifikation, Annahme oder Genehmigung eines Vertrags oder beim Beitritt vorsieht und damit einen zeitlich vollkommen anderen Anwendungsbereich aufweist.

Die Vorbehaltserklärung bedurfte keiner Zustimmung des Bundestags in Form eines Bundesgesetzes.

Nach Art. 59 Abs. 2 Satz 1 GG bedürfen Verträge, welche die politischen Beziehungen des Bundes regeln oder sich auf Gegenstände der Bundesgesetzgebung beziehen, der Zustimmung oder der Mitwirkung der jeweils für die Bundesgesetzgebung zuständigen Körperschaften in der Form eines Bundesgesetzes. Unter völkerrechtlichen Verträgen sind alle Übereinkünfte zwischen zwei oder mehr Völkerrechtssubjekten zu verstehen, durch welche die zwischen ihnen bestehende Rechtslage verändert werden soll (BVerfG, NJW 1985, 603ff; BVerfG, NJW 1994, 2207, 2212). Unerheblich sind die Form und der Regelungsgegenstand; es kommt insbesondere nicht darauf an, ob eine Übereinkunft als Vertrag bezeichnet wird (BVerfG, aaO). Entscheidend ist die durch übereinstimmende Willenserklärungen erzielte Einigung zwischen Völkerrechtssubjekten über bestimmte völkerrechtliche Rechtsfolgen (BVerfG, aaO). Die einseitige Vorbehaltserklärung der Bundesrepublik Deutschland kann aufgrund der mangelnden Beteiligung mehrerer Völkerrechtssubjektive nicht als "Vertrag" im Sinne des Art. 59 Abs. 2 Satz 1 GG qualifiziert werden (SG Berlin, B. v. 14.05.2012 – S 124 AS 7164/12 ER, Rn. 36, juris). Das Zustimmungserfordernis Art. 59 Abs. 2 Satz 1 GG ist auf völkerrechtliche Verträge beschränkt (BVerfG, aaO). Die Vorschrift ist nicht analog auf andere völkerrechtliche Rechtsquellen anzuwenden, auch wenn diese sich auf den Inhalt völkerrechtlicher Verträge auswirken (BVerfG, aaO).

Selbst wenn man der gegenteiligen Auffassung folgte, wonach eine analoge Anwendung dann gerechtfertigt, wenn die Bundesrepublik Deutschland mit einer einseitigen Willenserklärung zusätzliche Bindungen übernimmt (Jarass, in: ders./Pieroth, GG, 11. Aufl., Art. 59 Rn. 11), führt dies hier zu keinem anderen Ergebnis, da durch den Vorbehalt keine weitergehenden Pflichten als bisher übernommen werden.

Etwas anderes folgt nicht aus der Wesentlichkeitstheorie des Bundesverfassungsgerichts, wonach der parlamentarische Gesetzgeber gerade dann, wenn es um die Sicherung der Menschenwürde und der menschlichen Existenz geht, die für die Grundrechtsverwirklichung maßgeblichen Regelungen selbst zu treffen hat (statt vieler nur BVerfG, Urt. v. 09.02.2010 - 1 BvL 1/09, 1 BvL 3/09, 1 BvL 4/09, Rn. 136).

Insoweit dürfte Art. 59 Abs. 2 Satz 1 GG abschließenden Charakter zuzusprechen sein, sodass die allgemeine Wesentlichkeitstheorie nicht zur Anwendung gelangen kann (vgl. BVerfGE 68, 1, 68; 104, 151, 160ff.; a. A. Nettesheim, in: Maunz-Dürig, GG, Art. 59 Rn. 164).

Dies kann hier jedoch offen bleiben, denn der parlamentarische Gesetzgeber hat in dem Zustimmungsgesetz zum EFA vom 15. Mai 1956 Art. 16 lit. b. EFA ausdrücklich zugestimmt (BGBl. II, 563, 568). Die Ermächtigungsnorm ist als Rechtsgrundlage ausreichend, da sie alle wesentlichen Vorgaben enthält (SG Berlin, B. v. 14.05.2012 – S 124 AS 7164/12 ER, Rn. 36, juris; a. A. SG Berlin, B. v. 25.04.2012 - S 55 AS 9238/12, Rn. 58, juris). Hiernach besteht die Möglichkeit, Vorbehalte bei neuen Rechtsvorschriften zu erklären. Weder musste der parlamentarische Gesetzgeber näher konkretisieren, was unter "neuen Rechtsvorschriften" zu verstehen ist, denn der Begriff "neu" ist hinreichend bestimmt; unterschiedliche Auslegungsergebnisse lassen Zweifel an der Bestimmtheit nicht besorgen. Noch musste der Gesetzgeber näher regeln, welche Art von Vorbehalten der "Vertragsschließende" erklären darf, denn eine solche Konkretisierung kann er zwangsläufig nicht vornehmen. Der Vorbehalt darf sich nur auf neue Rechtsvorschriften beziehen. Da der parlamentarische Gesetzgeber bei Erlass des Zustimmungsgesetzes nicht wissen konnte, welche Rechtsvorschriften später erlassen werden, konnte er die Art der möglichen zu erklärenden Vorbehalte nicht näher präzisieren.

