L 7 AS 138/13 B

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
7
1. Instanz
SG Düsseldorf (NRW)
Aktenzeichen
S 19 AS 3511/12
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 7 AS 138/13 B
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen Az.: L 7 AS 138/13 B Az.: S 19 AS 3511/12 SG Düsseldorf Beschluss In dem Beschwerdeverfahren Auf die Beschwerde des Klägers wird der Beschluss des Sozialgerichts Düsseldorf vom 03.01.2013 geändert. Dem Kläger wird für das Klageverfahren vor dem Sozialgericht Düsseldorf ratenfreie Prozesskostenhilfe bewilligt und Rechtsanwalt Theisen aus Düsseldorf beigeordnet. Kosten sind im Beschwerdeverfahren nicht zu erstatten.

Gründe:

Die zulässige Beschwerde des Klägers ist begründet. Das Sozialgericht (SG) Düsseldorf hat seinen Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe und Beiordnung seines Prozessbevollmächtigten für die gegen den Bescheid vom 12.07.2012 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 09.10.2012 gerichtete Klage, mit der der Kläger die Übernahme der Kosten für die Anschaffung einer Brille in Höhe von 358,- Euro als Zuschuss statt als Darlehen geltend macht, zu Unrecht abgelehnt.

Nach § 73 a Abs. 1 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) in Verbindung mit §§ 114 Satz 1, 115 Zivilprozessordnung (ZPO) erhält ein Beteiligter, der nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, auf Antrag Prozesskostenhilfe, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. Eine hinreichende Erfolgsaussicht besteht dann, wenn der Antragsteller - bei summarischer Prüfung - in der Hauptsache möglicherweise obsiegen wird. Dabei dürfen die Anforderungen an die Erfolgsaussichten jedoch nicht überspannt werden (vgl. BVerfGE 81, 347 (356 ff.)). Hinreichende Erfolgsaussichten sind grundsätzlich zu bejahen, wenn die Entscheidung in der Hauptsache von einer schwierigen, bisher ungeklärten Rechtsfrage abhängt (BVerfG a.a.O.) oder wenn von Amts wegen weitere Ermittlungen durchzuführen sind, bevor die streiterheblichen Fragen abschließend beantwortet werden können, und keine konkreten und nachvollziehbaren Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass die Ermittlungen mit großer Wahrscheinlichkeit zum Nachteil des Antragstellers ausgehen würden (vgl. BVerfG, Beschl. der 1. Kammer des Ersten Senats vom 20.02.2001 - 1 BvR 1450/00 -, juris Rn. 12).

Nach diesen Grundsätzen kann der Klage eine hinreichende Aussicht auf Erfolg nicht abgesprochen werden.

Um zu klären, ob die Kosten für die Anschaffung der Brille des Klägers auf Grundlages des § 21 Abs. 6 Zweites Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) als Zuschuss von dem Beklagten übernommen werden können, sind weitere Ermittlungen erforderlich. Nach § 21 Abs. 6 SGB II können grundsätzlich nur solche Bedarfe berücksichtigt werden, die einen laufenden und im Unterschied zu der darlehensweisen Leistungsgewährung im Anwendungsbereich des § 24 SGB II nicht nur einmaligen Bedarf darstellen.

Mit dem Sozialgericht Düsseldorf ist davon auszugehen, dass es sich bei der Anschaffung einer zum Ausgleich einer Sehschwäche erforderlichen Brille regelmäßig um einen solchen einmaligen Bedarf handelt, so dass grundsätzlich nur eine darlehensweise Kostenübernahme möglich ist. Etwas anders kann jedoch dann gelten, wenn aufgrund der besonderen Sachlage, beispielsweise aufgrund der bestehenden Erkrankungen, nicht ausgeschlossen werden kann, dass es sich bei der Anschaffung der Brille um einen regelmäßig wiederkehrenden Sonderbedarf handelt.

Der Kläger verweist im vorliegenden Fall auf eine chronische Augenerkrankung (chronische Bindehautentzündung, Hornhautdistrophie, Linseneintrübung und Hornhauterosion im linken Auge), und trägt vor, dass diese zu einer kontinuierlichen Verschlechterung des Sehvermögens führen würden, so dass die Anpassung der Sehschärfe immer wiederkehrend erforderlich sei.

In der Gesetzesbegründung zu § 21 Abs. 6 SGB II wird hinsichtlich des laufenden Bedarfs ausgeführt, dass es sich um einen "regelmäßig wiederkehrenden, dauerhaften, längerfristigen" Bedarf handeln müsse. Da § 21 Abs. 6 SGB II und die Darlehensregelung des § 24 Abs. 1 SGB II in ihrer Gesamtschau sicherstellen müssen, dass kein atypischer oder besonderer Bedarf ungedeckt bleibt, dient das Tatbestandsmerkmal des "laufenden Bedarfs" der Abgrenzung zum einmaligen Bedarf und ist weit auszulegen (Behrend in: Juris PK § 21 SGB II Rn 81 ff). Ein laufender Bedarf liegt jedenfalls dann vor, wenn der besondere Bedarf im angenommenen Bewilligungsabschnitt nicht nur einmalig, sondern bei prognostischer Betrachtung voraussichtlich mehrfach auftritt. Unter Berücksichtigung der jeweiligen Eigenart des Bedarfs kann ein laufender Bedarf aber auch angenommen werden, wenn er zwar häufiger auftritt, nicht jedoch zwingend in jedem Bewilligungsabschnitt gegeben ist und wegen der Höhe der damit verbundenen Aufwendungen nicht über die Darlehensregelung des § 24 Abs. 1 SGB II erfasst werden kann (Behrend in: Juris PK § 21 SGB II Rn 81 ff).

Zur Klärung des Sachverhaltes sind daher weitere Ermittlungen - beispielsweise die Einholung eines Befundberichtes des behandelnden Arztes des Klägers - erforderlich. Denn es ist jedenfalls nicht ausgeschlossen, dass der Kläger aufgrund der behaupteten chronischen Augenerkrankungen öfter als andere, auf die Verwendung einer Sehhilfe angewiesene Personen, zur Neuanschaffung einer Brille bzw. Anpassung der Sehschärfe gezwungen ist. Auch wird zu klären sein, ob und unter welchen Voraussetzung eine Kostenbeteiligung der Krankenversicherung an den Anschaffungskosten möglich ist.

Zwar spricht der Umstand, dass die letzte Brille des Klägers bereits im Jahr 2008 angeschafft worden ist und bei einem Sehverlust, der erst nach Ablauf von vier Jahren zu einer Korrektur der Sehstärke führt, nicht von einer "regelmäßig widerkehrenden Bedarfslage" ausgegangen werden kann dafür, dass die darlehensweise Leistungsgewährung durch den Beklagten der Sach- und Rechtslage entspricht. Dieses Ergebnis steht jedoch mit hinreichender Sicherheit erst nach Durchführung weiterer Ermittlungen fest.

Die Beiordnung des Prozessbevollmächtigten der Klägerin folgt aus § 73a Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. § 121 Abs. 2 ZPO.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht erstattungsfähig (§ 73a SGG i.V.m. § 127 Abs. 4 ZPO).

Dieser Beschluss ist unanfechtbar, § 177 SGG.

Schumacher Redenbach-Grund Oh
Rechtskraft
Aus
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