L 19 AS 771/12

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
19
1. Instanz
SG Düsseldorf (NRW)
Aktenzeichen
S 29 AS 4510/11
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 19 AS 771/12
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 14 AS 73/12 R
Datum
Kategorie
Urteil
Bemerkung
Auf die Revisionen d.Kl. werden die Urteile des LSG aufgehoben.
Die Berufung der Kläger gegen das Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf vom 26.03.2012 wird zurückgewiesen. Kosten des Berufungsverfahrens sind nicht zu erstatten. Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten um einen Anspruch auf Leistungen nach dem Zweiten Buch des Sozialgesetzbuches - Grundsicherung für Arbeitsuchende - (SGB II) für den Zeitraum von August 2011 bis Ende Januar 2012.

Die Klägerin zu 1), ihre beiden Kinder S (geboren am 00.00.2006) und M-H (00.00.2008), sowie der Kläger zu 2) bezogen seit Mitte 2005 laufend Leistungen nach dem SGB II. Über das Vermögen der Klägerin zu 1) wurde durch Beschluss des Amtsgerichts Düsseldorf vom 18.01.2007 ein Insolvenzverfahren eröffnet. Zum Treuhänder wurde Rechtsanwalt C ernannt. Mit Beschluss des Amtsgerichts Düsseldorf vom 31.08.2007 wurde der Klägerin zu 1) gemäß § 291 Insolvenzordnung (InsO) die Restschuldbefreiung angekündigt. Danach erlangt die Schuldnerin die Restschuldbefreiung dann, wenn sie binnen sechs Jahren ab dem 18.01.2007 ihren Obliegenheiten nach § 295 InsO nachkommt und die Voraussetzungen für eine Versagung nach § 297 oder § 298 InsO nicht vorliegen.

Am 18.11.2010 starb der Vater der Klägerin zu 1) und diese wurde - ausweislich eines entsprechenden Erbscheins des Amtsgerichts Neuss - Erbin zu 1/3. Mit Schreiben vom 14.12.2010 teilte die Klägerin zu 1) der Rechtsvorgängerin des Beklagten (im Folgenden einheitlich: Beklagter) mit, dass sie die Erbschaft annehmen wolle. Die Hälfte des Erbes falle jedoch in die Insolvenzmasse und stehe ihr nicht zu. Sie habe nur einen Anspruch auf Auszahlung in Höhe der halben Erbschaft

Mit Bescheid vom 24.08.2011 bewilligte der Beklagte den Klägern und den Kindern S und M-H Leistungen für den Zeitraum vom 01.03. bis 31.07.2011 in Höhe von monatlich 1.389,00 EUR.

Im Rahmen eines Antrags auf Weiterbewilligung der Leistungen für die Zeit ab dem 01.08.2011 gab die Klägerin zu 1) an, die monatliche Grundmiete für ihre Wohnung betrage weiterhin 404,00 EUR und die monatlichen Heizkostenvorauszahlungen beliefen sich auf 110,00 EUR sowie die monatlichen Nebenkostenvorauszahlungen auf 165,00 EUR. Darüber teilte sie mit, sie zahle für eine Garage Miete in Höhe von 39,25 EUR. Sie gab überdies an, dass der Kläger zu 2) ein Einkommen in Höhe von monatlich 110,00 EUR erziele und die Kinder ein Kindergeld in Höhe von zusammen 368,00 EUR erhielten. Als Ausgaben für Versicherungen gab sie eine von ihr abgeschlossene Kfz-Haftpflichtversicherung in Höhe von monatlich 40,00 EUR, eine Hausratversicherung in Höhe von monatlich 16,36 EUR und eine Haftpflichtversicherung in Höhe von monatlich 7,20 EUR an.

Am 15.07.2011 wurden die Konten des verstorbenen Vaters aufgelöst. Es ergab sich ein Auszahlungsbetrag von 45.859,06 EUR, wovon die Klägerin 1/3, d.h. 15.286,35 EUR erhielt. Unmittelbar nachdem die Klägerin zu 1) das Geld erhalten hatte, überwies sie die Hälfte hiervon (7.643,17 EUR) auf ein Fremdgeldkonto des gerichtlich bestellten Treuhänders. Zu diesem Zeitpunkt hatten die Kläger die für den Monat Juli 2011 bewilligten Leistungen nach dem SGB II bereits erhalten.

