S 14 AS 47/09

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
SG Duisburg (NRW)
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
14
1. Instanz
SG Duisburg (NRW)
Aktenzeichen
S 14 AS 47/09
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Beklagte wird unter Aufhebung des Bescheides vom 27.2.2009 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25.8.2009 in Abänderung des Bescheides vom 11.8.2008 in der Fassung des Änderungsbescheides vom 18.11.2008 sowie in Abänderung des Bescheides vom 29.1.2009 in der Fassung des Änderungsbescheides vom 30.3.2009, jeweils in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25.8.2009 verurteilt, die Unterkunftskosten des Klägers in Höhe von 256,50 EUR Kaltmiete vom 1.9.2008 bis zum 31.5.2009 zu übernehmen.

Die Beklagte trägt die außergerichtlichen Kosten des Klägers dem Grunde nach.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten steht im Streit, ob die Beklagte verpflichtet ist, für die Zeit vom 1.9.2008 bis 31.5.2009 die Kosten der Unterkunft des Klägers für seine Wohnung R.Str. 9 in E. in tatsächlicher Höhe zu übernehmen.

Der Kläger stand bei der Beklagten seit 1.1.2005 im Leistungsbezug nach dem SGB II. Nachdem zunächst die Kosten der Unterkunft in tatsächlicher Höhe übernommen worden waren, forderte die Beklagte den Kläger mit Schreiben vom 29.6.2006, abgesandt mit Verfügung vom 5.2.2008, zur Senkung der Unterkunftskosten auf. Angemessen seien für einen Ein-Personenhaushalt 217,50 EUR monatlich zuzüglich Nebenkosten und angemessene Heizkosten; die monatliche Miete des Klägers betrug im streitgegenständlichen Zeitraum 256,50 EUR zuzüglich 60,00 EUR Nebenkosten, zuzüglich Heizkosten. Mit Bescheid vom 11.8.2008 übernahm die Beklagte die Kosten der Unterkunft hinsichtlich der Nettokaltmiete nur noch in Höhe von 217,50 EUR, die Nebenkosten und Heizkosten in tatsächlicher Höhe, dies für den Zeitraum 1.8.2008 bis 31.1.2009; für den Zeitraum 1.10.2008 bis 31.1.2009 erteilte die Beklagte einen Änderungsbescheid ohne an der Berechnung der Kosten der Unterkunft etwas zu ändern. Beide Bescheide wurden bestandskräftig.

Mit Bescheid vom 29.1.2009 gewährte die Beklagte Leistungen nach dem SGB II für die Zeit vom 1.2.2009 bis zum 31.7.2009 unter Berücksichtigung einer Nettokaltmiete von 217,50 EUR. Gegen diesen Bescheid erhob der Kläger am 24.2.2009 Widerspruch und beantragte zugleich die Überprüfung der Bescheide vom 11.8.2008 und 18.11.2008 im Hinblick auf die Unterkunftskosten, nachdem er bereits mit Schreiben vom 23.1.2009 einen Überprüfungsantrag hinsichtlich bereits bestandskräftiger, aber nicht näher bezeichneter Leistungsbescheide gestellt hatte. Zur Begründung führte er aus, ein Umzug sei bis jetzt weder möglich noch zumutbar gewesen. Er habe seine kranken Eltern gepflegt. Diese hätten zunächst 3 min Fußweg von seiner Wohnung entfernt gewohnt. Wegen der Krankheiten und wegen der Nähe zur Wohnung des Klägers seien sie in die Altenwohnung K. 31-33 gezogen, die 5 min Fußweg entfernt sei. Beide hätten an schweren Krankheiten gelitten bzw. täten dies noch. Die am 6.3.1932 geborene Mutter des Klägers habe an Diabetes gelitten, einem Zustand nach Schlaganfall und drei Herzinfarkten. Sie sei auf Heimdialyse angewiesen gewesen, zuletzt seien ihr Leistungen nach Pflegestufe III gewährt worden, sie sei am 8.1.2009 gestorben; diesbezüglich und hinsichtlich der vorgetragenen Erkrankungen überreichte der Kläger Bescheinigungen der behandelnden Ärzte, auf die Bezug genommen wird. Der am 15.2.1933 geborene Vater leide an Altersdemenz und beginnender Parkinson-Erkrankung. Auch bei ihm liege eine Diabeteserkrankung vor, zusätzlich sei eine massive Herzerkrankung vorhanden. Er habe drei Herzinfarkte erlitten, die Halsschlagader habe durch eine Operation geöffnet werden müssen. Akut sei er "umgefallen" und befinde sich zur Zeit in der Klinik. Es sei der Verschluss von zwei Herzkranzgefäßen entdeckt worden. Der Vater solle nicht mehr in die Wohnung zurückkehren, sondern in ein Pflegeheim verlegt werden. Bis zum Tod der Mutter habe der Kläger den kompletten Haushalt mit Putzen, Einkaufen, Kochen usw. erledigt. Er habe auch bei der Grundpflege mitgeholfen. Zwar sei ein Pflegedienst eingeschaltet gewesen, der aber nur zu bestimmten Tageszeiten gekommen sei. Sei ein Pflegebedarf notwendig geworden, habe die Mutter angerufen und um Hilfe gebeten, wegen der räumlichen Nähe sei dies schnell erledigt gewesen. Dies habe es mit sich gebracht, dass der Kläger durch die Pflege seiner Eltern so eingebunden gewesen sei, dass er sich um eine neue Wohnung gar nicht habe bemühen können. Ein Wohnungswechsel sei auch deshalb nicht möglich gewesen, weil dann die Pflege der Eltern nicht mehr hätte gewährleistet werden können. Spätestens bis zum Januar 2009 sei ein Umzug daher nicht möglich und zumutbar gewesen.