bb) Der Leistungsausschluss nach § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II verstößt nach wohl nahezu einhelliger Auffassung nicht gegen Art. 24 Abs. 2 Richtlinie 2004/38/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29. April 2004 über das Recht der Unionsbürger und ihrer Familienangehörigen, sich im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten frei zu bewegen und aufzuhalten, zur Änderung der Verordnung (EWG) Nr. 1612/68 und zur Aufhebung der Richtlinien 64/221/EWG, 68/360/EWG, 72/194/EWG, 73/148/EWG, 75/34/EWG, 75/35/EWG, 90/364/EWG, 90/365/EWG und 93/96/EWG (vgl. nur EuGH, Urt. v. 4.09.2009 – verb. Rs. C-22/08 und C-23/08 – Vatsouras und Koupatantze, info also 2009, 217; SG Osnabrück, B. v. 19.10.2011 – S 16 AS 711/11 ER; SG Berlin, B. v. 14.05.2012 – S 124 AS 7164/12 ER; SG Berlin, Urteil vom 16.12.2011 – S 26 AS 10021/08; LSG Berlin-Brandenburg, B. v. 29.02.2012 - L 20 AS 2347/11 B ER; LSG Berlin-Brandenburg, B. v. 05.03.2012 - L 29 AS 414/12 B ER; LSG Berlin-Brandenburg, B. v. 03.04.2012 - L 5 AS 2157/11 B ER).

Insoweit können die Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes von den Leistungen zur Eingliederung in Arbeit getrennt bewertet werden und als "Sozialhilfe" eingestuft werden (vgl. BSG, Urt. v. 25.01.2012 – B 14 AS 138/11 R, Rn. 27; instruktiv LSG Berlin-Brandenburg, B. v. 10.05.2012 – L 20 AS 802/12 B ER; Wolff-Dellen, in: Löns/Herold-Tews, SGB II, 3. Aufl., § 7 RN. 13; vgl. bereits Strick, NJW 2005, 2182, 2184, a. A. Spellbrink, in: Eicher/Spellbrink, SGB II, 2. Aufl., § 7 Rn. 18).

Die erkennende Kammer schließt sich der vorherrschenden Auffassung an.

cc) Ebenso wenig verstößt § 7 Abs. 1 Satz 2 SGB II gegen Art. 4 Verordnung (EG) Nr. 883/2004.

Umstritten ist, ob Art. 4 Verordnung (EG) Nr. 883/2004 auf besondere beitragsunabhängige Geldleistungen anzuwenden ist (ablehnend SG Berlin, B. v. 14.05.2012 – S 124 AS 7164/12 ER; Rn. 56, juris; Otting, in: Hauck/Noftz, Grundwerk V/10, Art. 4 Verordnung (EG) Nr. 883/2004 Rn. 9f.; wohl auch Utz, aaO, Art. 4 Verordnung (EG) Nr. 883/2004 Rn. 1, 7; wohl auch Eichenhofer, in: Fuchs, Europäisches Sozialrecht, 5. Aufl. Art. 4 Verordnung (EG) Nr. 883/2004 Rn. 1,4; bejahend SG Berlin, B. v. 8.05.2012 - S 91 AS 8804/12 ER; Rn. 10ff, juris; Schreiber aaO, Art. 75 Rn. 35; Valgolio, in: Hauck/Noftz, SGB II, 43. EL I/12, § 7 Rn. 145; unklar Dern, in: Schreiber/Wunder/Dern, aaO, Art. 4 Rn. 3).

Die erkennende Kammer folgt der Auffassung, wonach Art. 4 Verordnung (EG) Nr. 883/2004 nicht im Anwendungsbereich der besonderen beitragsunabhängigen Geldleistungen (hier: Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem SGB II) anzuwenden ist.