Mit Bescheid vom 12.08.2011 lehnte der Beklagte die Bewilligung von Leistungen für die Klägerin und die mit ihr in Bedarfsgemeinschaft lebenden Personen ab. Die Klägerin habe am 15.07.2011 Einkommen in Höhe von 15.286,35 EUR erzielt, da ihr in dieser Höhe ihr Erbteil zugeflossen sei. Dieses Einkommen sei auf sechs Monate aufzuteilen, was eine monatliche Anrechnung von 2.547,73 EUR ergebe.

In der Zeit ab September 2011 zahlten die Kläger monatliche Beiträge für eine Krankenversicherung in Höhe von 150,00 EUR.

Gegen den Bescheid vom 12.08.2011 legte die Klägerin zu 1) am 18.08.2011 Widerspruch ein. Zur Begründung führte sie aus, dass die Erbschaft, soweit sie nach § 287 Abs. 2 InsO abgetreten sei, nicht leistungsmindernd berücksichtigt werden könne.

Mit Widerspruchsbescheid vom 09.11.2011 wies der Beklagte den Widerspruch der Klägerin zu 1) als unbegründet zurück.

Am 07.12.2011 erhoben die Kläger Klage vor dem Sozialgericht. Sie haben die Auffassung vertreten, der Teil der Erbschaft, der unmittelbar an den Insolvenzverwalter überwiesen worden sei, sei ihnen nicht zugeflossen und könne daher auch nicht bei der Ermittlung des Leistungsanspruchs berücksichtigt werden.

Sie haben beantragt,

den Bescheid vom 12.08.2011 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 09.11.2011 aufzuheben und den Beklagten zu verpflichten, ihnen Leistungen nach dem SGB II für den Zeitraum 01.08.2011 bis 31.01.2012 zu gewähren und hierbei nur die Hälfte des zugeflossenen Erbes in Höhe von 7.643,17 EUR als Einkommen anzurechnen.

Der Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Mit Urteil vom 26.03.2012, den Klägern zugegangen am 02.04.2012, hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Auf den Inhalt des Urteils wird Bezug genommen.

Am 25.04.2012 haben die Kläger Berufung gegen das Urteil beim Landessozialgericht eingelegt.

Sie beantragen,

das Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf vom 26.03.2012 abzuändern und den Beklagten unter Aufhebung des Bescheides vom 12.08.2011 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 09.11.2011 zur verurteilen, ihnen Leistungen nach dem SGB II für den Zeitraum 01.08.2011 bis 31.01.2012 in gesetzlicher Höhe zu gewähren.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die beigezogene Verwaltungsakte sowie die Gerichtsakte Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung der Kläger ist zulässig.

Das beklagte Jobcenter ist gemäß § 70 Nr. 1 SGG beteiligtenfähig (vgl. Bundessozialgericht - BSG - Urteil vom 18.01.2011 - B 4 AS 99/10 R = juris Rn 11). Nach § 76 Abs. 3 Satz 1 SGB II ist die gemeinsame Einrichtung als Rechtsnachfolger an die Stelle der bisherigen beklagten Arbeitsgemeinschaft getreten.

Die Berufung ist jedoch unbegründet. Das Sozialgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. Den Klägern steht kein Anspruch auf Bewilligung von Leistungen nach dem SGB II für den Zeitraum vom 01.08.2011 bis 31.01.2012 zu.

Die Kläger haben zwar im streitbefangenen Zeitraum die Voraussetzungen für den Bezug von Leistungen nach dem SGB II nach § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, 2 und 4 SGB II insofern dem Grunde nach erfüllt, als sie in diesem Zeitraum das 15. Lebensjahr vollendet und das 65. Lebensjahr noch nicht vollendet sowie ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik gehabt hat und erwerbsfähig i.S.v. § 8 SGB II gewesen sind. Die Kläger waren im streitbefangenen Zeitraum jedoch nicht hilfebedürftig im Sinne des § 7 Abs 1 Satz 1 Nr 3 SGB II iVm § 9 Abs 1, 2 und 4 SGB II.

Hilfebedürftig ist nach § 9 Abs 1, 2 SGB II wer seinen Lebensunterhalt, seine Eingliederung in Arbeit und den Lebensunterhalt der mit ihm in einer Bedarfsgemeinschaft lebenden Personen nicht oder nicht ausreichend aus eigenen Kräften und Mitteln, insbesondere nicht aus dem zu berücksichtigenden Einkommen oder Vermögen sichern kann. Gemäß § 9 Abs 2 SGB II ist Einkommen auf alle Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft im Verhältnis ihrer Bedarfe zu verteilen (vgl dazu BSG Urteil vom 18.6.2008 - B 14 AS 55/07 R = juris Rn 23; BSG Urteil vom 15.4.2008 - B 14/7b AS 58/06 R = juris Rn 48 ff.).