Mit Bescheid vom 27.2.2009 lehnte die Beklagte den Überprüfungsantrag hinsichtlich der Bescheide vom 11.8. und 18.11.2009 ab. Ein schwerwiegender Grund, aufgrund dessen eine Aufforderung zur Senkung der Kosten der Unterkunft hätte unterbleiben müssen und die Kosten in tatsächlicher Höhe hätten weitergewährt werden müssen, sei nicht ersichtlich. Er habe der Sachbearbeitung nie mitgeteilt, dass er keine Zeit habe, sich um die Senkung der Unterkunftskosten zu kümmern. Die Tatsache, dass die Wohnung der pflegebedürftigen Eltern mehrmals am Tag von einem professionellen Pflegedienst aufgesucht worden sei, deute darauf hin, dass der Kläger Zeit gehabt haben müsse, sich um seine eigenen Angelegenheiten zu kümmern.

Den am 5.3.2009 erhobenen Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 25.8.2009 als unbegründet zurück. Die getroffenen Entscheidungen vom 11.8.2008 und 18.11.2008 seien im Sinne des § 44 SGB X nicht fehlerhaft.

Der Kläger ist zum 1.6.2009 aus der streitbefangenen Wohnung ausgezogen.

Mit Widerspruchsbescheid vom 25.8.2009 wies die Beklagte den Widerspruch vom 24.2.2009 gegen den Bescheid vom 29.1.2009 als unbegründet zurück. Der angefochtene Bescheid, teilweise in der Fassung des Änderungsbescheides vom 30.3.2009 sei rechtmäßig. Gemäß § 22 Absatz 1 Satz 1 SGB II seien Leistungen für Unterkunft und Heizung in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen nur zu erbringen, soweit diese angemessen seien. Angemessen seien in Essen nur 217,50 EUR. Gemäß § 22 Absatz 1 Satz 3 SGB II seien Aufwendungen für die Unterkunft auch zu übernehmen, soweit sie den angemessenen Umfang überstiegen, wenn es nicht möglich oder nicht zumutbar sei, durch einen Wohnungswechsel, vermieten oder auf andere Weise die Aufwendungen zu senken, längstens in der Regel jedoch für sechs Monate. Mit Schreiben vom 5.2.2008 sei daher eine Kostensenkungsaufforderung ergangen, wonach für sechs Monate die tatsächlichen Kosten übernommen werden könnten. Gleichzeitig sei der Kläger aufgefordert worden, sich intensiv um eine Senkung der Unterkunftskosten auf das angemessene Maß zu bemühen. Insoweit sei eine Frist bis zum 31.8.2008 eingeräumt worden. Der Kläger hätte sich auch um eine Wohnung kümmern können, ohne seine Eltern vernachlässigen zu müssen. In einem Umkreis von bis zu 5 km sei ausreichender Wohnraum vorhanden gewesen.

