Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
13
1. Instanz
SG Karlsruhe (BWB)
Aktenzeichen
S 12 AS 2948/12
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 13 AS 4917/12 B
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Leitsätze
Ein Antragsteller, der über § 40 Abs. 1 Satz 1, Satz 2 SGB II i. V. m. § 44 SGB X keine Leistungen mehr erhalten kann, hat regelmäßig kein rechtliches Interesse an der Rücknahme eines Bescheides. Die Unwanwendbarkeit der "Vollzugsregelung des § 44 SGB X" steht dann einer isolierten Rücknahme entgegen.
Verfassungsrechliche Bedenken gegen § 40 Abs. 1 Satz 2 SGB II bestehen nicht.
Auch wenn die Versäumung der Frist des § 40 Abs. 1 Satz 2 i. V. m. § 44 Abs 4 SGB X auf einem Fehlverhalten der Verwaltung beruht, kann ein sozialrechtlicher Herstellungsanspruch nicht zu einer mehr als vier Jahre rückwirkenden nachträglichen Leistungsgewährung führen.
Verfassungsrechliche Bedenken gegen § 40 Abs. 1 Satz 2 SGB II bestehen nicht.
Auch wenn die Versäumung der Frist des § 40 Abs. 1 Satz 2 i. V. m. § 44 Abs 4 SGB X auf einem Fehlverhalten der Verwaltung beruht, kann ein sozialrechtlicher Herstellungsanspruch nicht zu einer mehr als vier Jahre rückwirkenden nachträglichen Leistungsgewährung führen.
Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Sozialgerichts Karlsruhe vom 11. Oktober 2012 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Gründe:
Der Senat weist die zulässige Beschwerde aus den zutreffenden Gründen der angefochtenen Entscheidung zurück (§ 142 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz [SGG]), da das Sozialgericht Karlsruhe (SG) zu Recht die Gewährung von Prozesskostenhilfe für das Verfahren S 12 AS 2948/12 mangels hinreichender Aussicht auf Erfolg (§ 73a Abs. 1 SGG i.V.m. § 114 Zivilprozessordnung [ZPO]) abgelehnt hat.
Die Beklagte hat zu Recht die Gewährung höherer Leistungen für die Zeit vom 1. August 2009 bis zum 31. Januar 2010 abgelehnt. Anspruchsgrundlage für das Überprüfungsbegehren des Klägers ist § 40 Abs. 1 Satz 1 Zweites Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) i. V. m. § 44 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X). Nach § 44 Abs. 1 Satz 1 SGB X ist ein Verwaltungsakt, soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei seinem Erlass das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist, und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht oder Beiträge zu Unrecht erhoben worden sind, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen. Gemäß § 44 Abs. 3 Halbsatz 1 SGB X entscheidet über die Rücknahme nach Unanfechtbarkeit des Verwaltungsaktes die zuständige Behörde. Eine Frist, innerhalb derer ein Antrag auf Überprüfung eines Verwaltungsaktes zu stellen ist, ergibt sich weder aus § 44 SGB X noch aus § 40 SGB II. Eine Frist hinsichtlich der Nachzahlung der Leistung folgt aber aus § 44 Abs. 4 Satz 1 SGB X. Danach werden, wenn ein Verwaltungsakt mit Wirkung für die Vergangenheit zurückgenommen worden ist, Sozialleistungen nach den Vorschriften der besonderen Teile dieses Gesetzbuches längstens für einen Zeitraum bis zu vier Jahren vor der Rücknahme erbracht. Diese Frist ist für das Grundsicherungsrecht in § 40 Abs. 1 Satz 2 SGB II in der seit 1. April 2011 geltenden Fassung (vgl. Artikel 2 Nr. 32 des Gesetzes vom 24. März 2011 [BGBl. I S. 453]) modifiziert. Danach gilt § 44 Abs. 4 Satz 1 SGB X mit der Maßgabe, dass anstelle des Zeitraums von vier Jahren ein Zeitraum von einem Jahr tritt. Beide Regelungen betreffen aber nicht eine Frist zur Antragstellung, sondern zur Nachzahlung einer Leistung. Für die Jahresfrist aus § 40 Abs. 1 Satz 2 SGB II ist grundsätzlich der Zeitpunkt maßgebend, zu dem der zur Überprüfung gestellte Bescheid zurückgenommen wird. Gemäß § 44 Abs. 4 Satz 2 SGB X wird der Zeitpunkt der Rücknahme vom Beginn des Jahres an gerechnet, in dem der Verwaltungsakt zurückgenommen wird. Wenn – wie vorliegend möglich – die Rücknahme auf Antrag erfolgt, tritt gemäß § 44 Abs. 4 Satz 3 SGB X bei