L 1 KR 60/12

Land
Hamburg
Sozialgericht
LSG Hamburg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
1
1. Instanz
SG Hamburg (HAM)
Aktenzeichen
S 48 KR 924/09
Datum
2. Instanz
LSG Hamburg
Aktenzeichen
L 1 KR 60/12
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
1. Die Berufung wird zurückgewiesen 2. Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten. 3. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Der aufgrund einer Vielzahl unter anderem bei den Hamburger Sozialgerichten geführter Rechtsstreitigkeiten gerichtsbekannte Kläger – auf die Auflistung in den Stammblättern der Gerichtsakte und den Inhalt der dort genannten Akten wird Bezug genommen –, für den derzeit kein Betreuer bestellt ist, begehrt die Löschung bestimmter Daten aus den internen Datenbanken der Beklagten, bei der er krankenversichert ist.

Der 1947 geborene Kläger hat nach seinen Angaben im Anschluss an den Haupt-schulabschluss von 1963 bis 1966 eine Ausbildung als Filmkopienfertiger absolviert. Im Jahre 1969 wurde er zum Kameraassistenten ausgebildet und war anschließend in diesem Beruf bis Anfang Oktober 1975 erwerbstätig, zuletzt beim N. als freier Mitarbeiter auf Grund so genannter Stückverträge. In den Jahren 1976 und 1978 war er noch tageweise insbesondere für Radio B. als Kameramann beschäftigt. Ab Oktober 1975 bezog er Arbeitslosengeld und ab April 1976 zunächst Arbeitslosenhilfe. Die Deutsche Rentenversicherung Bund (DRV Bund, zuvor Bundesversicherungsanstalt für Angestellte) bewilligte ihm auf den Antrag seines seinerzeitigen Pflegers mit Bescheid vom 22. Januar 1985 Rente wegen Erwerbsunfähigkeit auf unbestimmte Zeit ab dem 1. November 1983.

Der Kläger, der sich nicht für erwerbsunfähig hielt und hält, hat diese Rente nie akzeptiert und strebt seit 1976 seine Weiter- bzw. Wiederbeschäftigung beim N. an. Zu diesem Zweck hat er zahlreiche Verfahren in der h. Arbeitsgerichtsbarkeit anhängig gemacht, die sämtlich erfolglos geblieben sind. Darüber hinaus waren und sind zahllose Gerichtsverfahren außer in der h. Sozialgerichtsbarkeit auch in anderen Gerichtszweigen der h. Gerichtsbarkeit und im Freistaat S. anhängig, mit denen der Kläger unter anderem die Rehabilitierung seiner Person und Schadensersatzforderungen geltend gemacht hat. Er hat ferner zahlreiche Rechtsstreitigkeiten gegen die Deutsche Rentenversicherung N. geführt, in welchen er wiederholt erfolglos die Aufhebung bzw. die Annullierung des Rentenbescheides bzw. Restitution beantragt hat. Am 10. August 2008 hat der Kläger beim Sozialgericht Hamburg Klage erhoben mit dem Begehren, die Bezeichnung "Rentner/Erwerbsunfähigkeit" aus den internen PC-Programmen der Beklagten zu löschen. Er sei kein Rentner, sondern erhalte Grundsicherungsleistungen vom Sozialamt und sei beim Jobcenter gemeldet. Das Sozialgericht hat die Klage mit Gerichtsbescheid vom 30. Mai 2012 abgewiesen. Es fehle an einem Rechtsschutzbedürfnis für die erhobene Klage. Die begehrte Verpflichtung der Beklagten bringe dem Kläger weder tatsächliche noch rechtliche Vorteile. Seine interne Bezeichnung bei der Beklagten habe keine Außenwirkung.

Der Gerichtsbescheid ist dem Kläger am 5. Juni 2012 zugestellt worden. Am 7. Juni 2012 hat er dagegen Berufung eingelegt.

Der Kläger beantragt, den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Hamburg vom 30. Mai 2012 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, den Titel "Rentner/Erwerbsunfähig" aus ihren internen PC Programmen zu streichen.

Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält die erstinstanzliche Entscheidung für zutreffend.

Der Senat hat die Berufung mit Beschluss vom 2. August 2012 dem Berichterstatter zur Entscheidung mit den ehrenamtlichen Richtern übertragen.

Zur Ergänzung des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Prozessakte in diesem Verfahren und in den Verfahren L 1 KR 61-62/12, L 1 R77/12 NZB und S 48 KR 400/09 sowie den Inhalt der Akte der Beklagten Bezug genommen, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung am 11. April 2013 gewesen ist.

Entscheidungsgründe:

I. Der Senat konnte in der Besetzung mit der Berichterstatterin und zwei ehrenamtlichen Richtern verhandeln und entscheiden, nachdem der Senat die Berufung gemäß § 153 Abs. 5 Sozialgerichtsgesetz (SGG) dem Berichterstatter übertragen hat.

