L 1 AS 4540/13 B

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
1
1. Instanz
SG Stuttgart (BWB)
Aktenzeichen
S 20 AS 5928/11
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 1 AS 4540/13 B
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Leitsätze
Beschlüsse, mit denen die Prozesskostenhilfe versagt wird, erlangen keine materielle Rechtskraft und schließen einen neuerlichen Antrag nicht aus (BVerfG, Beschluss vom 15.05.2007 - 1 BvR 2347/05 -, WM 2007, 1170). Das Rechtsschutzbedürfnis für eine – an sich zulässige – Wiederholung eines Prozesskostenhilfeantrages kann nur dann verneint werden, wenn das Recht zur wiederholten Stellung eines Antrages missbraucht wird.


L 1 AS 4540/13 B

S 20 AS 5928/11

Beschluss

Der 1. Senat des Landessozialgerichts Baden-Württemberg in Stuttgart hat durch Beschluss vom 18.11.2013 für Recht erkannt:
Die Beschwerde der Klägerin gegen den Beschluss des Sozialgerichts Stuttgart vom 12.09.2013 wird zurückgewiesen. Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten. Der Antrag, der Klägerin für das Beschwerdeverfahren Prozesskostenhilfe zu bewilligen, wird abgelehnt.

Gründe:

Die Beschwerde der Klägerin ist nach § 172 Abs. 1, 3 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthaft. Das Sozialgericht Stuttgart (SG) hat nicht die persönlichen und wirtschaftlichen Voraussetzungen für die Prozesskostenhilfe verneint, sondern die wiederholte Antragstellung als unzulässig angesehen. Die Beschwerde wurde auch form- und fristgerecht (§ 173 SGG) eingelegt. Sie ist daher zulässig, hat in der Sache aber keinen Erfolg. Denn das SG hat im Ergebnis die erneut beantragte Prozesskostenhilfe für die Klägerin zu Recht versagt.

Der wiederholte Prozesskostenhilfeantrag war jedoch entgegen der Ansicht des SG zulässig. Beschlüsse, mit denen die Prozesskostenhilfe versagt wird, erlangen keine materielle Rechtskraft und schließen einen neuerlichen Antrag nicht aus (BVerfG, Beschluss vom 15.05.2007 - 1 BvR 2347/05 -, WM 2007, 1170). Das Rechtsschutzbedürfnis für eine – an sich zulässige – Wiederholung eines Prozesskostenhilfeantrages kann nur dann verneint werden, wenn das Recht zur wiederholten Stellung eines Antrages missbraucht wird. Bei der Beurteilung der Missbräuchlichkeit kommt es auf die Umstände des Einzelfalls, insbesondere auf den oder die bereits gestellten Anträge und die vorgetragenen neuen Tatsachen und Beweismittel, an (vgl. BGH, Beschluss vom 16.12.2008 - VIII ZB 78/06 -, NJW 2009, 857, m.w.N.). Missbräuchlichkeit kann etwa angenommen werden, wenn der Antragsteller lediglich auf die bisherige Begründung verweist oder neue Tatsachen ersichtlich nur vorgeschützt sind und eine Änderung der bisherigen Beurteilung deshalb als von vornherein ausgeschlossen erscheint (BGH, a.a.O.). Dem entsprechend fehlt das Rechtsschutzbedürfnis dann nicht, wenn der Rechtssuchende gegenüber dem ursprünglichen Antrag neue Tatsachen oder neu entstandene rechtliche Gesichtspunkte vorbringt (vgl. OVG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 13.12.2012 - 2 O 128/12; BayVGH, Beschluss vom 03.12.2009 – 11 C 08.39 = juris, m.w.N.). Im Schriftsatz vom 09.09.2013, mit welchem das Prozesskostenhilfegesuch für die Klägerin wiederholt worden ist, wurde die Argumentation des SG in seinem Beschluss vom 30.11.2012 aufgegriffen und versucht, diese - in Anbetracht der vom SG angekündigten Entscheidung durch Gerichtsbescheid - zu entkräften. Zwar wurden hierbei keine gänzlich neuen Tatsachen geschildert. Allerdings hat die Klägerin eine eidesstaatliche Versicherung ihrer Mutter vorgelegt, in der diese den genauen Erstattungsbetrag - monatlich aufgeschlüsselt - darlegt. Ob dies im Rahmen eines Kostenerstattungsanspruchs für die Glaubhaftmachung der geltend gemachten Kosten genügt, ist im Hauptsacheverfahren zu klären. Ein rechtsmissbräuchliches Verhalten kann der Senat in diesem Fall jedenfalls nicht erkennen.