der Berechnung des Zeitraumes, für den rückwirkend Leistungen zu erbringen sind, an die Stelle der Rücknahme der Antrag. Der Kläger hat ausweislich der vorliegenden Verwaltungsakten den Antrag auf Überprüfung des Bescheides vom 23. September 2009 mit bei der Beklagten am 29. Mai 2012 eingegangen Schriftsatz vom 25. Mai 2012 gestellt. Wegen des Antrags des Klägers vom 29. Mai 2012 wird die Nachzahlungsfrist vom 1. Januar 2012 an gerechnet; die Jahresfrist für eine mögliche Nachzahlung reicht damit bis zum 1. Januar 2011 zurück. Der Bewilligungsabschnitt vom 1. August 2009 bis zum 31. Januar 2010 wird damit vollständig von der Ausschlussfrist erfasst, mit der Folge, dass eine Nachzahlung von Leistungen für den streitigen Zeitraum nicht in Betracht kommt. Einer Entscheidung darüber, ob dem Kläger im streitigen Bewilligungsabschnitt Leistungen zu Unrecht vorenthalten worden sind und insoweit ergangene Bescheide rechtswidrig waren, bedarf es nicht. § 44 Abs. 1 SGB X zielt im Ergebnis auf die Ersetzung des rechtswidrigen Verwaltungsakts, mit dem eine (höhere) Leistung zu Unrecht abgelehnt wurde, durch einen die (höhere) Leistung gewährenden Verwaltungsakt ab. Einem Antragsteller, der über § 44 SGB X keine Leistungen für die Vergangenheit mehr erhalten kann, ist regelmäßig kein rechtliches Interesse an der Rücknahme im Sinne von § 44 SGB X zuzubilligen. Die Unanwendbarkeit der "Vollzugsregelung des § 44 SGB X" steht dann einer isolierten Rücknahme entgegen (BSG, Urteil vom 26. Juni 2013 - B 7 AY 6/12 R; Urteil vom 6. März 1991 - 9b RAr 7/90 zit. jeweils nach Juris)
Die durch den Kläger vorgetragenen verfassungsrechtlichen Bedenken gegen die Neufassung des § 40 SGB II haben kein derartiges Gewicht, dass sie eine hinreichende Erfolgsaussicht begründen könnten. § 40 Abs. 1 Satz 2 SGB II zielt auf einen Ausgleich zwischen dem Restitutionsgedanken und dem Primat materieller Rechtsverwirklichung einerseits (vgl. dazu BSG, Urteil vom 1. Juni 2010 – B 4 AS 78/09 R, Juris Rdnr. 16 bis 19) und dem Gegenwärtigkeitsprinzip andererseits. Die Neufassung bringt nach der Gesetzesbegründung das im Sozialhilferecht anerkannte Gegenwärtigkeits- oder Aktualitätsprinzip auch im SGB II zur Geltung und betont, dass die Leistungen nach dem SGB II der Beseitigung einer aktuellen Hilfebedürftigkeit dienen (Aubel jurisPK-SGB II, § 40 Rdnr. 22). Nach der Gesetzesbegründung ist die Vierjahresfrist für bedarfsabhängige Leistungen – im Vergleich zu anderen Sozialleistungen (z.B. Sozialversicherungsleistungen) – zu lang (BT-Drs. 17/3404, S. 114 f.). Ebenso wie die Begrenzung der rückwirkenden Gewährung auf vier Jahre in § 44 Abs. 4 SGB X (BSG, Urteil vom 23. Juli 1986 - 1 RA 31/85, Juris Rdnr. 17 ff.) ist auch die kürzere Sonderregelung für die bedarfsabhängige Grundsicherung für Arbeitsuchende verfassungskonform. Das Grundrecht auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums aus Art. 1 Abs. 1 i.V.m. Art. 20 Abs. 1 GG verlangt nur die Gewährung von Leistungen, die zur gegenwärtigen Aufrechterhaltung eines menschenwürdigen Daseins erforderlich sind; die rückwirkende Korrektur im Verfahren nach § 44 SGB X stellt sich aus dieser Perspektive regelmäßig als Entschädigung und nicht als verfassungsrechtlich gebotene Bedarfsdeckung dar. Der Ausnahmefall eines gegenwärtigen Fortwirkens der Folgen einer rechtswidrigen und bestandskräftigen Ablehnung von Leistungen in der Vergangenheit dürfte bei einer Frist von einem Jahr allenfalls theoretisch konstruierbar sein (Hessisches LSG, Beschluss vom 15. Januar 2013 - L 6 AS 364/12 B, Juris). Auch Art. 3 Abs. 1 GG, Art. 19 Abs. 4 GG und Art. 20 Abs. 3 GG enthalten keine Verpflichtung der vollziehenden Gewalt, rechtswidrig belastende und rechtswidrig begünstigende Verwaltungsakte unbeschadet des Eintritts ihrer formellen Bestandskraft von Amts wegen oder auf Antrag des Adressaten aufzuheben oder abzuändern (Aubel a.a.O., Rdnr. 24 unter Hinweis auf BVerfG, Beschluss vom 27. Februar 2007 - 1 BvR 1982/01, Juris Rdnr. 33).