Die Klägerin zu 1) hat mit dem Erbfall am 18.11.2010 Einkommen aus einer Erbschaft erzielt, welches ab dem Zeitpunkt der Auszahlung am 15.07.2011 an die Klägerin zu 1) in voller Höhe von 15.286,35 EUR als "bereite Mittel" auf die Bedarfe der Kläger anzurechnen war (vgl. dazu BSG Urteil vom 25.01.2012 - B 14 AS 101/11 R = juris 21). Dieses Einkommen hat der Beklagte zutreffend auf sechs Monate verteilt, weswegen die Kläger - unter Berücksichtigung des ebenfalls vorhandenen Einkommens aus Erwerbstätigkeit - in der Zeit vom 01.08.2011 bis 31.01.2012 nicht hilfebedürftig gewesen sind. Ein Anspruch aus Leistungen nach dem SGB II stand ihnen daher für diesen Zeitraum nicht zu.

1.
Bei den Einnahmen der Klägerin zu 1) aus der Erbschaft handelt es sich um Einkommen gemäß § 11 SGB II und nicht um Vermögen im Sinne des § 12 SGB II. Der Erbfall am 18.11.2010 ist nach der ersten Antragstellung und während des bis zu diesem Zeitpunkt ununterbrochenen Bezuges von Leistungen nach dem SGB II eingetreten und der durch ihn bewirkte wertmäßige Zuwachs im Juli 2011 ist Einkommen im Sinne des § 11 Abs 1 Satz 1 SGB II (BSG Urteil vom 25.01.2012 - B 14 AS 101/11 R = juris Rn 18; BSG Urteil vom 24.02.2011 - B 14 AS 45/09 R = juris Rn 19).

Gemäß § 11 Abs 1 Satz 1 SGB II sind als Einkommen Einnahmen in Geld oder Geldeswert abzüglich der nach § 11b SGB II abzusetzenden Beträge mit Ausnahme der in § 11a SGB II genannten Einnahmen zu berücksichtigen. Nach ständiger Rechtsprechung der für die Grundsicherung für Arbeitsuchende zuständigen Senate des Bundessozialgericht zur Abgrenzung von Einkommen und Vermögen ist Einkommen grundsätzlich alles, was jemand nach Antragstellung wertmäßig dazu erhält, und Vermögen das, was er vor Antragstellung bereits hatte. Auszugehen ist vom tatsächlichen Zufluss, es sei denn, rechtlich wird ein anderer Zufluss als maßgeblich bestimmt (BSG Urteil vom 25.01.2012 - B 14 AS 101/11 R = juris Rn 19; vgl. auch BSG, Urteil vom 30.7.2008 - B 14 AS 26/07 R = juris Rn 23; BSG Urteil vom 24.02.2011 - B 14 AS 45/09 R = juris Rn 19).

Im vorliegenden Fall ist maßgeblich auf den Zeitpunkt des Todes des Vaters der Klägerin zu 1) abzustellen. Nach § 1922 Abs. 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) geht mit dem Tode einer Person deren Vermögen als Ganzes auf den oder die Erben über (Gesamtrechtsnachfolge). Bereits ab diesem Zeitpunkt kann ein Erbe aufgrund seiner durch den Erbfall erlangten rechtlichen Position über seinen Anteil am Nachlass verfügen. Diese Besonderheiten der Gesamtrechtsnachfolge im BGB sind auch für die Abgrenzung von Einkommen und Vermögen nach dem SGB II entscheidend. Ob der Erbe schon zum Zeitpunkt des Erbfalls tatsächlich - zumindest bedarfsmindernde - Vorteile aus seiner Erbenstellung ziehen kann, ist dabei zunächst ohne Belang. § 11 Abs 1 Satz 1 SGB II setzt nicht voraus, dass der Einnahme bereits ein "Marktwert" zukommt (BSG Urteil vom 25.01.2012 - B 14 AS 101/11 R = juris Rn 20 unter Bezugnahme auf BSG Urteil vom 10.5.2011 - B 4 KG 1/10 R = juris Rn 17). Entscheidend für die Abgrenzung von Einkommen und Vermögen ist, ob der Erbfall vor der (ersten) Antragstellung eingetreten ist (BSG Urteil vom 25.01.2012 - B 14 AS 101/11 R = juris Rn 20; BSG Urteil vom 24.2.2011 - B 14 AS 45/09 R = juris Rn 21; BSG Urteil vom 28.10.2009 - B 14 AS 62/08 R = juris Rn 22). Liegt der Erbfall vor der ersten Antragstellung, handelt es sich um Vermögen. Vorliegend ereignete sich der Erbfall nach der ersten Antragstellung der Kläger im laufenden Leistungsbezug.

