L 11 AS 479/13 NZB

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
11
1. Instanz
SG Würzburg (FSB)
Aktenzeichen
S 13 AS 759/12
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 11 AS 479/13 NZB
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Leitsätze
Untermietvertrag zum Nachteil des Jobcenters kann sittenwidrig sein, wobei auf Inhalt, Beweggrund und Zweck der getroffenen Vereinbarung abzustellen ist.
I. Die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Berufung im Urteil des Sozialgerichts Würzburg vom 03.07.2013 - S 13 AS 759/12 - wird zurückgewiesen.

II. Der Beklagte hat die außergerichtlichen Kosten des Klägers zu tragen.



Gründe:


I.

Streitig ist die Höhe der vom Beklagten im Rahmen der Leistung zur Sicherung des Lebensunterhaltes (Arbeitslosengeld II - Alg II -) gemäß dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) für die Zeit vom 01.06.2012 bis 30.11.2012 zu zahlenden Unterkunfts- und Heizungskosten.

Der Kläger bewohnt als Untermieter seit 01.06.2012 zwei Zimmer einer Vierzimmerwohnung und zahlt lt. dem Untermietvertrag vom 31.05.2012 250,00 EUR Kaltmiete sowie 70,00 EUR Wärme- und Betriebskosten. Für die Gesamtwohnung fallen lt. Mietvertrag 400,00 EUR Mietkosten und 140,00 EUR Nebenkosten an. Auf seinen Antrag auf Alg II für die Zeit ab 01.06.2012 bewilligte der Beklagte mit Bescheid vom 20.06.2012 idF des Bescheides vom 27.06.2012 Alg II für die Zeit vom 01.06.2012 bis 30.11.2012 in Höhe von insgesamt 644,00 EUR (374,00 EUR Regelbedarf und 270,00 EUR Unterkunfts- und Heizungskosten). Es sei lediglich die Hälfte der Gesamtmiete zu übernehmen, denn es sei, nachdem der Kläger den Zutritt zur Wohnung nicht gestattet habe, davon auszugehen, dass es sich bei dem Untermietvertrag um einen Vertrag zu Lasten der Allgemeinheit handle. Den hiergegen eingelegten Widerspruch wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 29.10.2012 zurück. Der Kläger zahle einen höheren Anteil an der Gesamtmiete, obwohl er lediglich ca. die Hälfte der Gesamtwohnfläche nutzen dürfe.

Auf die dagegen erhobene Klage hat das Sozialgericht Würzburg mit Urteil vom 03.07.2013 den Beklagten "verpflichtet", für die Zeit vom 01.06.2012 bis 30.11.2012 monatlich um 50,00 EUR höhere Unterkunftskosten zu zahlen. Eine Bedarfsgemeinschaft zwischen dem Kläger und seiner Untervermieterin bestehe nicht. Ein Vertrag zu Lasten Dritter bzw. ein sittenwidriges Rechtsgeschäft gemäß § 138 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) liege auch nicht vor. Das Verhältnis der jeweils zu zahlenden Mietanteile im Verhältnis zur genutzten Wohnfläche lasse eine Sittenwidrigkeit nicht erkennen. Die vom Kläger zu zahlenden Unterkunftskosten lägen nicht oberhalb der Mietobergrenze des Beklagten. Die Berufung hat das SG nicht zugelassen.

Dagegen hat der Beklagte Nichtzulassungsbeschwerde zum Bayer. Landessozialgericht (LSG) erhoben. Die Berufung sei zuzulassen, denn es handle sich um eine Rechtssache von grundsätzlicher Bedeutung. Einschlägige Rechtsprechung zum vorliegenden Sach- verhalt gebe es nicht. Es bestehe die Gefahr, dass bei Anmietung von günstigen Wohnraum der überwiegende Anteil der Miete durch einen Untermietvertrag auf leistungsbeziehende Personen umgelegt werde und der Hauptmieter sich zu Lasten der Allgemeinheit von einem Großteil bzw. von der gesamten Mietzahlung befreie.