(1) Der Wortlaut spricht klar und deutlich für diese Auffassung. Nach der Legaldefinition des Art. 1 lit. l Verordnung (EG) Nr. 883/2004 sind "Rechtsvorschriften" alle Rechtsvorschriften "in Bezug auf die in Artikel 3 Absatz 1 genannten Zweige der sozialen Sicherheit". Leistungen nach dem SGB II sind keine Leistungen nach Art. 3 Abs. 1 Verordnung (EG) Nr. 883/2004, sondern allenfalls besondere beitragsunabhängige Leistungen im Sinne von Artt. 3 Abs. 3, 70 Verordnung (EG) Nr. 883/2004.

(2) Dieses Ergebnis wird durch einen Vergleich der Verordnung (EG) Nr. 883/2004 mit der Vorgängerverordnung, gestützt. Diese Vorgängerverordnung (Verordnung (EWG) Nr. 1408/71 des Rates vom 14. Juni 1971 über die Anwendung der Systeme der sozialen Sicherheit auf Arbeitnehmer und Selbständige sowie deren Familienangehörige, die innerhalb der Gemeinschaft zu- und abwandern) sah in Art. 1 lit. j VO 1408/71 ebenfalls eine Legaldefinition des Begriffs "Rechtsvorschriften" vor. Darin waren die "beitragsunabhängigen Sonderleistungen" explizit aufgeführt. Es ist anzunehmen, dass der Verordnungsgeber mit dem geänderten Wortlaut eine Änderung der Rechtslage bezweckte.

(3) Die Erwägungsgründe der Verordnung (EG) Nr. 883/2004, insbesondere Nr. 5 und Nr. 32, sprechen nicht für Auslegung des Begriffs "Rechtsvorschriften" dahingehend, dass dieser in Art. 4 Verordnung (EG) Nr. 883/2004 auch besondere beitragsunabhängige Geldleistungen umfasst (a. A. SG Berlin, B. v. 8.05.2012 - S 91 AS 8804/12 ER, Rn. 15, juris).

Erwägungsgrund Nr. 5 spricht davon, dass die betreffenden Personen nach den nationalen Rechtsvorschriften gleich zu behandeln sind. Zum Anwendungsbereich und zum Begriff der "Rechtsvorschriften" sagt der Erwägungsgrund nichts. Vielmehr spricht die Bezugnahme auf Erwägungsgrund Nr. 4 ("bei dieser Koordinierung"), dass damit die in Erwägungsgrund Nr. 4 genannten Rechtsvorschriften über soziale Sicherheit gemeint sind. Insoweit spricht Erwägungsgrund Nr. 4 eher dafür, dass mit Rechtsvorschriften tatsächlich nur diejenigen über die soziale Sicherheit und nicht diejenigen über beitragsunabhängige Leistungen sein sollen.

Erwägungsgrund Nr. 32 spricht ebenfalls eher für eine enge Auslegung. Danach soll zwar die Mobilität der Arbeitnehmer gerade bei der Arbeitssuche gefördert werden. Als Instrumentarium hierfür nennt der Verordnungsgeber eine stärkere und wirksamere Koordinierung zwischen den Systemen der Arbeitslosenversicherung und der Arbeitsverwaltung aller Mitgliedstaaten und gerade nicht die Gewährung beitragsunabhängiger Geldleistungen.

(4) Die systematische Auslegung zeigt zwar, dass der Verordnungsgeber den Begriff "Rechtsvorschriften" nicht durchgehend dahingehend verstehen kann, dass damit stets nur solche der sozialen Sicherheit gemeint sind. Daraus lässt sich indes nur ableiten, dass eine Abweichung von der Legaldefinition des Art. 1 lit. l Verordnung (EG) Nr. 883/2004 dann erforderlich ist, wenn die konkrete Norm anders ihren Sinn und Zweck nicht erfüllen kann. Die erkannte fehlende Stringenz beantwortet allerdings noch nicht die Frage, ob auch in Art. 4 Verordnung (EG) Nr. 883/2004 eine vom Wortlaut (der Legaldefinition) abweichende Interpretation geboten ist. Dies ist nicht der Fall.