2.
Das Einkommen aufgrund des Erbfalls war aber erst am 15.07.2011 als "bereites Mittel" bei den Bedarfen der Kläger zu berücksichtigen. Erst mit der Auszahlung des Auseinandersetzungsguthabens verfügte die Klägerin zu 1) über bereites Einkommen, mit dem sie den Lebensunterhalt ihrer Bedarfsgemeinschaft hätte decken können. Das Bundessozialgericht hat in seinem Urteil vom 25.01.2012 - B 14 AS 101/11 R - ausgeführt, dass auch wenn - ausgehend von § 1922 Abs 1 BGB - normativ ein anderer als der tatsächliche Zufluss als maßgeblich für die Abgrenzung von Einkommen und Vermögen zu berücksichtigen ist, der wertmäßige Zuwachs erst dann den Bedarf mindert, wenn die Einnahme dem Hilfebedürftigen tatsächlich zur Deckung seines Bedarfs zur Verfügung steht (BSG Urteil vom 28.10.2009 - B 14 AS 62/08 R = juris Rn 22). "Dies ist bei der Gesamtrechtsnachfolge im Rahmen einer Erbschaft regelmäßig erst mit der Auskehrung des Auseinandersetzungsguthabens der Fall. Wie schon das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) zur Sozialhilfe entschieden hat, darf der Hilfesuchende wegen seines gegenwärtigen Bedarfs nicht auf Mittel verwiesen werden, die ihm erst in der Zukunft tatsächlich zur Verfügung stehen (BVerwG Urteil vom 22.4.2004 - 5 C 68.03 - BVerwGE 120, 343). Auch im SGB II ist das Erfordernis der aktuellen Verfügbarkeit von Mitteln zur Bedarfsdeckung gesetzlich verankert. § 9 Abs 1 SGB II bringt zum Ausdruck, dass Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende nicht für denjenigen erbracht werden sollen, der sich nach seiner tatsächlichen Lage selbst helfen kann. Entscheidend ist daher der tatsächliche Zufluss ‚bereiter Mittel‘" (BSG Urteil vom 28.10.2009 - B 14 AS 62/08 R = juris Rn 22; BSG Urteil vom 18.2.2010 - B 14 AS 32/08 R = juris Rn 20; BSG Urteil vom 21.6.2011 - B 4 AS 21/10 R = juris Rn 29).

3.
Entgegen der Auffassung der Kläger ist vorliegend der gesamte am 15.07.2011 zur Auszahlung gelangte Betrag in Höhe von 15.286,35 EUR als Einkommen zu berücksichtigen. Die Klägerin zu 1) hat - was zwischen den Beteiligten unstreitig ist - gemäß ihrer im Rahmen der Wohlverhaltensphase bestehenden Obliegenheit nach § 295 Abs. 1 Nr. 2 Insolvenzordnung (InsO) die Hälfte ihres Erbes unmittelbar an den gerichtlich bestellten Treuhänder überwiesen. Dies ändert jedoch nichts daran, dass ihr die Erbschaft zunächst in voller Höhe zugeflossen ist und sie der Klägerin zu 1) auch in voller Höhe zuzurechnen ist. Insoweit gilt, dass die Lebensunterhaltssicherung durch eigene Mittel grundsätzlich der Schuldentilgung vorzugehen hat. Aus der Subsidiarität der staatlichen Fürsorge folgt, dass diese erst dann eingreifen soll, wenn die Hilfebedürftigen ihnen zur Verfügung stehende Mittel verbraucht haben (vgl BSG Urteil vom 16.12.2008 - B 4 AS 70/07 R = juris Rn 28; BSG Urteil vom 30.09.2008 - B 4 AS 29/07 R = juris Rn 19).