Zur Ergänzung des Tatbestandes wird auf die beigezogenen Akten des Beklagten sowie die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz Bezug genommen.

II.

Die vom Kläger fristgerecht eingelegte Nichtzulassungsbeschwerde ist gemäß § 145 Abs 1 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zulässig, sachlich aber nicht begründet. Es gibt keinen Grund, die gemäß § 144 Abs 1 Satz 1 Nr 1 SGG wegen des Wertes des Beschwerdegegenstandes ausgeschlossene Berufung zuzulassen. Der Beschwerdewert wird nicht erreicht. Auch sind nicht wiederkehrende oder laufende Leistungen für mehr als ein Jahr betroffen (§ 144 Abs 1 Satz 2 SGG).

Nach § 144 Abs 2 SGG ist die Berufung zuzulassen, wenn die Rechtsache grundsätzliche Bedeutung hat (Nr 1), das Urteil von einer Entscheidung des Landessozialgerichts, des Bundessozialgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgericht abweicht und auf dieser Abweichung beruht (Nr 2) oder ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann (Nr 3).

Die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache ist gegeben, wenn die Streitsache eine bisher nicht geklärte Rechtsfrage abstrakter Art aufwirft, deren Klärung im allgemeinen Interesse liegt, um die Rechtseinheit zu erhalten und die Weiterentwicklung des Rechts zu fördern, wobei ein Individualinteresse nicht genügt (Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/ Leitherer, SGG, 10.Aufl, § 144 RdNr 28). Klärungsbedürftig ist eine Rechtsfrage, die sich nach der Gesetzeslage und dem Stand der Rechtsprechung und Literatur nicht ohne Weiteres beantworten lässt. Nicht klärungsbedürftig ist eine Rechtsfrage, wenn die Antwort auf sie so gut wie unbestritten ist (BSG SozR 1500 § 160 Nr 17) oder praktisch von vornherein außer Zweifel steht (BSG SozR 1500 § 160a Nr 4).

Vom Beklagten wird lediglich eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache geltend gemacht. Er sieht vorliegend in dem geschlossenen Untermietvertrag einen Vertrag zu Lasten Dritter (hier: der Allgemeinheit). Es handelt sich bei dem Untermietvertrag jedoch nicht um einen Vertrag zu Lasten Dritter, denn die Auswirkung auf die Leistungshöhe nach dem SGB II stellt nur einen Reflex des Untermietvertrages dar. Die Frage, ob eine solche Vereinbarung gegen die guten Sitten iS des § 138 BGB verstößt, ist im Rahmen einer Einzelfallentscheidung unter Berücksichtigung der jeweils vorliegenden Umstände zu klären. Bei dieser ist darauf abzustellen, dass Rechtsgeschäfte, die nach Inhalt, Zweck und Beweggrund in erster Linie darauf angelegt sind, Vermögensverhältnisse zum Schaden der Sozialhilfeträger bzw. Träger der Leistung nach dem SGB II und damit auf Kosten der Allgemeinheit zu regeln, gegen die guten Sitten iS von § 138 BGB verstoßen, wenn nicht besondere Rechtfertigungsgründe vorliegen (vgl. LSG Baden Württemberg, Beschluss vom 08.02.2011 - L 11 AS 4387/10 - veröffentlicht in juris). Entscheidend kommt es auf den aus dem Zusammenhang von Inhalt, Beweggrund und Zweck zu entnehmenden Gesamtcharakter der Vereinbarung an (vgl. hierzu BGH, Urteil vom 08.12.1982 - IV b ZR 333/81 - veröffentlicht in juris). Eine grundsätzliche Bedeutung ist daher nicht gegeben.

Nach alledem war die erhobene Nichtzulassungsbeschwerde mit der Folge zurückzuweisen, dass das Urteil des SG rechtskräftig ist (§ 145 Abs 4 Satz 4 SGG).

Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
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