Art. 70 Abs. 3 Verordnung (EG) Nr. 883/2004schließt im Bereich der besonderen beitragsunabhängigen Geldleistungen die Anwendung des Art. 7 Verordnung (EG) Nr. 883/2004 aus. Aus dem Umstand, dass der Verordnungsgeber nicht auch Art. 4 Verordnung (EG) Nr. 883/2004 genannt hat, lässt sich keine eindeutige Schlussfolgerung ziehen. Einerseits ließe sich vertreten, dass der Verordnungsgeber dies nicht musste, weil Art. 4 Verordnung (EG) Nr. 883/2004 von vorneherein nur auf Leistungssysteme nach Art. 3 Abs. 1 Verordnung (EG) Nr. 883/2004 anzuwenden ist. Hiernach wäre die Erwähnung des Art. 4 Verordnung (EG) Nr. 883/2004 in Art. 70 Abs. 3 Verordnung (EG) Nr. 883/2004 überflüssig. Andererseits lässt sich ebenso gut vertreten, dass der Verordnungsgeber Art. 4 Verordnung (EG) Nr. 883/2004 nicht durch Art. 70 Abs. 3 Verordnung (EG) Nr. 883/2004 ausschließen wollte, da er dies anderenfalls zumindest klargestellt hätte.

Die Anordnung der Nichtanwendung von Art. 7 Verordnung (EG) Nr. 883/2004 zeigt – wie bereits erwähnt – deutlich auf, dass der Verordnungsgeber selbst nicht stringent an der Legaldefinition des Art. 1 lit. l Verordnung (EG) Nr. 883/2004 festhält. Auch Art. 7 befasst sich mit "Rechtsvorschriften". Würde man in dieser Konstellation den Begriff "Rechtsvorschriften" im Sinne der Legaldefinition interpretieren, wäre der Ausschluss in Art. 70 Abs. 3 Verordnung (EG) Nr. 883/2004 überflüssig (SG Berlin, B. v. 8.05.2012 - S 91 AS 8804/12 ER, Rn. 13, juris). Es bedürfte keines Anwendungsausschlusses einer Vorschrift, die ohnehin nur für Rechtsvorschriften im Sinne des Art. 3 Abs. 1 Verordnung (EG) Nr. 883/2004 gilt und damit auf beitragsunabhängige Leistungen per se nicht anzuwenden wäre. Allerdings lässt sich auch insoweit vertreten, dass der Verordnungsgeber lediglich eine Klarstellung beabsichtigte.

Art. 70 Abs. 4 Satz 1 Verordnung (EG) Nr. 883/2004 liefert ebenfalls kein zwingendes systematisches Argument. Die Norm verbietet den Export von besonderen beitragsunabhängigen Geldleistungen. Zwar setzt die Vorschrift damit zwingend voraus, dass beitragsunabhängige Leistungen gewährt werden. Dies spräche dafür, dass der Gleichbehandlungsgrundsatz den Mitgliedstaaten auch bei beitragsunabhängigen Leistungen verbietet, Angehörigen anderer EU-Mitgliedstaaten derartige Leistungen in diskriminierender Weise vorzuenthalten (SG Berlin, B. v. 8.05.2012 - S 91 AS 8804/12 ER, Rn. 13, juris). Indes ist dieses Ergebnis ebenfalls nicht zwingend. Es ist ohne weiteres zwanglos denkbar, dass wenn man Art. 4 Verordnung (EG) Nr. 883/2004 nicht auf beitragsunabhängige Leistungen anwendet, ein oder mehrere Mitgliedstaaten auch ohne diesen sekundärrechtlichen Zwang beitragsunabhängige Leistungen gewähren und in diesem Fall das aus Art. 70 Abs. 4 Satz 1 Verordnung (EG) Nr. 883/2004 herzuleitende Exportverbot eingreift. Es lässt sich jedenfalls nicht mit der erforderlichen Sicherheit erkennen, dass das Verbot des Leistungsexportes in keinem oder nur in einer verschwindend geringen Anzahl von Mitgliedstaaten Geltung beanspruchen könnte. Nur, weil in Deutschland eine einzige besondere beitragsunabhängige Geldleistung Ausländer nicht gewährt wird, lässt sich daraus nicht schlussfolgern, dass sämtliche der ca. 70 in Anhang X Verordnung (EG) Nr. 883/2004 genannten beitragsunabhängigen Leistungen dann nicht mehr Ausländern gewährt würden, wenn man Art. 4 Verordnung (EG) Nr. 883/2004 nicht auch auf diese anwendet. Mithin ist nicht belegt, dass das Exportverbot keinen sachlichen Anwendungsbereich hätte und damit sinnlos wäre, würde man Art. 4 Verordnung (EG) Nr. 883/2004 nicht auf beitragsunabhängige Leistungen anwenden.