Die Klägerin befand sich zum Zeitpunkt, an dem sie über die 15.286,35 EUR verfügen konnte, in der sog. "Wohlverhaltensphase", d.h. dem Zeitraum nach Ankündigung der Restschuldbefreiung (§ 291 Abs. 1 InsO) und der Beendigung des Insolvenzverfahrens (§ 289 Abs. 2 Satz 2, § 200 Abs. 1 InsO). In diesem Zeitraum treffen den Schuldner gemäß § 295 InsO bestimmte Obliegenheiten. Hierauf war die Klägerin zu 1) im Beschluss des Amtsgerichts Düsseldorf vom 31.08.2007 hingewiesen worden.

Gemäß § 295 Abs. 1 Nr. 2 InsO obliegt es dem Schuldner in dieser Phase unter anderem, Vermögen, das er von Todes wegen oder mit Rücksicht auf ein zukünftiges Erbrecht erwirbt, zur Hälfte an den Treuhänder herauszugeben. Gesetzgeberischer Hintergrund für diese Regelung war, dass es als unbillig angesehen wurde, dem Schuldner die Restschulbefreiung zu gewähren, ohne dass die Gläubiger hieran partizipieren könnten. Auf der anderen Seite sollte insolvenzrechtlich für den Schuldner aber grundsätzlich ein Interesse daran bestehen, die Erbschaft nicht vollständig auszuschlagen (BT-Drucks. 12/2443, S. 192; vgl. hierzu auch Ehricke, in Münchener Kommentar zur Insolvenzordnung, 2. Aufl. 2008, § 295 Rn 49; Lang, in Braun, Insolvenzordnung, 5. Aufl. 2012, § 295 Rn 11, Landfermann, in: Heidelberger Kommentar zur Insolvenzordnung, 4. Aufl. 2005, § 295 Rn 13).

Von der Regelung des § 295 Abs. 1 Nr. 2 InsO erfasst ist eine Erbschaft dann, wenn sie zivilrechtlich in der Wohlverhaltensphase anfällt (vgl. Andres, in: Andres/Leithaus/Dahl, InsO § 295 Rn 5; Landfermann, in: Heidelberger Kommentar zur Insolvenzordnung, 4. Aufl. 2005, § 295 Rn 16). Dies war vorliegend der Fall, da der Erblasser im November 2010 verstorben war. Durch die Überweisung des hälftigen Werts der Erbschaft an den Treuhänder ist die Klägerin zu 1) damit ihrer Obliegenheit nach § 295 Abs. 1 Nr. 2 InsO nachgekommen.

Dies führt nach Auffassung des Senats grundsicherungsrechtlich aber nicht dazu, dass auch nur die Hälfte der Erbschaft als Einkommen zu berücksichtigen wäre. Hier bleibt es dabei, dass die Klägerin durch die Herausgabe des hälftigen Wertes der Erbschaft, private Schulden mit Mitteln getilgt hat, welche entsprechend der gesetzlichen Konzeption des SGB II für die Bestreitung des Lebensunterhalts zu verwenden gewesen wären.

Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus den von der Klägerin benannten Entscheidungen des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg (Beschluss vom 24.04.2008 - L 28 B 1452/07 AS ER = juris) und das Sozialgerichts Berlin (Beschluss vom 20.05.2010 - S 128 AS 14550/10 ER = juris). In diesen Fällen ging es um die Frage, ob Forderungen auf Erwerbsentgelt, welche bei der Beantragung der Restschuldbefreiung nach § 287 InsO im Voraus abgetreten worden waren, als Einkommen nach § 11 SGB II zu berücksichtigen sind. Die Fälle der Vorausabtretung unterscheiden sich aber bereits rechtlich erheblich von der hier zu behandelnden Frage der Herausgabe des hälftigen Werts einer Erbschaft. Das Landessozialgericht Berlin-Brandenburg hat in seinem Beschluss vom 24.04.2008 zutreffend ausgeführt, es komme hinsichtlich der Frage, ob Einkommen im Sinne des § 11 SGB II zurechenbar zu berücksichtigen sei, nur darauf an, ob die Mittel tatsächlich zum Bestreiten des Lebensunterhalts eingesetzt werden können. Dies ist im Falle der Vorausabtretung - unabhängig von der zivilrechtlichen Fragestellung, ob der Zedent bei Entstehung der Forderung für eine "logische Sekunde" Inhaber der Forderung wird (sog. "Durchgangserwerb") oder ob die Forderung unmittelbar bei ihrer Entstehung auf den Zessionar übergeht (sog. "Direkterwerb") - nicht der Fall. Die Mittel zur Erfüllung der Forderung stehen dem Zedenten zu keinem Zeitpunkt zu.