Der wiederholte Prozesskostenhilfeantrag hat aber in der Sache keinen Erfolg.

Nach § 73a SGG i.V.m. § 114 der Zivilprozessordnung (ZPO) erhält ein Beteiligter, der nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, auf Antrag Prozesskostenhilfe (PKH), wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. Hinreichende Erfolgsaussicht im Sinne des § 114 ZPO verlangt eine gewisse Erfolgswahrscheinlichkeit; dabei sind freilich keine überspannten Anforderungen zu stellen (ständige Rechtsprechung des Senats unter Hinweis auf Bundesverfassungsgericht (BVerfG) BVerfGE 81, 347, 357). Eine hinreichende Erfolgsaussicht der Rechtsverfolgung ist regelmäßig zu bejahen, wenn der Ausgang des Rechtsschutzverfahrens als offen zu bezeichnen ist. Dies gilt namentlich dann, wenn die Entscheidung in der Hauptsache von einer schwierigen, bislang nicht geklärten Rechtsfrage abhängt (vgl. BVerfG NJW 1997, 2102, 2103; Bundesgerichtshof NJW 1998, 1154; Bundesfinanzhof, Beschluss vom 27. November 1998 - VI B 120/98 (juris)) oder eine weitere Sachaufklärung, insbesondere durch Beweisaufnahme, ernsthaft in Betracht kommt (vgl BVerfG NJW-RR 2002, 1069; NJW 2003, 2976, 2977). Darüber hinaus soll die Prüfung der Erfolgsaussicht nicht dazu dienen, die Rechtsverfolgung selbst in das summarische Verfahren zu verlagern. Dieses Verfahren will den grundrechtlich garantierten Rechtsschutz nicht selbst bieten, sondern zugänglich machen (BVerfG, Kammerbeschluss vom 2. März 2000, 1 BvR 2224/98, NJW 2000, 2098).

Die Klage hat danach voraussichtlich keine Aussicht auf Erfolg. Dies hat das SG in seinem Beschluss vom 30.11.2012 ausführlich dargelegt. Zur Vermeidung von Wiederholungen nimmt der Senat hierauf ausdrücklich Bezug. Ergänzend weist er darauf hin, dass sich aus dem von der Klägerin vorgelegten Bildmaterial (Seite 70 bis 75 der SG-Akte) kein Hinweis für eine Gefahrenstelle ergibt, die ein (damals) zwölfjähriges Mädchen ohne eigene Gefährdung nicht hätte passieren können.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht erstattungsfähig (§ 73a SGG i.V.m. § 127 Abs. 4 ZPO).

Für das Beschwerdeverfahren ist - ebenso wie für das Bewilligungsverfahren selbst - keine Prozesskostenhilfe zu gewähren (ständige Rechtsprechung des Senats, vgl. nur Senatsbeschlüsse vom 05.09.2012 - L 1 AS 2466/12 PKH; 05.07.2011 - L 1 AS 1799/11 B; 14.06.2011, L 1 AS 1838/11 B; vgl. auch BGHZ 91, 311, 312; 159, 263 = juris Rn. 7 f.; BVerwG, Beschluss vom 22.08.1990 - 5 ER 640/90, JurBüro 1991, 570; Bayerisches LSG, Beschluss vom 28.11.2011 - L 11 AS 606/11 B PKH; Bayerischer Verwaltungsgerichtshof, Beschluss vom 15.03.2011 - 12 C 11.311 - juris m.w.N.; Kalthoener/Büttner/Wrobel-Sachs, Prozesskostenhilfe und Beratungshilfe, 4. Auflage, Rn. 906 und 158; Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, Kommentar zum SGG, 10. Auflage 2012, § 73a Rn. 2b; a.A. nur LSG Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 12.01.2012 - L 15 AS 305/11 B, JurBüro 2012, 314 = juris Rn. 18). Denn nach § 73a Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. § 114 Satz 1 ZPO kann Prozesskostenhilfe nur für die "Prozessführung" gewährt werden, worunter nur das eigentliche Streitverfahren, nicht aber das Bewilligungsverfahren bzw. das diesbezügliche Beschwerdeverfahren zu verstehen ist.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
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