Nichtsdestotrotz lässt sich Art. 70 Abs. 4 Satz 1 Verordnung (EG) Nr. 883/2004 abermals entnehmen, dass der Begriff der "Rechtsvorschriften" nicht stets wie in der Legaldefinition aus Art. 1 lit. l Verordnung (EG) Nr. 883/2004 ausgelegt werden kann. In diesem Falle würde Art. 70 Abs. 4 Satz 1 Verordnung (EG) Nr. 883/2004 sinngemäß lauten: Die Gewährung besonderer beitragsunabhängiger Geldleistungen richtet sich nach den Vorschriften der Systeme der sozialen Sicherheit des jeweiligen Mitgliedstaates. Dies macht keinerlei Sinn. Daraus lässt sich allerdings lediglich schlussfolgern, dass der in Art. 70 Abs. 4 Satz 1 Verordnung (EG) Nr. 883/2004 verwendete Begriff der "Rechtsvorschriften" nicht in Sinne der Legaldefinition des Art. 1 lit. l) Verordnung (EG) Nr. 883/2004 interpretiert werden kann. Es bleibt damit ungeklärt, ob dies auch im Hinblick auf Art. 4 Verordnung (EG) Nr. 883/2004 der Fall ist.

(5) Die frühere Rechtsprechung, dass der Begriff "Rechtsvorschriften" weit auszulegen sei, um dem freizügigkeitsspezifischen Sozialrecht der EU einen möglichst weiten Anwendungsbereich zu eröffnen (EuGH, Urt. v. 9.7.1977 – Rs. 109/76, – Blottner; Leopold, in: Beck’scher Online-Kommentar, Stand: 01.03.2012, Art. 1 Verordnung (EG) Nr. 883/2004 Rn. 16), ist nicht weiterführend, da es in dem entschiedenen Fall allein um die zeitliche Anwendbarkeit von Rechtsvorschriften ging und es hier gerade um die Frage geht, ob über den eigentlich zu koordinierenden Bereich hinaus Art. 4 Verordnung (EG) Nr. 883/2004 anzuwenden ist.

(6) Schließlich lässt sich aus dem Primärrecht, namentlich dem allgemeinen Diskriminierungsverbot gemäß Art. 18 AEUV, kein zwingendes Auslegungsergebnis ableiten. Art. 4 Verordnung (EG) Nr. 883/2004 gewährt ein umfangreicheres bzw. weniger leicht einschränkbares Diskriminierungsverbot. Es ist "strenger" als Art. 18 AEUV. Denn während Art. 18 AEUV eine sachliche Rechtfertigung einer Ungleichbehandlung auf der Grundlage nicht normierter Rechtfertigungsgründe – wie beispielsweise die Verhinderung von "Sozialtourimus" – zulässt, ist dies im Anwendungsbereich des Art. 4 Verordnung (EG) Nr. 883/2004 nicht möglich. Zur Rechtfertigung dürfen hier ausschließlich solche Gründe angeführt werden, die ihren Niederschlag in der Verordnung selbst gefunden haben. Dies folgt aus der Formulierung "Sofern in dieser Verordnung nichts anderes bestimmt ist, ".

(7) Neben dem Wortlaut und der Rechtsentwicklung, also dem Vergleich mit der Vorgängerverordnung, ist für die Kammer ausschlaggebend, dass die Aufnahme der beitragsunabhängigen Leistungen in die Koordinierung der sozialen Sicherheitssysteme soweit ersichtlich nur den Export von derartigen Leistungen verhindern wollte (vgl. bereits Begründung der Kommission, BR-Drs. 32/99, S. 15, zu Art. 55; Fuchs, in: Eichenhofer, Europäisches Sozialrecht, 5. Aufl., Art. 70 Verordnung (EG) Nr. 883/2004 Rn. 2; Beschorner, ZESAR 2009, 320, 332f.; Utz, aaO, Art. 70 Verordnung (EG) Nr. 883/2004 Rn. 2, Erwägungsgrund Nr. 16) und nichts dafür ersichtlich ist, dass zusätzliche Ansprüche geschaffen werden sollten.

dd) Ein Verstoß gegen Art 45 AEUV liegt nicht vor. Nach ständiger Rechtsprechung des EuGH ist der Begriff "Arbeitnehmer" ein Begriff des Gemeinschaftsrechts ist, der nicht eng auszulegen ist (statt vieler nur EuGH, Urt. v. 4.09.2009 – verb. Rs. C-22/08 und C-23/08 – Vatsouras und Koupatantze, info also 2009, 217, 218, Rn. 26). Als Arbeitnehmer ist jeder anzusehen, der eine tatsächliche und echte Tätigkeit ausübt, wobei Tätigkeiten außer Betracht bleiben, die einen so geringen Umfang haben, dass sie sich als völlig untergeordnet und unwesentlich darstellen (EuGH, aaO). Das wesentliche Merkmal des Arbeitsverhältnisses besteht nach dieser Rechtsprechung darin, dass jemand während einer bestimmten Zeit für einen anderen nach dessen Weisung Leistungen erbringt, für die er als Gegenleistung eine Vergütung erhält (EuGH, aaO). Arbeitssuchende sind noch keine Arbeitnehmer, obwohl ihnen das Primär- und Sekundärrecht gewisse Rechte einräumt (SG Berlin, B. v. 14.05.2012 – S 124 AS 7164/12 ER, Rn. 42, juris, mwN).