Im Falle der Obliegenheit nach § 295 Abs. 1 Nr. 2 InsO behält der Insolvenzschuldner seine Stellung als Gesamtrechtsnachfolger des Erblassers. Er kann auch im Insolvenzverfahren seine Rechte als Erbe grundsätzlich frei ausüben. Insbesondere steht ihm - auch in der Wohlverhaltensphase - die Möglichkeit offen, die Erbschaft auszuschlagen (Bundesgerichtshof - BGH - Beschluss vom 25.06.2009 - IX ZB 196/08 = NJW-RR 2010, 121 f. = juris Rn 11 ff. Andres, in: Andres/Leithaus/Dahl, InsO § 295 Rn 5; Landfermann, in: Heidelberger Kommentar zur Insolvenzordnung, 4. Aufl. 2005, § 295 Rn 13; Ehricke, in Münchener Kommentar zur Insolvenzordnung, 2. Aufl. 2008, § 295 Rn 49), ohne dass dies nach ganz herrschender Meinung durch Versagung der Restschuldbefreiung insolvenzrechtlich sanktioniert werden könnte (vgl. BGH Beschluss vom 25.06.2009 - IX ZB 196/08 = NJW-RR 2010, 121 f. = juris; LG Mainz Beschluss vom 23.04.2003 - 8 T 79/03 = ZinsO 2003, 525 f. = juris; Landfermann, in: Heidelberger Kommentar zur Insolvenzordnung, 4. Aufl. 2005, § 295 Rn 13; Ehricke, in Münchener Kommentar zur Insolvenzordnung, 2. Aufl. 2008, § 295 Rn 49; Andres, in: Andres/Leithaus/Dahl, InsO § 295 Rn 5, der diese Rechtslage jedoch als "unbefriedigend" ansieht; Lang, in Braun, Insolvenzordnung, 5. Aufl. 2012, § 295 Rn 14; a.A. Bartels KTS 2003, 41, 64 ff.).

Nach alledem steht dem Schuldner im Falle einer Erbschaft ein Gestaltungsspielraum zu. Er kann die Erbschaft, insolvenzrechtlich- und damit nach Einschätzung des Senats auch grundsicherungsrechtlich - sanktionslos ausschlagen oder sie annehmen. Nimmt er sie an, so steht ihm tatsächlich aber die Erbschaft in Höhe seines vollen Erbteils zu und ihn trifft die Pflicht, diese zur Sicherung des Lebensunterhalts und nicht zur Schuldentilgung zu verwenden.

Der Senat verkennt nicht, dass die Klägerin sich in einer schwierigen Situation befand, da auf der einen Seite der Treuhänder - nach Darstellung der Klägerin mit Vehemenz - die Hälfte des Werts der Erbschaft verlangte und auf der anderen Seite der Beklagte auf die Verwendung des Geldes zum Lebensunterhalt drängte. Hierbei verfolgen sowohl der Treuhänder als auch der Beklagte legitime Ziele. Maßgebliches Anliegen bei der Einführung der Restschuldbefreiung war es - vor dem Hintergrund einer erheblichen Zunahme schwerer Verbraucherverschuldungen - natürlichen Personen nach Durchlaufen eines geordneten Verfahrens die Möglichkeit der Entschuldung, bei weitgehender Wahrung der Gläubigerinteressen, zu gewähren (vgl. BT-Drucks. 12/2443, S. 82; vgl. hierzu auch LSG Berlin-Brandenburg Beschluss vom 24.04.2008 - 28 B 1452/07 AS ER = juris Rn 21). Diesem System sind der Treuhänder und auch die Klägerin zu 1) verpflichtet. Auf der anderen Seite unterfällt die Klägerin zu 1) - ebenso wie der Beklagte - dem System des SGB II, welches - als steuerfinanzierte Leistung - davon ausgeht, dass bestehende Hilfebedürftigkeit durch vorhandenes Einkommen verringert wird und dieses daher zur Bestreitung des Lebensunterhalts und nicht zur Schuldentilgung - auch im Rahmen eines Insolvenzverfahrens - verwendet wird. In diesem Spannungsverhältnis setzt sich die Pflicht der Klägerin zur Sicherung ihres Lebensunterhalts durch.