Der Kläger hat am 9.9.2009 Klage erhoben und verfolgt sein Begehren weiter. Er führt weiter aus, die Heimdialyse der Mutter habe täglich alle 4 h durchgeführt werden müssen. Der Kläger sei bereits morgens um 7:30 Uhr im Haushalt der Eltern eingetroffen, um die Mutter zusammen mit dem Pflegedienst zu betreuen und sei bis 10:00 Uhr geblieben. Bis 11:00 Uhr sei er dann in der eigenen Wohnung gewesen, danach bis 16:00 Uhr wieder bei der Mutter, da die Heimdialyse habe durchgeführt werden müssen. Bis 19:00 Uhr sei er zuhause gewesen, dann noch einmal in der Zeit bis 21 bzw. 21:30 Uhr zur Wohnung der Eltern gegangen. Dies sei von Sonntag bis Montag der Fall gewesen. Der Vater des Klägers sei dement gewesen, es habe zwar eine Notrufanlage gegeben, diese habe er aber nicht benutzt. Der Vater habe nur das Telefon genutzt, in das die Nummer des Klägers eingespeichert gewesen sei. Bei solchen Anrufen habe der Kläger unmittelbar in die Wohnung seiner Eltern gehen müssen. In einer solchen Situation der langfristigen Betreuung und dem Erfordernis auch kurzfristiger Besuchsmöglichkeiten sei es dem Kläger nicht zuzumuten gewesen, Anfahrtswege mit öffentlichen Verkehrsmitteln – wie etwa bei erwerbsfähigen Pendlern selbstverständlich – vorzunehmen. Denn im konkreten Fall sei es darauf angekommen, dass der Kläger kurzfristig in der Wohnung seiner Eltern sein könne, wenn er dort dringend gebraucht werde. Auch bei Notfällen habe er unmittelbar helfen können. Er habe auch bei der Grundpflege mitgeholfen. Er habe insoweit den Pflegedienst ergänzt, der eingeschaltet gewesen sei. Infolgedessen habe er sich um eine neue Wohnung nicht benennen können.

Es sei zu betonen, dass einer Arbeitsaufnahme eventuell die Pflege von Angehörigen entgegengestanden hätte, dass dies grundsätzlich möglich sei, ergebe sich aus § 10 Abs. 1 Nummer 4 SGB II. Es müsse sicherlich in der konkreten Situation betrachtet werden, ob angesichts der Belastungen, denen der Kläger durch die Betreuung und Versorgung seiner Eltern ausgesetzt gewesen sei, noch die Bemühungen um Wohnraum möglich und zumutbar gewesen wären.

Der Kläger beantragt,

die Beklagte wird unter Aufhebung des Bescheides vom 29.1.2009 in der Fassung der Änderungsbescheide vom 30.3.2009, 30.6.2009 und 15.7.2009, diese in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 25.8.2009 verpflichtet, die Unterkunftskosten für die Zeit vom 1.2.2009 bis zum 31.5.2009 in Höhe von 256,50 EUR und nicht nur in Höhe von 217,50 EUR zu übernehmen. Die Beklagte wird unter Aufhebung des Bescheides vom 27.2.2009 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25.8.2009 verpflichtet, Unterkunftskosten für die Zeit vom 1.9.2008 bis zum 31.1.2009 in Höhe von 256,50 EUR und nicht nur in Höhe von 217,50 EUR zu übernehmen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hält die getroffenen Entscheidungen für rechtmäßig.

Das Gericht hat mit Beschluss vom 6.7.2011 das Verfahren hinsichtlich der gleichzeitig geltend gemachten Renovierungskosten und Umzugskosten getrennt. Das Gericht hat Beweis erhoben durch Vernehmung der Zeugin R. R.; auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 11.5.2012 wird Bezug genommen. Wegen des weiteren Sach- und Streitstandes wird Bezug genommen auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie der beigezogenen Verwaltungsakte der Beklagten, der jeweils Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Klage ist begründet.