Da die Antragsteller nicht als Arbeitnehmer qualifiziert werden können, findet Art. 45 AEUV auf sie keine Anwendung.

ee) In Rechtsprechung und Literatur ist äußerst umstritten, ob der Leistungsausschluss gegen das allgemeine Diskriminierungsverbot des Art. 18 AEUV in Verbindung mit dem Recht der Unionsbürger, sich im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten frei zu bewegen und aufzuhalten (Art. 21 Abs. 1 AUEV), vereinbar ist (statt vieler vgl. zuletzt nur LSG Niedersachsen-Bremen, B. v. 23.05.2012 – L 9 AS 47/12 B ER, juris; SG Berlin, B. v. 14.05.2012 – S 124 AS 7164/12 ER; SG Osnabrück, B v. 19.10.2011 – S 16 AS 711/11 ER; sowie bereits LSG Hessen, B. v. 3.4.2008 – L 9 AS 59/08 ER).

Nach Auffassung der erkennenden Kammer liegt ein Verstoß dann nicht vor, wenn § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II europarechtskonform dahingehend einschränkend ausgelegt wird, dass die Norm nur auf solche Ausländer anzuwenden ist, die nicht in Deutschland integriert sind und keine Verbindungen zu nationalen Arbeitsmarkt aufweisen (vgl. Hackethal, in: jurisPK-SGB II, 3. Aufl., § 7 Rn. 38).

Die Kammer versteht die diesbezügliche Rechtsprechung des EuGH (Urt. v. 12.05.1998, Rs. C-85/96 - Martínez Sala; Urt. v. 20.09.2001, Rs. C-184/99 – Grzelczyk; Urt. v. 11.07.2002, Rs. C-224/98 - D’Hoop; Urt. v. 23.03.2004, Rs. C-138/02 – Collins; Urt. v. 07.09.2004, Rs. C-456/02 – Trojani; Urt. v. 15.03.2005, Rs. C-209/03 - Bidar; Urt. v. 18.11.2008, Rs. C-158/07 - Förster; Urt. v. 17.09.2002, Rs. C-413/99 – Baumbast; Urt. v 04.06.2009, Rs. C- 22/08 und C-23/08 - Vatsouras und Koupatantze) in dem Sinne, wie sie Generalanwalts Ruiz-Jarabo Colomer in seinen Schlussanträgen vom 10. Juli 2003 in der Rs. C-138/02 zusammengefasst hat (Rz. 76):

"Somit ist festzustellen, dass das Gemeinschaftsrecht bei seinem gegenwärtigen Entwicklungsstand nicht verlangt, dass eine Leistung der sozialen Sicherheit für Arbeitsuchende, die nachweisen, dass sie nicht über ausreichende Mittel verfügen, einem Unionsbürger gewährt wird, der in das Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats einreist, um dort eine Beschäftigung zu suchen, aber in diesen Staat nicht integriert ist und keine Verbindungen zu seinem nationalen Arbeitsmarkt aufweist."

Der Leistungsausschluss lässt sich mithin dann rechtfertigen, wenn es sich um eine Leistung der sozialen Sicherheit für Arbeitssuchende handelt und der Arbeitssuchende weder im betroffenen Mitgliedstaat integriert ist, noch eine Verbindung zum nationalen Arbeitsmarkt aufweist.

Wie bereits ausgeführt, geht die Kammer davon aus, dass sich bei den Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes um eine Leistung der sozialen Sicherheit, mithin Sozialhilfe handelt. Dem steht nicht entgegen, dass das SGB II als besondere beitragungsunabhängige Geldleistung im Sinne von Artt. 3, 70 Verordnung (EG) Nr. 883/2004 zu qualifizieren ist (instruktiv SG Osnabrück, B. v. 19.10.2011 – S 16 AS 711/11 ER, Rn. 47ff., juris; Schreiber, info also 2009, 195, 196; Fuchs, NZS 2007, 1, 4).