Die Klage hat auch unter dem Gesichtspunkt eines sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs keine hinreichende Erfolgsaussicht, denn für das in richterlicher Rechtsfortbildung entwickelte Rechtsinstitut des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs ist nur dort Raum, wo es an einer gesetzlichen Regelung fehlt (st. Rspr., u.a. BSG, Urteil vom 19. Oktober 2010 - B 14 AS 16/09 R, Juris, m.w.N.). Im Rahmen der Behandlung rechtswidriger Verwaltungsakte hat der Gesetzgeber den Betroffenen jedoch das Recht eingeräumt, die im SGG vorgesehenen Rechtsbehelfe/-mittel (u.a. Widerspruch und Klage) einzulegen bzw. - bei bestandskräftig gewordenen Bescheiden - einen Antrag nach § 44 SGB X zu stellen. Damit ist die Korrektur von Verwaltungsakten, welche die Rechte eines Betroffenen verletzen, grundsätzlich abschließend geregelt; auch bei einer auf einem Fehlverhalten der Verwaltung beruhenden Versäumung der Frist des § 44 SGB X i. V. m § 40 Abs. 1 Satz 2 SGB II kann dies nicht zu einer mehr als ein Jahr rückwirkenden Leistungsgewährung führen (BSG, Urteil vom 28. Januar 1999 - B 14 EG 6/98 B, Juris).
Das Schreiben des Bevollmächtigten vom 24. Januar 2011 stellt entgegen seiner Ansicht keinen Antrag nach § 44 SGB X dar, zumal das Berufungsverfahren L 7 AS 5268/10 - mit demselben Streitgegenstand - noch anhängig gewesen ist. Ein Überprüfungsantrag hinsichtlich der bereits angefochtenen Bescheide kann nicht entnommen werden.
Gemäß § 73a Abs. 1 S. 1 SGG in Verbindung mit § 127 Abs. 4 ZPO sind Kosten des Beschwerdeverfahrens nicht zu erstatten.
Diese Entscheidung kann nicht mit der Beschwerde angefochten werden (§ 177 SGG).
Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Gründe:
Der Senat weist die zulässige Beschwerde aus den zutreffenden Gründen der angefochtenen Entscheidung zurück (§ 142 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz [SGG]), da das Sozialgericht Karlsruhe (SG) zu Recht die Gewährung von Prozesskostenhilfe für das Verfahren S 12 AS 2948/12 mangels hinreichender Aussicht auf Erfolg (§ 73a Abs. 1 SGG i.V.m. § 114 Zivilprozessordnung [ZPO]) abgelehnt hat.