Der Bescheid der Beklagten vom 29.1.2009 in der Fassung des Änderungsbescheides vom 30.3.2009 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25.8.2009 ist rechtswidrig, soweit damit im Rahmen der Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II die Kosten der Unterkunft nur in Höhe von 217,50 EUR, und nicht in tatsächlicher Höhe von 256,50 EUR bewilligt wurden und beschwert damit den Kläger im Sinne des § 54 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz. Der Bescheid der Beklagten vom 27.2.2009 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25.8.2009 ist rechtswidrig und beschwert den Kläger im Sinne des § 54 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz, weil die Beklagte bei Erlass der Bescheide vom 11.8.2008 bzw. des Änderungsbescheides vom 18.11.2008 gemäß § 44 SGB X von einem unrichtigen Sachverhalt ausgegangen ist bzw. das Recht unrichtig angewandt hat und deshalb Sozialleistungen, nämlich Kosten der Unterkunft in tatsächlicher Höhe von 256,50 EUR, zu Unrecht nicht erbracht hat, weshalb die Bescheide mit Wirkung für die Vergangenheit zu ändern sind.

Der gemäß § 7 Abs. 1 Satz 1 in Verbindung mit § 19 Satz 1 SGB II grundsätzlich Leistungsberechtigte Kläger hat gemäß § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II Anspruch auf Leistungen für Unterkunft und Heizung in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen, soweit diese angemessen sind. Gemäß § 22 Abs. 1 Satz 3 SGB II sind die Aufwendungen für Leistungen für Unterkunft und Heizung, soweit sie den der Besonderheit des Einzelfalls angemessenen Umfang übersteigen, als Bedarf des alleinstehenden Hilfebedürftigen so lange zu berücksichtigen, wie es ihm nicht möglich ist oder nicht zuzumuten ist, durch einen Wohnungswechsel, durch Vermieten oder in anderer Weise die Aufwendungen zu senken, in der Regel jedoch für längstens 6 Monate.

Unter diesen Voraussetzungen hat die Beklagte dem Kläger zu Unrecht nur die in der Stadt E. grundsätzlich angemessenen Kosten der Unterkunft gewährt. Zwar geht die Beklagte zu Recht davon aus, dass insoweit 217,50 EUR bei einer angemessenen Wohnungsgröße von 45 m² und einem zugrunde gelegten Quadratmeter-Preis von 4,83 EUR grundsätzlich angemessen sind (vgl. BSG, Urteil vom 17.12.2009, Az.: B 4 AS 27/09 R). Nach der Mitteilung des Vermieters vom 18.12.2008 betrug der Mietzins für den streitgegenständlichen Zeitraum 256,50 EUR. Nach dem Vorstehenden sind die tatsächlichen Unterkunftskosten insoweit nicht im Sinne des § 22 Abs. 1 SGB II angemessen.