Da es nicht europarechtswidrig ist, derartige Leistungen zu versagen, wenn Arbeitssuchende weder im betroffenen Mitgliedstaat integriert sind, noch eine Verbindung zum nationalen Markt aufweisen, ist § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II dahingehend europarechtskonform auszulegen, dass dieser nur auf Ausländer anzuwenden ist, die keine solche Verbindung zu Deutschland aufweisen (instruktiv SG Osnabrück, aaO). Der Anwendungsvorrang des Unionsrechts steht dem nicht entgegen, denn dieser besagt nur, dass das nationale Recht nur soweit unanwendbar ist, wie es Gemeinschaftsrecht widerspricht; folglich bleiben diejenigen Bestandteile der Regelung, die dem Gemeinschaftsrecht nicht widersprechen, weiterhin anwendbar, vorausgesetzt, dass sie in ihrer Gesamtheit noch eine aus sich heraus sinnvolle und handhabbare Restregelung darstellen, die mit diesem reduzierten Inhalt der erkennbaren Absicht des Normgebers noch am ehesten entspricht (statt vieler BVerwG, Urt. v. 12.11.1997 - 6 C 12/96, Rn. 29, juris). Mit anderen Worten: Wie bei der Frage, ob eine Norm gegen Verfassungsrecht verstößt, ist vorrangig zu prüfen, ob die gegen höherrangiges Recht verstoßende Rechtsvorschrift in Einklang mit diesem ausgelegt werden kann (EuGH, Urt. v. 4.02.1998 – Rs. 157/86 – Murphy, Rn. 11), um bereits im Vorfeld eine Kollision mit Unionsrecht zu vermeiden (Leible, in: Riesenhuber, Europäische Methodenlehre, S. 116, 127). Eine solche Auslegung ist im Hinblick auf den Ausländerausschluss nach § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II ohne weiteres möglich, indem die Vorschrift im Wege der teleologischen Reduktion nur auf Ausländer angewendet wird, die nicht die genannte Verbindung zu Deutschland haben (vgl. allgemein zur teleologischen Reduktion als Mittel der gemeinschaftskonformen Auslegung BGH, NJW 2009, 427, 429).

Die Antragsteller sind erst seit Juli 2010 in Deutschland und haben überwiegend von Grundsicherungsleistungen ihren Lebensunterhalt bestritten. Von einer Integration in Deutschland kann also nicht die Rede sein. Im Gegenteil, belegt doch der Umstand, dass die Antragsteller Deutsch-Kurse besuchen und demnächst einen Folgekurs zu besuchen beabsichtigen, eindrucksvoll, dass sie zwar um Integration bemüht sind, diese indes noch nicht erfolgt ist.

Eine tatsächliche Beziehung zum deutschen Arbeitsmarkt besteht ebenfalls nicht. Die Antragstellerin zu 1.) hat lediglich für vier Monate eine offenbar singuläre, projektbezogene Tätigkeit ausgeübt. Die jeweils einen Tag andauernde Beschäftigung als Komparsin beim Film kann nicht als tatsächlicher Bezug zum Arbeitsmarkt angesehen werden.

Der Antragsteller zu 2.) hat offenbar keinen Bezug zum Arbeitsmarkt, sondern versucht, als selbständiger Musik seinen Lebensunterhalt zu bestreiten.

Zwar genügt nach der Rechtsprechung des EuGH für eine Verbindung zum Arbeitsmarkt die Feststellung, dass der Betroffene während eines angemessenen Zeitraums tatsächlich eine Beschäftigung in dem betreffenden Mitgliedstaat gesucht hat (EuGH, Urt. v. 4.09.2009 – verb. Rs. C-22/08 und C-23/08 – Vatsouras und Koupatantze, info also 2009, 217, 218, Rn. 39), indes haben die Antragsteller nicht glaubhaft gemacht, dass sie dies getan haben.

Dabei kann die Kammer offen lassen, ob ein angemessener Zeitraum mit drei Monaten (vgl. Art. 24 Abs. 2 Richtlinie 2004/38/EG) oder mit sechs Monaten (vgl. EuGH, Urt. v. 26.02.1991 – Rs. C-292/89 – Antonissen, Rn. 21) zu bemessen ist. Notwendig wäre jedenfalls der Nachweis entsprechender Bemühungen (Hänlein, in: Gagel, SGB II/III, 44. EL 2012, § 7 Rn. 68c) für wenigstens einen Zeitraum von drei Monaten.

Die Antragstellerin zu 1.) hat nicht im Ansatz erkennen lassen, welche Bemühungen sie unternimmt, um ihren Lebensunterhalt durch Arbeit zu bestreiten.