Die Beklagte hat zu Recht die Gewährung höherer Leistungen für die Zeit vom 1. August 2009 bis zum 31. Januar 2010 abgelehnt. Anspruchsgrundlage für das Überprüfungsbegehren des Klägers ist § 40 Abs. 1 Satz 1 Zweites Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) i. V. m. § 44 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X). Nach § 44 Abs. 1 Satz 1 SGB X ist ein Verwaltungsakt, soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei seinem Erlass das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist, und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht oder Beiträge zu Unrecht erhoben worden sind, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen. Gemäß § 44 Abs. 3 Halbsatz 1 SGB X entscheidet über die Rücknahme nach Unanfechtbarkeit des Verwaltungsaktes die zuständige Behörde. Eine Frist, innerhalb derer ein Antrag auf Überprüfung eines Verwaltungsaktes zu stellen ist, ergibt sich weder aus § 44 SGB X noch aus § 40 SGB II. Eine Frist hinsichtlich der Nachzahlung der Leistung folgt aber aus § 44 Abs. 4 Satz 1 SGB X. Danach werden, wenn ein Verwaltungsakt mit Wirkung für die Vergangenheit zurückgenommen worden ist, Sozialleistungen nach den Vorschriften der besonderen Teile dieses Gesetzbuches längstens für einen Zeitraum bis zu vier Jahren vor der Rücknahme erbracht. Diese Frist ist für das Grundsicherungsrecht in § 40 Abs. 1 Satz 2 SGB II in der seit 1. April 2011 geltenden Fassung (vgl. Artikel 2 Nr. 32 des Gesetzes vom 24. März 2011 [BGBl. I S. 453]) modifiziert. Danach gilt § 44 Abs. 4 Satz 1 SGB X mit der Maßgabe, dass anstelle des Zeitraums von vier Jahren ein Zeitraum von einem Jahr tritt. Beide Regelungen betreffen aber nicht eine Frist zur Antragstellung, sondern zur Nachzahlung einer Leistung. Für die Jahresfrist aus § 40 Abs. 1 Satz 2 SGB II ist grundsätzlich der Zeitpunkt maßgebend, zu dem der zur Überprüfung gestellte Bescheid zurückgenommen wird. Gemäß § 44 Abs. 4 Satz 2 SGB X wird der Zeitpunkt der Rücknahme vom Beginn des Jahres an gerechnet, in dem der Verwaltungsakt zurückgenommen wird. Wenn – wie vorliegend möglich – die Rücknahme auf Antrag erfolgt, tritt gemäß § 44 Abs. 4 Satz 3 SGB X bei der Berechnung des Zeitraumes, für den rückwirkend Leistungen zu erbringen sind, an die Stelle der Rücknahme der Antrag. Der Kläger hat ausweislich der vorliegenden Verwaltungsakten den Antrag auf Überprüfung des Bescheides vom 23. September 2009 mit bei der Beklagten am 29. Mai 2012 eingegangen Schriftsatz vom 25. Mai 2012 gestellt. Wegen des Antrags des Klägers vom 29. Mai 2012 wird die Nachzahlungsfrist vom 1. Januar 2012 an gerechnet; die Jahresfrist für eine mögliche Nachzahlung reicht damit bis zum 1. Januar 2011 zurück. Der Bewilligungsabschnitt vom 1. August 2009 bis zum 31. Januar 2010 wird damit vollständig von der Ausschlussfrist erfasst, mit der Folge, dass eine Nachzahlung von Leistungen für den streitigen Zeitraum nicht in Betracht kommt. Einer Entscheidung darüber, ob dem Kläger im streitigen Bewilligungsabschnitt Leistungen zu Unrecht vorenthalten worden sind und insoweit ergangene Bescheide rechtswidrig waren, bedarf es nicht. § 44 Abs. 1 SGB X zielt im Ergebnis auf die Ersetzung des rechtswidrigen Verwaltungsakts, mit dem eine (höhere) Leistung zu Unrecht abgelehnt wurde, durch einen die (höhere) Leistung gewährenden Verwaltungsakt ab. Einem Antragsteller, der über § 44 SGB X keine Leistungen für die Vergangenheit mehr erhalten kann, ist regelmäßig kein rechtliches Interesse an der Rücknahme im Sinne von § 44 SGB X zuzubilligen. Die Unanwendbarkeit der "Vollzugsregelung des § 44 SGB X" steht dann einer isolierten Rücknahme entgegen (BSG, Urteil vom 26. Juni 2013 - B 7 AY 6/12 R; Urteil vom 6. März 1991 - 9b RAr 7/90 zit. jeweils nach Juris)