Da die tatsächliche Miete höher ist als die angemessene Referenzmiete, kommt die Erstattung der tatsächlichen Aufwendungen in Betracht, wenn der Kläger nicht in der Lage war, eine angemessene Wohnung anzumieten. So verhält es sich hier, weil es dem Kläger im Sinne des § 22 Absatz 1 Satz 3 SGB II subjektiv nicht zumutbar war, durch einen Wohnungswechsel die Kosten der Unterkunft zu senken. Im vorliegenden Fall liegt zur Überzeugung der Kammer ein entsprechend der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts zu berücksichtigender Ausnahmefall (vgl. hierzu BSG, Urteil vom 19.2.2009, Az.: B 4 AS 30/08 R) vor, weil der Kläger seine pflegebedürftigen und auf umfassende Unterstützung angewiesenen Eltern, die in unmittelbarer Nähe des Klägers wohnten, versorgen musste. Dies steht zur Überzeugung der Kammer aufgrund der Aussagen des Klägers, der in der Verwaltungsakte aktenkundigen Atteste der behandelnden Ärzte der Eltern des Klägers, insbesondere aber auch vor dem Hintergrund der Zeugenaussage der Schwester des Klägers fest. Die schwerkranken Eltern des Klägers waren auf seine Unterstützung angewiesen, insbesondere darauf, dass der Kläger kurzfristig und ohne weitere Verzögerung in der Lage war, zu Ihnen zu kommen. Dies war erforderlich, weil die Eltern im Rollstuhl saßen und Hilfe bei den täglichen Verrichtungen (Toilettengänge, Körperpflege usw.) benötigten, diese Hilfe vor allen Dingen auch angefordert haben, indem sie den Kläger häufig anriefen und zurück in ihre Wohnung baten. Hinzu kommt, dass sich der Gesundheitszustand insbesondere der Mutter des Klägers im Jahre 2008 immer weiter verschlechtert hatte. Dies ergibt sich schon daraus, dass ab Dezember 2008 die Mutter die Pflegestufe III hatte. Insbesondere im Zusammenhang mit der schweren Erkrankung des Vaters des Klägers war es zur Überzeugung der Kammer im gesamten Kalenderjahr 2008 unumgänglich, dass der Kläger die unmittelbare räumliche Nähe (5 min Fußweg) zu seinen Eltern aufrecht erhielt. Die Alternative wäre offensichtlich nur gewesen, die Eltern in ein Pflegeheim zu übergeben. Denn die Geschwister des Klägers, so auch die in der mündlichen Verhandlung gehörte Zeugin, waren offenbar weder in der Lage, noch bereit, die umfassende Pflege zu übernehmen. So hat die Zeugin überzeugend ausgeführt, dass, wenn der Kläger beispielsweise mehrere Monate aufgrund von Krankheit die Pflege nicht hätte vornehmen können, die Eltern ins Pflegeheim gemusst hätten, weil nur kurzfristige Aushilfe nicht gereicht hätte, die erforderlichen Verrichtungen für die Eltern auszuführen, abgesehen davon, dass die Zeugin ebenso wie die anderen Geschwister nicht in unmittelbarer Nähe wohnten und auch nicht in der Lage gewesen wären für den Fall, dass der Vater beispielsweise erneut hin gefallen wäre, was nach Aussage des Klägers häufiger passierte, kurzfristig in die Wohnung der Eltern zu gelangen.

Die Kammer geht aus den genannten Gründen davon aus, dass es dem Kläger subjektiv nicht zumutbar war, umzuziehen. Dabei kann auch der Rechtsgedanke des § 10 Abs.1 Nr.4 SGB II herangezogen werden, wonach dem erwerbsfähigen Hilfebedürftigen jede Arbeit zumutbar ist, es sei denn, dass die Ausübung der Arbeit mit der Pflege eines Angehörigen nicht vereinbar wäre und die Pflege nicht auf andere Weise sichergestellt werden kann. Ohne entscheiden zu müssen, ob dies im Hinblick auf eine etwaige Arbeit hier zutrifft, ist nach den Feststellungen der Kammer doch davon auszugehen, dass der Kläger im Sinne der Vorschrift in die Pflege seiner Eltern zwingend eingebunden war und diese nicht auf angemessene andere Weise, insbesondere nicht durch nahe Verwandte, sichergestellt werden konnte.

Nachdem die Mutter im Januar 2009 gestorben war und der Vater in die Obhut eines Pflegeheims übergeben worden war, änderte sich dies. Nunmehr war der Kläger verpflichtet, angemessenen Wohnraum zu suchen und seine Kosten zu senken. Dabei mussten ihm insoweit sechs Monate gemäß § 22 Abs. 1 Satz 3 SGB II ein geräumt werden. Diese Frist hat der Kläger nicht überschritten, er hat sich in dieser Zeit intensiv um Wohnraum bemüht und ist zum 1.6.2009 in entsprechend angemessenen Wohnraum umgezogen.

Entsprechend wird die Beklagte insgesamt weitere 351,00 EUR an den Kläger zu zahlen haben.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 183, 193 SGG.

Anlass die Berufung zuzulassen, bestand nicht, weil die Voraussetzungen nicht vorliegen. Weder hat die Rechtsache grundsätzliche Bedeutung, noch weicht das Urteil von einer Entscheidung eines oberen Gerichtes ab.
Rechtskraft
Aus
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