II. Die Berufung ist gemäß §§ 143, 144 SGG statthaft und auch im Übrigen zulässig. Insbesondere steht der Zulässigkeit nicht die Prozessunfähigkeit des Klägers in diesem Verfahren entgegen, von der der Senat im Übrigen überzeugt ist. Zwar ist für die Zulässigkeit der Berufung grundsätzlich die Prozesshandlungsfähigkeit des Berufungsklägers erforderlich. Jedoch muss im Interesse eines vollständigen Rechtsschutzes auch der Prozessunfähige die Möglichkeit haben, den Prozess durch seine Handlung in die höhere Instanz zu bringen. So ist das Rechtsmittel eines Beteiligten, der sich dagegen wendet, dass er in der Vorinstanz zu Unrecht als prozessunfähig (bzw. prozessfähig) behandelt worden sei, ohne Rücksicht darauf zulässig, ob die für die Prozessfähigkeit erforderlichen Voraussetzungen festgestellt werden können (vgl. BSG 29.7.2005 – B 7a AL 162/05 B – Juris – m.w.N., st. Rspr.). Gleiches gilt, wenn die Partei, deren Prozessfähigkeit fraglich ist, sich gegen ein in der Vorinstanz gegen sie ergangene Sachurteil wendet und mit ihrem Rechtsmittel ein anderes, ihrem Begehren entsprechendes Sachurteil erstrebt (LSG Hamburg 24.7.2012 – L 3 R 150/10; BGH 8.12.2009 – VI ZR 284/08 – Juris).

III. Die Berufung ist unbegründet. Das Sozialgericht hat die Klage zu Recht als unzulässig abgewiesen. Es fehlt schon an der für eine wirksame Klageerhebung erforderlichen Prozesshandlungsfähigkeit des Klägers.

1. Nach § 71 Abs. 1 SGG ist ein Beteiligter prozessfähig, soweit er sich durch Verträge verpflichten kann. Wie verschiedene Senate des Gerichts, unter anderem der erkennende Senat, bereits mehrfach entschieden haben, ist der Kläger zwar nicht als vollen Umfangs geschäftsunfähig anzusehen. Aufgrund der maßlosen Inanspruchnahme der Gerichte mit Verfahren, die in Zusammenhang mit der Beendigung seiner Tätigkeit beim N., seiner nachfolgenden Arbeitslosigkeit und dem Begehren nach Leistungen bei Arbeitslosigkeit und Arbeitssuche trotz festgestellter Erwerbsunfähigkeit stehen, ist jedoch insoweit von einer partiellen Geschäfts- und damit auch Prozessunfähigkeit auszugehen (vgl. etwa LSG 14.10.2004 – L 5 AL 57/04; 1.9.2005 – L 5 B 88/05 ER AS; 11.10.2006 – L 1 KR 17/06; 20.8.2008 – L 5 B 229/08 PKH AS; 16.12.2008 – L 5 B 1077/08 PKH AS; 26.1.2009 – L 1 R 6/07; 9.11.2009 – L 5 B 411/09 ER AS; 24.11.2010 – L 4 SO 61/10; 24.7.2012 – L 3 R 150/190). Auf die Ausführungen in diesen, dem Kläger bzw. seinem damaligen Prozessbevollmächtigten zugestellten Entscheidungen wird Bezug genommen.

2. Der Senat hält an dieser Überzeugung für das vorliegende Verfahren fest, in dem der Kläger sich dagegen wehrt, von der Beklagten intern als Bezieher einer Erwerbsunfähigkeitsrente eingeordnet zu werden. Der Senat legt seiner Beurteilung ausschließlich dieses ursprüngliche und vom Sozialgericht überprüfte Rechtsschutzbegehren zugrunde. Bei den in der mündlichen Verhandlung ausweislich des Protokolls, auf das Bezug genommen wird, gestellten "Anträge" handelt es sich hingegen nicht um Sachanträge, sondern um weitere Anzeichen für die Erkrankung des Klägers. Davon, dass der Kläger bezogen auf den Streitgegenstand dieses Verfahrens prozessunfähig ist, hat sich der Senat in der mündlichen Verhandlung auch aktuell überzeugen können. Eine sachliche Erörterung ist mit ihm nicht möglich gewesen. Er ordnet das Verfahren letztlich keinem bestimmten Verwaltungshandeln zu. Dies hat er eindrucksvoll bekräftigt, indem er gleich zu Beginn der Verhandlung eine Auflistung seiner – teilweise bereits abgeschlossenen – Berufungs- und Beschwerdeverfahren und zum Schluss der Verhandlung noch eine Konvolut mit Unterlagen aus "allen Verfahren" überreicht hat.

3. Die Bestellung eine besonderen Vertreters nach § 72 Abs. 1 SGG ist ausnahmsweise nicht angezeigt gewesen. Sie ist bei Querulanten und wenn das Rechtsmittel aus anderen Gründen unzulässig ist oder bei zweifellos aussichtsloser und abwegiger Rechtsverfolgung nicht notwendig (vgl. Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/ders., SGG, § 72 Rn. 2c). Das ist vorliegend jedenfalls deswegen der Fall, da es zusätzlich am Rechtsschutzbedürfnis für die erhobene Klage fehlt. Insoweit wird auf die zutreffende Begründung des Sozialgerichts Bezug genommen und gemäß § 153 Abs. 2 SGG von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe abgesehen.

IV. Die Kostenentscheidung beruht auf dem Rechtsgedanken des § 193 Abs. 1 und 4 SGG und berücksichtigt, dass der Kläger unterlegen ist und die Aufwendungen der Beklagten nicht erstattungsfähig sind.

V. Die Revision ist nicht zuzulassen, weil weder die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 Nr. 1 noch 2 SGG vorliegen.

VI. Sollte der Kläger, der seine umfangreichen schriftlichen Ausführungen teilweise auf dem amtlichen Prozesskostenhilfevordruck macht, damit zu irgendeinem Zeitpunkt die Gewährung von Prozesskostenhilfe für das Berufungsverfahren beantragt haben wollen, wird dieser Antrag bzw. werden diese Anträge abgelehnt. Seine Berufung hat aus den dargelegten Gründen von Anbeginn an keine hinreichenden Erfolgsaussichten i.S.d. § 73a Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. § 114 Satz 1 Zivilprozessordnung gehabt.
Rechtskraft
Aus
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