Die durch den Kläger vorgetragenen verfassungsrechtlichen Bedenken gegen die Neufassung des § 40 SGB II haben kein derartiges Gewicht, dass sie eine hinreichende Erfolgsaussicht begründen könnten. § 40 Abs. 1 Satz 2 SGB II zielt auf einen Ausgleich zwischen dem Restitutionsgedanken und dem Primat materieller Rechtsverwirklichung einerseits (vgl. dazu BSG, Urteil vom 1. Juni 2010 – B 4 AS 78/09 R, Juris Rdnr. 16 bis 19) und dem Gegenwärtigkeitsprinzip andererseits. Die Neufassung bringt nach der Gesetzesbegründung das im Sozialhilferecht anerkannte Gegenwärtigkeits- oder Aktualitätsprinzip auch im SGB II zur Geltung und betont, dass die Leistungen nach dem SGB II der Beseitigung einer aktuellen Hilfebedürftigkeit dienen (Aubel jurisPK-SGB II, § 40 Rdnr. 22). Nach der Gesetzesbegründung ist die Vierjahresfrist für bedarfsabhängige Leistungen – im Vergleich zu anderen Sozialleistungen (z.B. Sozialversicherungsleistungen) – zu lang (BT-Drs. 17/3404, S. 114 f.). Ebenso wie die Begrenzung der rückwirkenden Gewährung auf vier Jahre in § 44 Abs. 4 SGB X (BSG, Urteil vom 23. Juli 1986 - 1 RA 31/85, Juris Rdnr. 17 ff.) ist auch die kürzere Sonderregelung für die bedarfsabhängige Grundsicherung für Arbeitsuchende verfassungskonform. Das Grundrecht auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums aus Art. 1 Abs. 1 i.V.m. Art. 20 Abs. 1 GG verlangt nur die Gewährung von Leistungen, die zur gegenwärtigen Aufrechterhaltung eines menschenwürdigen Daseins erforderlich sind; die rückwirkende Korrektur im Verfahren nach § 44 SGB X stellt sich aus dieser Perspektive regelmäßig als Entschädigung und nicht als verfassungsrechtlich gebotene Bedarfsdeckung dar. Der Ausnahmefall eines gegenwärtigen Fortwirkens der Folgen einer rechtswidrigen und bestandskräftigen Ablehnung von Leistungen in der Vergangenheit dürfte bei einer Frist von einem Jahr allenfalls theoretisch konstruierbar sein (Hessisches LSG, Beschluss vom 15. Januar 2013 - L 6 AS 364/12 B, Juris). Auch Art. 3 Abs. 1 GG, Art. 19 Abs. 4 GG und Art. 20 Abs. 3 GG enthalten keine Verpflichtung der vollziehenden Gewalt, rechtswidrig belastende und rechtswidrig begünstigende Verwaltungsakte unbeschadet des Eintritts ihrer formellen Bestandskraft von Amts wegen oder auf Antrag des Adressaten aufzuheben oder abzuändern (Aubel a.a.O., Rdnr. 24 unter Hinweis auf BVerfG, Beschluss vom 27. Februar 2007 - 1 BvR 1982/01, Juris Rdnr. 33).
Die Klage hat auch unter dem Gesichtspunkt eines sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs keine hinreichende Erfolgsaussicht, denn für das in richterlicher Rechtsfortbildung entwickelte Rechtsinstitut des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs ist nur dort Raum, wo es an einer gesetzlichen Regelung fehlt (st. Rspr., u.a. BSG, Urteil vom 19. Oktober 2010 - B 14 AS 16/09 R, Juris, m.w.N.). Im Rahmen der Behandlung rechtswidriger Verwaltungsakte hat der Gesetzgeber den Betroffenen jedoch das Recht eingeräumt, die im SGG vorgesehenen Rechtsbehelfe/-mittel (u.a. Widerspruch und Klage) einzulegen bzw. - bei bestandskräftig gewordenen Bescheiden - einen Antrag nach § 44 SGB X zu stellen. Damit ist die Korrektur von Verwaltungsakten, welche die Rechte eines Betroffenen verletzen, grundsätzlich abschließend geregelt; auch bei einer auf einem Fehlverhalten der Verwaltung beruhenden Versäumung der Frist des § 44 SGB X i. V. m § 40 Abs. 1 Satz 2 SGB II kann dies nicht zu einer mehr als ein Jahr rückwirkenden Leistungsgewährung führen (BSG, Urteil vom 28. Januar 1999 - B 14 EG 6/98 B, Juris).
Das Schreiben des Bevollmächtigten vom 24. Januar 2011 stellt entgegen seiner Ansicht keinen Antrag nach § 44 SGB X dar, zumal das Berufungsverfahren L 7 AS 5268/10 - mit demselben Streitgegenstand - noch anhängig gewesen ist. Ein Überprüfungsantrag hinsichtlich der bereits angefochtenen Bescheide kann nicht entnommen werden.
Gemäß § 73a Abs. 1 S. 1 SGG in Verbindung mit § 127 Abs. 4 ZPO sind Kosten des Beschwerdeverfahrens nicht zu erstatten.
Diese Entscheidung kann nicht mit der Beschwerde angefochten werden (§ 177 SGG).
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