Der Antragsteller zu 2.) hat lediglich seine Bemühungen um Auftritte für seine Band glaubhaft gemacht, nicht hingegen, dass er sich um eine Arbeit bemüht hat.

d) Der Träger der Sozialhilfe nach SGB XII war nicht beizuladen, denn ein Anspruch auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes steht den Antragstellern nicht zu.

Nach § 21 Satz 1 SGB XII erhalten Personen, die nach dem Zweiten Buch als Erwerbsfähige oder als Angehörige dem Grunde nach leistungsberechtigt sind, keine Leistungen für den Lebensunterhalt. Dem Grunde nach anspruchsberechtigt sind Ausländer, die die Voraussetzungen des § 7 Abs. 1 Satz 1 SGB II erfüllen, aber wegen § 7 Abs. 1 Satz 2 SGB II keine Leistungen erhalten (Hessisches LSG, B. v. 14.10.2009 - L 7 AS 166/09 B ER, Rn. 36, juris; SG Reutlingen, B. v. 03.08.2007 - S 2 AS 2936/07 ER, Rn. 44, juris; LSG Niedersachsen-Bremen, B. v. 03.05.2006 - L 8 SO 26/06 ER, Rn. 7, juris; Groth, in: Beck’scher Online-Kommentar, Stand: 01.03.2012, § 21 SGB XII Rn. 3; BT-Drs. 16/688, S. 13).

Etwas anderes lässt sich nicht aus dem Schreiben der Senatsverwaltung für Gesundheit und Soziales vom 24. Februar 2012 herleiten. Dieses Schreiben beinhaltet keine Zusicherung im Sinne von § 34 Abs. 1 SGB X auf Gewährung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem SGB XII. Es wird lediglich angeführt, dass für alle anderen Leistungen des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch ist das EFA anwendbar, so dass Staatsangehörige der Unterzeichnerstaaten deutschen Sozialhilfeempfängern leistungsrechtlich gleichgestellt sind. Eine Gleichstellung hat nicht denknotwendig zur Folge, dass auch Leistungsansprüche bestehen müssen. Wenn – wie hier – auch die deutschen Staatsangehörigen nach § 21 Satz 1 SGB XII keine Leistungen erhalten, folgt aus der Gleichstellung, dass auch Ausländer keine Leistungen beanspruchen können. Überdies ist nach § 34 Abs. 1 Satz 1 SGB X zwingende Voraussetzung für die Wirksamkeit der Zusicherung, dass sie von der zuständigen Behörde abgegeben wurde. Dies ist hier nicht der Fall, da zuständige Behörde für die Gewährung von Leistungen nach dem SGB XII das jeweilige Bezirksamt ist. Schlussendlich ist das Schreiben nicht an Dritte gerichtet, sondern lediglich ein verwaltungsinterner Hinweis der Senatsverwaltung an die Bezirksämter.

§ 21 Satz 1 SGB XII führt schließlich nicht zu einem Verstoß gegen das Gleichbehandlungsgebot des Art. 1 EFA, da sowohl Deutsche als auch Ausländer gleichermaßen nach dieser Vorschrift keine Leistungen erhalten, wenn sie dem Grunde nach gemäß den Voraussetzungen des SGB II leistungsberechtigt sind.

2.) Eine Folgenabwägung ist zur Überzeugung der Kammer nicht zulässig, da die Sach- und Rechtslage nicht nur summarisch überprüft wurde und eine Folgenabwägung nicht allein bei einer uneinheitlichen Rechtsprechung über die Auslegung einer Norm zulässig ist (LSG Berlin-Brandenburg, B. v. 29.02.2012 - L 20 AS 2347/11 B ER; LSG Berlin-Brandenburg, B. v. 05.03.2012 - L 29 AS 414/12 B ER; SG Dresden, B. v. 5.8.2011 - S 36 AS 3461/11 ER; vgl. bereits SG Berlin, B. v. 6.05.2011 - S 205 AS 10042/11 ER; a. A. LSG Berlin-Brandenburg, B. v. 5.3.2012 - L 18 AS 441/12 B ER; LSG Berlin-Brandenburg, B. v. 30.12.2010 - L 34 AS 1501/10 B ER; LSG Berlin-Brandenburg, B. v. 09.09.2010, L 10 AS 1023/10 B ER).

Die Kostentscheidung beruht auf entsprechender Anwendung der §§ 183, 193 SGG und folgt der Entscheidung in der Sache.
Rechtskraft
Aus
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