4.
Zutreffend hat der Beklagte die mit der Auskehrung des Auseinandersetzungsguthabens bereiten Mittel für den Zeitraum vom 01.08.2011 bis zum 31.01.2012 als Einkommen berücksichtigt. Einmalige Einnahmen sind nämlich nach § 11 Abs. 3 Satz 1 SGB II von dem Monat an zu berücksichtigen, in dem sie zufließen. Gemäß § 11 Abs. 3 Satz 2 werden sie, wenn wie im vorliegenden Fall für den eigentlichen Zuflussmonat (Juli 2011) bereits Leistungen nach dem SGB II ohne Berücksichtigung der einmaligen Einnahme erbracht worden sind, im Folgemonat angerechnet. Die Einnahmen in Höhe von 15.286,35 EUR sind daher ab August 2011 auf einen Zeitraum von sechs Monaten aufzuteilen und monatlich mit einem entsprechenden Teilbetrag zu berücksichtigen, § 11 Abs. 3 Satz 3 SGB II (vgl zum sog. Verteilzeitraum auch BSG Urteil vom 25.01.2012 - B 14 AS 101/11 R = juris m.w.N.). Gemäß § 9 Abs. 1, 2 i.V.m. § 7 Abs. 3 Nr. 2, Nr. 3 lit a) SGB II ist das Einkommen im Zeitraum von August 2011 bis einschließlich Januar 2012 auf den Bedarf der gesamte Bedarfsgemeinschaft in Höhe von monatlich 2.547,72 EUR anzurechnen. Ebenfalls zu berücksichtigen ist das Einkommen des Klägers zu 2) sowie - bei den beiden Kindern - das Kindergeld in Höhe von jeweils 184,00 EUR pro Monat. Auch unter Berücksichtigung der Absetzbeträge nach § 11b SGB II übersteigt das Einkommen der Bedarfsgemeinschaft deren Bedarf im streitgegenständlichen Zeitraum. Dieser belief sich für die Zeit von August bis einschließlich Dezember 2011 - unter Berücksichtigung der Regelbedarfe der Kläger (2 x 328,00 EUR) sowie der beiden Kinder (215,00 EUR), der tatsächlichen und auch im Übrigen angemessenen Kosten für Unterkunft und Heizung (679,00 EUR) - auf insgesamt 1.765,00 EUR. Für den Monat Januar 2012 ist die Erhöhung der Regelbedarfe zu berücksichtigen. Ab dem 01.01.2012 betrugen die Regelbedarfe für die Kläger jeweils 337,00 EUR und für die Kinder jeweils 225,00 EUR. Mithin belief sich der Bedarf im Januar 2012 auf 1.803,00 EUR. Selbst wenn man die ab September 2011 anfallenden Kosten für eine Krankenversicherung in Höhe von 150,00 EUR pro Monat und separate Kosten für eine Garage in Höhe von monatlich 39,25 EUR berücksichtigt, stünde einem Bedarf von 1.954,25 EUR, bzw. 1.992,25 EUR ein höheres bereinigtes Einkommen gegenüber. Dieses belief sich auf 2.547,72 EUR (anteilige Erbschaft), 368,00 EUR (Kindergeld) und monatlich 110,00 EUR (Arbeitsentgelt). Das Arbeitsentgelt des Klägers zu 2) ist gemäß § 11b Abs. 2, 3 Satz 2 Nr. 1 SGB II um einen Betrag in Höhe von 102,00 EUR zu bereinigen, darüber hinaus ist auch das Einkommen der Klägerin zu 1) aus der Erbschaft um die Versicherungspauschale in Höhe von 30,00 EUR sowie - da es sich um ihre Kfz-Haftpflichtversicherung handelt - um weitere 40,00 EUR pro Monat zu bereinigen. Einem anrechenbarem Einkommen in Höhe von 2.880,72 EUR steht damit ein Bedarf von (höchstens) 1.992,25 EUR gegenüber. Die Kläger waren nach alledem für den hier streitigen Zeitraum vom 01.08.2011 bis einschließlich 31.01.2012 nicht hilfebedürftig, weswegen ein Anspruch auf Leistungen nach dem SGB II nicht bestand.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Die Revision wurde gemäß § 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG zugelassen, weil die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat.
Rechtskraft
Aus
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